Physik II Übung 6 - Lösungshinweise Stefan Reutter Moritz Kütt Franz Fujara SoSe 2012 Stand: 31.05.2012 Aufgabe 1 Diskussion: Geschlossene Energieänderung Thermodynamische Prozesse können als Wege in einem p-V -Diagramm dargestellt werden. Für Prozesse, die von einem beliebigen Punkt (V, p) starten, und dann über unterschiedliche Prozesse (adiabatisch, isotherm, isochor, isobar oder sonstwas) zum Ausgangspunkt zurückkehren gilt: ∆U = 0 (für H die Summe aller Prozesse, bei beliebiger Prozessführung kann man das auch schreiben als dU = 0). Zeichne eine pV-Diagramm mit beliebiger Prozessfolge und erkläre, wieso das so ist! Lösungshinweise: Sofern sich die Menge der Gasmoleküle nicht ändert, gibt es nach idealer Gasgleichung oder Van-der-Waals-Gleichung zu jeder Kombination aus p und V exakt eine Temperatur T - daher gibt es auch nur exakt eine mögliche innere Energie. Wie man zu dem Punkt zurückkehrt ist völlig egal, man muss die gleiche innere Energie wie am Anfang erreichen (damit ist ∆U = 0). Sonst wären ja die Gasgleichungen falsch. Ein beliebiges p-V-Diagramm ist nicht Teil der Lösung, findet sich aber in vielen Lehrbüchern. Aufgabe 2 Diskussion: p-V -Diagramme Bei einem idealen Gas behandelt man üblicherweise drei (vier) Zustandsgrößen: den Druck, das Volumen, die Temperatur (und die Teilchenzahl). Üblicherweise lässt man die Teilchenzahl konstant, dann kann man für die restlichen drei Größen verschiedene Diagramme zeichnen: p-V , V -T oder p-T . Gegeben sind folgende p-V -Diagramme von Kreisprozessen. Skizziere jeweils die T -V - und p-T Diagramme. Erläutere, warum man aus egal welchem Diagramm die vollständige Information erhält. Warum verwendet man sehr oft die p-V -Auftragung statt einer der anderen? 1 p 1 p 1 4 Adiaba p 1 rm the Iso tisch Is Is ot Is ot Is the rm 3 sch rm Iso rm he he 2 ot 2 4 ati iab Ad 2 rm he rm he ot 4 3 V 3 V V Lösungshinweise: Die Auftragungen sind so gewählt, dass der Kreisprozess immer in der gleichen Richtung läuft (im Uhrzeigersinn). Die T -V -Diagramme erhält man mit der idealen Gasgleichung. Isothermen und Isochore sind trivial, Isobare sind Geraden und Adiabaten gehorchen T V κ−1 =const T T T 1 2 1 2 2 1 4 4 3 4 3 3 V V V Im p-T -Diagramm sehen Isobare und Isotherme gut aus, Isochore sind Geraden, und Adiabaten gehorchen p1−κ T κ =const p p 1 p 4 1 1 4 4 2 2 2 3 3 3 T T T 2 Man erhält, wie bei Aufgabe 1, die vollständige Information aus jedem dieser Diagramme. Das liegt daran, dass die drei Zustandsgrößen über die ideale Gasgleichung verknüpft sind. Es ist also im Prinzip egal, was man aufträgt. Man entscheidet sich insbesondere deshalb meist für das p-V -Diagramm, da in ihm die vom Kreisprozess umschlossene Fläche gleich der Arbeit ist, die man erhält bzw. hineinstecken muss (je nach Drehsinn). Diese anschauliche Deutung gibt es für die anderen Auftragungen nicht. Der Vollständigkeit halber sei noch Folgendes gesagt: die Entropie ist ebenfalls eine Zustandsgröße. Auch sie lässt sich aber direkt aus p und V berechnen. Darauf basierend findet man auch oft T -S-Diagramme. Man könnte die Entropie auch in Verbindung mit Druck oder Volumen betrachten aber genau wie es beim p-V -Diagramm die Interpretation der Arbeit