VL Soziologie Pierre Bourdieus Mi 10-12, Prof. Dr. Hans-Peter Müller Martin Rippel (XXXXXX) Mitschrift Seite 1/13 Inhaltsverzeichnis 1 Einführung: Pierre Bourdieu - Biografie und Werk 2 2 Struktur, Habitus und Praxis: Die kabylische Gesellschaft 2 3 Bildung und soziale Ungleichheit I: Die Illusion der Chancengleichheit 3 4 Bildung und soziale Ungleichheit II: Titel und Stelle, Homo Academicus und Der Staatsadel 4 5 Sozialer Raum und soziale Klassen 5 6 Die feinen Unterschiede: “La Distinction” 7 7 Das kulturelle Feld I: Fotografie - eine illegitime Kunst 8 8 Das kulturelle Feld II: Literatur 8.1 Aufbau und Struktur einer vollständigen Feldanalyse . . . . . . . 8.2 Konzept des kulturellen, künstlerischen und literarischen Feldes 8.3 Meth. Fragen: zur Soziologie kultureller Werke . . . . . . . . . . 8.4 Das literarische Feld: Genese und Wirkungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 9 9 9 10 9 Das kulturelle Feld II (Forts.): Flauberts “L’Education Sentimentale” 10 10 Das ökonomische Feld: Die Sozialstruktur der Wirtschaft 11 11 Das politische Feld 12 VL Soziologie Pierre Bourdieus Mi 10-12, Prof. Dr. Hans-Peter Müller 1 Martin Rippel (XXXXXX) Einführung: Pierre Bourdieu - Biografie und Werk Mitschrift Seite 2/13 14.04.2010 nicht anwesend 2 Struktur, Habitus und Praxis: Die kabylische Gesellschaft 21.04.2010 • “Die Elite muss arogant sein, sonst wär sie nicht Elite.” • Anspruch: Mechanismen der Produktion und Reproduktion des sozialen Zusammenlebens erkunden • Praxeologie := Ökonomie der Praxis • Inspiriert von 1. S ARTRE / C AMUS (Existenzialismus → Subjektphilosophie) 2. L EVI -S TRAUSS / A LTHUSSER (Strukturalismus / Marxismus → Philosophie ohne Subjekt) • Ziel: Synthese in eigene Position • Denken in Relationen essentiell → heute Netzwerkanalyse • Suche nach Dichotomien als Ansatzpunkt (übernommen von Levi-Strauss) • Kritik an L EVI -S TRAUSS’ naivem Strukturalismus & strukturellen Marxismus, der Macht und Herrschaft verschleiert → Erkenntnis: Produktion und Reproduktion nie ohne Herrschaft und Macht beschreibar • aber auch starke Kritik an S ARTREs Existenzialismus und Subjektphilosophie (symbol. Interaktionismus, ...) • Mikrosoziologie fehlt die Gesellschaftstheorie, aber gutes Augenmerk auf soz. Praxis • Anküpfung an M ARX frühe Ökonomie der Praxis 1. Praxis als Tätigkeit 2. Interessengebundenheit 3. soziale Strukturierung der Interessen • Zusammenfassend: Position B OURDIEUs 1. praxeologische Erkenntnisweise 2. strukturationstheoretische Handlungstheorie 3. Soziologie als reflexive Wissenschaft • Kern der strukturalen Denkweise 1. Denken in Relationen 2. Dichotome Strukturausprägung bzw. Paare 3. Strukturelle Homologien • Habitus := Dispositionen die im Alltag als Denk-, Warnehmungs- und Beurteilungsschemata auftreten • unklar ob Habitus frühkindlich erworben (F REUD) oder wandelbar/dynamisch • einer der zentralen Begriffe im Denken B OURDIEUs • Habitus als Überwindung der Trennung zwischen Struktur und Praxis (genrativ/reproduktiv) VL Soziologie Pierre Bourdieus Mi 10-12, Prof. Dr. Hans-Peter Müller 3 Martin Rippel (XXXXXX) Bildung und soziale Ungleichheit I: Die Illusion der Chancengleichheit Mitschrift Seite 3/13 28.04.2010 • Inkorporationsannahme (Verkörperung) – Habitus (auch Hexis) als Verinnerlichung von Regeln – zeigt sich als Verinnerlichung der Struktur der Gesellschaft (Prägung durch die Schicht) • Ubewusstseinsannahme – unbewusstes situationsadäquates Routine-Handeln als Folge (75-Prozent-Theorie → L EIPNITZ) • Strategieannahme – Interessenverfolgung ohne Reflektion • Stabilitätsannahme – frühkindliche Prägung (→ F REUD, M EAD, P IAGET) – z.B. Körperhaltungen, Sprache, ... • Kultur und Bildung zentral in der Gesellschaft • Wissen, Sprache, Auftreten, Bildung & Gewandheit als notwendige Vorraussetzung für Teilnahme • Mittel zur Schaffung von Distinktion und Distanz (Abgrenzung) • Schule als zentrale Deregierungsstelle (S CHELSKY, 1950) • erst Adel (Abstammung), dann Rang (Militär), heute Doktor (Bildung) • heute Bildung als Bedingung zur Teilhabe am gesellschaftlichen Diskurs • Gründe 1. Strukturwandel von Wirtschaft und Arbeitsmark – life-long learning als Realität – stärkere Differenzierung in Denkarbeit vs. Handarbeit 2. Bildungsexpansion – Bildung als bürgerliches Gut 3. Individualisierung – psychosoziales Moratorium – Ziel: bessere Möglichkeiten (mehr Geld, weniger Arbeitslosigkeit) • Thesen 1. Bildung als Kulturkapital 2. kumulative Dynamik von Bildungsprozessen 3. Bildung als kulturelles Mysterium – “Tout se passe comme si.” (B OURDIEU) • Akteure und Institutionen – Erwerbsmodus (familiäre vs schulische Sozialisation) – Zeitdauer / Kumulation (je länger, desto stärker die Prägung) – klassenspezifischer Lebensstil & Geschmack (Ergebnis der ersten beiden) – Bildungssystem (Aufbau, Struktur, Selektionsmechanismen) – Beschäftigungssystem (Arbeitsmarkt, Vitamin B) • Sozialisation ∧ Klasse ∧ Institution ⇒ klassenspezifische Bildungsentscheidungen und -chancen – zusätzlich Einflüsse von Klasse auf Sozialisation & Institution VL Soziologie Pierre Bourdieus Mi 10-12, Prof. Dr. Hans-Peter Müller Martin Rippel (XXXXXX) Mitschrift Seite 4/13 • Vereinheitlichung der Sprache mittels Bildungssytem (vor ca. 400 Jahren in Frankreich) • Ziel des französischen Bildungssystem: Laizismus, Egalitarismus & ??? ⇒ Meritokratie • zetrale These in Illusion der Chancengleichheit durch B OURDIEU und PASSERANT Bildung wird sozial ’vererbt’, keine Meriokratie, sondern Reproduktion sozialer Ungleichheit – kritische Funktion: Aufklärung der Gesellschaft – wissenschaftliche Funktion: Aufdeckung selektiver Bildungschancen – konzetpuelle Innovation: Begriff des kulturellen Kapitals – politische Vorsicht: Kritik ohne Wertung • weitere Thesen – Repräsentationsthese: Verteilung entspricht Sozialstruktur – Restriktionsthese: Fächerwahl sozial determiniert – Zeitthese: Studium als Kostenfaktor – Gewichtsthese: Variable “soziale Herkunft” schlägt “Alter”, “Geschlecht” etc. • Fazit: soziale Herkunft essentiell für Bildungschancen • Meritokratie – Begriff geht zurück auf die soziologische Satire “The Rise of Meritocracy” (1958) von M ICHAEL YOUNG – Wörtlich die Herrschaft von Leistung und Verdienst – Einflüsse von M ARX, W EBER, PARSONS und DAVIS/M OORE – liberal-faschistische Pyramiden-Herarchie – Allocations-, Belohnungs- und Legitimationsfunktinion – Mittel zur Wahl der “Besten” als Regenten – Egalität vs. soziale Selektionsaufgabe der Bildung 4 Bildung und soziale Ungleichheit II: Titel und Stelle, Homo Academicus und Der Staatsadel • Titel und Stelle – strukturelle Analyse des Verhältnisses zwischen Bildungs- und Beschäftigungssystem Titel | ← Bildungssystem → Produktion von Arbeitskräften | | Relative Autonomie + strukturelle Spannung | | ← Ökonom. System | Stelle → Struktur der Arbeitsplätze – Thesen 1. 2. 3. 4. 5. 