Ausgabe August Nr. 3 / 2016 Magazin der Medizinischen Einrichtungen des Bezirks Oberpfalz SYNAPSE Sport und Sporttherapie Schlaganfall: Gehirninfarkt Säuglingsambulanz: Fütterstörungen 2 SYNAPSE August Inhalt 3 SYNAPSE August Editorial Editorial: Patienten – Spiegel unserer Arbeit Bezirk 4 Sudetendeutsches Musikinstitut: Brücke zum tschechischen Nachbarn 6 Musikfachschule: Broadway in der Oberpfalz 7 Wachwechsel am Bezirksklinikum Wöllershof 8 Spatenstich: Psychiatrische Versorgung für alle Altersklassen in Amberg Psychiatrie 10Graduiertenkolleg: Die Bedeutung von Emotionen bei psychischen Erkrankungen 12 Sport „inklusiv“ in und um Regensburg 14 medbo Netzwerkpartner: Der Suchtarbeitskreis Oberpfalz (SAK) 17 Legal Highs im stationären Alltag 18 Präventionsgesetz: Vorbeugen ist besser als Heilen 21 Sucht und Sport: Körperliches Training als therapeutische Maßnahme 24Gesundheitsregion Plus Landkreis Cham: Psychische Gesundheit für Stadt und Land am Regenbogen Neurologie 27 Neurologische Arbeitsgemeinschaft: Gemeinsam gegen Hirntumoren 28 Gehirnerschütterung: Schädel-Hirn Trauma „light“ Neuro-Reha 30 Praxistipp: Schlaganfall-Akutbehandlung und Prophylaxe Kinder- und Jugendpsychiatrie 34 KJP-Fachtagung: neue fremde Heimat 36 Famulatur-Bericht: Worte können heilen 38 Fütterstörung: Hilfe, mein Kind verhungert! Forensik 42 Sicherheitsbeauftragter: State of the art 43 Theaterprojekt: „Die Räuber“ unter uns medbo 44 Mission: Vorstand 46 Mein medbo Tag beim Sozialdienst: Unterstützer in allen Lebenslagen 48 St. Vitus und das Vitus-Fest: Der Neurologie-Heilige 49 Baseball bei der medbo: Go, maniacs go! 50 Beruf und Familie: Führungskraft mit Familienanhang 52 Befragung zur Psychischen Gefährdungsbeurteilung 2016 54 Betriebliche Suchthilfe: Co-Abhängigkeit – die Sucht hinter der Sucht 56 Veranstaltungshinweise 57Personalia 13Kreuzworträtsel 58 Veranstaltungshinweise U3 Impressum Der SYNAPSE-Titel zeigt ein Windrad im Park des Bezirksklinikums Wöllershof. Patienten: Spiegel unserer Arbeit Die medbo befragt ihre Patientinnen und Patienten zu vielen Aspekten: Zum Aufenthalt auf Station, zur Zufriedenheit mit der Behandlung, zur Qualität der Verpflegung, zum Umgang mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der medbo und vielem mehr. Darin haben wir Erfahrung. Seit mehr als 20 Jahren befragen wir unsere Patienten in Regensburg und Wöllershof in regelmäßigen Abständen. Die Befragungen in allen Akutkliniken der medbo finden seit 2014 nicht mehr jährlich, sondern quartalsweise an einem Stichtag statt. Nur wenige Bereiche sind bislang ausgenommen: Die Intensivstationen beispielsweise oder Bereiche, in denen Patienten behandelt werden, die krankheitsbedingt nicht in der Lage sind teilzunehmen. So antworten regelmäßig etwa 90% aller anwesenden Patienten. Unser Zentrales Qualitätsmanagement wertet die Rückläufe (immer jeweils viele Hundert Bögen!) inhaltlich und statistisch aus. Dann werden die Ergebnisse den Stationen, den Kliniken, aber auch der Verwaltung rückgemeldet. Die Stichtagsregelung hatte bislang den Vorteil, dass wir punktgenau ein repräsentatives Bild über die Qualität unserer Leistungen in Behandlung und Service bekommen haben: Ob ambulante oder stationäre Patienten, jung oder alt, Frau oder Mann. Die Fragebögen wurden dazu am Stichtag immer zum Beispiel nach dem Mittagessen oder bei den Sprechstunden ausgegeben. Die Quartalsbefragung ist und bleibt ein gutes, konstruktives Verfahren. Jetzt haben wir uns entschlossen, unsere Vorgehensweise zu erweitern: Die reine Stichtagsbefragung soll durch eine permanente Rückkopplung Patient-Klinik ergänzt werden. Dazu werden wir flächendeckend auf unseren Stationen Briefkästen einrichten, in die laufend Hinweise, Anregungen und natürlich Beschwerden unserer Patienten eingeworfen werden können: Selbstverständlich anonym, wenn gewünscht. Wir versprechen uns davon, auf neue oder auf akute Themen schneller reagieren zu können. Und übrigens: Auch „Input“ aus den Reihen der Angehörigen ist uns willkommen! Am wertvollsten – und das meine ich ernst – sind für uns dabei die Beschwerden. Liebe Patientinnen und Patienten, liebe Angehörige und Besucher: Bitte sagen Sie uns Ihre Meinung! Am besten immer zeitnah zum Ereignis. Ihre Hinweise sind für uns die wichtigste Reflexion zur Qualität unseres Handelns – eine kostenlose Beratung für uns noch dazu! Denn niemand kann uns so wertvolle Hinweise zu Lücken im Konzept, zu Defiziten im Komfort oder anderen ärgerlichen Begebenheiten liefern wie Sie. Helfen Sie uns tatkräftig, aus unseren Fehlern zu lernen! Ein herzliches Dankeschön hierfür schon jetzt! Dr. Dr. Helmut Hausner Vorstand der medbo 3 4 SYNAPSE August Bezirk SYNAPSE August Bezirk weise sudetendeutschen Musikkultur wissenschaftlich noch nicht erschöpft sei. Und so lautete sein Wunsch an das Institut: „Viele neue Erforscher“. Miteinander Musizieren Neben Forschung und Dokumentation legt der derzeitige Leiter des Instituts besonderes Augenmerk auf Konzerte mit deutschen und tschechischen Musikern. Im Laufe der Jahre öffnete er das Angebot zum Jazz und zu anderen Formen aktueller Musik sowie für junge, noch unbekannte Musiker. 25 Jahre Sudetendeutsches Musikinstitut Brücke zum tschechischen Nachbarn Es ist einzigartig und eine Besonderheit, die nur der Bezirk Oberpfalz vorweisen kann: das Sudetendeutsche Musikinstitut. Dieses Jahr kann es auf sein 25jähriges Bestehen zurückblicken, und Freunde, Förderer und Partner kamen Anfang Juni nach Regensburg, um zu diesem Jubiläum gratulieren. W ie es sich für ein solches Institut gehört, nahm die Musik einen großen Part des Festakts ein – beeindruckend dargeboten von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrern der bezirkseigenen Berufsfachschule für Musik in Sulzbach-Rosenberg. Neben europäischer Musik des Barock erklang auch böhmische Musik des 20. Jahrhunderts, die den Bogen zu den Aufgaben des Sudetendeutschen Musikinstituts schlug. Schließlich erforscht, dokumentiert und fördert es die Musik und die Musikkultur der Böhmischen Länder vom Mittelalter bis zur Gegenwart und berücksichtigt dabei insbesondere Komponisten und Musiker deutscher Sprache, Abstammung oder Nationalität. „Zwischen Deutschland und Tschechien, zwischen Bayern und Böhmen hat sich in den zurückliegenden 25 Jahren vieles verändert. Die Begegnungen der Menschen sind zur Normalität geworden, und das Sudetendeutsche Musikinstitut leistet dazu einen wertvollen Beitrag“, hob Bezirkstagspräsident Franz Löffler in seiner Rede hervor. Das Institut habe in den zurückliegenden 25 Jahren Beachtliches entstehen lassen und genieße nicht nur in Deutschland, sondern auch in Tschechien einen hervorragenden Ruf. Löffler dankte dem Gründungsdirektor Widmar Hader, der das Institut 16 Jahre leitete, sowie dessen Nachfolger Dr. Andreas Wehrmeyer für die erfolgreiche Führung der einzigartigen Kultureinrichtung. Dr. Ortfried Kotzian, Vorstandsvorsitzender der Sudetendeutschen Stiftung, charakterisierte das Sudetendeutsche Musikinstitut als Ausdruck des politischen Willens, das kulturelle Erbe der vertriebenen Deutschen zu sichern und weiterzuentwickeln. Das Sudetendeutsche Musikinstitut sei ein „Mosaikstein, welcher wesentlich zur Verständigung zwischen Sudetendeutschen und Tschechen beigetragen hat“. Symbolträchtiges Zeichen Als „symbolträchtiges Zeichen für die ausgestreckte Hand zum Miteinander und zur Aufarbeitung der gemeinsamen Geschichte, Kultur und Vergangenheit“ bezeichnete Dr. Wolfgang Freytag vom Bayerischen Sozialministerium die Grün- (v.l.) Dr. Andreas Wehrmeyer, Christiana Schmidbauer (Stadt Regensburg), BTP Franz Löffler, Dr. Wolfgang Freytag, Dr. Ortfried Kotzian und Christa Naaß (Generalsekretärin des Sudetendeutschen Rats) dung des Sudetendeutschen Musikinstituts. Es sei „ein über die bayerischen Grenzen hinaus bekanntes und sehr renommiertes Institut“. Das Sozialministerium als „Schirmherrschaftsministerium“ unterstütze die Arbeit des Instituts mit einer hohen institutionellen Förderung. Schließlich werde dort in enger Kooperation mit tschechischen Partnern „Arbeit für die Zukunft“ geleistet, so Freytag. Von der Musikhochschule Weimar erinnerte Dr. Undine Wagner an die ersten zaghaften Kontakte zwischen Ost und West und an den zwischenzeitlich verstorbenen wissenschaftlichen Mitarbeiter des Sudetendeutschen Musikinstituts, Dr. Torsten Fuchs, der zusammen mit Widmar Hader die Herausgabe des „Lexikon zur deutschen Musikkultur. Böhmen, Mähren, Sudetenschlesien“ leitete – heute „ein unentbehrliches Standardwerk“, so Wagner. Dr. Viktor Velek vom Kura­ torium des Instituts zeigte sich überzeugt, dass das Thema der deutsch-böhmischen beziehungs- Für den perfekten Ausklang des Tags sorgte Wortakrobat und Tastengenie André Hartmann, Förderpreisträger für darstellende Kunst der Sudetendeutschen Landsmannschaft 2005, der die Besucher in seinem Musik-Comedy-Kabarett-Programm „Radio-AKTIV!“ mit auf eine unterhaltsame Wunschkonzert-Reise durch Hits, Schlager und klassische Stücke nahm. Nicht fehlen durften die zahlreichen Promi-Stimmen, die Hartmann perfekt zu imitieren versteht. Wortwitz auf hohem Niveau, preisgekröntes Klavierspiel und unfassbare Spontaneität haben sich an diesem kurzweiligen Abend bestens vereint. (MHI) Kleine Historie des Sudetendeutschen Musikinstituts Gegründet 1990 nahm das Sudetendeutsche Musikinstitut 1991 seine Arbeit in der Von-der-Tann-Straße in Regensburg auf. 1996 erfolgte der Umzug an die Ludwig-Thoma-Straße 14. Es ist also seit nunmehr 20 Jahren in unmittelbarer Nachbarschaft zum Bezirksklinikum Regensburg tätig, mit dem es kulturelle Verbindungen in Form von Veranstaltungen und Konzerten pflegt. Auch die Zusammenarbeit mit dem dort ansässigen Verein „zweitesLEBEN“ ist eng. Das Sudetendeutsche Musikinstitut unterhält zahlreiche Kontakte zu wissenschaftlichen Einrichtungen in Deutschland und Tschechien. Sammlungen in Bibliothek und Archiv ergänzen seine Arbeit ebenso wie Forschungsprojekte und Publikationen. Träger des Sudetendeutschen Musikinstituts ist der Bezirk Oberpfalz, institutionell wird es vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration sowie der Stadt Regensburg und der Sudetendeutschen Stiftung gefördert. 