als eingeschlossene Fläche möglich ist, kann beim T -S-Diagramm die Wärme als umschlossene Fläche abgelesen werden (was insbesondere für Kühlanlagen interessant ist). Aufgabe 3 Jan, Meer, Wal, Spaß – van-der-Waals-Gas Der Wal Willy schwimmt völlig frei durch die Karibik. Er wird von Jan Hemmingway (entfernt verwandt) beobachtet. Ab und an taucht er unter, um leckeres Plankton zu verspeisen. Unter Wasser kann Willy nicht atmen, er muss mit der Luft in seinen Lungenflügeln auskommen. Jan überlegt sich, dass das Gas in den Lungen des Wals sich verhalten muss wie ein van-der-Waals Gas. Zum Spaß entwickelt Jan nun Näherungsgleichungen für van-der-Waals-Isothermen in der Nähe der kritischen Temperatur Tc . Die van-der-Waals Isotherme sind Funktionen p(V ), Jan entwickelt bis zur dritten Ordnung von V um Vc . Hinweise: Nutze T = Tc + ∆T und sortiere vor der Entwicklung die Terme nach Abhängigkeit von Tc bzw. ∆T . Außerdem hilft es, sich an Rechnungen zum kritischen Punkt aus der letzten Übung zu erinnern! Lösungshinweise: Zunächst die Van-der-Waals-Gleichung nach p umstellen (für 1 Mol, also n = 0): a RT = p + p= V2 RT V−b − (V − b) a V2 Wir nehmen nun den Tipp und teilen den Term mit Temperatur auf (T = Tc + ∆T ). p= RTc V−b − a V2 + R∆T V−b Nun kann man beginnen, alle drei Terme in der nähe von Vc zu entwickeln. 3 p(V ) = RTc − a + R∆T Vc − b Vc2 Vc − b a d RTc R∆T − 2 + (V − Vc ) (V − Vc ) − dV V − b V (Vc − b)2 Tc ,Vc 2 a 1 d RTc 1 R∆T − 2 (V − Vc )2 + (V − Vc )2 + 2 · 2 3 2! dV V−b V 2! (V − b) c Tc ,Vc 3 RTc 1 R∆T 1 a d (V − Vc )3 − 2 · 3 · + − 2 (V − Vc )3 4 3 3! dV V−b V 3! (V − b) c T ,V c c 4 + O ((V − Vc ) ) Aus der 5. Übung wissen wir, das am kritischen Punkt (bei Tc und Vc die erste und zweite Ableitung des Drucks jeweils 0 sind. Damit können wir zwei Terme eliminieren. Außerdem sind die ersten beiden Summanden zusammen gerade pc (ergibt sich, wenn man Van-der-Waals entsprechend umstellt). Noch mal der Übersicht also: p(V ) =pc + R∆T Vc − b R∆T (V − Vc ) +0− (Vc − b)2 R∆T +0+ (V − Vc )2 3 (V − b) c3 1 d nRTc a + − 3! dV 3 V − nb V 2 T (V − Vc )3 − c ,Vc R∆T (Vc − b)4 (V − Vc )3 + O ((V − Vc )4 ) Wir können noch vereinfachen und V − Vc = ∆V nutzen: R∆T R∆T 1 R∆T p(V ) =pc + − ∆V + ∆V 2 2 Vc − b (Vc − b) 2 (Vc − b)3 R∆T RTc a − + − 4 5 ∆V 3 (Vc − b)4 (Vc − b)4 Vc + O (∆V 4 ) Aufgabe 4 Innere Energie und Wärmekappen Bei einer Temperaturänderung ∆T ändert sich die innere Energie eines konstanten Volumens eines idealen Gases um ∆U = Cv ∆T (nimm dabei an, dass Cv über den Temperaturbereich konstant ist, dies gilt beispielsweise bei Helium für nahezu alle Temperaturen). 4 a) Erkläre, warum die genannte Formel für beliebige Arten von Prozessen mit Temperaturänderung gilt. b) Zeige, dass die Formel auch für isobare Expansionen gilt. Hinweis: (b) Zeige zunächst, dass die verrichtete Arbeit auch als ∆W = −R∆T geschrieben werden kann (für 1 Mol). Nutze weiterhin ∆U = ∆Q + ∆W und ∆Q = C p ∆T . Lösungshinweise: a) Mathematisch kann man das u.a. wie folgt zeigen: Man nehme das totale Differential von U: du = ∂U dT + ∂T V =Cv dT + 0 ∂U ∂V dV T Dabei haben wir die Definition von CV benutzt und die Tatsache, dass während einer Volumenveränderung bei konstanter