6. Bildungssystem - Produktion oder Reproduktion Bildungskapital als Kulurkapital Titel (Bildungspatente nach Weber) und Stelle Individuelle und kollektive Strategien Titel und Machte (Seltenheit schafft Wert) Berechtigungswesen; die Reproduktion der herrschenden Klasse ber Bildung 05.05.2010 VL Soziologie Pierre Bourdieus Mi 10-12, Prof. Dr. Hans-Peter Müller Martin Rippel (XXXXXX) Mitschrift Seite 5/13 • Homo Acadeamicus – Ziel: Sozialanalyse der französischen Universität und Klassifizierung des Homo Academicus – Methode: Ethnografie, Analyse des Feldes aus Außenperspektive (Exotisierung des Heimischen) – Problem: universale Feld als ”Stätte permanenter Konkurrenz um Wahrheit” (B OURDIEU, 1988) – Perspektiven: 1. Kalssifikationsanalyse ∗ Wie wird wissenschaftliche Authorität erzeugt und Universitäre Macht erhalten? ∗ Wie denken Professoren? ∗ Thesen: · Homologie zwischen Stellungen und Stellungenamen · Korrespondenzanalyse systematische Totalisierung des universitären Feldes 2. Institutionelle Analyse ∗ Welche Machtstrukturen liegen dem universitären Feld zugrunde? ∗ Fokus auf geisteswissenschaften ∗ Untersuchungen (a) Struktur des Machtfeldes wird abgebildet ins universiäre Feld (b) Position der Fakultäten im universitären Feld (c) Struktur der einzelnen Fakultäten und die Stellung der Teilbereiche 3. historisch-empirische Analyse (Mai ’68) ∗ Welche Logik steht hinter den Ereignissen ∗ Nachzeichnung krisenhafter Entwicklungen die sich Mai ’68 kreuzen ∗ nicht-personale Erklärungsmodelle ∗ Datenbasis: Interviews mit Professoren - acht Indikatoren – Ergebnisse 1. Homologie: Repräsentation des Machtfeldes durch das universitäre Feldes 2. zwei Hierarchisierungsprinzipien: ∗ soziale Hierarchie (ererbtes Kapital durch soziale Herkunft) ∗ wissenschaftliche Authorität (wissenschaftliche Leistungen) 3. Übersetzung des Gegensatzes in einen differenten Lebensstil 4. chiastische (dichotome / binär-antagonistische) Struktur und die Vorstellung von Wissenschaft 5. phil. Fakultät zwischen gesellschaftl. und wissenschaftl. Pol 6. Machtformen: ∗ universitäre Macht vs. wiss. Autorität ∗ ältere vs. jüngere Professoren 7. Region der Positions- und Dispositionsklasse • Der Staatsadel – Untersuchung von Habitus und Machtfeldes – Elite-Schulen als Filter für die Besetzung der Machtposition / Flaschenhals-Prinzip – “Elite heißt nicht nur die Außerwählten, sondern auch die Wenigen” (M ÜLLER) – “grande porte et la petit porte” (B OURDIEU) – intellektuelle Schulen vs. Schulen der Macht (ENA & HEK) 5 Sozialer Raum und soziale Klassen • Prinzip des sozialen Raums – Teilungsprinzipien der Gesellschaft (Sorten von Kapital / Macht) – Differenzierung in soziale Felder (nach W EBERs Wertssphären und Lebensordnungen) – Sozialer Raum := “Raum von Beziehungen” (mit Klassen als vertikale Ordnungselemente 12.05.2010 VL Soziologie Pierre Bourdieus Mi 10-12, Prof. Dr. Hans-Peter Müller Martin Rippel (XXXXXX) Mitschrift Seite 6/13 – Umfang und Struktur des Kapitals bestimmend für Positon eines Akteurs im Raum • Klassen nur als analytische Konzepte und Prüfbasis zur späteren Überprüfung im sozialen Raum • Lebenstil als Möglichkeit der Abgrenzung von anderen im öffentlichen Raum • Soziales Feld als horizontale Einordnung / Klassifizierung • Basis des sozialen Lebens: reziproker sozialer Tausch (angelehnt an D URKHEIM, nicht an S MITH) zwischen Handelnden • Grundannahme: ökomischer Tausch ist nur ein Spezialfall des reziproken sozialen Tauschens auf dem spezialisierten Feld des Marktes • Abgrenzung des Begirffes “soziales Feld” – soziales System (L UHMANN) zu objektivistisch und zu sehr auf die Kräfte konzentriert → Akteure bleiben anonym / fremdbestimmt / unagreifbar – soziale Millieus (D