SÜDWESTRUNDFUNK SWR2 Wissen – Manuskriptdienst Basalt – Gestein aus den Tiefen der Vulkane Autor: Konrad Lindner Redaktion: Detlef Clas Regie: Andrea Leclerque Sendung: Montag, 18. November 2013, 8:30 Uhr, SWR2 Wissen Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte auf CD von allen Sendungen der Redaktion SWR2 Wissen/Aula (Montag bis Sonntag 8.30 bis 9.00 Uhr) sind beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden für 12,50 € erhältlich. Bestellmöglichkeiten: 07221/929-26030 SWR 2 Wissen können Sie ab sofort auch als Live-Stream hören im SWR 2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/wissen.xml Manuskripte für E-Book-Reader E-Books, digitale Bücher, sind derzeit voll im Trend. 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[Dazu kommt natürlich dann auch aus rein optischästhetischen Gesichtspunkten, wenn man dann in der Stadt in Stolpen ist: Man steht vor einem wirklich sehr großen, schönen Steinbruch mit schräg gestellten Basaltsäulen. Das ist natürlich eine Gesteinsformation, die man nicht jeden Tag sieht und die auch eine gewisse Ästhetik hat und natürlich damit auch Leute fasziniert, beeindruckt.] Cut 3: Klaus Stanek Basalt ist eines der Hauptgesteine, die an der Oberfläche der Erdkruste zu finden sind. Ein Großteil der Ozeane besteht aus Basalt. Ansage (Zitator): Basalt – Gestein aus den Tiefen der Vulkane Eine Sendung von Konrad Lindner Atmo 1: Schläge auf Basalt Sprecherin: Helle Klänge. Fast wie eine Glocke. Der Geologe Olaf Tietz vom Senckenberg-Museum für Naturkunde in Görlitz schlägt ein Belegstück für die Gesteinssammlung zu Recht. Wichtig ist die Brille, damit keine Splitter ins Auge fliegen können. Es ist Basalt, der Bote aus der Tiefe des Erdmantels, den die Görlitzer Geologen bearbeiten. Ein Gestein, das bereits Johann Wolfgang von Goethe in Weimar im Haus am Frauenplan eifrig sammelte und in seiner Altersdichtung als schwarzes „Höllen“-Gestein bezeichnete. Für Olaf Tietz hat das Sammeln von Steinen nicht nur mit Wissenschaft, sondern auch mit Ästhetik zu tun. Cut 4: Olaf Tietz Wenn ich dann rausfahre und will wirklich für einen Aufschluss, der vielleicht auch temporär ist und vielleicht auch wieder mal verschwindet, zwei, drei Belegstücke holen, dann zerpoche ich mindestens 50 und dann werden die besten drei genommen und die also von der Form, vom Inhalt, wo ich alle Informationen habe, Einschlüsse und Verwitterungsgrad, Art der Bruchfläche, wo man alle diese Merkmale sehen kann und das Ganze auch noch eine schöne Form hat und nicht bloß ein dreieckiger Splitter ist. Es sollte wirklich ansprechend sein. Musik 2: Matthias Jackisch. Basaltflöte mit Walgesangseffekten. 2 Sprecherin: Wenn der Bildhauer, Steinflötenbauer und Naturklangkünstler Matthias Jackisch aus Tharandt auf seinen Flöten aus Granit oder Basalt musiziert, ist kaum noch vorstellbar, wie erbittert und nervend zum Ende des 18. Jahrhunderts zwischen Plutonisten und Neptunisten über den Ursprung des Basalts gestritten wurde. In dieser Kontroverse über die Entstehung des Gesteins ging es den Plutonisten zunächst einmal um den stofflichen Vergleich, Zitat, „zwischen den italiänischen Laven“ von Ätna, Stromboli und Vesuv „mit den Basalten des festen Landes“. So schrieb Johann Carl Wilhelm Voigt, 1789, in seinen „Mineralogischen und bergmännischen Abhandlungen“. Der Bergrat in Ilmenau war Absolvent der Bergakademie Freiberg. Er hatte bei Abraham Gottlob Werner eine solide Ausbildung in der geologischen Geländearbeit erhalten. Voigt betonte aber nicht allein die Ähnlichkeit der