5 6 7 Beeindruckende Musical-Gala der Berufsfachschule für Musik in SulzbachRosenberg (v.l.n.r.) Bezirkstagspräsident Franz Löffler mit dem designierten Chef des Bezirksklinikums Wöllershof, Dr. Markus Wittmann, und medbo Vorstand Dr. Dr. Helmut Hausner Broadway in der Oberpfalz – „Welcome on the Town“ Peter Kieser, Sarina Wagner Dr. Markus Wittmann folgt auf Dr. Heribert Fleischmann Alle zwei Jahre verwandelt sich der Konzertsaal der Berufsfachschule für Musik des Bezirks Oberpfalz in Sulzbach-Rosenberg in eine Musicalbühne. So haben sich in diesem Jahr wieder die Musicalklasse und eine Live-Band zusammengetan und mit Unterstützung ihrer Lehrkräfte ein zweieinhalbstündiges Programm auf die Beine gestellt. Wachwechsel in Wöllershof Dr. Markus Wittmann wird ab Januar 2017 für mehr als 320 Mitarbeiter und jährlich rund 11.000 Patienten am medbo Standort Wöllershof verantwortlich sein. Er folgt auf den Ärztlichen Direktor Dr. Heribert Fleischmann, der Ende 2016 in den Ruhestand gehen wird. D as diesjährige Programm gab den musikbegeisterten Gästen einen vielseitigen Einblick in die Welt des klassischen Musicals und demonstrierte zugleich eindrucksvoll die Arbeit an der Schule. Schon eine fetzig-schrille Ensemblenummer zu Beginn, aus dem Musical „City of Angels“, versprach dem Publikum eine bunte Reise gepaart mit unterschiedlichsten Emotionen. Gleich drei Moderatoren führten gekonnt und amüsant weiter durch Balladen, Steppund Burlesque-Nummern, bis hin zu einer absurden Szenerie mit Geranien, Würsten und einem kleinen Horrorladen. Der erste Teil der Gala endete in einem liebevoll gestalteten „On the Town“-Block, der in der Show-Nummer „New York, New York“ mündete. Eine ausgefeilte und ansprechende Choreographie, die sich durch den gesamten Abend zog, zeugte von einem besonders tanzstarken Jahrgang. Schwungvoll wurden die Zuschauer nach einer Erfrischungspause ins „Alte Ägypten“ entführt, wo Amneris, eine Pharaonentochter, über die Wichtigkeit der weiblichen Schönheitspflege berichtete. Klar darf in einer Musical-Gala auch Disney nicht fehlen, und so gewannen die Darsteller – ob mit „Mary Pop- I pins“, „Aladdin“ oder „Die Schöne und das Biest“ – die Herzen der Zuschauer, nur um ihnen im Anschluss mit dem Lied „Einmal“ aus „Der Glöckner von Notre Dame“ schier den Atem zu rauben. Doch recht viel Zeit zum Luftholen blieb wohl keinem im Konzertsaal, denn phänomenal endete der Abend mit Highlights aus „Der Tanz der Vampire“. Regisseur Michael Blumen­ thal und Choreographin Claudia Kurrle hatten alle Register ihres Könnens gezogen, den Galaabend zu einem für Darsteller und Publikum gleichermaßen unvergesslichen Erlebnis werden zu lassen. Bis ins kleinste Detail hatten die verantwortlichen Gesangslehrkräfte ihre jungen Sängerinnen und Sänger auf die dreimalige Aufführung vorbereitet. Besonderes Lob gebührt auch der zwölfköpfigen Band und ihrem Leiter Manfred Knaak am Flügel, der fast alle Nummern eigens für diese Besetzung arrangiert hatte und die Einstudierung des fulminanten Ensemblegesangs besorgte. Nach der Wiederholung des schummrig-schaurigen Tanzes der Vampire gab es Standing-Ovations, die dieser absolut professionellen Inszenierung den Respekt zollten, die sie ohne Zweifel verdiente. Peter Kieser und Sarina Wagner sind Schüler der Berufsfachschule für Musik in Sulzbach-Rosenberg Veranstaltungskalender der Berufsfachschule für Musik Sulzbach-Rosenberg Die nächste Musical-Gala ist für 2018 geplant. Die Schülerinnen und Schüler präsentieren sich regelmäßig mit Konzerten der unterschied­ lichen Genres und Zusammensetzungen. Veranstaltungstermine sowie weitere Informationen zur Schule gibt es unter www.bfsm-sulzbach.de. n seiner Sitzung am 9. Juni 2016 hat der medbo Verwaltungsrat unter Leitung von Bezirkstagspräsident Franz Löffler die Nachfolge des Ärztlichen Direktors des Bezirksklinikums Wöllershof entschieden. Dr. Markus Wittmann, derzeit noch stellvertretender Chefarzt der Psychiatrie am Bezirksklinikum Mainkofen, wird Anfang 2017 Dr. Heribert Fleischmann ablösen. Der 43-jährige Niederbayer Wittmann, der in Erlangen Medizin studierte, ist bei der medbo kein Unbekannter, denn er war von 2002 bis 2011 bereits in verschiedenen Funktionen im Unternehmen tätig. Er absolvierte schon seine Facharztausbildung am Bezirksklinikum Regensburg, war mehrere Jahre in der Psychiatrischen Institutsambulanz und zuletzt als Oberarzt in der psychiatrischen Tagesklinik tätig. Nach seinem Wechsel 2011 ans niederbayerische Bezirksklinikum Mainkofen war er dort zunächst Leitender Arzt der Psychiatrischen Institutsambulanz. Momentan hat Wittmann neben der Stellvertretung des Ärztlichen Direktors auch die ärztliche Leitung des Bezirkskrankenhauses Passau und der Abteilung für Psychiatrie am Krankenhaus Freyung inne. Dr. Wittmann folgt auf Dr. Heribert Fleischmann, der seit 1980 bei der medbo, zuerst am Bezirksklinikum Regensburg und ab 1998 am Standort Wöllershof, beschäftigt ist. Seinen Auftrag, die medizinische Fortentwicklung des Bezirkskrankenhauses Wöllershof zu betreiben, erfüllte er bestens. Seit 17 Jahren leitete Fleischmann, anfangs stellvertretend, dann als Ärztlicher Direktor das Bezirkskrankenhaus Wöllershof. Er verlieh dem Haus die Struktur eines modernen psychiatrischen Fachkrankenhauses. Neben einer allgemeinpsychiatrischen, einer gerontopsychiatrischen und einer Sucht-Abteilung verfügte Wöllershof bereits frühzeitig über eine moderne psychosomatische beziehungsweise psychotherapeutische Spezialstation. Überregionales Renommée genießt nicht zuletzt die Abteilung für Sucht-Rehabilitation, die Fleischmann maßgeblich mit aufgebaut hat. Gewinn für die Nordoberpfalz „Wir freuen uns, dass wir mit Dr. Wittmann einen erfahrenen Ärztlichen Direktor gewinnen konnten und wünschen ihm für die neue Aufgabe alles Gute und viel Erfolg. Er ist wie geschaffen für die psychiatrische Versorgung im ländlichen Raum und hat bereits Erfahrungen im Bereich der Telemedizin gesammelt“, erklärte Bezirkstagspräsident Franz Löffler nach der Verwaltungsratssitzung. Gerade die nördliche Oberpfalz könne von diesem Wissen profitieren, zumal Wittmann bereits Erfahrungen im Aufbau von sektorübergreifenden und zukunftsfähigen Versorgungsstrukturen und Netzwerken gesammelt hat. „Dr. Wittmann ist ein ausgewiesener Experte in den Bereichen Depression und psychosomatische Krankheiten und führend in der Gerontopsychiatrie. Er ist in seinem Wissen als Psychiater sehr breit aufgestellt und steht für eine Umsetzung von qualitätssichernden und risikominimierenden Behandlungskonzepten“, freut sich medbo-Vorstand Dr. Dr. Helmut Hausner auf die künftige Zusammenarbeit. „Wir wissen die Bürger in der nördlichen Oberpfalz bei Wittmann als Ärztlichem Direktor auch weiterhin in besten Händen“, so Hausner. Er dankte dem demnächst scheidenden Chefarzt Fleischmann ausdrücklich für seine Arbeit. „Er wurde zur Identifikationsfigur in Wöllershof“, lobte Hausner. „Ich schätze es sehr, dass ich ein wohlbestelltes Haus in die Zukunft führen darf, und freue mich auf die Zusammenarbeit mit dem Team in Wöllershof, den vielen komplementären Einrichtungen und niedergelassenen Ärzten in der nördlichen Oberpfalz“, führte Dr. Wittmann aus. (LHO) 8 SYNAPSE August Bezirk SYNAPSE August Bezirk Spatenstich für Klinikbau in Amberg Psychiatrische Versorgung für alle Altersklassen in Amberg Die medbo schließt eine Versorgungslücke in der westlichen Oberpfalz: Gleich neben dem Amberger St. Marien Klinikum errichtet die medbo eine kinderund jugendpsychiatrische sowie eine erwachsenenpsychiatrische Tagesklinik mit angeschlossener Institutsambulanz. Mit dem feierlichen Spatenstich am 17. Juni 2016 wurde das Bauvorhaben offiziell gestartet. U nter der neuen Adresse „Ecke Marien-/Wiltmeisterstrasse“ sollen ab 2018 psychisch kranke Kinder, Jugendliche und Erwachsene einen Anlaufpunkt für Diagnose und Behandlung in Amberg haben. Geplant sind eine kinder- und jugendpsychiatrische Tagesklinik mit zwölf und eine erwachsenenpsychiatrische Tagesklinik mit angeschlossener Institutsambulanz mit 20 Plätzen. Bezirkstagspräsident Franz Löffler stellte die Notwendigkeit ei- ner psychiatrischen Versorgung im Westen der Oberpfalz hervor. „Gerade bei Patienten mit psychischen Problemen ist es unabdingbar, ein Angebot möglichst nahe am Wohnort vorzuhalten. Dieses Ziel verfolgen wir mit all unseren Baumaßnahmen und haben bereits konsequent ein dichtes Versorgungsnetz über die Oberpfalz gespannt“, hob Löffler hervor. Auch die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml zeigte sich vom Bauvorhaben erfreut: „Wir sind beim Ausbau und der Modernisierung der psychiatrischen Versorgung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene in der Oberpfalz auf einem sehr guten Weg. Wenn es darum geht, moderne Versorgungsstrukturen in der Psychiatrie zu schaffen, setzen wir vor allem auf regionale Tageskliniken. So schaffen wir eine wohnortnahe Versorgung für die Patienten und ihre Angehörigen ohne große Fahrtstrecken." Der traditionelle Spatenstich in Amberg: Gesundheitsministerin Melanie Huml (6. v.r.), Bezirkstagspräsident Franz Löffler (4. v.r.) und medbo Vorstand Dr. Dr. Helmut Hausner (4. v. l.) in Aktion Als künftiger Nachbar wünschte der Vorstand des St. Marien Klinikums Amberg dem Bau einen unfallfreien Verlauf und strich die Vorteile heraus, die sich durch die enge räumliche Zusammenarbeit ergeben werden. Über die medizinischen Konzepte und die Behandlungsan­ gebote der Tageskliniken berichteten die Chefärzte Dr. Peter Radlinger (Erwachsenenpsychiatrie) und Dr. Christian Rexroth (Kinder- und Jugendpsychiatrie – KJP). So wird sich die KJP um alle kinder- und jugendpsychiatrischen Erkrankungen kümmern, zum Beispiel Ängste und Depressionen, Aufmerksamkeitsstörungen (ADS/ADHS), psychosomatische und Regulationsstörungen wie Einnässen, aber auch Suchterkrankungen, Zwänge und Suizidalität. Bei den Erwachsenen stehen beispielsweise Depressionen und Burnout, psychotische Erkrankungen, Ängste und Zwänge, posttrau- matische Belastungen, aber auch somatoforme Krankheitsbilder und chronische Schmerzen im Fokus. Investition in Millionenhöhe Die gesamten Kosten belaufen sich auf geschätzte 6,88 Millionen Euro. Mehr als die Hälfte davon übernimmt der Freistaat Bayern mit rund 3,5 Millionen Euro. Eine Summe von 2,4 Millionen Euro für den Neubau stemmt der Bezirk durch sein Tochterunternehmen medbo. Auch an den Kosten für die sogenannte „Schule für Kranke“ – jugendliche Patienten unterliegen der Schulpflicht – beteiligt sich der Bezirk Oberpfalz mit rund 650.000 Euro. Das Klinikum St. Marien überlässt der Psychiatrie das Grundstück kostenfrei; die medbo musste lediglich den Abbruch des alten Infektionsgebäudes übernehmen. Insgesamt soll das Gebäude rund 1.200 Quadratmeter Nutzflä- che auf drei Etagen verteilt bekommen. Das neue Gebäude gleicht sich mit seiner Fassade der des St. Marien Klinikums an und wird lediglich ein halbes Geschoss höher als das bestehende Gebäude werden. Insgesamt werden drei Stockwerke plus eine Ebene mit Parkfläche entstehen. Tagesklinik: Die Klinik ohne Betten Psychiatrische Tageskliniken sind ein wichtiges Glied in der Versorgungskette psychisch kranker Menschen. Sie dienen als Nahtstelle zwischen ambulanter Therapie und stationärer Behandlung. Die tagesklinische Behandlung ermöglicht, stationäre Aufenthalte zu verkürzen oder gänzlich zu vermeiden. Andererseits kann die Tages­ klinik eine Behandlungsalternative darstellen, wenn die ambulanten Behandlungsformen nicht mehr ausreichen. Die Tageskliniken er- möglichen die sogenannte „Integrierte Versorgung“. Sie gewinnt immer mehr an Bedeutung, indem sie eine intensive Therapie sicherstellt, ohne dass aber die Bezüge zum häuslichen Umfeld aufgeben werden müssen. 