URKHEIM) zu normativistisch – sozilogische Marktvorstellung tendziell verzerrend weil falsch betrachtet (zu verzweckt) → viel wichiger: Wer kann partizipieren? Welche Ressourcen besitzt wer? • Hauptinteresse bleibt wie können Kapitalarten umgetauscht werden (z.B. Bildungskapital → ökonomisches Kapital) • verschiedene Kapitalsorten 1. materielles Kapital (Güter aus akkumulierter Arbeit) 2. kulturelles Kapital (Bildung, Habitus) – institutionalisier: Universität – inkorporiert: verinnerlichtes Wissen – objektivier: Bilder, Bücher, Kulturgüter 3. soziales Kapital (mobilisierbare soziale Bindungen) Sorte Substrat Objektivierung Institution ökonomisches Kapital Geld Kapital Eigentumsrechte Inkropurierung — Konvertierbarkeit hoch Schwundrisiko soziale Umwälzungen (Kriege, Revoluitionen, Wirtschaftskrisen) Verlustkategorie (1) Inflation (2) Enteignung soziales Kapital Beziehung Netzwerke (1) Adels- und Amtstitel als individ. Prädikate (2) Stand, Berufsstand, Profession als kollektive Muster — geringe u. riskant aber: notwendig (1) Undenkbarkeit (2) asymmetrische Reziprozität (3) Unzumutbarkeit (1) Beziehungsfalle (2) Statusfalle (3) Freundschaftsfalle kulturelles Kapital Wissen Kulturgüter und Wissen Bildungstitel als individ. Prädikate Bildung, Geschmack, Distinktion mittel, abh. von (1) Situation v. Bildung und Beschäftigung (2) übriges Kapitalvolumen (1) Bildungsinflation (2) Verhalten des Wissens Antiquiertheit des Habitus VL Soziologie Pierre Bourdieus Mi 10-12, Prof. Dr. Hans-Peter Müller 6 Martin Rippel (XXXXXX) Mitschrift Seite 7/13 Die feinen Unterschiede: “La Distinction” 19.05.2010 • Klassen vs. Lebensstile – Ausgangspunkt: Webers Unterscheidung zwischen Klasse (Konsumverhalten) und Stand (Lebensführung) – ökonomische Ungleichheiten vs. prestigedifferenzeierte Lebensstile – Haben vs. Sein • Doxa – natürliches für-wahr-Halten – Common Sense – die naturwüchsige Lebenswelt (B OURDIEU) • zweidimensinoales Feld mit Doxa im Ursprung – horizontale Achse: Orthodoxie (definitive offizielle Welt; herrschende Kultur / Sichtweise) vs. Heterodoxie (die bewusste Gegenwelt; Subkultur) – vertikale Achse: Paradoxie (Widersprüche zwischen individ. Erwartungen und den Folgen kollekt. Ereignisse und Prozesse) vs. Allodoxie (symmetrische Täuschungen des ges. Menschenverstandes) Doxa Orthodoxie Heterodoxie habituiertes Fürwahrhalten und obj. Verkennen: rystematisierte Erkenntnis mit Begründungsbasis ↔ Widerlegungsfälligkeit und subj. Verkennen: A LLODOXIE unreflektierte Anerkennung im Sinne eines praktisch eingeübten, habitualisierten naturwüchsigen Urteils (sakrale Magie) PARADOXIE moralische Anerkennung im Sinne eines beund gelehrten staatsbürgerlichen Urteils (säkulare Religion) expressiv gefühlsgebundenes habituelles Ethos im Sinne von (Massen-)Loyalität Rollenteilung Zauberer an sich ungeschiedenes selbstevidentes, unreflektiertes alltagsweltliches Erkenntnishandeln: normatives Einverständnis im Stil eines verantwortungsethischen Wir-Gefühls (z.B. “Wir Demokraten”) im Sinne von Legitimation Priester Differenzierung der drei Modi der Erkenntnis und Trennung von alltagsweltlichem Wissen und systematischer Erkenntnis: dogmatisierte “kanonisierte” Lehre reflexive Infragestellung der Doxa und Orthodoxie durch Nachweis der transzendentalen Erkenntinisvorraussetzung und subj. Verkennen: PARADOXIE ethische Forderungen im Sinne eines (sozial)wissenschaftlich geschulten, gesellschaftlich distanzierten Urteils (säkulare Reform oder Revolution) normative Kritik im Stil eines