basaltischen Gesteine vom Plattenrand des europäischen Kontinents und der Basalte in Mitteldeutschland. Im Unterschied zu seinem berühmten Freiberger Lehrer stritt er auch beharrlich für die Aufklärung über: Zitator: Die „ehemalige Existenz feuerspeyender Berge oder brennender Vulkane in Deutschland“. Sprecherin: Das Senckenberg-Museum für Naturkunde in Görlitz ist ein moderner Ort der „plutonistischen“ Forschung im Geiste von Voigt, an dem der Vulkanismus in Mitteleuropa mit dem zeitlichen Fokus auf die letzten 65 Millionen Jahre betrachtet wird. Die Geologische Sammlung zum Thema „Basalt“ befindet sich im Humboldt-Haus der Stadt an der Neiße. Gleich vor dem Gebäude steht eine zweieinhalb Meter hohe und tonnenschwere Gesteinssäule mit sechs Kanten, die den Gesteinsforscher Olaf Tietz weit überragt. Cut 5: Olaf Tietz Ich erlebe immer wieder bei Führungen, wenn ich das Objekt vorstelle, dass viele denken, das hat ein Bildhauer hier so in dieser schönen glatten Form gemeißelt. Und habe immer ganz schöne Mühe dann zu erklären, dass das ein reines Naturprodukt ist. Die Basaltlava, wenn sie erstarrt, schrumpft und dann reißt die in diesen Säulen auf. Aus dem Verband herausgeholt, steht eben eine Säule dann jetzt. Da ist nichts nachgemeißelt oder irgendetwas verändert worden. Sprecherin: [Die Beschäftigung der Görlitzer Geologen mit dem Basalt wurde durch einen Tagebau der Oberlausitzer Region ausgelöst. Bei Bernzdorf kam nicht nur Braunkohle zum Vorschein, sondern auch Basalt, das häufigste Gestein der obersten Erdschicht. Für Geologen ist ein Tagebau ein aufgeschlagenes Buch der Natur.] Cut 6: Olaf Tietz [Da haben wir uns mit Pflanzenfossilien vor allem beschäftigt. Aber es gab große, Hunderte Meter lange Strossen, wo also Basalt abgebaggert wurde. Basalt in Form von intensiv karbonisiertem, also umgewandeltem Gestein. Ich hatte mal einen Diplomanden aus Halle hier. Der hat das dann kartiert. Auch Diplomarbeit drüber geschrieben. Das war eigentlich letztendlich der Ausgangspunkt dafür, dass wir uns heute nur noch mit Basalt beschäftigen.] 3 Sprecherin: Der Name „Basalt“ wurde erstmals von Georgius Agricola 1546 in seinem Standardwerk „De natura fossilium“ verwendet. Agricola bezog sich dabei auf die Vorkommen in Sachsen. Nicht nur Agricola hatte an der Universität Leipzig studiert, sondern auch Abraham Gottlob Werner, der in Leipzig 1774 seine berühmte Studie „Von den äußeren Kennzeichen der Fossilien“ publizierte. Den Namen „Basalt“ behielt auch Werner bei und auch er besuchte die Burg Stolpen. Doch anders als im 18. Jahrhundert weiß man heute, dass sich die ausgedehntesten Basaltvorkommen nicht auf dem Festland befinden. Arnold Müller, Kustos der Geologisch-Paläontologischen Sammlung der Universität Leipzig: Cut 7: Arnold Müller Der größte Teil der basaltischen Eruptionen findet unter dem Meeresspiegel statt, im Bereich der Spreading-Zonen in den Ozeanen, wo ständig durch das Auseinanderdriften der Platten ein Riss frei wird, an dem basaltische Magma nach oben quillt und diesen Riss immer wieder verschließt. Das geht also fortlaufend weiter. Auf diese Weise entsteht primäre Kruste auf der Erde. Das ist basaltische Kruste. Erst da oben drauf lagern sich die marinen Sedimente ab, die dann den ganz normalen marinen Schichtenstapel ergeben. Musik 3: Matthias Jackisch. Stolpner Basaltflöte. Langes Tönen mit Klangwirbeln bei Gewitter. Sprecherin: So wie noch heute ozeanische Kruste gebildet wird, ist bereits vor mehr als vier Milliarden Jahren die frühe Basaltkruste der Erde entstanden. Geologen