2009 eröffnete die medbo in Amberg bereits eine Institutsambulanz für Kinder- und Jugendpsychiatrie, die 2013 nach einem Umzug ins ehemalige Bundeswehrkrankenhaus durch eine Tagesklinik mit zwölf Behandlungsplätzen ergänzt wurde. Die Tagesklinik und Institutsambulanz Amberg bietet Kindern und Jugendlichen Diagnostik, Krisenintervention und Behandlung bei psychischen Belastungen. Bislang wurden am Amberger medboStandort „Bundeswehrkrankenhaus“ rund 5.600 junge Patienten ambulant und über 140 in der Tagesklinik behandelt. (LHO) 9 10 SYNAPSE August Psychiatrie SYNAPSE August Psychiatrie Graduiertenkolleg: Forschungsprojekte des Lehrstuhls für Psychiatrie und Psychotherapie Der Lehrstuhl für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Regensburg ist im Graduiertenkolleg „Neurology of Emotion Dysfunctions“ mit drei von zehn Hauptprojekten sehr gut vertreten. Der am medbo Bezirksklinikum Regensburg angesiedelte Lehrstuhl unter Leitung von Prof. Dr. Rainer Rupprecht, dem Ärztlichen Direktor der medbo Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Regensburg, beteiligt sich mit folgenden Forschungsprojekten: Mechanismen der Stressregulation beim Menschen Das GRK-Projekt „Funktionelle Rolle des Translokator Proteins 18 kDa (TSPO) für die Regulation von Stress beim Menschen“ wird von Caroline Nothdurfter gemeinsam mit Andreas Mühlberger (Lehrstuhl für klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität Regensburg) geleitet und soll einen neuartigen molekularen Mechanismus bei der menschlichen Stressregulation untersuchen. TSPO ist ein Molekül, welches in den Mitochondrien der Zelle lokalisiert ist und im Gehirn eine wichtige Rolle für den Energiehaushalt spielt, aber auch für die Produktion sogenannter Neurosteroide. Neurosteroide sind spezielle Hormone, welche wiederum bestimmte Neurotransmitterrezeptoren im Gehirn modulieren können (zum Beispiel den GABAA-Rezeptor), und somit wichtig für die Verarbeitung von Emotionen wie etwa Angst oder auch Stress sind. In einem translationalen Ansatz, der die Erforschung von Mechanismen auf der Molekülebene bis hin zu konkreten Auswirkungen im menschlichen Verhalten verbindet, soll die Bedeutung dieses Schlüsselmoleküls TSPO für die Regulation von Stress untersucht werden. Zu diesem Zweck sollen gesunde Probanden verschiedenen Stresstests (unter anderem auch in virtueller Realität mittels eines speziellen „head-mounted displays“) unterzogen werden. Die Probanden erhalten vorher ein Medikament, von dem sie nicht wissen, ob es sich entweder nur um ein Placebo handelt, oder eine Substanz, die TSPO modulieren kann und möglicherweise eine Stress-reduzierende Wirkung entfaltet. Neben dem subjektiven Gefühl von Stress oder Angst während der Tests kann Stress auch mittels physiologischer Parameter (zum Beispiel Herzfrequenz) objektiviert werden. Auch die Erfassung von spezifischen Parametern des TSPO-Signalwegs (zum Beispiel Neurosteroidlevel im Blut) und die Bestimmung von sogenannter microRNA sind hier geplant. Bedeutung von Mitochondrien für emotionale Dysfunktion Mitochondrien als den „Kraftwerken der Zelle“ kommt insbesondere im Gehirnstoffwechsel eine besondere Rolle zu, da hier der Energieumsatz besonders hoch ist. Im Gewebe von sogenannten HAB/LAB Ratten (high/low anxiety behaviour), einem speziell entwickelten Tiermodell für Depression, sollen der zelluläre Energiemetabolismus, die Signalübertragung zwischen den Zellen und die neuronale Plastizität im Vergleich zu „gesunden Tieren“ untersucht werden. Dieses eher Grundlagenforschungs-orientierte GRK-Projekt wird von Christian Wetzel geleitet, Leiter der Arbeitsgruppe Molekulare Neurowissenschaften am Regensburger Lehrstuhl für Psychiatrie und Psychotherapie. Darüber hinaus soll auch in diesem Projekt die besondere Bedeutung von TSPO untersucht werden, da diesem Molekül eine Schlüsselrolle bei verschiedensten mitochondrialen Funktionen zukommt. Die Charakterisierung der Rolle von TSPO erfolgt in Zusammenarbeit mit Caroline Nothdurfter. Diese starke Vernetzung der einzelnen Projekte des Graduiertenkollegs untereinander macht diese Form der Verbundforschung einzigartig. Für die Studenten ist dies besonders profitabel, da es ihnen nicht nur eine Erweiterung ihres Methodenrepertoires bietet, sondern auch Einblicke in die Arbeitsweise anderer Arbeitsgruppen gewährt und das Prinzip des synergistischen Arbeitens näher bringt. Plastizität neuronal-glialer Interaktion bei emotionaler Dysfunktion Die Interaktion von Gehirnzellen ist ein komplexes Zusammenspiel von Neuronen und Gliazellen, wobei letztere mittels verschiedenster molekularer Signalwege nicht nur die Kommunikation von Neuronen beeinflussen, sondern auch ihr Wachstum und die Intensität ihrer Vernetzung untereinander. Diese neuronal-gliale Interaktion scheint bei der Entstehung von affektiven Störungen (neben anderen neuropsychiatrischen Erkrankungen) gestört zu sein. Die Arbeitsgruppe von Barbara Di Benedetto (AG neuro-gliale Pharmakologie am Lehrstuhl für Psychiatrie und Psychotherapie) konnte bereits zeigen, dass der sogenannte ERK-Signalweg (Extracellular signal Regulated Kinases) für die Freisetzung von GDNF (glia cell line derived neurotrophic factor) bedeutend ist. GDNF wiederum ist ein sogenannter neurotropher Faktor, das heißt ein spezielles Molekül, welches von Gliazellen freigesetzt wird und für das Überleben und die Vernetzung von Nervenzellen wichtig ist. Im Rahmen dieses Graduiertenkollegs soll dieser ERK/ GDNF-Signalweg im Tiermodell von HAB/LAB Ratten weiter untersucht werden. Im Hirngewebe dieser Tiere soll gezeigt werden, ob pharmakologische Modulationen des ERK/GDNF-Signalwegs tatsächlich relevante (epi-)genetische und funktionelle Veränderungen der Plastizität von Nervenzellen induzieren können, was die Grundlage für einen neuartigen Wirkmechanismus in der Therapie von Depressionen sein kann. Graduiertenkolleg „Neurology of Emotion Dysfunctions“ Die Bedeutung von Emotionen bei psychischen Erkrankungen PD Dr. Caroline Nothdurfter Psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen sind häufig und stellen eine große Belastung für die Patienten und ihr Umfeld dar. Um zu einem besseren Verständnis solcher Erkrankungen beizutragen, wird nun ein interdisziplinäres Graduiertenkolleg (GRK) an der Universität Regensburg von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. D ie neurobiologischen Ursachen psychischer Erkrankungen sind vielfältig und bergen komplexe Zusammenhänge, deren besseres Verständnis die Basis für die Optimierung von Therapiemöglichkeiten birgt. Hierzu einen wichtigen Beitrag zu leisten, hat sich das Graduiertenkolleg „Neurobiology of Emotion Dysfunctions“ unter der Leitung von Inga Neumann, Lehrstuhl für Neurobiologie und Tierphysiologie der Universität Regensburg, zur Aufgabe gemacht. Die Förderung der DFG für dieses Forschungsvorhaben beträgt rund 3,2 Millionen Euro. In den kommenden viereinhalb Jahren soll dieses Geld dazu verwendet werden, ausgewählte neurobiologische Aspekte von gesundem und pathologischem Emotionalverhalten auf mo­ lekularer, zellulärer, (epi)genetischer und neuroendokriner Ebene zu erforschen. Interdisziplinärer Ansatz Konkret handelt es sich hierbei um einzelne Promotionsprojekte für Doktoranden aus verschiedenen Disziplinen (Biologie, Psychologie, Medizin), welche ein spezialisiertes, interdisziplinäres Ausbildungsprogramm mit hohem konzeptionellem und methodischem Anspruch durchlaufen werden. Neben dem Erlernen modernster wissenschaftlicher Arbeitsmethoden erhalten die Studenten auch die Möglichkeit zur Ausbildung von Fähigkeiten für wissenschaftliches Management und Organisation von Seminaren/Symposien. Darüber hinaus können die Doktoranden im Rahmen eines mehrmonatigen Auslandsaufenthalts in einem Kooperationslabor und von Kongressbesuchen ihre Einbindung in die internationale wissenschaftliche Gemeinschaft fördern. Im Frühjahr 2017 geht’s los Seit 1990 sind Graduiertenkollegs eine besonders angesehene Form der Förderung außerordentlich begabten wissenschaftlichen Nachwuchses. Die DFG hat bundesweit aktuell 18 Graduiertenkollegs ein­ gerichtet, zwei davon in Bayern (Ludwig-Maximilians-Universität München und Universität Regensburg). Nach dem Bescheid der Bewilligung erfolgt nun die Phase der konkreten Projektvorbereitung und der Akquise von Doktoranden für die einzelnen Projekte. Es erfolgen Ausschreibungen in Fachzeitschriften und fachspezifischen Foren. Und im Frühjahr 2017 kann’s dann endlich losgehen … PD Dr. med. Caroline Nothdurfter ist Oberärztin am Zentrum für Allgemeinpsychiatrie I und Psychosomatik der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Regensburg am Bezirksklinikum Regensburg 11 12 SYNAPSE August Psychiatrie SYNAPSE August Psychiatrie den Sozialpsychiatrischen Dienst einige Sportgruppen gerade für psychisch kranke Menschen an: Von Gymnastik bis Karate. Das Regensburger Tageszentrum „Café Insel“ hat neben klassischen Freizeitsportarten auch innovatives wie Lachyoga oder Line Dance im Angebot. Die Liste der Aktivitäten und der Anbieter ist lang! Neues Informationsangebot für Menschen mit psychischen Erkrankungen Keine Angst vor dem Sportverein „um’s Eck“ boten treffen sich zum Beispiel psychiatrieerfahrene mit psychisch nicht vorbelasteten Menschen zum gemeinsamen Sport. In der Seniorenbe­ gegnungsstätte Gustav-Adolf-Wiener-Haus etwa gibt es offene Kegel-, Wander- oder auch Tanzgruppen. Die Diakonie Regensburg bietet in Kooperation mit der Bayerischen Gesellschaft für psychische Gesundheit regelmäßige inklusive Fußballtrainings und auch einen jährlichen Tanzkurs an. Ein weiterer Schritt sind inklusive Angebote: Bei diesen offenen Ange- Für Menschen mit psychischen Problemen ist es oft eine gro- ße Hürde, sich bei einem „normalen“ Sportverein anzumelden. Die Angst vor Ausgrenzung und dem – oft erwarteten – Leistungsdruck ist manchmal zu groß, aber in den meisten Fällen unbegründet. Gerade die lokalen Sportvereine sind eine sehr gute Anlaufstelle, denn hier verbindet das sportliche Interesse Gleichgesinnte und trennt sie nicht in psychisch gesunde und angeschlagene Menschen. Die neue Broschüre nennt entsprechend auch hier Adressen, an die Sportbegeisterte sich unkompliziert wenden können. (RNE) medbo-logisch! Sport „inklusiv“ in und um Regensburg same Bewegung – egal ob „indoor“ oder „outdoor“ – fördert die Integration in eine Gruppe, die gegenseitige Akzeptanz und das wörtliche Zusammenspiel. Sport und Bewegung sind bei vielen Erkrankungen, die in den Einrichtungen der medbo ambulant, stationär und rehabilitativ behandelt werden, wichtige Therapie-Module. Oft sind sie auch ein wesentliches Instrument auf dem Weg in das Leben nach der Klinik, nach der Krankheit. Eine neue Broschüre nennt Angebote und Anlaufstellen. Die medbo bietet ihren Patienten und Bewohnern ein vielfältiges Sportprogramm. Denn Aktivierung und Bewegung sind integraler Bestandteil bei der Behandlung von psychischen, aber auch bei neurologischen Erkrankungen. Zudem stellen Sportprogramme eine sinnvolle, therapeutisch wirksame Freizeitbeschäftigung bei längeren Klinikaufenthalten dar: Gerade die gemein- Viele Patienten entdecken während ihres Aufenthaltes bei der medbo sogar ihre Freude an und ihr Talent für eine Sportart. Entsprechend groß ist der Wunsch, das neue Hobby fortzuführen, sobald sie „zurück in ihrem eigentlichen Leben“ sind. Das Problem dabei: Mit dem Ende der ambulanten, stationären oder Reha-Behandlung endet die Teilnahmemöglichkeit am Krankenhaus-Sportprogramm. Für manchen Patienten endet damit auch die sportliche Karriere. Weitermachen! Gemeinsam! Das muss nicht sein! Das Gesundheitsamt für Stadt und Landkreis Regensburg, die medbo, die Diakonie Regensburg, die Bayerische Gesellschaft für psychische Gesundheit und nicht zuletzt das Regensburger Bündnis gegen Depression haben das Problem erkannt und gehandelt. Sie haben in einer kleinen Broschüre Tipps und Angebote zu „Sport und Bewegung für Menschen mit seelischen Problemen“ für den Großraum Regensburg zusammengetragen. Das Informationsangebot wendet sich an Menschen mit psychischen Erkrankungen in- und außerhalb des