gesinnungsethischen Wir-Gefühls (z.B. “Wir - Die Avantgarde der Revolution”) im Sinne von “wahrer” Legitimität Prophet Differenzierung der drei Modi der Erkenntnis und Trennung von systematischer Erkenntnis und kritischer Erkenntnis antidogmatische “evolutionäre” Aufklärung und Botschaft theoretische Praxis Erkenntnismodus kongnitiv evaluativ common sense Praxis praktische Praxis VL Soziologie Pierre Bourdieus Mi 10-12, Prof. Dr. Hans-Peter Müller Kriterien Volumen und Struktur des Kapitals Bildungsniveau Wahrnehmungsmodus Habitus Einstellungssyndrom Geschmack 7 Martin Rippel (XXXXXX) Großbürgertum ↑ ök. + ↓ kult. Kapital: Besitzbürgertum ↓ ök. + ↑ kult. Kapital: Bildungsbürgertum mittl. ök. + mittl. kult. Kap.: neue Bourgoisie hoch: Aggregation, Grande Ecole Orthodoxie und Heterodoxie Ethos frei gewühlter Distanz zu den Zweigen des Lebens (1) Geschmack als Ausweis von Individualität (2) Dissoziation von materieller und symbolischer Sphäre (3) Détachmanet “Distinktion” Mitschrift Seite 8/13 Kleinbürgertum ↓ ök. + ↓ kult. Kapital: absteigendes Kleinbürgertum mittl. ök. + mittl. kult. Kap.: exekutives Kleinbürgetum mittl. ök. + kult. Kapital: das neue Kleinbürgertum mittleres Niveau abh. von Zeitachse u, Generationszugehörigkeit: BAC und BEPC orthodoxer Regelkanon oder häretische Allodoxia Arbeiter- und Bauernschaft ↓ ök. + ↓ kult. Kapital normierte Ethik praktischer Ethos (1) Geschmack als Ausweis von Kultur und “Lebensstil” (2) Dissoziation von materieller und symbolischer Sphäre; aber materialistische Einstellung zu Kunst (3) Kulturanbetung “Bildungsbeflissenheit” Das kulturelle Feld I: Fotografie - eine illegitime Kunst gering: CEP, CAP oder ohne Abschluss doxische Alltagseinstellung (1) Geschmack als Frage von Nützlichkeit (2) Kontinuität von Alltagsleben und Kunst (3) Konformitätsprinzip “Notwendigkeit 02.06.2010 • Ausgangsfrage: Wer fotografiert wen, wie und warum? • Legitimität und die soziale Hierarchie von Kunstgattungen – erfordert kaum Ausbildung oder Kapital – nicht institutionalisiert – kein gesellschaftliches Monopol einer Gruppe Sphäre der Legitimität mit unviersellem Anspruch Musik Malerei Skulptur Literatur Theater Sphäre der Praktiken, die der Legitimität teilhaftig werden können Film Photographie Jazz Chanson Sphäre des beliebigen im Hinblick auf die Legitimität Kleidung Kosmetik Innenausstattung Küche sonstige ästhetische Wahlen im Alltag • gebrauchsweise der Fotografie klassenspezifisch – Ablehnung in der bäuerlichen Klasse (Distinktion von ”den Städtern“) – Nutzung nur zu besonderen Anlässen (Professionalisierung) • funktionale Ästhetk: Unterordnung des Bildes unter eine Funktion • Fotografie als Ausdruck der Integration: Fotografie sind Reproduktionen, Zeichen und Werkzeuge der Geselligkeit einer Familie bzw. Gruppe VL Soziologie Pierre Bourdieus Mi 10-12, Prof. Dr. Hans-Peter Müller 8 Martin Rippel (XXXXXX) Das kulturelle Feld II: Literatur 8.1 Mitschrift Seite 9/13 16.06.2010 Aufbau und Struktur einer vollständigen Feldanalyse • klassische Dreiteilung: Prolog, Hauptteil, Epilog • generische Analyse des Feldes geht der Analyse an sich vorraus • Schichten der Feldanalyse: 1. Prinzip der Soziologie kultureller Werke: Blance zwischen Text und Kontext – Analyse von Text und Kontext des Textes unter Berücksichtigung der Geschichte des Feldes 2. Homologie zwischen Raum der Stellungnahmen und Raum der Stellungen 3. Theoretische Schlussfolgerungen über das kulturelle Feld 8.2 Konzept des kulturellen, künstlerischen und literarischen Feldes • quantitative