von der Universität Bonn haben die neue Hypothese vorgestellt, dass die ozeanische Ur-Kruste die späteren Kontinente direkt „ausgeschwitzt“ habe. Ein wichtiger Ort der Erzeugung von Erdkruste ist der Mittelatlantische Rücken. Auf dieser Spreizungszone ist vor etwa 17 bis 20 Millionen Jahren Island entstanden. „Spreizung“ oder englisch „Spreading“ bedeutet in der Geologie, dass sich zwischen den Platten des Ozeanbodens Risse bilden, die immer wieder neu durch Magma aufgefüllt werden. In Island sind die Fördermengen an Basalt im Gefolge der Spreizung weitaus größer als bei den Vulkanen inmitten der europäischen Kontinentalplatte. Auch die chemische Zusammensetzung unterscheidet sich. Olaf Tietz zum Wandel des Begriffs „Basalt“. Cut 8: Olaf Tietz Echte Basalte treten eigentlich mehr an Plattenrändern auf, wie zum Beispiel Island, wo also einfach ganz andere Schmelzmengen entstehen und dadurch auch die chemische Zusammensetzung eine andere ist. Unsere Basalte sind kieselsäureuntersättigt. Sie haben also deutlich weniger Kieselsäure als die echten Basalte. Deswegen reden wir hier nicht von Basalten, sondern von Basaniten, Tephriten und Nepheliniten. Das sind eigentlich die Namen, die ich ständig in den Mund nehmen müsste. Aber auch ich als Fachmann rede hier erst mal von Basalt. Weil: Schwarz sehen alle aus. Sprecherin: Die Görlitzer Wissenschaftler erkunden zum einen die Lausitzer Vulkanprovinz – in der vor ungefähr 27 bis 35 Millionen Jahren Hunderte Feuerberge aktiv waren. Sie fahnden aber auch nach Mineralen mit Edelsteinqualität, die überraschenderweise auch im Höllendreck Basalt [drin]stecken können. Zum Beispiel die schmucken bernsteinfarbenen Zirkone. Wer ins Geologische Magazin schauen möchte, muss sich 4 in den Keller des Humboldt-Hauses begeben. Die besten Basalt-Handstücke liegen in einer Rollschrankanlage. Cut 9: Olaf Tietz Müssen wir die einfach nur aufdrehen. Sind immerhin fünf Tonnen pro Schrank und trotzdem kann man es mit einem Finger hier bewegen. Das ist schon genial. Mehr als fünf Tonnen dürfen wir hier nicht einlagern. Das ist die Obergrenze. Ob wir die wirklich erreicht haben, kann ich gar nicht so genau sagen. Sind nach dem Alter sortiert. Und die Basalte sind sehr jung. 20 bis 30 Millionen Jahre. Sind hier also mehr am Ende untergebracht. Hier haben wir das nach Fundstellen abgelegt. Zum Beispiel Steinberg bei Dittelsdorf. Das ist einfach eine Lokalität. Sieht man. Hier sind verschiedene Sonnenbrenner zu sehen. Verschiedene Handstücke einfach von diesen Basalten. Wir haben auch hier Baruth/Schafberg. Das ist nördlich von Bautzen eine Lokalität. Da haben wir eine größere Publikation zu geschrieben. Hier zum Beispiel Blasenbasalt. Auch wieder Sonnenbrenner. Sehr schöne Exemplare, die also richtig schön strukturiert sind. Sprecherin: Der Name „Sonnenbrenner“ ist ein umgangssprachlicher Ausdruck. Er spielt auf die Verwitterung von Basaltschotter an. In der regionalen Sammlung des SenckenbergMuseums für Naturkunde lagern auch Stücke von Heinrich Möhl. Als von Jules Verne in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Roman „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ erschien, war Möhl einer der Pioniere der Basalt-Forschung. Er entdeckte im Lausitzer Granit kleine Gänge mit sogenannten Menalit-Basalten, die aus einer Tiefe von immerhin 100 bis 150 Kilometern kommen. Cut 10: Olaf Tietz Das Vorkommen ist eigentlich erloschen. Wir haben das vor Jahren wiedergefunden. Haben ein paar Proben noch mal nehmen können, aber die dünnen Gänge sind sehr verwittert