Krankenhauses. So bietet zum Beispiel die Diakonie Regensburg über „Sport und Bewegung für Menschen mit seelischen Problemen“ Die Broschüre ist erhältlich über: • Gesundheitsamt für Stadt und Landkreis Regensburg: [email protected] | Tel. 0941/4009-752 • Regensburger Bündnis gegen Depression e.V.: [email protected] | Tel. 0941/941-1621 • Online auf der Regionalseite Regensburg des Deutschen Bündnisses gegen Depression e.V. (www.buendnis-depression.de) und unter www.medbo.de/Standorte/Regensburg (download-Bereich) Unser Lösungswort: Zentraler Dienstleister im Krankenhaus (Die Auflösung finden Sie auf der Umschlagseite 3) 13 14 SYNAPSE August Psychiatrie SYNAPSE August Psychiatrie medbo Netzwerkpartner stellen sich vor Der Suchtarbeitskreis Oberpfalz (SAK) Dr. Heribert Fleischmann, Marianne Spahn Mit Beschluss des Bayerischen Landtags wurden ab 1978 in den sieben Landkreisen der Oberpfalz Suchtarbeitskreise (SAK) aufgebaut. Diese haben sich 1994 zu einer Arbeitsgemeinschaft auf der Ebene des Bezirks Oberpfalz (SAK Opf.) zusammengeschlossen. Die Bezirkskliniken der medbo waren von Anfang an als wichtige Kooperationspartner geschätzt und über die Sprecherfunktion aktiv eingebunden. S eit Herbst 1994 hat der Suchtarbeitskreis Oberpfalz (SAK Opf.) wie die Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft (PSAG) Sitz und Stimme im Planungs- und Koordinierungsausschuss der Bayerischen Staatsregierung (PKA). Im Kapitel 2.4 „Kooperation, Koordination und Vernetzung“ der „Grundsätze der Bayerischen Staatsregierung für Drogenund Suchtfragen“ wird ausdrücklich betont, dass auf die Nutzung der vorhandenen Kompetenzen der Suchtarbeitskreise, deren Geschäftsführung den Gesundheitsämtern obliegt, und des Landesarbeitskreises für Suchtprävention in Bayern (LAK) gesetzt wird. Strukturen der Suchtprävention in der Oberpfalz Die in den Gesundheitsämtern verankerten Geschäftsführungen gewährleisten die Vernetzung der Mitglieder der SAK. Dazu gehören unter anderem Beratungsstellen, Behandlungseinrichtungen wie die Be­zirks­ kliniken Regensburg und Wöllershof, Kostenträger, Betriebe, Behörden, die Polizei, Kindergärten, schulische und außerschulische Bildungseinrichtungen, die Jugendhilfe, Jugendfreizeiteinrichtungen sowie Selbst­ hilfegruppen. In den Arbeitskreisen werden fachlicher Austausch und Weiterbildung gepflegt, gemeinsame Aktionen geplant und durchgeführt. Im PKA sind sie mit anderen Hilfe­ strukturen vernetzt. Sie haben Verbindung zu politischen Entscheidungsträgern und Behörden. Prinzipien der Präventionsarbeit Die Suchtarbeitskreise nehmen ihre Arbeit eingebettet in die generellen gesundheitspolitischen Ziele einer umfassenden Suchtpolitik wahr. Ziel ist die Abstinenz von illegalen und der verantwortungsvolle Umgang Grundlage des Handelns der SAK-Zielehierarchie Ziel 1: Möglichst wenige Menschen konsumieren Suchtmittel. Alle Menschen, die nicht konsumieren, werden in ihrer Entscheidung bestärkt, keine Suchtmittel zu sich zu nehmen. Ziel 2: Menschen, die Suchtmittel konsumieren, beginnen den Konsum möglichst spät, weisen möglichst risikoarme Konsummuster auf und konsumieren nur in Situationen und unter Bedingungen, in denen Risiken nicht zusätzlich erhöht werden. Ziel 3: Konsumierende, deren Suchtmittelkonsum zu Problemen führt, erhalten möglichst früh effektive Hilfen zur Reduzierung der mit dem Konsum verbundenen Risiken und Schäden. Ziel 4: Konsumierende, die ihren Konsum beenden möchten, erhalten uneingeschränkten Zugang zu Beratung, Behandlung und Rehabilita­ tion nach den jeweils aktuellen wissenschaftlichen Standards. Alle Maßnahmen werden konsequent in Bezug auf die Erreichung der angestrebten Ziele evaluiert. mit legalen psychotropen Substanzen. Eine solche Politik bezieht Alkohol, Medikamente, Nikotin, illegale Drogen und nicht stoffgebundene Süchte gleichermaßen ein. Seit mehr als 35 Jahren wird ein kontinuierliches und nachhaltiges Vorgehen angestrebt und erreicht. Suchtprävention wird flächendeckend und multiprofessionell umgesetzt. Im Sinne der Qualitätssicherung wird im Austausch aller Beteiligten ein gemeinsames Verständnis von guter Suchtprävention entwickelt. Lebenskompetenzprogramme haben sich als besonders erfolgreicher Ansatz erwiesen. Gesundheitsförderung, Gewalt-, Sucht- und Suizidprävention, aber auch die Auseinandersetzung mit einem maßvollen und zufriedenstellenden Umgang in Bezug auf Medien, Essen und Stress werden so zusammengeführt. Im ersten Schritt wird der Interventionsbedarf in einer Region festgestellt, analysiert und auf die Zielgruppe abgestimmt. Idealerweise werden anschließend unter Beteiligung der Zielgruppe und unter Berücksichtigung von Gender-Aspekten Maßnahmen entwickelt oder bestehende, evaluierte Konzepte herangezogen und auf die regionalen Gegebenheiten abgestimmt. Warum Suchtprävention bei Kindern und Jugendlichen? Für Kinder und Jugendliche ist jeder Alkohol-, Tabak- und anderer Drogenkonsum riskant und gesundheitsschädlich. Ein früher Konsumbeginn steht in Zusammenhang mit Entwicklungsstörungen. Besonders problematisch ist: Bereits 12- bis 15-Jährige konsumieren Alkohol; Jugendliche trinken in hohem Maße sogar nach den Kriterien für Erwachsene riskant Alkohol; und nicht zuFortsetzung auf Seite 16 Süchte bei Oberpfälzer Kindern und Jugendlichen Schätzungen auf Basis regelmäßiger Erhebungen in Deutschland (Jahrbuch Sucht 2015 der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen, DHS) ergeben für die Oberpfalz folgende Größenordnungen: • 3.500 der 11- bis 17-Jährigen konsumieren einmal pro Woche riskante Alkoholmengen. Einmal pro Monat haben etwa 5.000 einen Rausch. • Nikotin konsumieren 9.000 Jugendliche. Etwa 6.000 haben E-Zigaretten ausprobiert und circa 2.000 Jugendliche haben solche in den letzten 30 Tagen geraucht. • Ungefähr 3.000 haben im letzten Jahr Cannabis konsumiert und etwa 2.500 im letzten Monat. Circa 1.100 jugendliche Konsumenten sind abhängig. • Etwa 1.300 der 15- bis 16-Jährigen konsumieren Drogen vom Amphetamintyp einschließlich Metamphetamin, 630 Kokain, 420 Crack, 190 Heroin, 600 Ecstasy, 590 LSD, 2600 Schnüffelstoffe und 650 Pilze. • Über den Konsum neuer psychoaktiver Substanzen (Spice, Smoke, Space, Badesalze et cetera) gibt es nur Vermutungen, ebenso zum Medikamentenkonsum. • Ein gestörtes Essverhalten haben 13.000 der 18- bis 25-Jährigen, circa 350 Jugendliche erkranken jedes Jahr neu an Bulimie oder Anorexie. • Glücksspielsucht und Medienabhängigkeit entwickelt sich unter Jugendlichen rasant. 15 16 SYNAPSE August Psychiatrie Fortsetzung von Seite 15 letzt müssen Kinder und Jugend­ liche wegen einer meist mutwillig herbeigeführten Alkoholintoxikation stationär behandelt werden. Finanzierung der Arbeit Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege stellt Finanzmittel zur Verfügung. In Kooperation mit der Sieglinde-NothackerStiftung wurde darüber hinaus eine externe Finanzierungsmöglichkeit gefunden. Im Auftrag der Stifterin ist testamentarisch verfügt, dass der Erlös zur Hälfte der Suchtprävention bei Kindern und Jugendlichen zu Gute kommen soll. Das Stiftungs­ kuratorium wollte die vorhandenen Mittel nicht in den Aufbau von Parallelstrukturen stecken, vielmehr sollte Bewährtes gefördert werden. So werden die Suchtarbeitskreise, die seit mehr als 35 Jahren erfolgreich arbeiten, unterstützt, um durch Zusammenführung von privatem Geld und öffentlichen Mitteln die staat­ liche Aufgabe zu potenzieren. Mit dieser Haltung ist sie der ideale Partner für die Suchtarbeitskreise. Was ist das Geheimnis des Erfolgs? Hartnäckige, äußerst engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeitskreise haben mit ihrem Sach- SYNAPSE August Psychiatrie verstand zum Teil über Jahrzehnte die Präventionsarbeit vor Ort umgesetzt. Tatkräftige und entschlossene Geschäftsführungen am Gesundheitsamt haben sich als eine zentrale und akzeptierte Institution erwiesen, wo die Fäden zusammenlaufen. Vorhandene administrative Strukturen werden effizient ohne zusätzliche Verwaltungskosten genutzt. Alle wesentlichen Akteure der Prävention haben sich kooperativ zusammengefunden, sprechen sich regelmäßig ab und stimmen ihre Aktivitäten ab. Beratung, Therapie und Prävention wurden vernetzt. Aktuelle Trends aus der Beratung und Therapie können in die Prävention einfließen und umgekehrt. Die Mitglieder der SAK profitieren von der klaren Struktur, vom Informationsfluss und den angebotenen Fortbildungen. Dr. Heribert Fleischmann ist Ärztlicher Direktor des medbo Bezirksklinikums Wöllershof und Sprecher des SAK Oberpfalz, Marianne Spahn ist koordinierende Sozialpädagogin der Regierung der Oberpfalz Beispiele von Projekten der Suchtprävention in der Oberpfalz • Strategien guter Suchtprävention an Schulen – oberpfalzweiter Schulwettbewerb • Lions Quest/Klasse 2000 – Förderung der sozialen Kompetenzen an Schulen • FreD – Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten • MOVE-Lehrerfortbildung – Motivierende Kurzintervention bei Jugendlichen • Be smart – don’t start – Ein bundesweiter Wettbewerb für rauchfreie Schulklassen • HaLT in Bayern – Beratung von Kindern und Jugendlichen sowie deren Eltern in der Klinik nach einer akuten Alkoholintoxikation • Jugendschutz bei Festen – Festveranstalter werden beraten und bei der Umsetzung der geltenden Jugendschutzbestimmungen unterstützt • Beratung und Unterstützung von Schulen, Kitas, Vereinen und Jugendorganisationen bei Präventionsprojekten • Information der vor Ort aktiven Multiplikatoren durch Newsletter Aktuelle Aktivitäten in der Oberpfalz im Internet unter www.suchtinfo-oberpfalz.de Kallmünz Suchtmedizin am Bezirksklinikum Wöllershof Legal Highs im stationären Alltag Claudia Sobek Im stationären Alltag stellen wir vermehrt fest: Suchtpatienten konsumieren immer häufiger neue psychoaktive Substanzen, sogenannte Legal Highs, auch wenn sie sich gerade einer Entgiftung oder Entwöhnungsbehandlung unterziehen. Obwohl die Substanzen „legal“ im Sinne von „noch nicht verboten“ sind, sind die gesundheitlichen Folgen oft gravierend. S uchtpatientinnen und -patienten versorgen sich immer öfter mit so genannten Legal Highs. Es handelt sich hier um künstlich hergestellte Rauschmittel, die als Bade­ salze, Kräutermischungen oder unter ähnlich harmlosen Bezeichnungen angeboten werden. Und die Zahlen steigen: Im Jahr 2014 wurden im Bezirksklinikum Wöllershof insgesamt 126 Patienten in eine Suchttherapie vermittelt, davon hatten 18 Personen Legal Highs konsumiert. 