Ausdehnung und qualitative Autonomisierung der Felder • Feld := Netz oder Konfiguration von objektiven Relationen zwischen Positionen • Situs := aktuelle oder zukünftige Postion • soziale Felder im Allgemeinen 1. Relationale Struktur 2. Konfiguration von objektiven Relationen zwischen Positionen 3. Dynamik (nicht-Statik) resultiert aus Kräfteverhältnissen handelnder Akteure / Institutionen 4. Metaphorik: – Magnetfeld: relationale Verfasstheit wird verdeutlicht durch Anziehungs- und Abstoßungskräfte – Kräftefeld: Kampf, Auseinandersetzung, unterschiedliche Interssen – Spielfeld: spieltheoretische Einsatzverteidigung, ”schlechte Karten“ vs. ”gute Karten” 5. Kampf um Legitimität, Autorität, (symbolisches) Kapital – Feld heißt stehts Kampf ⇒ Konfliktsoziologie 6. Spiel fordert Einsatz und Strategien • Besonderheit des kulturellen Feldes – Orginalität, Kreativität, Innovativität sind maßgeblich für relative Position eines Akteurs – im Spannungsverhältnis zwischen Ökonomie und Kultur 8.3 Meth. Fragen: zur Soziologie kultureller Werke • analytischer Bezugsrahmen – interne Perspektive: Fokus auf Text, Anerkennung der Eigenart des Werkes – externe Perspektive: Berücksichtigungdes gesellschaftlichen Kontextes, kritische Soziologie • Kombination beider Lesarten bei Bourdieu • Literatur darf nicht zum Kontext des Textes selbst werden • Annahmen im Bezugsrahmen 1. strukturelle Analyse des Feldes: Verhältnis zwischen Feld und Habitus 2. historische Analyse des Feldes: Entstehung und Entwicklung des Feldes 23.06.2010 VL Soziologie Pierre Bourdieus Mi 10-12, Prof. Dr. Hans-Peter Müller Martin Rippel (XXXXXX) Mitschrift Seite 10/13 • zentrale Untersuchungsschritte 1. Verhältnis vom literarischen Feld zum Feld der Macht 2. interne Analyse des literarischen Feldes (Kampf um Legitimität / Anerkennung) 3. Genese des Habitus der Akteure — “Niemand betritt unschuldig das Feld der Literatur ” (B OURDIEU) 8.4 Das literarische Feld: Genese und Wirkungsweise • Bestandteile des lit. Feldes – Nomos (Gesetz) – Illusio (Vorstellung) – Reflexivität und Naivität im Feld – Geschichte (Flugbahn) – Kontroversen (Kritiker, Medien, . . . ) – ... • zeitliche Schnitte des lit. Feldes 1. die heroische Phase: Kämpfe um Autonomie (1840-1850) – Frühzeit des lit. Feldes – Kulturproduktion unterliegt Marktzwängen (strukturelle Unterordnung der Künstler unter den Markt) – Salons als Begegnungstätten zwischen Mitgliedern des Machtfeldes (Eliten) und Mitgliedern des lit. Feldes (Literaten) – “Bohème” wird zum klassenübergreifendem Lebensstil (trotzdem interne Kapital-Unterschiede) – Emanzipation von Marktlogik: “l’art pour l’art” (F LAUBERT) – Abgrenzung von den beiden maßgeblichen Strömungen dieser Zeit ∗ l’art bourgeois: Theaterproduktion, eng verwoben mit Herrschern ∗ l’art social: Kind der Revolution, republikanisch-sozialistische Parteinahme der Unterdrückten – Bruch mit beiden, weder Anpassung noch Veränderung sondern Kunst um der Kunst willen (Antihaltung ohne revolutionären Momend) – Versuch / Ziel: Umwertung der Werte – Roman als höchste Literaurform innerhalb des l’art pour l’art 2. Phase der Konsolidierung (ab 1880) – finanzielle Anerkennung: 1. Theater, 2. Roman, 3. Poesie – kulutrelle Anerkennung; 1. Poesie, 2. Roman, 3. Theater – Ausprägung einer chiastischen (dualistischen, bipolaren) Struktur ∗ reiner Pol: kleiner Verlag, kleine Auflage, kleiner Kreis der Rezipienten, schwer verständlch ∗ unreiner Pol: großer Verlag, große Auflage, Bestseller, großes Publikum, einfach verständlich – siehe