und uns ist es nicht gelungen, diesen Menalit, dieses Mineral nachzuweisen. Musik 4: Matthias Jackisch. Basaltflöte mit Rufeffekten. Sprecherin: Die Erde ist in ihrem Innern nicht kalt wie eine Höhle, sondern im Erdkern herrschen Temperaturen von 4.000 bis 5.000 Grad Celsius. Bereits in 30 Kilometer Tiefe sind die Temperaturen sehr hoch. Sie schwanken für Europa an der Grenze von Kruste und Mantel zwischen 280 und 900 Grad Celsius. Das wusste im 18. Jahrhundert noch niemand. Auch nicht der Star-Geologe Werner, der von 1775 bis 1817 an der Bergakademie Freiberg die Naturforscher-Schule formte, aus der sowohl Voigt als auch Alexander von Humboldt und Leopold von Buch hervorgingen. Im Basalt-Streit von 1787 vertrat Werner vehement die Ansicht, dass Basalt neptunistisch, und das heißt im Urmeer, entstanden sei. Um den Werdegang der Ansicht darzulegen, dass Basalt nicht vulkanisch entstanden sei, berichtete er in seiner Studie „Kurze Klassifikation und Beschreibung der verschiedenen Gebirgsarten“ über die erwähnte Exkursion nach Stolpen gleich während des ersten Jahres seiner Berufung nach Freiberg. Zitator: (Es war im Sommer 1776, da) „ich den berühmtesten sächsischen Basaltberg, den bey Stolpen, besuchte und beobachtete. Hier fand ich nun auch nicht die Spur von 5 vulkanischer Wirkung, auch nicht das geringste Merkmal einer vulkanischen Erzeugung. Vielmehr bewies die ganze innere Struktur des Berges ganz das Gegenteil.“ Sprecherin: Werner erblickte in Stolpen, was zutrifft, kein Vulkangebäude mehr. Daher meinte er, was nicht zutrifft, dass die Basaltsäulen in einem Urmeer auskristallisiert seien. Klaus Stanek, Professor der Geologie an der Bergakademie Freiberg, über den Irrtum seines berühmten Kollegen: Cut 11: Klaus Stanek Ich kann mich schlecht in die Gedankenwelt von Werner begeben. Aber ich nehme an, Werner kam aus der Mineralogie. Er hat auch Versuche gemacht, indem er Kristalle in einer wässrigen Lösung, in einer Salzlösung hat wachsen lassen. Und insofern denke ich, er sah die wunderschönen Basaltsäulen, die Erstarrungssäulen, die Abkühlungssäulen des Basaltes und hat sie einfach mit Kristallen verglichen. Und Kristalle wachsen aus einer wässrigen Lösung. Und insofern war für ihn die Schlussfolgerung sehr nahe: Dass auch ein Basalt, ähnlich wie ein Kristall am Meeresboden aus einer wässrigen Lösung gewachsen ist. Insofern war das für ihn eine gängige Lösung. Sprecherin: Dem wortgewandten Werner, der nie einen aktiven Vulkan gesehen hatte, gelang es im September 1789, den 40-jährigen Goethe vom Neptunismus zu überzeugen. Obwohl Goethe zwei Jahre zuvor eine heftige Eruption des Vesuvs erlebt hatte, ließ er sich von der Ansicht Werners anstecken, dass Vulkanismus nur ein zufälliges Phänomen der späten Erdgeschichte sei. Ein Jahrzehnt zuvor war Goethe noch ein bekennender Plutonist. Im Ergebnis gemeinsamer Exkursionen mit seinem geologischen Berater Voigt in der Rhön formulierte Goethe am 27. Dezember 1780 beim hypothetischen Blick auf die „Basaltberge bei Stolpen“, dass eine „ungeheure vulcanische Wuth“ der Erde auch in Sachsen gewirkt habe. Diese frühe plutonistische Ansicht traf aus heutiger Sicht den Nagel auf den Kopf. Goethe bekam in seinem ersten größeren Bericht zur Geologie Thüringens an Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg 1780 überhaupt einen wichtigen Teilabschnitt des tertiären mitteleuropäischen Vulkangürtels in den Blick. Der Geologe Jens Czossek vom Museum der Westlausitz in Kamenz über Goethes anfängliche Perspektive in der Frage des Vulkanismus