2015 wurden zwar nur 110 Patienten weitervermittelt, davon konsumierten aber bereits 32 Legal Highs. Diese Substanzen sind – der Name sagt es – legal, zumindest solange, bis sie behördlich verboten werden. Diese Verbotsprozesse dauern in Deutschland allerdings sehr lange und die Zahl der neuen Mischungen explodiert. Die Betroffenen bestellen sich diese Substanzen einfach im Internet. Ein Verbrauch von bis zu zehn Gramm am Tag ist entsprechend keine Seltenheit. Problem dabei: Die Substanzen, vor allem die ganz neuen, sind nur schwer im Körper nachweisbar. Auf der Entgiftungs-Station sehen wir allerdings die körperlichen und psychischen Folgen. Erbrechen, Gleichgewichts­ störungen, Halluzinationen Nach dem Konsum von Legal Highs kann es zu schwallartigem Erbrechen kommen. Es treten Probleme beim Laufen auf, die in Krampfanfällen münden können und die zum Teil einen Aufenthalt in unserem beschützten Bereich nötig werden lassen. Zudem leiden die Konsumenten oft unter Ängsten, sie sind sehr misstrauisch, isolieren sich, verlassen im Vorfeld der Aufnahme ins Krankenhaus oft wochenlang ihre Wohnung nicht mehr. Es treten optische Halluzinationen auf, die auch nach der EntgifStationäre Entgiftung am Bezirksklinikum Wöllershof Auf Station 2a der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Bezirksklinikums Wöllershof werden drogenabhängige Patientinnen und Patienten entgiftet. Dafür stehen insgesamt 17 Betten zur Verfügung, fünf davon im sogenannten beschützten Bereich. „Beschützt“ bedeutet, dass sich die Patienten hierhin von der Aussenwelt zurückziehen können. tung anhalten und häufig eine medikamentöse Therapie mit Psychopharmaka notwendig machen. Die Betroffenen sehen Schatten, fühlen sich verfolgt, haben das Gefühl, sie würden angegriffen. Sie sind sehr schreckhaft. Oft wollen sie selbst in den beschützten Bereich unserer Station, da sie sich dort sicherer fühlen. Die Patienten wirken sehr verlangsamt im Denken, haben zum Teil starke Stimmungsschwankungen. Es fehlt ihnen der Antrieb, sie können sich um nichts mehr kümmern. Bei manchen führte das sogar zur Bestellung eines Betreuers. Diese Folgen des Konsums von Kräutermischungen begleiten die Betroffenen oft bis zu einem halben Jahr. Sie werden zum Teil nach der Entgiftung in unsere psychosomatische Abteilung verlegt. Oft gehen sie im Anschluss auch noch auf Entwöhnungstherapie in unsere Sucht-Reha, da sie sich nicht in der Lage fühlen, ihr Leben wieder alleine zu regeln. Ein Patient musste nach der Langzeittherapie sogar in eine betreute Wohneinrichtung wechseln, da er sich selbst nach einem Jahr Therapie immer noch nicht von den Folgen des Legal High-Konsums erholt hatte. Claudia Sobek ist Mitarbeiterin des Sozialpädagogischen Dienstes der Station 2a am medbo Bezirksklinikum Wöllershof 17 18 SYNAPSE August Psychiatrie SYNAPSE August Psychiatrie Das neue Präventionsgesetz Vorbeugen ist besser als Heilen Dr. Heribert Fleischmann Wer einer Krankheit vorbeugt, muss nicht nach Methoden der Heilung suchen, sagte bereits der griechische Arzt Hippokrates vor 2400 Jahren. Heilung ist komplizierter und – aus heutiger Sicht ein bedeutsamer Aspekt – vor allem aufwändiger. Hier soll das Präventionsgesetz weiterhelfen. nur drei vermeidbare Risikofaktoren zurückführen, nämlich Rauchen, Alkoholmissbrauch und Verkehrsunfälle, letztere selbst oft durch Alkohol verursacht. Diese Zahlen unterstreichen die zentrale Bedeutung der Prävention des Konsums von Alkohol und Zigaretten für die Gesundheit der Bevölkerung. Kanalisation, Hygiene und Wohnverhältnisse nachhaltig zur Ein­ dämmung von Infektionsepidemien Ende des 19. Jahrhunderts beigetragen haben, so müssen heute die psychischen Lebensverhältnisse nachhaltig verbessert werden. I Ferner sind laut Statistiken der Krankenkassen immer mehr Menschen wegen psychischer Erkrankungen arbeitsunfähig. Allein sechs Prozent der Arbeitsunfähigkeitsfälle (AU) und 17% der AUTage gehen auf ihre Kosten. Ander­ erseits gibt es in der Bevölkerung keine Zunahme an psychischen Erkrankungen, sondern nur eine Zu­ nahme der Diagnosen in den Statistiken. Dieser Befund bedeutet, dass immer mehr Menschen mit ihrer Erkrankung zum Arzt gehen und sich behandeln lassen. So haben zum Beispiel Suizide in den letzten 30 Jahren von 18.000 Menschen pro Jahr auf 10.000 abgenommen. Prävention erstreckt sich auf alle Lebensphasen (Kinder, Jugendliche, Erwachsene und ältere Menschen) und alle Lebenssituationen (zum Beispiel KITA, Schule, Arbeitsplatz, Freizeit). Prävention und Gesundheitsförderung können bei der Umsetzung präventiv wirkender politischer Rahmenbedingungen unterstützend wirken. Man nennt dies lebensweltenbezogener oder Setting-Ansatz. Dadurch werden gefährdete beziehungsweise risikoreich lebende Bürgerinnen und Bürger mit den jeweils auf sie abgestimmten Zielen am besten erreicht. „Setting-Ansatz“ heißt, die Lebenswelt selbst gesundheitsförderlich zu gestalten und nicht nur im „Setting“ wie beispielsweise Familie, Schule, Betrieb, Kommune/Quartier, also im Sozialraum zu intervenieren. Mangelhafte Strukturen und Ressourcen können nicht durch Prävention und Gesundheitsförderung kompensiert werden. So kann zum Beispiel eine unzureichende personelle und qualitative Ausstattung dadurch nicht ersetzt werden. n der gesamten Medizin vollzieht sich eine Akzentverschiebung von der Therapie zur Prävention. Von dieser Kehrtwende wird ein Gewinn an gesunden Lebensjahren und Lebensqualität für jeden Menschen erwartet. Aus der medizinischen Sicht sind frühzeitige Erkennung und Intervention bei Krankheit und die Verminderung von Krankheitsrisiken infolge moderner Lebensstile die wirksamsten Strategien. Dies gilt auch für psychische Erkrankungen. Mehr Erfolg erhofft man sich, wenn man auf die Risiken moderner Lebensstile bereits im Vorfeld präventiv einwirkt. Eine umfassende Gesundheitsförderung soll den bisherigen krankheitsbezogenen medizinischen Ansatz erweitern. Nicht wenige Erkrankungen lassen sich nämlich auf vermeidbares Risikoverhalten zurückführen; sie sind auch als „Zivilisationskrankheiten“ bekannt, also das Ergebnis unserer Lebensweise. Dazu gehören • der oft fahrlässige Umgang mit Alkohol und Tabak sowie anderen Drogen und mit Verhaltensweisen wie Glückspiel sowie Internetund Mediengebrauch, • falsche Ernährung und Übergewicht, • zu wenig Bewegung und • zu viel Stress oder mangelnde Stressbewältigung. Vermeidbare Risikofaktoren Nach Untersuchungen der Welt-Gesundheitsorganisation WHO lassen sich in Europa 40% aller Erkrankungen und vorzeitigen Todesfälle auf Für die Gesundheitserhaltung kann und muss jeder Mensch selber Verantwortung übernehmen. Andererseits wird die individuelle Gesundheit durch viele, wenig steuerbare Faktoren beeinflusst wie genetische Ausstattung, sozialer Status, Bildungsniveau, Arbeitsbedingungen, soziale Um- und Mitwelt sowie durch den Grad an medizinischer Versorgung einschließlich des Systems an Vorsorgemaßnahmen. Durch individuell auf das Verhalten des Einzelnen ansetzende Maßnahmen (Verhaltensprävention) allein können unerwünschte Entwicklungen, wie etwa die Zunahme chronischer Erkrankungen, nicht kompensiert werden. Hier kann nur die Veränderung der Lebensverhältnisse durch politische Entscheidungen weiterhelfen (Verhältnisprävention). So wie die politischen Rahmenbedingungen für eine verbesserte körperliche Gesundheit durch Prävention in allen Lebensphasen Unter den psychischen Erkrankungen ist neben der Sucht die Depression am weitesten verbreitet. Die Frage ist, ob etwa ein Arbeitgeber präventiv etwas tun kann, seine Mitarbeiter vor Erkrankung zu schützen, um selber keine Ausfälle wegen Krankheit zu haben. Da sind die Möglichkeiten sehr beschränkt und werden oft überschätzt. Eine angenehme Arbeitsatmosphäre schützt nicht vor Depression oder der Vorstufe Burnout, wenn man eine VerFortsetzung auf Seite 20 19 20 SYNAPSE August Psychiatrie SYNAPSE August Psychiatrie Fortsetzung von Seite 19 während dieser Zeit kommen uns Gesundheit und Leben abhanden. anlagung hat. Viel wichtiger ist, mit betroffenen Mitarbeitern vernünftig umzugehen, für ein offenes Betriebsklima zu sorgen, die Betroffenen zu ermutigen, Hilfe in Anspruch zu nehmen, statt sich zu schämen, für schnelle Hilfe zu sorgen und für Verständnis in den Belegschaften zu werben. Salutogenese Es sollte nicht so sein wie es in einem Voltaire (1694-1778) zugesprochenen Bonmot heißt: In der ersten Lebenshälfte opfern wir unsere Gesundheit, um Geld zu verdienen, in der zweiten Geld, um die Gesundheit wiederzuerlangen, und Was hält mich gesund? – werden sich viele fragen. Der Ansatz der Salutogenese nach Antonowsky (1924-1994) gibt eine Antwort: Aufgaben muss man verstehen können, als sinnhaft erleben und bewältigen können. Man muss sich sagen können „Das schaffe ich! Das verstehe ich! Das ist für mich sinnvoll!“. Voraussetzung sind klare Verhältnisse wie eine berechenbare Unternehmenspolitik, transparente Entscheidungen, eindeutige Kommunikation, Einbindung der Mitarbeiter (Partizipation), Vorrang der Eigen- verantwortlichkeit, ausreichende Res­sourcen und Handlungsspielräume, soziale Unterstützung, zweckmäßiges Führungsverhalten. Auch die Wissenschaft hat die Prävention entdeckt: Spannend ist die Erforschung der neurobiologischen Grundlagen von Prävention wie epidemiologische Risikofaktorforschung, Zusammenspiel zwischen genetischer Anlage und Lebensbedingungen in der Krankheitsentwicklung und die Einwirkung von Umgebungsbedingungen auf das Gehirn, was man Epigenetik nennt. Dr. Heribert Fleischmann ist Ärztlicher Direktor des medbo Bezirksklinikums Wöllershof Sucht und Sport Körperliches Training als therapeutische Maßnahme Johannes Bönsch Sportplatz am Bezirksklinikum Wöllershof Die wesentlichen Inhalte des neuen Präventionsgesetzes: • Zielgerichtete Zusammenarbeit Alle Akteure in der Prävention und Gesundheitsförderung sollen zielgerichtet zusammenarbeiten: Dazu zählen die gesetzliche Kranken-, Renten-, Unfall- und Pflegeversicherung sowie die Unternehmen der privaten Krankenversicherung. Eine Nationale Präventionskonferenz wird eingerichtet. Dort werden unter Beteiligung von Bund, Ländern, Kommunen, der Bundesagentur für Arbeit und der Sozialpartner gemeinsame Ziele und ein gemeinsames Vorgehen kooperativ abgestimmt. Besonders hervorzuheben ist, dass künftig auch Menschen in stationären Pflegeeinrichtungen unter anderem mit Demenzerkrankungen mit gesundheitsfördernden Angeboten erreicht werden sollen. • Beseitigung der Impfmüdigkeit Ein erstes größeres Ziel ist die Beseitigung der weit verbreiteten Impfmüdigkeit in der Bevölkerung. Dazu sind auch gesetzliche Maßnahmen geplant. Der Impfschutz wird künftig bei allen Routine-Gesundheitsuntersuchungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sowie den Jugendarbeitsschutzuntersuchungen überprüft. Für die Einstellung von Beschäftigten in medizinischen Einrichtungen wie Krankenhäusern oder Arztpraxen kann ein bestehender Impf- und Immunschutz Voraussetzung sein. • Gesundheits- und Früherkennungsuntersuchungen Die Gesundheits- und Früherkennungsuntersuchungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sollen weiterentwickelt werden. Größere Aufmerksamkeit sollen individuelle Belastungen und Risikofaktoren für das Entstehen von Krankheiten finden. Die ambulante Tätigkeit bekommt somit einen noch größeren Stellenwert. Auch die ambulante Psychiatrie und Psychotherapie wird sich zunehmend als Ort effizienter präventiver Interventionen gegebenenfalls in Kooperation mit anderen Leistungserbringern begreifen müssen. Ärztinnen und Ärzte können Präventionsempfehlungen „verordnen“. • Finanzmittel für Gesundheitsförderung und Prävention Die Kranken- und Pflegekassen werden künftig mehr als 500 Millionen Euro in Gesundheitsförderung und Prävention investieren. Davon sollen rund 300 Millionen Euro jährlich schwerpunktmäßig in den Lebenswelten KITA, Schule, Kommunen, Betriebe, also auch Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen ausgegeben werden. • Förderung von Selbsthilfe und Trialog Die Krankenkassen stellen ab dem Jahr 2016 für jeden Versicherten 1,05 Euro zur Verfügung, die von Selbsthilfegruppen und -organisationen bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung abgerufen werden können. Dadurch wird die finanzielle Unterstützung der