Temperatur auch die innere Energie konstant ist. Integriert man das, erhält man die gewünschte Formel ∆U = CV ∆T b) Wir wissen: ∆W = −p∆V Aus der idealen Gasgleichung wissen wir aber auch, dass pV = RT Das muss natürlich für V1 und T1 gelten, sowie für V2 und T2 . Damit gilt es auch für die Differenzen (p = const., isobar!), also: p∆V = R∆T Setzt man nun weiter ein wie im Hinweis, erhält man die gesuchte Beziehung: ∆U =∆Q + ∆W =C p ∆T + R∆T =(C p + R)∆T =CV ∆T 5 Aufgabe 5 Diverse Greisprozesse Emeritierte Professoren haben mitunter absonderliche Hobbies. Manche bauen Hubschrauber oder schreiben vernichtende Buchrezensionen. Andere kommen auch weiterhin an die Universität und gehen Studenten auf die Nerven. Ein solcher Emeritus hat sich das Ziel gesetzt, die Thermodynamik ganz besonders fest im Geiste der Physiker zu verankern. Deshalb stellt er jedem Doktorand, der nicht bei drei auf den Bäumen ist, eine aufwändige Thermodynamikaufgabe “zum Gehirnjogging”. Hier ist meine heutige Strafe für Unachtsamkeit: Ein ideales Gas hat einen Druck von 3 bar, ein Volumen von 1 L und eine innere Energie von 700 J. Man kann es auf verschiedene Weisen auf einen Druck von 2 bar, ein Volumen von 3 L und eine innere Energie von 400 J bringen. Skizziere jeweils ein p-V -Diagramm (mit Richtung) und berechne die Arbeit, die am Gas verrichtet wird, und die übertragene Wärmemenge für folgende Prozessführungen: a) Isobare Expansion, isochore Druckabsenkung b) Isochore Druckabsenkung, isobare Expansion c) Expansion auf einer Geraden durch die beiden Punkte d) Isotherme Expansion, isochore Druckerhöhung e) Adiabatische Expansion, isochore Druckerhöhung Lösungshinweise: Skizzen der Prozesse sind abgebildet. Nun zu den Rechnungen: Bei allen Teilaufgaben ist die “am Gas verrichtete Arbeit” negativ (bei der Expansion leistet das Gas Arbeit). Die Wärmemenge ergibt sich nach dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik zu ∆Q = ∆U + p∆V ∆Q = ∆U − ∆W Da die Änderung der inneren Energie für alle Prozesse gleich ist, enthält die Wärmeänderung immer einen Anteil von - 300 J. Davon wird noch das unten ausgerechnete ∆W abgezogen (dieses ist aber meist selbst negativ, daher kommt i.d.R. immer ein positives ∆Q heraus. a,b) Arbeit wird nur beim isobaren Teil geleistet – wenn sich das Volumen nicht ändert kann auch keine Arbeit verrichtet werden ∆W = −p∆V ∆Wa = −3 bar × 2 L = −600 J ∆Wb = −2 bar × 2 L = −400 J ∆Q a = −300 J − (−600 J) = 300 J ∆Q b = 100 J 6 pbar 4 a c 3 b 2 d e 1 0 0 1 2 3 4 VL c) Die Arbeit der Mittelwert aus a) und b) also -500 J. (Das kan man geometrisch erklären Arbeit ist immer die Fläche unter der Funktion des Prozesses). Die übertragene Wärme ist somit Q c = 200 J. d) Isotherm gilt p(V )V = p1 V1 ∆Wd = − ZV2 p(V )dV = −p1 V1 ln V2 V1 V1 = −330 J ∆Q d = 30 J e) Es gilt p(V )V κ = p1 V1κ . Wir rechnen mit κ = 75 , also 5 Freiheitsgraden, was beispielsweise für Stickstoff bei Raumtemperatur gut erfüllt ist (die Vibration ist noch nicht angeregt). 