in Deutschland: Cut 12: Jens Czossek Aus heutiger Sicht war er da durchaus auf einem nicht ganz abwegigen Theoriepfad. Er stellt ja den Zusammenhang her zwischen den Eifelvulkanen, der Rhön, Vogelsberg und zieht halt die Linie bis nach Sachsen weiter. Damit, ohne zu wissen, wie die überregionalen geologischen Zusammenhänge bestanden, hat er durchaus da einen sehr richtigen Gedanken gehabt. Denn es gibt tatsächlich einen Vulkangürtel, der sich komplett durch Mitteleuropa zieht. Fängt bei den Karpaten an und zieht sich dann auch zeitlich bis tief in den Westen, bis in die Vogesen hinein. Dieser Vulkanismus ist sehr stark an die Auffaltung der Alpen gekoppelt. Seit Ende der Kreidezeit wird Afrika unter Europa geschoben. Das heißt irgendwann wird mal das Mittelmeer komplett verschwunden sein. Und vor allen Dingen vor 30 bis 35 Millionen Jahren kam es zur Hauptauffaltungsphase der Alpen. Wenn große Kontinentalmassen zusammenprallen, kann man sich vorstellen: Gesteine … sind recht sperrig. Kommt es natürlich auch zu Ausgleichsbrüchen und Rissen. Zum Teil auch zu Bruchstrukturen, die bis tief in den Mantel reichen und dann natürlich auch zum Aufstieg von basaltischen Laven. 6 [Musik 5: Matthias Jackisch. Granitflöte mit Sehnsuchtslauten bei Gewitter.] Sprecherin: Das Lausitzer Granitmassiv bildet eine mächtige Platte. Um eine derartige Panzerung beim Aufstieg aus den Tiefen des Erdmantels zu durchbrechen, müssen heiße Urgewalten wirken. Das war beim Basaltdurchbruch in der Gegend des heutigen Stolpen der Fall. Die vor allem auf den streitbaren Plutonisten Voigt zurückgehende Metapher von der „Wut der Vulkane“ , an der ein Sprachschöpfer wie Goethe munter mitgewirkt haben dürfte, beschreibt das Geschehen vermenschlicht, aber dennoch zutreffend als ein plötzliches und heftiges Ereignis. Klaus Stanek über die neuesten Ergebnisse der Altersbestimmung sowohl des Lausitzer Granits als auch des Basalts von Stolpen im Isotopenlabor des Instituts für Geologie in Freiberg: Cut 13: Klaus Stanek Nach unseren bisherigen Messungen ist der Basalt etwa 30 Millionen Jahre alt. Und er muss damals auf eine Oberfläche ausgeflossen sein, das ergibt zumindest die Säulenstruktur. Das heißt, wir haben eine Abkühlungsfläche in dieser Region gehabt. Der Granit ist wesentlich älter. Der ist nach unseren Datierungen etwa 540 bis 550 Millionen Jahre alt. Zählt also zu den ältesten nicht deformierten Gesteinen in Deutschland. Insofern haben Sie eine Riesenzeitspanne zwischen Entstehung oder Erstarrung des Granits und dem Austritt des Basalts. Sprecherin: Auch wenn es sich im Vergleich zu heute aktiven Vulkanen – wie dem Ätna auf Sizilien – nur um winzige magmatische Ereignisse handelt, sind die tertiären Feuerberge der Oberlausitz keine unwichtige Vulkanprovinz. Cut 14: Olaf Tietz Es gibt aber hier einen sehr schönen Basalt. Mit Interaktion zu Kalkstein. Ist er am Ende hier? Ooch nicht. Wo ist er denn? Hier geht es noch weiter, sehe ich gerade! Hier! Das ist er! Also.. Sprecherin: Holt Olaf Tietz eines der eindrucksvollsten Handstücke der Basalt-Sammlung in Görlitz aus dem Rollschrank hervor, verrät das Farbspiel eindringlich: Durch die Hitze des Erdinneren kann hartes Gestein dünnflüssig werden. Cut 14: Olaf Tietz (Fortsetzung von Cut 14) … es gibt an der Lausitzer Verschiebung Kalkvorkommen. Jurakalke. Ganz kleine Vorkommen. Die sind – weil es wenig Kalk war – sind die sogar unterirdisch, im Tiefbau abgebaut worden. An einer Stelle ist dann auch an der Lausitzer Verschiebung später noch ein Basalt hochgekommen. Und der hat mit den Kalken sich vermischt. Die sind dann durchgekocht und wir haben so ein schönes poliertes Handstück, wo man diese Kalkschollen im Basalt schwimmen sieht. Rings um diese kleinen Blasen. (Man sieht), wie der Zustand des Durchkochens einfach eingefroren wurde durch Erstarrung der Basaltlava dann, wo man weiße, eckige Körper in diesem schwarzen Basalt schwimmen sieht. Musik 6: Matthias Jackisch. Stolpner Basaltflöte. Langes Tönen mit Klangwirbeln bei Gewitter. 