Selbsthilfe um rund 30 Millionen Euro erhöht. Hier bieten sich Kooperationen auf lokaler Ebene mit trialogischer Ausrichtung, also der Einbeziehung psychisch Kranker und Angehöriger, an. Suchterkrankungen entwickeln sich durch ein komplexes Zusammenwirken von psychologischen, biologischen und sozialen Faktoren. Es ist entsprechend schwer, sie wieder los zu werden. Sport und Bewegung sind ein wichtiger therapeutischer Baustein nicht nur in der Entwöhnungsphase, sondern auch auf dem Weg zurück in ein möglichst suchtfreies, normales Leben. W ir möchten es ja immer gerne Schwarz auf Weiß lesen und wissenschaftlich belegt haben. Doch es existieren bisher nur wenige Untersuchungen, die den tatsächlichen Effekt von Sport in der Kurz- und Langzeittherapie bei Suchterkrankungen belegen. Aber erfahrene Sport- und Suchttherapeuten wissen, dass zum Beispiel das Lauftraining bei Suchterkrankten eine deutliche Verbesserung des Selbstbewusstseins und Selbstwertgefühls zur Folge hat, während umgekehrt das Gefühl der Hilflosigkeit sinkt. Zwar ist die Drop-out-Rate (Zahl derer, die den Sport aufgeben) relativ hoch. Viele Patienten sind auch nur teilbelastbar, da häufig körperliche Vorerkrankungen vorliegen. Aber wer seinem Sport treu bleibt, tut nicht nur seinem Körper Gutes, sondern macht auch einen gewaltigen Schritt in Richtung der Überwindung seiner Sucht. Sport ist wirksam Es gibt allerdings Hinweise aus Untersuchungen, dass Patienten mit einem zusätzlichen Trainingsprogramm im Vergleich zu Patienten, die nur das übliche integrierte Behandlungsprogramm absolvieren, signifikant weniger Craving-Symptome (englisch für „Verlangen“) und eine deutlich stärkere interne Kon­ trollüberzeugung zeigen (Ermalinski et al. 1997). Ebenso gut geeignet ist auch die Teilnahme an einem Fitness­­programm, um die Abstinenzrate zu erhöhen. Eine regelmäßige sportliche Betätigung hat überdies vorbeugende Wirkung bezüglich der Entwicklung von Suchterkrankungen. Aufgrund des nachgewiesenen anxiolytischen (angstlösenden) sowie anti­depressiven Effekts von regelmäßigem körperlichem Training sinkt das Risiko, ein sekundär bedingtes Suchtverhalten zu entwickeln. Ein weiterer therapeutischer Effekt von Sport bei Suchtkranken liegt in den Auswirkungen auf die Persönlichkeit und das Stresserleben. Es gibt Hinweise, dass Patienten eine Persönlichkeitsveränderung in dem Sinne erfahren, dass sie über eine höhere „innere Kontrolle“ verfügen und damit stärker Verantwortung für sich selber übernehmen. Ebenso kann die erlebte Stressbelastung durch Sport und Bewegung effektiv reduziert werden. Ein gutes Körperbewusstsein und eine positive Selbstwahrnehmung stärken das Selbstwertgefühl und das Selbstvertrauen, wodurch die Steuerungsfähigkeit in rückfallgefährdeten Situationen verbessert wird. Sport bei Alkoholabhängigkeit Eine gesundheitsorientierte Lebensweise hat eine positive Wirkung auf Fortsetzung auf Seite 22 Kegelbahn in Wöllershof 21 22 SYNAPSE August Psychiatrie SYNAPSE August Psychiatrie Wissenschaftliche Studien Soravia et al. haben in ihrer Studie die Effekte von therapeutischem Klettern im Rahmen einer achtbis zwölfwöchigen Alkoholentwöhnungsbehandlung genauer untersucht. Es handelt sich um ein zusätzliches Angebot, das nach vier Wochen Teilnahme am normalen Behandlungsprogramm gewählt werden konnte, mit jeweils drei Stunden Klettern pro Woche in einer Kletterhalle in Gruppen mit zwölf Patienten. Vier Fünftel der Teilnehmenden in der Klettergruppe waren Männer, der Rest Frauen. Zum Vergleich zur Klettergruppe wurde eine Kontrollgruppe mit gleichen soziodemographischen Merkmalen gebildet. Park in Wöllershof Fitness-Studio am Bezirksklinikum Wöllershof Fortsetzung von Seite 21 das grundsätzliche Trinkverhalten. Alkoholkranke Menschen bekommen ein neues Verhältnis oder eine neue Einstellung zu ihrem Körper. Insbesondere ist die Erkenntnis wichtig, dass es bezüglich der eigenen Gesundheit nicht zu spät ist (Abstinenzrate steigt, Bartmann 1991). Nach der akuten Entzugsbehandlung kann der Patient relativ früh an einer Ausdauertrainingsgruppe teilnehmen. Er sollte es dann schaffen, dieses Training regelmäßig über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten. Nach Abklingen der Entzugssymptome ist es wichtig, die Behandlungsmotivation des Betroffenen zu stärken und ihm Wissen über die Krankheit zu vermitteln. Der Patient braucht über viele Monate eine engmaschige Begleitung, um ein Leben ohne Alkohol neu einzuüben. Sport – zumal in Gemeinschaft – schafft einen guten Rahmen oder einen guten Ansatzpunkt zum Aufbau eines neuen sozialen Umfelds ohne Alkohol. Ideal sind Sportarten in freier Natur wie Walking, Wandern, Radfahren, Skilanglauf und Schwimmen. Geeignet ist auch die Teilnahme an einem Fitnessprogramm. Individuelle Vorlieben sollten unbedingt genutzt werden. Wettkampfsportarten mit Leistungscharakter sind weniger geeignet wegen Überforderungsund Enttäuschungserlebnissen. Sport bei Abhängigkeit von illegalen Drogen Die Motivation zu regelmäßigem körperlichem Training ist erst möglich, wenn es der Betroffene geschafft hat, „clean“ zu werden. Es sollten sinnvolle Reflexionen und Entscheidungen im Hinblick auf den eigenen Drogenkonsum möglich sein (keine Entzugserscheinungen, keine Beschaffungsnot, keine kognitive Einschränkung durch Drogenwirkung). Des Weiteren ist wichtig, dass das helfende Umfeld den deutlichen Willen zeigt, sich voll für den Betroffenen zu engagieren, dass dies aber nur ohne Droge sinnvoll ist. Die Sporttherapie trägt hier zu einer geordneten und ausgewogenen Tagesstruktur bei. Regelmäßiges körperliches Training kann zur Aufrechterhaltung der Abstinenz beitragen, auch wenn dies die immer notwendige psychound soziotherapeutische Behandlung nicht zu ersetzen vermag. Im Suchtbereich müssen die Ansätze durch wissenschaftliche Untersuchungen und auf empirischen Grundlagen weiterentwickelt werden. Therapeutischer Sport in der Reha Therapeutischer Sport im Rahmen von Rehabilitationsbehandlungen von Substanzkonsumstörungen wird immer wichtiger. Der Stellenwert von körperlichen Aktivitäten und Sport als Elemente im Behandlungsprogramm von Männern und Frauen mit Substanzkonsumstörungen hat sich in den letzten zehn Jahren gewandelt. Körperliche Aktivitäten werden als sporttherapeutische Interventionen konzipiert und gezielt angeboten in der Annahme, dass sie den Behandlungsprozess unterstützen und in vielen Fällen auch beschleunigen können. Darauf weisen die Ergebnisse von Meta-Analysen hin, die jedoch auch betonen, dass die Ergebnisse als Folge methodischer Unzulänglichkeiten bislang uneinheitlich sind. Das bestätigen auch Einzelstudien zum Beispiel zum therapeutischen Klettern in der Behandlung von Alkoholabhängigkeit. Die Ergebnisse zeigten, dass alle Beteiligten von der Behandlung profitierten: • bei allen stieg im Laufe der Behandlung das Selbstwertgefühl und die Selbstwirksamkeits­ erwartung • bei allen nahmen die Ängste ab Patienten, die jedoch zusätzlich unter einer Angststörung litten und am therapeutischen Klettern teilnahmen, profitierten am meisten davon: Sie wiesen den stärksten Rückgang der Angstsymptomatik auf und den stärksten Zuwachs an positiven Selbstwertgefühlen. Die Ergebnisse wiesen ebenfalls darauf hin, dass therapeutisches Klettern vor allem den (meist männlichen) Patienten zugutekommt, die sowohl eine Alkoholkonsumstörung aufweisen als auch eine Angststörung. Unterschiedliche Präferenzen bei Männern und Frauen Stoutenberg et al. (2015) haben die Einstellungen zu Sport und die Präferenzen für körperliche Aktivitäten von Männern und Frauen in Suchtbehandlungs-Einrichtungen untersucht. Sie konnten zeigen, dass insgesamt eine große Offenheit gegenüber Angeboten zu körperlichen Aktivitäten besteht sowie eine generelle Bereitschaft, entsprechende Angebote anzunehmen. Alle Befragten bevorzugten persönliche Ansprachen und Unterstützung durch professionelle Trainer gegenüber Anleitung über das Internet oder andere Medien. Je nach Kontext wurden Gruppenangebote vor Einzeltrainings bevorzugt. Darüber hinaus unterschieden sich die Interessen und Wünsche von Männern und Frauen in mehrfacher Hinsicht. Männer wünschten sich intensive Trainingseinheiten, bevorzugt Krafttraining, Frauen wählten eher weniger intensives Training. Sie bevorzugten vielmehr Dehn- und Streckübungen sowie Yoga und Schwimmen. Die Studie empfiehlt daher, bei der Auswahl von Angeboten zu körperlichen Aktivitäten und Sport im Rahmen von Rehabilitationsbehandlungen von Substanzkonsumstörungen und beim Setting die Wünsche des Klientels soweit möglich zu berücksichtigen. Sie argumentiert, dass sich damit die positiven Wirkungen von körperlichen Aktivitäten zum Beispiel auf die Reduktion von Ängsten und depressiven Gefühlen steigern lassen, was sich wiederum positiv auf die generellen Behandlungsziele auswirken kann. Johannes Bönsch ist Qualitäts­ management-Beauftragter des Bezirksklinikums Wöllershof 23 24 SYNAPSE August Psychiatrie SYNAPSE August Psychiatrie Botschaft: Initiative vor Ort Fuß- und Radwegbrücke am Floßhafen in Cham Gesundheitsregion Plus Landkreis Cham Gesundheitsforum mit Management- und Steuerungsaufgaben, themenbezogenen Arbeitsgruppen und einer koordinierenden Geschäftsstelle. M Die Gesundheitsregion Plus Landkreis Cham hat zwei Handlungsfelder definiert, in der sich jeweils eine Arbeitsgruppe um die inhaltliche Ausgestaltung und Projektierung kümmert. it dem Konzept „Gesundheitsregionen Plus“ will das Bayerische Gesundheitsministerium die medizinische Prävention und Versorgung im Freistaat verbessern. Im Fokus steht der Gesundheitszustand der Bevölkerung gerade im Hinblick auf die gesundheitliche Chancengleichheit und die gesundheitsbezogene Lebensqualität. Die regionalen Akteure des Gesundheitswesens sollen sich vernetzen, auf kommunaler Ebene entsprechende Initiativen und Projekte identifizieren und umsetzen. Dazu gibt es neben Beratung auch Fördermittel vom Ministerium. Organisatorisch besteht eine Gesundheitsregion Plus aus einem Handlungsfelder mit Fokus psychische Gesundheit Handlungsfeld I widmet sich dem Thema „Gesundheitsförderung und Prävention“. Da im Landkreis Cham besonders viel Kompetenz in Sachen psychischer Gesundheit vertreten ist, und da 2016 durch das Bayerische Gesundheitsministerium zum Jahr der Kinder- und Jugendpsychiatrie deklariert wurde, ist das besondere Engagement der medbo hier Ehrensache. Ganz aktuell plant die Arbeitsgruppe einen Netzwerktag „Psychische Gesundheit in Betrie- + weis ++ ungshin lt ta s n a er is +++ V gshinwe n u lt ta s n +++ Vera 16: s Cham “ mber 20 lu ndkreis etrieben 16. Nove itsregion P La esundheit in B G he chische Gesund tag „Psy pus Cham k r e r DAK, w tz Ne reuz, de Cham, -Cam K ie n g te lo o o R n amt hen am Tech Bayerisc em Gesundheits m e d , K ndorf, d it der IH ration m le Degge in Koope chen Hochschu bo. ed nis der Tech Cham und der m G A der PS Botschaft: Gesundheit Psychische Gesundheit für Stadt und Land am Regenbogen Seit Frühjahr 2015 gibt es die Förderung durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege. Und der Landkreis Cham ist „Gesundheitsregion Plus“ der ersten Stunde. Mit dabei: die medbo und ihr Zentrum für Psychiatrie. Beim Stichwort „Information“ schließt sich gleich Projekt Nummer 2 im Handlungsfeld I an: Die neue Homepage der Gesundheitsregion, die derzeit – ebenfalls unter