Folie: lit. Feld gegen Ende des 19. Jahrhunderts 9 Das kulturelle Feld II (Forts.): Flauberts “L’Education Sentimentale” • Werk zeigt paradigmatisch die gesellschaftliche Situation und den Raum der Möglichkeiten zu F LAUBERTS Zeit • Frédéric (Protagonist) als Parabel auf die Persönlichkeit eines Künslters und Mitgliedes der Bohème (eher indifferenter Möglichkeitsmensch, denn Wirklichkeitsmensch) • Frédéric als mittelmäßiges (desinteressiertes) Leben in einer aufregenden (revolutionären) Zeit • sein Weg durch Paris auch als stadtsoziologische Perspektive des Aufstieges und unterschiedlichen wohnen könnens VL Soziologie Pierre Bourdieus Mi 10-12, Prof. Dr. Hans-Peter Müller 10 Martin Rippel (XXXXXX) Das ökonomische Feld: Die Sozialstruktur der Wirtschaft Mitschrift Seite 11/13 30.06.2010 • bei D URKHEIM erst die Gesellschaft, dann die Wirtschaft • B OURDIEU macht aus der Ökonomie eine Art Antropologie / Kultursoziologie • Hegemonie des neoliberalen Kapitalismus als doppelte Herrschaft – real: Macht über Alles (Bildung, Arbeit, Leben, ...) mit Geld als Mittel des Zwangs – symbolisch: höchste, beste, produktivste, natürlichste Lebensform • wissenschaftliche Reaktion auf Neoliberalismus: die sozialen Strukturen der Ökonomie (Studie über Eigenheimbesitzer) • Ziel: Aufzuzeigen, hier am Beispiel des Eigenheims, dass die Wirtschaftssoziologie besser geeignet ist um ökonomische Prozesse zu verdeutlichen als Modelle der Wirtscaftswissenschaften. • Besonderheiten des Gegenstandes Eigenheim: 1. Geld (Kapital): häufig nur mit Kredit möglich, meißt größte Investition des ganzen Lebens 2. Zeit: lebenslanges Abbezahlen 3. Arbeit: Eigenarbeit, Reperaturen, Veränderungen 4. Affekte: Verwriklichung des Traums der eigenen 4 Wände, symbolisch besetzt, Habitusprägend • Fazit: Eigenheim weit mehr als nur ein ökonomisches Konsumgut • Konstruktion des ökonomischen Feldes - Zentrale Rolle des Staates – soziale Konstruktion der Nachfrage über “Agents“ (B OURDIEU) := Eigenheimbesitzer, Bauwirtschaft, ... – soziale Konstruktion des Angebotes über Kreditwirtschaft ∗ Kredit := ”Kaufkraft ohne Geld“ (S OMMBACH) mit dem Ziel des Erlangens von Handlungsmächtigkeit • Kapitalarten im ökonomischen Feld – finanzielles Kapital: finanzielle Potenz, Kreditwürdigkeit – technologisches Kapital: Fähigkeiten, Fertigkeiten, Innovationsvorsprung über Technologie – kommerzielles Kapital: Strategien zum Marketing und der Vermartung gebauter (zu bauender) Häuser – symbolisches Kapital: Markenimage von Unternehmen • größere (kapitalreichere) Unternehmen dominieren kleinere Unternehmen • These: ”Es sind die Agenten, die den Markt machen und nicht der Markt der, der die Agenten erzeugt.“ (B OURDIEUS) – Unternehmen machen den Markt und setzen den Preis fest • Das Feld der Eigenheimproduzenten - Strukturierung nach drei Kriterien – Betriebsgröße: Möglichkeit zur Massenproduktion vs. handwerklicher Produktion – Finanzierung: Hausbankprinzip (:= Arbeitsteilung zw. Bank und Großunternehmen) vs. Kreditunsicherheit für kleine Familienbetriebe – Bauweise: Großserienproduktion vs. ?? – Vertriebstrategien: nationaler vs. lokaler Vertrieb • drei Klassen von Bauunternehmen 1. innovative kleine Unternehmen 2. integrierte Großunternhemen 3. kleine Familienunternehmen VL Soziologie Pierre Bourdieus Mi 10-12, Prof. Dr. Hans-Peter Müller Martin Rippel (XXXXXX) Mitschrift Seite 12/13 • Werbestrategien – Spiel mit dem Bedürfnissen der prospektiven Eigenheimbesitzer – Reize des naturnäheren Lebens (”Wohnen im Grünen“, ”Der