PROFESSIONAL! Pharmazie + Medizin Wenn Hautzellen sich rasant teilen Dr. Juliane Rosner, Apothekerin Obwohl die Psoriasis nicht ansteckend ist, werden Erkrankte, bei denen die silbrig glänzenden, schuppenden Hautstellen sichtbar sind, oft wie Aussätzige behandelt. Deshalb überschminken sie die Herde oder verdecken sie, wenn möglich, durch Kleidung. ! Schwerpunkt: Gesunde Haut D ie US-amerikanische Schauspielerin Kim Kardashian (21) benötigt manchmal Unmengen von Makeup, um ihre Psoriasisherde an den Beinen zu überdecken. Auch der 64-jährige deutsche Schauspieler Sky du Mont muss bei Filmaufnahmen sichtbare Flecken im Gesicht überschminken. Beschleunigte Zellteilung Die charakteristischen Schuppen entstehen durch eine beschleunigte Teilung der Keratinozyten, der hornbildenden Zellen in der obersten Hautschicht, der Epidermis. Normalerweise vergehen 28 Tage, bis diese Zellen ausgereift sind, an die Hautoberflä20 PTA PROFESSIONAL Mai 2012 iStockphoto / Thinkstock Psoriasis che wandern und dort abschilfern. Bei der Psoriasis kann sich dieser Zeitraum auf vier bis fünf Tage verkürzen. Dann werden die massenhaft gebildeten Hornzellen in Form von scharf begrenzten, silbrig glänzenden Plaques sichtbar, aus denen sie schuppenförmig in großen Mengen abschilfern – daher die Bezeichnung „Schuppenflechte“. Die Haut unterhalb der psoriatischen Plaques ist entzündet und gerötet. Rund 80 Prozent der Betroffenen leiden an einer Psoriasis vulgaris oder Psoriasis vom Plaque-Typ. Dabei bilden sich die Plaques charakteristisch an den Streckseiten von Ellbogen und Knie (das unterscheidet sie vom atopischen Ekzem), an der Kopfhaut, in den Zehenzwischenräumen, den Handinnenflächen und Fußsohlen sowie im Genital- und Analbereich; oft verformen sich auch Fingerund Zehennägel. Bei einem massiven Befall der Kopfhaut kann es zu inselförmigem Haarausfall kommen. Die Entzündungsreaktion beschränkt sich aber nicht nur auf die Haut. Bei etwa 20 Prozent der Psoriatiker sind auch die Gelenke entzündet (PsoriasisArthritis), vor allem die kleinen Gelenke von Finger und Zehen, oft auch die Kniegelenke. Beginn mit 20 bis 30 Jahren Vereinzelt tritt die Psoriasis erstmals im Kindesalter oder in der Pubertät auf, meistens zeigt sie sich aber erst zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr, wie bei Kim Kardashian. Sky du Mont erkrankte ebenfalls mit 21 Jahren. Bei der Mehrzahl der Patienten wechseln sich Phasen mit starker und geringer Krankheitsaktivität ab. Oft kommt es zwischen den Schüben zu langen, spontanen Ruhepausen und Besserungen. Bei schwereren chronischen Verläufen kann die Entzündungsreaktion sich im Körper ausbreiten und weitere Organe schädigen. So leiden ältere Psoriatiker überdurchschnittlich häufig an Diabetes mellitus und HerzKreislauf-Erkrankungen. Ausgelöst werden die Störungen durch eine Fehlfunktion des Immunsystems. In einer frühen Phase der Erkrankung werden die Langerhans-Zellen des Immunsystems in der Haut aktiviert, vermutlich durch äußere Reize oder Autoantigene, möglicherweise einem Bestandteil der Keratinozyten. Dann folgt eine autoimmune Abwehrreaktion, bei der massenhaft T-Lymphozyten in die Haut einwandern und hier EntzündungsBotenstoffe freisetzen. Durch diese Vorgänge werden die Keratinozyten zu übermäßigem Wachstum angeregt. Die spezifischen T-Zellen, die bei dieser Immunantwort entstehen, können jahrelang in der Haut überdauern und selbst nach einer langen