Beteiligung von Dr. Alexander Hasmann – erstellt wird. „Sie ist ein eigenes Projekt, weil sie eine immens wichtige Aufgabe abbildet: Sie ist das Kerninstrument der Gesundheitsregion, wenn es darum geht, die Projekte in die lokale Ebene hineinzutragen“, meint Peter Fleckenstein. „Wir wollen lokale Anlaufstellen und Initiativen für die Chamer Bevölkerung sichtbar und erreichbar machen“, ergänzt Alexander Hasmann. ben“, der im November 2016 in Cham stattfinden wird (siehe Kasten). Dr. Alexander Hasmann, Leitender Psychologe am medbo Zentrum für Psychiatrie, ist hier Mitglied im Steuerungsteam. Hintergrund der Idee ist die neue gesetzliche Vorgabe, die betriebliche Arbeitgeber zu Monitoring und Maßnahmen in Sachen psychischer Arbeitnehmer-Gesundheit verpflichtet. „Auf klinischer Seite stellen wir ja einen tatsächlichen Zuwachs an psychischen Erkrankungen unter den Stichworten Stress am Arbeitsplatz, Mobbing oder Angst vor Jobverlust fest“, führt Dr. Hasmann aus. „Doch auf Seiten der Arbeitgeber – gerade im Mittelstand – ist die Verunsicherung hoch: hier fehlt es noch an grundsätzlicher Information, was Sache ist. Aber auch Ideen, wie konkrete Maßnahmen zur Förderung der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz aussehen könnten, sollen hier vorgestellt werden“, schließt Peter Fleckenstein, Geschäftsführer der Gesundheitsre­ gion Plus Landkreis Cham, an. Apropos Einbindung lokaler Aktivitäten: Ein ganz wichtiger Baustein sind die künftigen „Gesundheitsbotschafter“ der Gesundheitsregion Plus Landkreis Cham. Dies sind Fachleute aus dem Gesundheitsbereich, die persönlich eine starke lokale Verortung und gleichzeitig keine hinderlichen Verpflichtungen wie etwa eine eigene Praxis oder Apotheke aufweisen. „Wir haben dreizehn Botschafter und Botschafterinnen für dreizehn Kommunen gewinnen können: Krankenschwestern und -pfleger, Physiotherapeuten, Arzt- und Zahnarzthelferinnen zum Beispiel. Diese bilden wir seit Juli entsprechend aus“, erklärt Fleckenstein. „Auch aus den Reihen des Zentrums für Psychiatrie konnte eine Gesundheitsbotschafterin gewonnen werden“, freut sich Dr. Radlinger, Chefarzt am medbo Zentrum für Psychiatrie Cham: „Unsere Physiotherapeutin Eva Bablick“. Handlungsfeld II: Land in Sicht Im Handlungsfeld II geht es um konkrete Projekte in Sachen Gesundheitsversorgung. Ein Hauptthema ist der Fachkräftemangel im ländlichen Raum. Das zugehörige Projekt trägt 25 Sind gemeinsam für die Gesundheitsregion Plus Landkreis Cham unterwegs (v.r.): Dr. Peter Radlinger, Peter Fleckenstein, Dr. Gabriele Enslein und Dr. Alexander Hasmann. den zutreffenden Titel „Land in Sicht“. „Uns fehlen nicht nur jetzt schon an allen Ecken und Enden Landärzte. Die Altersstruktur der bestehenden Hausärzteschaft im Landkreis Cham wird die Lage in ein paar Jahren noch erheblich verschlimmern“: Peter Fleckenstein ist besorgt – „Auch für Kliniken ist es nicht leicht, Medizinernachwuchs nach Cham zu locken. In der Pflege ist es ähnlich schwierig.“ „Dabei hat der Landkreis Cham, hat der Bayerische Wald so viel zu bieten: das müssen wir besser vermarkten“, schließt sich Dr. Gabriele Enslein an. Sie ist Oberärztin am Zentrum für Psychiatrie Cham und arbeitet aktiv in einer zweiten Projektgruppe, die besondere Wege sucht, Arztnachwuchs mit der Region Cham bekannt zu machen und nach Möglichkeit dafür zu gewinnen. Unabhängig davon setzt Dr. Enslein weit früher an, da sie seit geraumer Zeit schon Schülern, etwa auf Ausbildungsmessen im Landkreis und bei Vorträgen an höheren Schulen, das Berufsbild des Psychiaters nahebringt - und sie ist mittlerweile gut unterwegs! Das Zentrum für Psychiatrie Cham ist eng verbunden mit der psychiatrischen Uniklinik und damit mit Forschung und Lehre am medbo Standort Regensburg. Auch das wissen viele angehende Mediziner nicht. Vereinbarkeit von Familie und Beruf Und Dr. Enslein steht noch für einen weiteren Aspekt: Als ärztliche Führungskraft und als Mutter steht sie für die Strategie und UnternehmensFortsetzung auf Seite 26 26 SYNAPSE August Psychiatrie SYNAPSE August Neurologie Tagung der Neuroonkologischen Arbeitsgemeinschaft in Regensburg Gemeinsam gegen Hirntumoren Ende Juni 2016 diskutierten Neuroonkologen aus ganz Deutschland in Regensburg neue Methoden zur Diagnose und Therapie von Hirntumoren. B Lamer Winkel mit Osser Fortsetzung von Seite 25 kultur der medbo in punkto Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die gerade in Stadt und Landkreis Cham in vorbildlicher Weise gefördert wird. „Auf dem Land zählt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf viel – ein echtes Plus für Cham und auf Dauer hoffentlich ein unschlagbares Argument für junge Medizinerinnen und Mediziner, zu uns zu stoßen!“, erklärt Dr. Enslein. Entstigmatisierung Weitere Projekte mit Fokus psychische Gesundheit sind im Handlungsfeld II der Gesundheitsregion Plus Cham in Vorbereitung. Das große Thema „Entstigmatisierung psychisch kranker Menschen“ etwa, das sich die medbo, die Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft Cham und das Bündnis gegen Depression gemeinsam auf die Fahnen schreiben wollen. Eine weitere Projektidee, die schon konkretere Formen angenommen hat, ist die Verbesserung der psychiatrischen Versorgung im Landkreis durch kooperative Modelle. Dr. Matthias Dobmeier, niedergelassener Psychiater und selbst lange Zeit Chef der Chamer Psychiatrie, und auch wieder die medbo sind hier engagiert. (RNE) Gesundheitsregion Plus Landkreis Cham Die Gesundheitsregion Plus Landkreis Cham entstand 2015 aus der bereits bestehenden Gesundheitsregion Landkreis Cham. Damit war Cham im Mai 2015 Region der „ersten Reihe“ in diesem Programm, das heute 32 Regionen umfasst. Derzeit bearbeitet die Gesundheitsregion Plus Landkreis Cham 22 Projekte, davon allein fünf mit direkter medbo-Beteiligung. Organisation und Struktur Für den Landkreis Cham ist die Gesundheitsregion Plus dem dortigen Landratsamt, und hier wiederum direkt dem Büro des Landrats und Bezirkstagspräsidenten Franz Löffler angegliedert. Seinen Sitz hat die Geschäftsstelle der Gesundheitsregion Plus Landkreis Cham in Bad Kötzting. Hauptamtlicher Geschäftsführer ist Peter Fleckenstein, ihm zur Seite steht Projektassistentin Corinna Kurnoth. Oberstes Gremium ist das Gesundheitsforum. Ihm gehören 23 Mitglieder an: Neben dem Landrat und den Bürgermeistern der Städte Bad Kötzting, Cham, Waldmünchen, Furth im Wald und Roding sind dies ein Patientenvertreter, Ärztliche Verbände, das Gesundheitsamt, die Krankenkassen AOK und DAK, das Bayerische Rote Kreuz, die örtlichen Krankenhäuser sowie Vertreter ambulanter und stationärer Pflegeeinrichtungen. Der Bereich Bildung, Forschung und Lehre ist durch die Volkshochschule sowie den Gesundheitscampus der TH Deggendorf/Bad Kötzting vertreten. Die psychischen Gesundheitsfragen werden im Gremium insbesondere durch das medbo Zentrum für Psychiatrie in Cham – vertreten durch Chefarzt Dr. Peter Radlinger – und die Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft repräsentiert. Das Gesundheitsforum tagt zweimal jährlich, nimmt Projektideen zu den gewählten Handlungsfeldern auf und beauftragt Arbeitsgruppen mit der Durchführung. Kontakt: Gesundheitsregion Plus Landkreis Cham, Landshuter Str. 1a, Bad Kötzting ereits zum zweiten Mal traf sich die Neuroonkologische Arbeitsgemeinschaft (NOA) der Deutschen Krebsgesellschaft e.V. zu ihrer Jahrestagung in Regensburg. Etwa 200 Experten für Hirntumoren kamen auf Einladung der NOA an das Zentrum für Hirntumoren des Universitätsklinikums Regensburg (UKR) und der medbo, um aktuelle Entwicklungen in der Therapie von Hirntumoren vorzustellen. Die Veranstaltung fand im Institut für Bildung und Personalentwicklung am medbo Bezirksklinikum Regensburg statt. Das Fachpublikum erwarteten neben der Verleihung des renommierten Sybille-Assmus-Preises vor allem wissenschaftliche Neuerungen, die auf der Tagung erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Wissenschaftliche Neuerungen von der Diagnose bis zur Therapie Die NOA-Jahrestagung wurde 2016 von zwei Hauptthemen geprägt. Zum einen wurde dieses Jahr von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine neue Klassifikation für Hirntumoren verbindlich eingeführt. Bislang wurden Hirntumoren üblicherweise über eine mikroskopische Analyse von Gewebeproben beurteilt. Heute stehen genetisch dia­ gnostische Methoden zur Verfügung, die eine präzise Einteilung in stark ausdifferenzierte Untergruppen ermöglichen. So können noch mehr Paramater berücksichtigt und die individuell passende Therapie noch gezielter ausgewählt werden, was sich wiederum positiv auf die Pro­ gnose des Patienten auswirkt. Die Details der neuen Klassifikation wurden dem Fachpublikum auf der Tagung in Regensburg präsentiert. Des Weiteren war die Biologie von Hirntumoren ein wichtiges Thema. Tumorzellen selbst durchlaufen genetische und andere Veränderungen, wodurch Therapien an Wirksamkeit verlieren können. Das Milieu, das die Tumorzelle umgibt, bestimmt diese Veränderungen entscheidend mit. Neue Therapieansätze zielen deswegen auf das Tumormilieu ab. Diese Herangehensweise wird bereits in ersten klinischen Studien getestet. Auf der Tagung wurden die ersten Ergebnisse sowie die Chancen für künftige Therapieoptionen diskutiert. Vernetzung in Wissenschaft und Forschung zum Wohl der Patienten Im Zentrum für Hirntumoren des UKR arbeiten Experten der Neurologie, Neuropathologie, Strahlentherapie, Neurochirurgie sowie der Hämatologie und Internistischen Onkologie gemeinsam daran, dem Patienten eine auf ihn abgestimmte Therapieempfehlung sowie eine nachhaltige Versorgung auch nach der Therapie zukommen zu lassen. Durch nationale und internationale wissenschaftliche Vernetzung, wie in der Neuroonkologischen Arbeitsgemeinschaft, erhalten Patienten Zugang zu den aktuellsten Diagnose- und Therapieverfahren. Zudem tragen die Behandlungspartner des Zentrums für Hirntumoren durch aktive Forschung selbst dazu bei, die Versorgung von Hirntumorpatienten weiter zu verbessern. Als Gastgeber der NOA-Jahrestagung bot das Regens- burger Zentrum für Hirntumoren erneut eine wichtige Plattform, gemeinsam noch wirksamer gegen Hirntumoren vorgehen zu können. Denn in Deutschland erkranken jährlich 8.000 Personen an einem Gehirntumor; weltweit trifft es etwa 650 Menschen pro Tag. Trotz dieser Zahlen sind Hirntumoren im Vergleich zu anderen Krebsarten eher selten, zählen aber zu den schwerwiegendsten. (UKR/medbo) 27 28 SYNAPSE August Neurologie SYNAPSE August Neurologie Neurologische Schäden beim Sport Gehirnerschütterung: Schädel-Hirn Trauma „light“ Der Kopfball, der rüde Rempler, das Foul: Nicht nur im Fußball gibt es viele Ursachen für eine Erschütterung des Gehirns (Traumen). Erkennt man sie nicht, kann das schlimme neurologische (Langzeit-)Folgen haben. E s gibt Sportarten, bei denen geht es naturgemäß auch mal rau zu. American Football, Rugby, aber auch der klassische Fußball. Grundsätzlich alle Ballspiele bergen die Gefahr, einen Ball an den Kopf zu bekommen, ganz zu schweigen von den Sportarten, bei denen hohe Geschwindigkeiten und Stürze normal sind. Die Wucht des Aufpralls eines Balls auf den menschlichen Schädel ist oft enorm und die Wirkung der Stöße oder Schläge auf das menschliche Gehirn entsprechend heftig. Bis zu 120 km/h kann ein durchschnittlicher Elfmeter erreichen, 263 km/h flog der schnellste jemals