Perioperative Antibiotikaprophylaxe

Werbung
Perioperative
Antibiotikaprophylaxe im
AOP
Marianne Abele-Horn
München
Chirurgische Wundinfektionen 2012
Etwa 13 Millionen Operationen im Jahr ;
50% der Operationen erfolgen ambulant.
Postoperative Wundinfektionsrate: 1,8%
Wundinfektionen: 2. bis 4. Stelle der nosokomialen Infektionen
234.000 Patienten mit Wundinfektionen (30% Rezidive)
4.500 an Wundinfektionen verstorbene Patienten
verlängerte Liegedauer um 7-8 Tage
zusätzlich 1 Million Krankenhaustage pro Jahr
Für den ambulanten Bereich fehlen Daten!
Statistisches Bundesamt 2010, Gastmeier et al. DMW 2008; 133: 1111
Infektionsrate
Kurzzeitige, meist einmalige Gabe eines Antibiotikum vor oder
in Ausnahmefällen spätestens während des operativen Eingriffs.
Ziel:
Reduktion der postoperativen Wundinfektionen unabhängig
von der Art des Eingriffs.
Reduktion des Wachstums von Erregern, die das OP-Feld
Kontaminieren.
2012
Antibiotikaprophylaxe
In Studien konnte gezeigt werden, dass 30% - 90% dieser
Prophylaxe nicht korrekt durchgeführt wird.
Fehler:
- Auswahl des Antibiotikums
- Dosierung des Antibiotikums
- Zeitpunkt der Applikation
- Dauer der Prophylaxe
PEG 2010
PLOS 2012; 7: e44599
Pathogenese der Wundinfektionen
Keimzahl der Bakterien x Expositionszeit x Virulenz
Immunabwehr des Patienten
Infektionsrisiko
Indikation für eine perioperative Prophylaxe
 Hohe Erregerexposition im Operationsgebiet
 bei Vorliegen der Wundklassifikationen
- sauber-kontaminiert
- kontaminiert
- septisch
PEG 2010
Kontaminationsklassen
Aseptische saubere Eingriffe: Infektionsrate: 1,9%
- primär sterile Eingriffe
- keine Eröffnung eines kontaminierten Hohlraumsystems
(Respirations-, Gastrointestinal- und Urogenitaltrakt)
- aseptisches Operationsgebiet
- atraumatische Operationstechnik
- Verschluss der Wunde durch Primärnaht
Bedingt aseptisch, sauber kontaminierte Eingriffe: 4.9%
- Eröffnung des Respirations-, Gastrointestinal- und Urogenitaltrakts
- keine signifikante Kontamination
- Wundverschluss ohne Drainage
PEG 2010; Weber et al. Ann Surg 2008; 247: 918
Kontaminationsklassen
Bakteriell kontaminierte Eingriffe: 13,1%
- Eröffnung eines stark kontaminierten oder infizierten Hohlraumsystems
(Respirations-, Gastrointestinal- und Urogenitaltrakt)
- Darmeröffnung
- traumatische Operationstechnik und Wunden
Septisch, manifest infizierte Eingriffe: 8,3%
- Eingriffe mit akuten bakteriellen Infektionen
- traumatische Wunden mit devitalisiertem Gewebe
- purulente Entzündung im Operationsgebiet
- Fremdkörperentfernungen
- Eröffnung von Abszessen
- Eingriffe nach Darmperforation
- Eingriffe nach verspäteter Behandlung (>4 h)
- Wundverschluss mit anschließender Drainage
PEG 2010; Weber et al. Ann Surg 2008; 247: 918
Neben den Kontaminationsklassen spielen zahlreiche
patienteneigene, individuelle, operationsbedingte Risiken
eine Rolle.
Diese können auch bei aseptischen sauberen Eingriffen zu
infektiösen Komplikationen führen.
