18.02.1012 Wenn Vulkane angebaggert werden LANDESPLANUNG In der Eifel mehren sich Proteste gegen die Verfünffachung der Abbauflächen für Lava und Basalt VON MICHAEL HEDRICH Daun. Flach wie das Münsterland wäre die Eifel ohne ihre Berge. Etliche davon sind aber schon verschwunden, die meisten im Kreis Vulkaneifel rund um Daun. Dort bergen die Berge Bodenschätze: Basalt, Lava oder Kalkstein - Rohstoffe vor allem für Straßenbau oder die Herstellung von Beton und Zement. Der Abbau bringt Gewinn. Ein neuer regionaler Raumordnungsplan soll das Anbaggern von noch mehr Bergen erlauben. Die Abbaufläche in Rheinland-Pfalz würde sich von bisher 400 auf 2000 Hektar verfünffachen (ein Hektar entspricht ungefähr einem großen Fußballfeld). Gemeinsam mit Naturschutzverbänden macht die Interessengemeinschaft (IG) Eifelvulkane dagegen mobil. Druck soll vor allem auf die rot-grüne Landesregierung in Mainz ausgeübt werden. "Der Eifel wird die Zukunft verbaut", sagt Lydia Schund von der Interessengemeinschaft. "Hier reiht sich Grube an Grube." Lava und Basalt würden bis nach China und Indien verschifft und über Ebay verkauft, heißt es in einer Erklärung der IG. Und weiter: "Man mischt die Natursteine sogar in Beton. Dafür sind die Berge wirklich zu schade." Die Zahl der Abbau-Unternehmen sei in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen, meint Schend. "Die Frage ist, ob für die Autobahnen wirklich die Berge abgebaut werden müssen", sagt die Daunerin. Eine breite Mehrheit der Einheimischen sei gegen die Vergrößerung der Abbauflächen. Ein Protestschreiben mit rund 6900 Unterschriften wurde der rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne) Ende Januar in Daun übergeben. Rund 500 Besucher, darunter auch Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) und der Schriftsteller Jacques Berndorff, hatten zuvor im Dauner Forum über die Zukunft des Gesteinsabbaus in der Vulkaneifel diskutiert. In Ministerin Lemke müssten die Eifeler eigentlich eine engagierte Mitstreiterin finden. Noch vor der Landtagswahl 2011 sorgte sich die Politikerin öffentlich über die "mittel- bis langfristig verheerenden Folgen" einer Ausweitung der Abbauflächen für vulkanisches Gestein. "Wie ein aggressiver Karies haben sich Bagger und Planierraupen in die Vulkankuppen hineingefressen", beklagt sie auf ihrer Homepage. Fatal an dieser Entwicklung sei, dass die Gemeinden von dem Abbau vordergründig profitieren: Rund einen Euro bekämen sie pro abgebaute Tonne. Lemke: "Dadurch aber lassen sich Räte und Bürgermeister zu einem Ausverkauf ihrer einzigartigen Vulkanlandschaft verleiten; sie verhökern ihr touristisches Kapital - auf Kosten kommender Generationen." Nicht wenige Kommunalpolitiker sind in den letzten Jahren zu den Abbaugegnern übergelaufen. Nicht nur kleine Gemeinden, auch die Stadt Gerolstein und der Kreistag des ehemaligen Landkreises Daun stimmten gegen die Ausweisung neuer Abbauflächen. Befürchtet wird nicht nur, dass die Steinbrüche mit ihrem Lkw-Verkehr natur- liebende Gäste abschrecken. Nach Erkenntnis des Jenaer Geologieprofessors Georg Büchel speichert das Vulkangestein auch Wasser, der Abbau könnte weitreichende Folgen für Mineralquellen und Wasserversorgung in der Region auslösen. Doch die lokale Politik hat beim Raumordnungsplan nicht das letzte Wort: Zuständig ist die "Planungsgemeinschaft Region Trier", eine Regionalvertretung mit 55 Mitgliedern aus Kreistagen und Stadträten, Landräten, Bürgermeistern sowie Vertretern von Kammern und Verbänden. Sie soll auf der Grundlage einer Analyse des Landesamtes für Geologie und Bergbau die Flächen für Basalt- und Lava-Abbau festlegen - "über alle Beschlüsse von Land, Kreis und Gemeinden hinweg", wie die IG Eifelvulkane beklagt. Chefplaner Roland Wernig glaubt allerdings, dass die im Raumordnungsplan festgelegte Abbaufläche weniger als 2000 Hektar betrage. Bis zur Entscheidung werde es noch sechs Monate dauern. Bis dahin sind heftige Auseinandersetzungen zu erwarten. Mutmaßungen über Lobbyismus und dunkle Machenschaften im Hintergrund machen bei den Abbau-Kritikern die Runde. In seinem Buch "Eifel-Connection" schreibt Krimi-Autor Berndorf, schon viele Vulkanberge seien "geklaut" worden. Die in der "Initiative Natursteine Vulkaneifel" zusammengeschlossenen AbbauUnternehmen in der Region wehren sich gegen alle Verdächtigungen - und verschickten eine 16-seitige Broschüre an alle Haushalte im Vulkaneifelkreis. Dargestellt wurde die Tradition der Natursteingewinnung in der Eifel und ihre heutige Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft. Jeder Bundesbürger verbrauche im Laufe seines Lebens rund 1000 Tonnen Rohstoffe, darunter 215 Tonnen Hartsteine, hieß es. Die Broschüre brachte die öffentliche Kritik aber keineswegs zum Verstummen. Halbwahrheiten würden hier verbreitet, hieß es. Initiativen-Sprecher Jörg Scherer stellt bedauernd fest, das "Angebot zu einem sachlichen und fairen Dialog" sei von den Gegnern bisher nicht wahrgenommen worden. "Gemeinden und Bürger profitieren von der Rohstoffgewinnung", sagt Scherer, auch in Hinsicht auf Nachhaltigkeit und ökologisches Wirtschaften seien die Betriebe in der Eifel "vorbildlich". Die Gegner des Gesteinsabbaus gehen jetzt in die nächste Runde. Es werden weiter Unterschriften gesammelt; und die Bundesregierung soll aufgefordert werden, das seit 1934 geltende Bergbaurecht zu ändern. www.eifelvulkane.wordpress.com www.initiative-natursteine.de Ein abgebaggerter Hügel in der Eifel BILD: IG eifelvulkane SCHON DIE RÖMER NUTZTEN DIE NATURSCHÄTZE Der Vulkanismus der Eifel begann vor 50 Millionen Jahren im Tertiär, einen der letzten Ausbrüche gab es vor rund 13 000 Jahren am Laacher See. In der Westeifel um Daun, Hillesheim und Gerolstein begann der Vulkanismus vor etwa 700 000 Jahren. Dabei bildete sich eine 50 Kilometer lange, von Nordwesten nach Südosten verlaufende Kette von etwa 100 Schlackenkegeln und Kratern. Durch die Lavaströme entstanden vulkanische Gesteine wie Basalt, Bims oder Tuff. Sie wurden zum Teil schon zu Zeiten der Römer als Baustoffe abgebaut. (ed)