7 ∆We = − ZV2 p(V )dV = − p1 V1κ 1−κ V21−κ − V11−κ V1 = −270 J ∆Q e = −30 J Für andere Adiabatenexponenten: κ= κ= 9 7 5 3 (alle Freiheitsgrade eines zweiatomigen Gases): −280 J (einatomiges Gas): −230 J Aufgabe 6 Lebende Kanonenkugel To take over the world, ingeniously devious physicists invented a novel and extremely effective non-lethal weapon: the “Fujara” (Fire unlimited joy by adiabatic reexpansion of air)1 . It is capable of firing a physics professor at a distant target with a surprising degree of accuracy. After his or her impact at the target area, the projectile immediately launches into an incredibly stupefying lecture on thermodynamics. Surrounding enemy forces are paralyzed due to the professors’s hypnotic manner of speech and generally high interest in the subject. We were assigned the task to test one of these cannons on unsuspecting and expendable victims (i.e. students). As a projectile, we used professor Fujara (m = 80 kg). The cannon consists of a cylindrical tube (radius r = 30 cm, length l = 10 m). The professor is inserted at a distance of x = 1 m from the closed end. The volume between the end of the tube and the professor is filled with compressed air (p = 50 bar) (the volume below the projectile’s feet is sealed by a massless plate that doubles as a launching pad). When the pad is released and the professor launched, the air inside the small volume (nitrogen, κ = 1.4) expands adiabatically to fill the whole tube. Calculate the muzzle velocity of the Fujara-launching Fujara under the assumptions that air is an ideal gas and all of the work is converted into kinetic energy. 1m 0.3 m 10 m Lösungshinweise: Für adiabatische Prozesse gilt pV κ = const. 1 Any similarity to persons living or dead is purely coincidental 8 Damit gilt für adiabatische Ausdehnung (Start bei p0 und V0 ) p(V ) = p0 V0κ Vκ In der “Fujara” beginnen wir mit V0 = πr 2 x und p0 = p = 50 bar, es gibt eine adiabatische Ausdehnung auf V1 = 10V0 . Dabei wird folgende Arbeit verrichtet: ∆W = − ZV1 p(V )dV V0 p0 V0κ V1 κ − 1 V κ−1 V0 1 = − = = 1 κ−1 p0 V0 κ−1 p0 V0 − 1− p0 V0κ V1κ−1 1 10κ−1 Wir nehmen nun an, dass die ganze Expansionsarbeit in kinetische Energie übertragen wird. 1 mv 2 =∆W 2 r 2∆W v= m È p0 V0 1 2 κ−1 1 − 10κ−1 = m =231 m/s Aufgabe 7 Was friert schneller? Heiss oder kalt? Theo und Igor haben eine Wette abgeschlossen, wer im heißen Sommer schneller einen Klumpen Wassereis herstellen kann. Das Ausgangsmaterial ist jeweils eine Tasse mit wohlschmeckender, pappig süßer Flüssigkeit bei Raumtemperatur T = 42 ◦ C. Igor erhitzt zunächst seine Tasse auf T = 100 ◦ C während Theo seine Tasse direkt in den Gefrierschrank stellt. Die Flüssigkeitsmenge vor dem Injizieren der Tassen in den Gefrierschrank ist gleich und die Tassen sind auch ansonsten identisch. Kann Igor seine Wette gewinnen? Lösungshinweise: 9 Ja, kann er! Aus der heißen Tasse verdunstet zunächst mal noch eine Menge Wasser, sodass das Gesamtvolumen abnimmt und das Wasser sich abkühlt. Währenddessen hat das kältere Wasser nur unwesentlich viel Wärme durch Wärmeleitung eingebüßt. Dadurch kann es passieren, dass das zunächst heiße Wasser später wegen des kleineren Volumens und der damit verbundenen kleineren Wärmekapazität bei fast gleich großer Oberfläche schneller einfriert als das vorher kühlere. Igor erkauft sich das allerdings mit einem kleineren Eis und einer größeren Erwärmung des umgebenden Gefrierguts. 10