Bakterium
Patient
Arzt
Mitspieler
Risikofaktoren chirurgischer Wundinfektionen
Präoperative Faktoren
- Notfalloperationen
- offene Frakturen
- avitale Fremdkörper
- präoperativer Aufenthalt
- Vorbestrahlung
Intraoperative Faktoren
- lange Operationsdauer
- Handschuhperforation
- ungenügende Händedesinfektion
- infizierter Operationsbereich
- schlechtes Team, viele Leute im Op
- ungenügende Klimatechnik
Postoperative Risiken
- Re-Operation
- Drainagen
- zentrale Katheter
- Blasenkatheter
Wirtsfaktoren
- hohes Alter (>70 Jahre)
- S. aureus-Besiedlung
- Hautinfektionen
- Immunsuppression
- Grunderkrankungen
- Dialysepflicht
- hoher ASA-Score
PEG 2010
Indikation für eine perioperative Prophylaxe
Hohe Erregerexposition im Operationsgebiet
Geringe Erregerexposition im Operationsgebiet
bei operationstechnischen Komplikationen
-
Notfall-Op
Op großer Gelenke
offene Frakturen
Einbau von Gefäß- und Gelenkimplantaten
Implantation von Osteosynthesematerial
Implantation von Herzklappen
Ersatz von Fremdkörpern
AWMF 2009
Minimale Infektionsdosis zum Auslösen eines Infekts
Implantat
Kein Implantat
S. aureus
102 CFU/ml
106 CFU/ml
S. aureus
102 CFU/ml
106 CFU/ml
S. epiderm idis
103 CFU/ml
106 CFU/ml
Elek 1957
Zimmerli 1982
Widmer 1989
Indikation für eine perioperative Prophylaxe
Hohe Erregerexposition im Operationsgebiet
Geringe Erregerexposition im Operationsgebiet
bei operationstechnischen Komplikationen
Geringe Erregerexposition im Operationsgebiet
bei patienteneigenen Risiken
- Immunsupprimierte Patienten
- Patienten mit Grunderkrankungen
AWMF 2009
Beispiele nach SIGN
OP-Bereich
Indikation
Keine Indikation
Augen
Katarakt, Glaukom, Verletzungen
---
HNO
Neck Dissection (kontaminiert)
Ohr-Chirurgie, Nase,
Tonsillektomie, Adenotomie
Mamma
bei CA empfohlen, Implantate,
Schrittmacher
---
Gastrointestinaltrakt
Ösophagus, Magen, Gallengang,
Gallenblase
Gallenblase lapraroskopisch,
ERCP
Appendektomie, Kolon,
therapeutische Endoskopie
diagn. Endoskopie,
Bachwandchirurgie
Gynäkologie
vag. Hysterektomie, Sectio, Abort
(induziert), Sterilitätseingriffe
Spiraleninsertion
Urologie
Prostatabiopsie, Lithotripsie, Pouch --pekutane Nephrolithotripsie, ESWL
bei Risiken, Steinzertrümmerung
Orthopädie
Arthroplastik, vaskuläre Ops,
Handchirurgie, Prothesen
Generell
--ZVK-Anlage
SIGN 2014
Antibiotikaauswahl
Anforderungen an das ideale Antibiotikum:
- Schmalspektrum-Antibiotikum
- lange Halbwertszeit
- bakterizide Wirkung
- Erfassung des potentiellen Keimspektrums, kein all round killer
wo wird operiert???
- gute Gewebespiegel im Operationsgebiet
- nebenwirkungsarm
- kostengünstig
- cave: resistente Erreger nach vorheriger Antibiotikatherapie
- Beachten der lokalen Resistenzsituation
PEG 2010
Erregerspektrum von Wundinfektionen
Erreger
Visceral
Gefäße Urologie
Gynaekologie
Herz- OrthoChir. pädie
S. aureus
MRSA
4%
28%
39%
29%
23%
27%
23%
12%
30%
18%
36%
19%
S. epiderm idis
1%
7%
8%
8%
20%
13%
Enterokokken
25%
18%
12%
10%
8%
13%
E. coli
30%
12%
15%
10%
5%
5%
P . aeruginosa
6%
7%
2%
2%
4%
2%
NRZ KISS 2006-2010
Empfehlungen PEG 2010
Unfallchirurgie
Cephalosporin 1, 2 + Metronidazol
Orthopädie
Cephalosporin 1, 2 oder Ampicillin-Sulbactam,
ggf. Vancomycin
Neurochirurgie
Cephalosporin 1 oder Ampicillin-Sulbactam,
ggf. Vancomycin
HNO
Cephalosporin 1, 2 oder Ampicillin-Sulbactam
Abdomen, Colon-Rectum
- ohne Risiko
- mit Risiko
Cephalosporin 2 + Metronidazol, Ampicillin-Sulbactam??
