Sven Perner: Ein Pathologe mit dem Mut für grenzüberschreitende

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Sven Perner: Ein Pathologe mit dem Mut für
grenzüberschreitende Forschung
Ursprünglich wollte der Tübinger Privatdozent Dr. med. Sven Perner weder Pathologe
werden noch in den USA arbeiten. Dass sich der Mediziner dennoch auf beide Abenteuer
eingelassen hat, wurde mit einer rasanten wissenschaftlichen Karriere belohnt. Mit seinen
Arbeiten hat Perner, der kürzlich mit dem neu geschaffenen „Württembergischen
Krebspreis“ ausgezeichnet wurde, inzwischen einen entscheidenden Beitrag zum
Verständnis der Prostatakarzinom-Entstehung geleistet. Die Identifizierung einer
tumorspezifischen Genfusion könnte aber auch für andere Krebsarten von
richtungsweisendem Charakter sein.
PD Dr. med. Sven Perner © privat
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„Pathologe wird man nicht - Pathologe bleibt man“, erklärt PD Dr. med. Sven Perner mit einem
Schmunzeln, wohl wissend, dass dieser Kalauer auch seinen eigenen Karriereweg treffend
umschreibt. Eigentlich wollte der gebürtige Ellwanger immer Chirurg werden. Gegen Ende des
Studiums an der Universität Ulm kamen ihm jedoch einige Zweifel, weshalb der
frischgebackene Mediziner sich nach dem Examen erst einmal für eine Tätigkeit in einem
Querschnittsfach entschied. „Die Zeit in der Pathologie sollte mir zur Neuorientierung dienen“,
so Perner, der dann jedoch rasch der besonderen Faszination dieses Faches erlag – und blieb.
Diese Entscheidung hat der 38-jährige Perner, der kürzlich mit dem erstmals verliehenen
"Württembergischen Krebspreis" für seine Arbeiten zur "Charakterisierung von
Gentranslokationen im Prostatakarzinom" ausgezeichnet wurde, nie bereut. „In kaum einem
anderen Fach lässt sich das Wissen aus der Krankenversorgung so unmittelbar in die
Forschung und wieder zurück in die Krankenversorgung transferieren wie in der Pathologie“,
so seine Begründung. Vor allem die kreative Arbeit im Labor begeisterte Perner, der über eine
Kooperation mit den Urologen am Universitätsklinikum Ulm den Zugang zu seinem heutigen
Forschungsgebiet fand. Dabei lernte der Nachwuchswissenschaftler auch den amerikanischen
Pathologen und Prostatakarzinomforscher Professor Dr. Mark Rubin kennen, der ihm bald
darauf eine Stelle in dessen Arbeitsgruppe an der Harvard Medical School in Boston offerierte.
Riskanter Karriereschritt
„Eigentlich wollte ich nie in die USA“, berichtet Perner, „aber in diesem Fall konnte ich einfach
nicht 'Nein' sagen.“ Ausgestattet mit einem Forschungsstipendium der Deutschen
Forschungsgemeinschaft (DFG) wagte er im Dezember 2004 den Sprung über den Großen
Teich: „Meine Familie ließ sich zu diesem Schritt überreden, trotz aller Risiken.“ Denn Perner –
verheiratet und Vater eines Sohnes - hatte damals weder den Facharzt noch eine
Rückkehrgarantie an seine Ulmer Arbeitsstätte in der Tasche.
Der Forschungsschwerpunkt in Rubins Labor war die Suche nach molekularen Biomarkern, die
eine Unterscheidung des therapiebedürftigen vom nicht-therapiebedürftigen Prostatakarzinom
möglich machen. „Der Großteil der betroffenen Männer hat eigentlich eine gute Prognose“, so
Perner. Die meisten Prostatakarzinome wachsen so langsam, dass sie auf die Lebenserwartung
des Einzelnen keinen Einfluss haben. Ein kleiner Prozentsatz der Prostatakarzinome verhält
sich jedoch äußerst aggressiv und zeigt einen tödlichen Verlauf. Die diagnostischen
Möglichkeiten, diese beiden Subtypen zu einem frühen Zeitpunkt voneinander zu
unterscheiden, sind bislang begrenzt. Im klinischen Alltag ist dies ein Dilemma, weil viele
Patienten einer Operation oder Bestrahlung unterzogen werden, die keiner Therapie bedurft
hätten, während andere mit einem aggressiven Tumor möglicherweise nicht voll austherapiert
werden.