7 Cut 15: Thomas Scholle Wir befinden uns jetzt an meinem Liebling auf der Burg. Das ist der tiefe Burgbrunnen. Der ist 84,4 Meter tief. Wurde von 1607 bis 1630 gebaut. Also 23 Jahre. Sie können sich das ausrechnen. Das macht einen täglichen Arbeitsfortschritt von 1,5 Zentimeter. Gearbeitet wurde übrigens außer an Feiertagen an allen Tagen. Man kann sich vorstellen, dass das eine extrem mühsame und aufwendige Sache war. Und damit man mal eine Vorstellung bekommt – der Wasserstand liegt zurzeit bei 70 Metern – werde ich jetzt mal ein wenig Wasser hineinschütten in einen Brunnen. Dann kann man mal abschätzen, wie tief das ist. So, jetzt schütte ich mal. – (Lange Pause. Dann Rauschen in der Tiefe.) Sprecherin: Der Geologe Thomas Scholle schüttet auf der Burg Stolpen ein Glas Wasser in den Basalt-Brunnen. In der Ausstellung nebenan ist zu lernen, dass das heutige „Oben“ einst ein tief „Unten“ war. Das „Oben auf der Burg“ war einmal ein „Ort im Vulkanschlund“. Vor vielen Millionen Jahren war hier der Teufel los: Aktiver Vulkanismus mit Hitze, Lärm, Gestank und Basaltausfluss. Die vulkanische Energie wütete. Thomas Scholle [aus Stolpen] über den Vulkan zu einer Zeit, als es in dem Gebiet von Mitteldeutschland bereits fossile Affen, aber noch keine Menschen gab. Cut 16: Thomas Scholle Also, man sieht natürlich keinen Vulkan mehr. Wir gehen davon heute aus, dass es sich um eine Art Schlackevulkan gehandelt hat. Ein Vulkan, so wie wir ihn auch kennen. Strombolianischer Typ. Dass dort praktisch viele vulkanische Bomben und Ähnliches herausgeworfen wurden. Von dem Vulkan sehen wir aber nichts mehr. Wo wir heute stehen, das ist lediglich der Förderschlot. Also ein Förderschlot Ost-West-Ausbreitung 350 Meter. Nord-Süd etwa 150 Meter. Wir sehen heute nur noch den Förderschlot, in dem relativ langsam aus diesem Magma sich diese Säulen haben bilden können. Sprecherin: Ein halbes Jahrtausend lang wurde bereits zum Stolpener Basalt geforscht. Den Anfang machte Georgius Agricola, der Begründer der Montanwissenschaften. Im Jahr 2006 wurde der Stolpener Burgberg zum Nationalen Geotop erklärt. Durchgesetzt hat sich die Sicht des plutonistischen „Dissidenten“ Voigt und nicht das neptunistische Dogma seines Lehrers Werner: Basalt kommt nicht aus dem Urmeer, sondern aus dem Ursprungsort der vulkanischen Aktivität unseres Planeten und das heißt: aus dem Erdmantel. Die moderne Auffassung, dass der Vulkanismus ein Tiefen- und Folgephänomen der frühen und heißen Erde ist, konnte erst im 20. Jahrhundert durch das Modell der Plattentektonik bewiesen werden. Thomas Scholle führt die Besucher bei seinen Führungen stets zu dem Ort, der im Fachjargon als locus typicus bezeichnet wird. Cut 17: Thomas Scholle Wir stehen hier am sogenannten alten oder großen Steinbruch am Basaltvorkommen von Stolpen und zwar an der Westseite. Der Steinbruch war ursprünglich wesentlich größer. Aber er ist heute noch sehr eindrucksvoll, weil oberhalb des Steinbruches auch die westlichen Mauern der Burg zu sehen sind. An dieser Stelle hat mit großer Wahrscheinlichkeit Agricola 1546 das Wort „Basalt“ geprägt. Und ansonsten: Jeder Student der Geologie an einer ordentlichen geologischen Universität oder Fakultät hat hier mal gestanden. 