Großstadt entfliehen“, ...) – Kaufen am Ende angeblich billiger als Mieten inkl. steuerlicher Vorteile – Stolz des Besitzens - Veränderung des bürgerlichen Status • Entzauberung und Ernüchterung – Aufdeckung versteckter Extrakosten (Nebenkosten, Reperaturkosten, Verpflichtungen) – Erkenntnis der Unfähigkeit die Kredite abzuzahlen (fehlende Finanzierungspläne) – langfristige finanzielle Bindung an den / die Kreditgeber – gemachte Kompromisse wiegen mit jedem Tag schwerer (Lage, dünne Wände, Fahrzeiten, ...) – Bindung an die Immobillie macht selber unmobil – Reue über Delegation der Entscheidungsmacht an Verkäufer (”Die machen das schon.”) • Fazit – Vernachlässigung der symbolischen Dimension in den Wirtschaftswissenschaften, diese aber essentiell – wirtschaftsoziologische Analyse überlegen – Einsichten der Ökonomie der symbolischen Güter ∗ Prägung der Marktakteur ∗ Zwänge erwachsen aus spezifischer Feldstruktur (Alles im Feld spielt eine Rolle!) ∗ Markt, Preis, Angebot & Nachfrage sind sozial konstruiert 11 Das politische Feld 07.07.2010 • Vorbetrachtung – auch hier nur Skizze einer Feldanalyse • Grundzüge des politischen Feldes – Akte der Delegation und Repräsentation (Mandat, Vertretung) → Distinktion zwischen Professionellen und Laien (Expertenbildung) konstitutiv für das politische Feld – Kämpfe um das Monopol der des legitimen Sicht- und Teilungsprinzips der Welt – politisches Kapital := Sichtbarkeit (Bekanntheit), Erfahrung (Alter), Beziehungen – Sicherung vor Unwägbarkeiten der Demokratie durch Position in Partei oder Staat – Zwei dichotome Gruppen innerhalb der Parteien: Prakmatikern (opferbereit) vs Puristen (ideologietreu) – Zentralität des Staates mit Monopol auf die legitime symbolische Gewalt • Politik und Medien (Kritik I: Medienkritik) – Medien gleichzeitig als wichtigiste Verbündete und größte Feinde der Politik – Mechanismen des Fernsehens 1. Sensationsjagd ∗ Fernsehen als Massenmedium ∗ Ihnalte die nicht spalten und Sensationen (“Wirklichkeit bunt machen“) ∗ Angst, Schrecken und Aufregen mobilisiert 2. Fast Thinking ∗ kruz und prägnant (keine Antwort länger als eine Minute) ∗ knapp und einfach (für jeden leicht verständlich) ∗ fehlende Kompetenz wird durch simplifizierenden Ausdruck kompensiert 3. zirkuläre Zirkulation ∗ stark kontrollierter und begrenzter Input, viele Kreisläufe VL Soziologie Pierre Bourdieus Mi 10-12, Prof. Dr. Hans-Peter Müller Martin Rippel (XXXXXX) Mitschrift Seite 13/13 ∗ ”Alle berichten zur selben Zeit das Gleiche.“ ∗ Fernsehen übt unsichbare Zensur aus, durch breite Konzentration auf wenige Nachrichten → Verkürzung und Verflachung von Inhalten – Auswirkungen: Zuschauer halten Fernsehen für real (Tatsachengenese) • Politik und die gesellschaftlichen Leiden (Kritik II: Sozialkritik) – gesellschaftliche Leiden := “Sorgen und Nöte der kleinen Leute“, Schattenseite der Gesellschaft • Die neoliberale Politik und die Globalisierung (Kritik III: Ideologiekritik) – Angst vor Amerikanisierung der Gesellschaft – Rückzug des Staates aus Wirtschaft und Gesellschaft (Privatisierung / Entsolidarisierung) • Die Intellektuellen und die Politik (Kritik IV: intellektuelle Kritik) – Intelektuelle := Beobachter die Engagiert und wütend sind, Sachwalter der allgemeinen Moral – Stellung und Status der Intellektuellen ∗ Öffentlichkeits nahe Berufe ohne Abhängigkeit von Parteien oder Interessengruppen ∗ objektive Kritik in der Rolle des fremden Außenseiters in Kombination mit erfahrener Innensicht – Intellektuelle vs. Experten • Bourdieus Erbe