Ceftriaxon + Metronidazol oder Ertapenem
Gynäkologie
- Hysterektomie
Cephalosporin 2 + Metronidazol
Endoskopie
ESWL bei Risiken
Cephalosporin 2 oder Ampicillin-Sulbactam???
Prostatabiopsie
Cephalosporin 2 oder Fluorchinolon???,
Ampicillin-Sulbactam??? oder Aminoglykosid
Zeitpunkt der Prophylaxe
Die erste Dosis muss (15-) 30 Min bis 60 Min
vor dem Eingriff gegeben werden.
Der späteste Zeitpunkt ist intraoperativ (bei Komplikationen).
Bei Eingriffen in Blutleere 10 min vor Anlage der Blutsperre und
Folgedosis nach Eröffnung der Blutsperre.
Eine einmalige Dosierung ist bei einer Op-Dauer ≤ 2 h ausreichend.
2. Schuss bei Blutverlust > 1 Liter und langer Operationsdauer.
2. Schuss nach doppelter Halbwertszeit des Antibiotikums.
PEG 2010
Halbwertszeiten von Antibiotika
Ampicillin-Sulbactam
Cefazolin
Cefuroxim
Ceftriaxon
Cefotaxim
Ciprofloxacin
Levofloxacin
Vancomycin
Clindamycin
Metronidazol
HWZ
2 x HWZ
------------------------------60 min
2h
94 min
3h
70 min
2,5 h
7-8 h
14-16 h
60 min
2h
3-5 h
6-10 h
7-8 h
14-16 h
6h
12 h
2,5 h
5h
7h
14 h
nach Stille 2005, AWMF 2012
Dauer der Prophylaxe
Kurzzeit- vs. Langzeitprophylaxe
– Gleiche Infektionsraten unabhängig von der Dauer der
Prophylaxe
– Eine verlängerte Prophylaxe führt zu einer höheren
Infektionsrate mit resistenten Mikroorganismen
– Eine verlängerte Prophylaxe verändert nur die Flora,
senkt aber nicht die Infektionsraten.
Randomisierte, Placebo-kontrollierte, multizentrische Doppelblindstudie:
917 S. aureus-Träger (PCR) vor einem operativen Eingriff
Mupirocin +
Chlorhexidin
Placebo
Anzahl der Patienten mit S. aureus
504
413
Anzahl der S. aureus-Infektionen
17
32
Infektionsrate
3,4%
7,7%
Bode et al. N Engl J Med 2010;362:9.
Mupirocin
Placebo
S. aureus
total
S. aureus
total
444
1933
447
1931
12,8%
11,3%
16,1%
11,4%
4%
2,4%
7,7%
2,9%
Wundinfektion
9,9%
7.9%
11,6%
8,5%
Wundinfektion durch S. aureus
3,7%
2,3%
5,9%
2,4%
Anzahl der Patienten
Nosokomiale Infektion
Nosokomiale S. aureus-Infektion
Perl et al. N Engl J Med 2002;346:1871
Antibiotikaprophylaxe in der Chirurgie
Indikation bei:
- hoher Erregerexposition im Operationsgebiet
- sauber-kontaminiertem, kontaminiertem, septischem Op-Gebiet
- geringer Erregerexposition bei operationstechnischen
Komplikationen oder bei patienteneigenen Risiken
Neu: Zeitpunkt der Prophylaxe: 15 bis 60 min vor dem Schnitt
Antibiotikum: nach Richtlinien
- bei Hochrisikopatienten, antibiotisch vorbehandelten Patienten
muss an eine Selektion von resistenten Bakterien gedacht werden
- Patienten mit erhöhtem MRSA-Risiko sollten vor dem Eingriff auf MRSA
gescreent und nach Möglichkeit präoperativ saniert werden;
ist das nicht möglich Dekolonisationsbehandlung postoperativ
- bei hoher MRSA-Prävalenz Prophylaxe mit Vancomycin erwägen
Dauer:
2. Schuss bei langer Operationsdauer i. d. R. ≤ 24 h
Prophylaxe > 24 h hat mehr Nebenwirkungen als Wirkung
das Risiko für eine Infektion durch C. difficile steigt .
Adäquate PEP
↓ Infektionen
↓ Letalität
↓ Kosten
Inadäquate PEP
↑ Nebenwirkungen
↑ Resistente Erreger
↑ Resistenzrate
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herunterladen