Spektakuläre Forschung
Über die molekularen Mechanismen, die bei einem Prostatakarzinom zu einem aggressiven
Tumorwachstum führen, war lange Zeit kaum etwas bekannt. Das änderte sich schlagartig, als
im Sommer 2005 Rubin und seinen Mitarbeitern – darunter auch Perner - die Identifizierung
der TMPRSS2-ERG-Genfusion gelang. Hierbei kommt es zur Fusion des onkogenen
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Mikroskopisches Bild einer Prostatakarzinomdrüse nach Fluoreszenz in-situ Hybridisierung (FISH) zum Nachweis des
Rearrangements des ERG-Gens. © Perner
Transkriptionsfaktors ERG mit dem androgenregulierten Promotor des TMPRSS2-Gens. Bis
heute konnte dieses Ereignis ausschließlich im Prostatakarzinom nachgewiesen werden und
gilt somit als eine organ- und karzinomspezifische Veränderung, die mit einem aggressiven
Tumorverhalten assoziiert ist.
Die TMPRSS2-ERG-Genfusion stellt in der Krebsforschung eine der spektakulärsten
Entdeckungen der vergangenen Jahre dar. Lange Zeit gingen die Wissenschaftler davon aus,
dass derartige Genfusionen nur bei der Entstehung von Leukämien und anderen
hämatologischen Malignomen eine Rolle spielen. „Bei den epithelialen Tumoren rechnete man
diese chromosomalen Rearrangements eher zum unspezifischen Hintergrundrauschen in einer
Tumorzelle“, berichtet Perner. Die Identifikation der TMPRSS2-ERG-Genfusion beim
Prostatakarzinom hat quasi über Nacht auch bei anderen Krebsarten eine groß angelegte
Suche nach rekurrenten Genfusionen in Gang gesetzt. „Die Fusion eines organspezifischen
Promotors mit einem Onkogen könnte durchaus ein allgemeingültiges Prinzip bei der
Entstehung eines Tumors sein“, so Perner. Als jungem Post-Doc war ihm die bahnbrechende
Bedeutung dieser Ergebnisse erst gar nicht sofort bewusst – ganz im Gegensatz zu seinem
erfahrenen Mentor: „Rubin ahnte gleich, welchen Fisch wir da an Land gezogen hatten.“
Optimales Umfeld
In der Folgezeit erlebte Perner eine wissenschaftlich enorm spannende und fruchtbare Phase:
„Das ganze Labor hat damals sofort umgeschwenkt und sich voll auf die weitere
Charakterisierung dieses Genfusionsereignisses gestürzt.“ Zahlreiche hochkarätige
Veröffentlichungen waren der Lohn. Für Perner hatte sich das Abenteuer USA also binnen
kürzester Zeit bezahlt gemacht. Doch der Mediziner weiß auch, dass ein solcher
Forschungsaufenthalt kein Selbstläufer ist. „Ich war ein Stück weit auch zum richtigen
Zeitpunkt am richtigen Ort“, gibt Perner freimütig zu, der genügend Kollegen kennt, die dieses
Glück nicht hatten.
Nach vier Jahren entschied sich Perner schließlich zur Rückkehr nach Deutschland. Die
Aufnahme in das Emmy-Noether-Förderprogramm der DFG hatte ihm den Entschluss
erleichtert. „Dieses Programm lässt mir viele Freiheiten“, erklärt Perner, der am Institut für
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Perners Arbeitsgruppe am Institut für Pathologie am Universitätsklinikum Tübingen. © Perner
Pathologie des Universitätsklinikums Tübingen das richtige Umfeld für seine
wissenschaftlichen Arbeiten gefunden hat. Mit seiner zwölfköpfigen international besetzten
Arbeitsgruppe möchte er die TMPRSS2-ERG-Genfusion jetzt weiter charakterisieren und als
einen wichtigen Biomarker in der Diagnostik etablieren. Doch Perner denkt bereits einen
Schritt weiter: „Diese Genfusion, die zur Überexpression eines Wachstumsfaktors führt, könnte
auch ein idealer Angriffspunkt für zielgerichtete Therapien sein.“ Zudem möchte der Mediziner
unbedingt noch eine kleine Lücke in seinem beruflichen Lebenslauf schließen. Seine
Forschungsaktivitäten hatten Perner bisher stets davon abgehalten, die Facharztprüfung in
Pathologie abzulegen. Nächstes Jahr soll es nun endlich soweit sein – damit der Aufbruch zu
neuen Ufern zukünftig mit weniger Risiken behaftet ist.
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Fachbeitrag
13.09.2010
sb
BioRegio STERN
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Weitere Informationen
PD Dr. med. Sven Perner
Universitätsklinikum Tübingen
Institut für Pathologie
Comprehensive Cancer Center
Liebermeisterstr. 8
72076 Tübingen
Tel.: +49 (7071) 29-84926
Fax: +49 (7071) 29-2258
E-Mail: sven.perner1972(at)gmail.com
Universitätsklinikum Bonn, Institut für Pathologie, Arbeitsgruppe
Perner
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