8 Sprecherin: Der Arzt und Naturforscher Agricola aus Chemnitz verglich die Säulen des Basalts mit Kristallen. In seinem Buch über die Minerale – er sprach damals noch von „Fossilien“ – beschrieb er die Säulenform und auch die Zahl der Ecken des Stolpener Basalts. In Stolpen ist – wie in der Eifel und im Vogelsbergmassiv – der Basalt allgegenwärtig, obwohl der Steinbruch stillgelegt ist. In der Stadt gibt es hohe und gut temperierte Keller aus Basalt. Viele Stützmauern in den Häusern und Gartenmauern sind aus Basalt. Basalt auch in der Kunst. Eine Skulptur der Gräfin Cosel aus Stolpner Basalt im Stadtmuseum ist ein Meisterwerk, das den Bildhauer Detlef Herrmann unzählige Meißel gekostet hat. Eine der ausgefallendsten Inszenierungen: Matthias Jackisch spielt auf Basaltflöten, die er aus dem schwarzen Gestein baut. Um eine Basaltflöte zum Tönen und das heißt, das Erdmantelgestein zum Singen zu bringen, ist eine kräftige Lunge erforderlich. Musik 7: Matthias Jackisch. Basaltflöte mit Lacheffekten. Sprecherin: Die Erdkruste inmitten von Europa ist weniger stabil und vulkanisch aktiver als bislang gedacht. Die Feldarbeit von Olaf Tietz und seinen Kollegen zur Oberlausitzer Vulkanprovinz bildet bei der Erforschung des mitteleuropäischen Vulkangürtels deshalb ein wichtiges Teilsegment. Der Freiberger Geologe Klaus Stanek wiederum hat herausgefunden, dass sich das Alter der Vulkane in der Oberlausitzer Vulkanprovinz überraschenderweise auf etwa 30 Millionen Jahre einpegelt und dichter beieinanderliegt als noch vor zehn Jahren angenommen. Cut 18: Klaus Stanek Man versucht ja, diesen Vulkangürtel insgesamt zu rekonstruieren. Man versucht dort, Puzzle für Puzzle zusammenzubauen. Insofern ist der Beginn einer solchen speziellen Altersdatierung in Ostsachsen schon auch bedeutend für den Rest des Vulkangürtels. Man kann das weiterführen. In unseren Labors ist das auch gemacht worden für die Rhön-Basalte. Insofern haben wir schon einen Beitrag geleistet zu dieser Datierung der einzelnen vulkanischen Ereignisse dieses Gürtels. Ein großer Teil davon spielt sich im Moment auch in Ostsachsen ab. Da gibt es Leute, die sich dafür interessieren. Leute, die Interesse an dieser Datierung haben. Insofern ist das im Moment einer der Brennpunkte für die tertiäre Basaltforschung in Europa. Sprecherin: Während der Vulkanismus bei Stolpen ebenso als erloschen gilt wie die Vulkane der Auvergne im Zentralmassiv von Frankreich, kann das vom Vulkanismus in der Eifel nicht behauptet werden. Die letzten Vulkanausbrüche liegen hier nur etwa 10.000 Jahre zurück. Der Eifelbasalt in der Sammlung des Senckenberg-Museums für Naturkunde in Görlitz sieht entsprechend jungfräulich aus. Olaf Tietz im Keller des Humboldt-Hauses: Cut 19: Olaf Tietz Das ist die Mendig-Lava. Ich denke, man sieht das schon auch als Laie. Die Schlacken, dass das wesentlich frischer ist, als was jetzt in der Lausitz gefunden wird. Hier sind sehr schön diese Spindelbomben. Lavafetzen, die beim Fliegen sich wie ein Kuchenteig umeinander rollen. In der Mitte sind sie dick. Dann wie so eine Zitrone an zwei Ecken wird das immer dünner. Wo dann diese Fetzen sich immer mehr so einrollen. Man sieht so ein bisschen das Fließgefüge hier beim Fliegen. Dann hier diese typisch, schaumisch, schlackigen Oberflächenstrukturen. Sehr scharfkantig. Und dann auch 9 nicht nur schwarz, sondern auch bis hin zu rot oder