Ruhephase zu einem erneuten Krankheitsausbruch führen. Die Veranlagung für Psoriasis wird vererbt. Möglicherweise war die Fähigkeit zur schnellen Zellteilung bei den Menschen der Frühzeit von Vorteil, weil deren Haut ein starkes Immunsystem besaß und nach Verletzungen schneller heilen konnte. Damit die Erkrankung ausbricht, müssen zur genetischen Disposition weitere Faktoren hinzukommen. Dabei kommen sowohl Stress und Hautschäden, zum Beispiel durch Verletzungen, Operationen oder Sonnenbrände, aber auch Übergewicht, Alkohol und Nicotin infrage. Arzneimittel wie Betablocker, Lithiumsalze, Terbinafin oder Antimalariamittel können ebenfalls einen Krankheitsausbruch begünstigen. Die Schübe häufen sich vor allem in Herbst und Winter, weil hier die Haut zusätzlich durch trockene Heizungsluft belastet ist. Stockbyte/ Stockbyte / Thinkstock PROFESSIONAL! Pharmazie + Medizin Bei mittelschweren und schweren Verläufen und bei einer Psoriasis-Arthritis werden Fumarsäureester, das Vitamin-A-SäureDerivat Acitretin, der Folsäure-Antagonist Methotrexat sowie Immunsuppressiva wie Ciclosporin innerlich eingesetzt. Für die Behandlung schwerer Psoriasisformen eignen sich die monoklonalen Antikörper Efalizumab, Adalimumab, Infliximab, Golimumab und Ustekinumab sowie das Fusionsprotein Etanercept. Sie können mit anderen Wirkstoffen und mit äußerlichen Therapien kombiniert werden. ❭ Pflege und Behandlung Eine individuell angepasste Hautpflege für Psoriatiker sollte die Haut schützen, die Hautbarriere stärken und besonders gut verträglich sein. Leichtere Formen der Krankheit lassen sich äußerlich mit Harnstoff, Salicylsäure und Milchsäure behandeln. Gegen die Entzündung und den Juckreiz werden unter anderem Steinkohlenteer und Dithranol (Cignolin) eingesetzt. Unterstützend wirken außerdem Vitamin-D3Derivate wie Calcipotriol und Tacalcitol. Glucocorticoide wie Clobetasol oder Betamethason sind sehr wirksam, sollten aber nur kurzzeitig auf kleine Hautpartien aufgetragen werden. UV-A-Bestrahlungen können ebenfalls helfen, erhöhen aber andererseits das Hautkrebsrisiko. Bei der PUVA-Therapie werden Psoralene eingesetzt, um die Lichtempfindlichkeit der Haut zu erhöhen, und die Haut dann mit UV-ALicht bestrahlt. Bei der Sole-Phototherapie badet der Patient zunächst etwa 20 bis 30 Minuten in einer stark solehaltigen Lösung, um im Anschluss für wenige Minuten mit einer UV-B-Lichtquelle bestrahlt zu werden. Die derzeit wirksamste physikalische Therapie bei einer Schuppenflechte ist eine Bestrahlung mit Laserlicht. Biophysiker vom Forschungszentrum Karlsruhe haben bei einigen Patienten probehalber auch Bäder mit Reizstrom erfolgreich angewendet. Merkzettel Psoriasis ➞ silbrig-weißliche, schuppende, juckende, entzündliche Herde auf der Haut (Plaques), ➞ Entzündung kann auch die Gelenke betreffen (Psoriasis-Arthritis), ➞ Phasen mit starker und geringer Krankheitsaktivität wechseln sich ab, dazwischen lange Ruhepausen und Besserungen, ➞ Veranlagung wird vererbt, auslösende Faktoren sind z. B. Stress, Alkohol, Nicotin, Hautschäden, Arzneimittel, ➞ Hautpflege bzw. äußerliche Behandlung, z. B. mit Harnstoff, Salicylsäure, Milchsäure, Steinkohlenteer, Dithranol (Cignolin); Vitamin-D-Derivaten, Glucocorticoiden, ➞ Lichttherapie in Kombination mit Arzneimitteln; Laserbehandlung, ➞ innerlich: Fumarsäureester, Vitamin-A-Säure-Derivate, Immunsuppressiva und monoklonale Antikörper. PTA PROFESSIONAL Mai 2012 21