rotbraun oder hier gelb und blaue Farben. Also sehr bunt. Wie bei den frisch gegossenen Basaltstücken so eine Art Anlauffarben auf der Oberfläche, die bei uns in der Lausitz, weil die Gesteine bei uns viel älter sind als hier, natürlich alle verloren gegangen sind. Dies poröse Material ist zerstört, verwittert. Wir haben hier nur noch diese absolut harten, festen, dichten Kerne der Vulkangebäude. Sprecherin: In der vulkanischen Eifel kann ein Vulkan entstehen. Im Egergraben bei Karlovy Vary ist der Vulkanismus ebenfalls nicht erloschen. Klaus Stanek von der Bergakademie Freiberg: Cut 20: Klaus Stanek Denken Sie an die isländischen Fusionen in den vergangenen Jahren. Damit fiel fast der gesamte Flugverkehr in Europa aus. Es gibt Szenarien, die so etwas auch für das nördliche Böhmen vorhersagen. Inwieweit die zutreffen werden, sei dahingestellt, aber es ist immer ganz gut, wenn man sich auf solche Ereignisse auch mental vorbereitet. Wir leben in einer geologisch nicht stabilen Zone. Insofern kann in geologischen Zeiträumen auch ein solcher Vulkan wieder in Erscheinung treten. Musik 8: Matthias Jackisch. Basaltflöte mit Walgesangseffekten. Sprecherin: Lange dachte man, dass die heißen Quellen bei Karlovy Vary, früher Karlsbad, Nachwirkungen eines abklingenden Vulkanismus sind. Doch auch in der Nähe des Goethe-Ortes kann die vulkanische Wut von gestern wiederkehren. Der Geologe und Paläontologe Arnold Müller von der Universität Leipzig: Cut 21: Arnold Müller Wir sollten uns daran gewöhnen, dass auch Mitteleuropa keine vulkanisch absolut ruhige Zone ist und auch in Zukunft nicht sein wird. Der Vogelsberg, unser größter Vulkan in Mitteleuropa, ist auch nicht so alt. Oder wenn wir die Vulkane in der Rhön oder im Egergraben nehmen, die sind auch nicht so alt. Das heißt, nicht unbedingt gleich morgen, aber irgendwann in näherer Zukunft, könnte einer dieser Vulkane auch mal wieder anfangen aktiv zu werden. Sprecherin: Die Hand-Stücke im Senckenberg-Museum [für Naturkunde in Görlitz] reduzieren sich nicht auf Klumpen aus „Höllen“-Gestein. Vielmehr erzählen sie, um mit den Worten von Bergrat Voigt aus Ilmenau zu reden, dass man sie als „Urkunde zur Geschichte der Erde“ auffassen kann. Der scharfsinnige wie felderprobte und belesene Geologe beharrte 1789 im Unterschied zu Werner und zu Goethe auf der noch heute gültigen Ansicht, dass die basaltfördernden Vulkane wichtige Mitspieler bei der Bildung von Erdkruste und Atmosphäre sind. Und das nicht zuletzt inmitten von Europa! 10 Verwendete Literatur: Basalt 2013. Cenozoic Magmatism in Central Europe. Senckenberg scientific conference April 2013 in Görlitz. Prag 2013. Wolf von Engelhardt: Goethe im Gespräch mit der Erde. Weimar 2003. Thorsten Nagel vom Steinmann-Institut für Geowissenschaften der Universität Bonn. Ozeanische Ur-Kruste „schwitzte“ älteste Kontinente aus. Vgl. den Link: http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-14539-2012-03-09.html. Rolf Schick: Erdbeben und Vulkane. München 1997. Hans-Ulrich Schmincke: Tanz auf dem Vulkan. Goethe und die Entfaltung der Vulkanologie als Wissenschaft. In: Senckenberg, Goethe und die Naturwissenschaften. Stuttgart 2002. Johann Carl Wilhelm Voigt: Mineralogische und bergmännische Abhandlungen. Leipzig 1789. Verwendete Steinflötenklangszenen von Matthias Jackisch (Tharandt): Stolpner Basaltflöte. Langes Tönen mit Klangwirbeln bei Gewitter. Basaltflöte mit Walgesangseffekten. Basaltflöte mit Lacheffekten. Basaltflöte mit Rufeffekten. Granitflöte mit Sehnsuchtslauten bei Gewitter. ***** 11