gemessene Tennisball. Und wenn ein Zwei-Zentner-Spieler einen anderen beim „bodycheck“ umwirft, kommen schon mal ein paar Zentner mehr an Gewicht durch die Beschleunigung zustande. Dabei ist das menschliche Gehirn ein relativ geschütztes Or­ gan. Wie eine Nuss ist es in einer harten und relativ stabilen Schale – dem Schädel – eingeschlossen. Von Gehirnwasser umgeben, schwimmt oder schwebt es in der Gehirnhöhle. Erschütterungen und Stöße, die von außen auf den Schädel und auf den Körper wirken, werden durch die Flüssigkeit wie durch einen Stoßdämpfer gemildert. Denn das Gehirnwasser überträgt die Stoßwellen von außen nur gedämpft. Dennoch: Bei häufigen leichten wie auch schweren Erschütterungen kann es zu schlimmen Folgen kommen. Das Gehirnwasser kann die Wucht eines Schlages oder eines Aufpralls nicht mehr kompensieren, und das Gehirn wird über die Maßen hinaus komprimiert und gedehnt. Das kann feine neuronale Strukturen quetschen, zerren oder verletzen, etwa die Zellfortsätze (Axone), die Zellmembranen der Nervenzellen und deren Stützgewebe (Gliazellen) oder die feinen Sy­ napsen, über die die Nervenzellen kommunizieren. Daneben werden auch feine Gefäße – ein mensch­ liches Gehirn hat etwa 400 bis 600 km Hirngefäße – und somit die Blutver- und -entsorgung der betroffenen Gehirnregionen beeinträchtigt. Das Areal degeneriert und stirbt im schlimmsten Falle ab. Unterschätzte Gefahr Jetzt besteht die Gefahr, die Erschütterung nicht als diese zu erkennen und ordentlich auszukurieren. Bis zu 100.000 Gehirnerschütterungen werden jährlich in deutschen Kliniken behandelt, und zwar häufig solche, die mit Bewusstlosigkeit oder stärksten Kopfschmerzen einhergehen. Wenigstens ebenso viele bleiben laut Expertenschätzung unerkannt. Viele Menschen kennen weitere Symptome einer Gehirnerschütterung nicht. Es gibt die weitläufige Meinung, dass erst Erbrechen und/oder gar eine Bewusstlosigkeit nach dem Trauma eindeutige Hinweise seien. Dabei sind die häufigsten Symptome viel weniger spektakulär: Zu starken Kopfschmerzen gesellen sich typischerweise Tritt- und Gangunsicherheit oder eine gewisse Lichtempfindlichkeit. Überhaupt können alle äußeren Reize – Töne, Licht, Gerüche – irritieren. Die Konzentrationsfähigkeit leidet bis hin zu Erinnerungsdefiziten. Und auch die Stimmung kann in Nervosität und Gereiztheit umschlagen. Boxer-Demenz Zum anderen führen regelmäßige massive Traumen – wie bei den oben zitierten Sportarten – neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen nach oft zu einer Reihe an neurologischen und neuropsychiatrischen Störungen: Der jüngst verstorbene Boxer Muhammad Ali ist wahrscheinlich ein trauriges Beispiel für eine durch wiederholte Erschütterung des Gehirns induzierte oder zumindest beförderte Parkinson’sche Erkrankung. Die Fachwelt zitiert aber auch Depressionen, Einschränkungen bei der Kognition und ganz profanes, aber chronisches Kopfweh. Jede Gehirnerschütterung ist ein Schädel-Hirn Trauma „light“. Beispielsweise Förstl, Haass et al. wiesen 2010 im Deutschen Ärzteblatt auf den Zusammenhang zwischen wiederholten schweren Boxschlägen gegen Gesicht und Schädel und eventuellen Langzeitschäden durch daraus resultierende multiple Traumen hin. Der „Knockout“ (induzierter Bewusstseinsverlust) sei die relevanteste Akutfolge. Aber es besteht darüber hinaus die Vermutung, dass neuropsychologische Folgeschäden (wie Konzentrationsstörungen, eingeschränktes Abstraktionsvermögen, bis hin zu Intelligenzminderung) länger anhalten als die initialen Symp­tome. Über die Untersuchung mo­lekularer Zellveränderungen konnten die Forscher einen statistischen Zusammenhang zwischen Zahl und Schwere der Schläge und den neuronalen beziehungsweise glialen Schädigungen der Gehirnzel- len herstellen. Das Risiko eines Boxer-Syndroms (auch Boxer-Demenz) könne als Spätfolge mit der Dauer der Karriere eines Boxers in Zusammenhang gebracht werden. Die Erkrankung zeige einige Parallelen zur Alzheimer’schen Erkrankung. gen aus. Aber es kann sogar Monate dauern, bis sich die in Mitleidenschaft gezogenen Gehirnstrukturen regeneriert haben. Gibt man dem Gehirn diese Zeit nicht, addieren sich die Schädigungen und chronifizieren schlimmstenfalls. Pause für das Gehirn Die ideale Therapie bedeutet also: Ruhe. Wenigstens für eine Woche. Aber noch wichtiger ist die Prävention. Seit zum Beispiel im Amateur-Boxsport die Maskenpflicht eingeführt wurde, sank die Zahl der festgestellten Gehirnerschütterungen. Es spricht also einiges für die Helmpflicht bei einschlägigen Sportarten. (RNE) Das Gehirn braucht nach einem Trauma eine gewisse Erholungszeit. Knapp 85% der Patienten erholen sich nach etwa einer Woche bis zehn Tagen weitgehend. Der eine oder andere Leser wird jetzt sicher stutzen! Die meisten gehen wohl eher von wenigen Stunden oder TaSchütz Deinen Kopf! Die Initiative „Schütz Deinen Kopf!“ hat eine Kurz-Testung entworfen, mit der vor allem, aber nicht nur Sportler auf eine Gehirnerschütterung getestet werden können. Beobachten … Wenn mindestens eines dieser Symptome beobachtet werden kann, liegt eine Gehirnerschütterung vor: • Verlust/Einschränkung des Bewusstseins • Verlust der Reaktionsfähigkeit (regungslos am Boden liegen, keine offensichtlichen Bewegungen) • Verlangsamtes Aufstehen mit folgender Unsicherheit beim Stehen (Schwanken) • Gleichgewichtsprobleme oder erneutes Umfallen • Koordinationsstörungen: Sich an festen Gegenständen festhalten oder abstützen müssen, sich an den Kopf fassen • Benommenheit, „leerer Blick“, offensichtliche Verwirrtheit Erkennen … Mindestens eines der folgenden Symptome liegt vor? Das kann ein Zeichen für eine Gehirnerschütterung sein! • Bewusstseinsverlust • Krampfanfälle • Schwindel • Gleichgewichtsstörung • Übelkeit • Reizbarkeit Zusätzlich kann eine orientierende Gedächtnisfunktionstestung Hinweise geben. Der Betroffene sollte alle drei folgenden Fragen beantworten können: • Wie ist Dein Name? • Welcher Tag ist heute? • Wie spät ist es? Ein abschließender Gleichgewichtstest macht ebenfalls Sinn. Quelle: www.schuetzdeinenkopf.de 29 30 SYNAPSE August Neuro-Reha 31 Aus der Praxis für die Praxis: Schlaganfall-Akutbehandlung und Prophylaxe „Rohr frei“ und „neue Blutverdünner“ Prof. Dr. Felix Schlachetzki, Dr. Roland Backhaus Nicht nur in der akuten Schlaganfallbehandlung hat sich in den letzten wenigen Jahren einiges geändert. Auch in der Verhinderung von Schlaganfällen bedingt durch eine Herzrhythmusstörung konnte mit neuen Medikamenten (Blutverdünnern) eine signifikante Risikoreduktion erreicht werden. B ei 80% der Schlaganfälle liegt die Ursache in einer akut aufgetretenen Durchblutungsstörung eines hirnversorgenden Gefäßes (ischämischer Schlaganfall). Gerade Verschlüsse der großen Hirnarterien waren bislang hauptsächlich verantwortlich für schwere bleibende körperliche und kognitive Beeinträchtigungen beziehungsweise die hohe Sterblichkeit nach Schlaganfall. Der ischämische Schlaganfall ist eine Volkskrankheit und daher besteht ein hohes Interesse an neuen medizinisch-neurologischen und neuroradiologischen Therapien. Wird die Hirndurchblutung schnell wiederhergestellt, kann sich das entsprechende Hirnareal erholen und seine Funktion wiederaufnehmen. Für diese rekanalisierenden Therapien existiert ein Zeitfenster von etwa 4,5 Stunden für die ­medikamentöse Behandlung mittels Gewebsplasminogenaktivator – jedoch gilt der Merkspruch „time is brain“ und jede Verzögerung senkt den Behandlungserfolg. Es gibt eine Reihe von Ursachen, die zu einem akuten Gefäßverschluss führen können: In etwa 30% entsteht ein Blutgerinnsel durch eine Herzrhythmusstörung, dem sogenannten Vorhofflimmern (VHF). Durch die nicht mehr rhythmische und gleichmäßige Kontraktion des Herzmuskels kommt es zur Gerinnselbildung, die über die Blutgefäße in das Gehirn wandern (Embolus) und zu einem Gefäßverschluss führen. Daneben können auch lokale Einengungen der hirnversorgenden Gefäße (Stenosen) zur Gerinnselbildung führen (circa 30%). Zudem ist der Bluthochdruck als einer der wichtigs- ten beeinflussbaren Risikofaktoren insbesondere für chronische Schädigungen der kleinsten Gefäße verantwortlich und kann ebenfalls zu eher kleineren Schlaganfällen im Marklager des Gehirns führen. Neben dieser pathophysiologisch orientierten Einteilung des Hirninfarktes („TOAST“-Klassifikation) hat sich ein neuer Begriff ergeben, und zwar genau dann, wenn konkurrierende Ursachen existieren: beispielsweise geringe Stenosen und ein eher kardioembolisches Infarktmuster bei unauffälligem Herzbefund. Der „embolic stroke of undetermined source“ (ESUS) ist eine diagnostische und therapeutische Herausforderung. Gerade Embolien aus dem Herzen, wie sie bei permanentem oder intermittierenden (zwischenzeitlichem) Vorhofflimmern in den Füllkammern des Herzen entstehen, führen zu schweren Schlaganfällen mit bis dato hoher Sterblichkeit und Pflegebedürftigkeit. Bislang bestand die wirkungsvollste Vorsorge bei Patienten mit Vorhofflimmern in der Therapie mit Phenprocoumon (Markenname Marcumar®) – einem Vitamin-K Antagonisten, der die Synthese von Gerinnungsproteinen in der Leber reduziert. Demgegenüber stand die dadurch höhere Blutungsneigung: ein Risiko, das zwar deutlich unter dem Nutzen liegt, häufig jedoch emotional zu einer Abneigung gegen die Therapie führt. Im- merhin werden Vitamin-K-Antagonisten auch als Rattengift genutzt. Vorhofflimmern und Schlaganfallrisiko Zu den wichtigsten Schlaganfallrisikofaktoren zählt das Vorhofflimmern (VHF), bei dem die Füllkammern des Herzens aus dem großen Körperund dem Lungenkreislauf (rechter und linker Vorhof, respektive) nicht mehr synchronisiert zu den großen Herzkammern (rechter und linker Ventrikel) arbeiten und sich im linken Vorhofohr Gerinnsel aufgrund stehenden Blutes bilden können. VHF kann permanent oder intermittierend (auch paroxysmales, das heißt schlagartig auftretendes, nur maximal 48 Stunden andauerndes VHF) auftreten – das Schlaganfallrisiko ist allein dadurch gleichermaßen um das Fünffache erhöht. Fast alle zehn Sekunden kommt es zu einem Schlaganfall infolge von Vorhofflimmern. Allein in Deutschland sind rund 1,8 Millionen Menschen von dieser Herzrhythmusstörung betroffen und die Inzidenz steigt mit dem Alter an: sind es bei 60jährigen etwa ein bis drei Prozent, so steigt die VHF-Rate dann an und liegt bei 80jährigen schon bei etwa zehn Prozent. Symptome von Hirnembolien Embolien aus dem Herzen sind häufig von großem Durchmesser und verschließen somit die großen Hirn- Der Schlaganfall Jeden Tag ereignen sich rund 450 Schlaganfälle in der Bundesrepublik Deutschland. Nach wie vor stellt der Schlaganfall eine der häufigsten Todesursachen dar und Überlebende haben mit weitreichenden Folgen und erheblicher Einschränkung der Lebensqualität zeitlebens zu kämpfen. Komplikationen eines Schlaganfalls möglichst zu vermeiden, funktionelle Ausfallerscheinungen und die Lebensqualität zu verbessern sowie die Suche nach der Ursache eines Schlaganfalls sind Aufgaben spezialisierter neurologischer Behandlungseinheiten, sogenannte Stroke Units. Neben der systemischen Lysebehandlung stellt heute die kathetergestützte Entfernung von Blutgerinnseln aus den großen Hirnarterien eine hocheffektive kausale Therapieoption mit manchmal hervorragenden Ergebnissen dar. EKG a) Normales EKG mit typischer regelmäßiger p-Welle, die vor dem Herzkammerkomplex erscheint b) Vorhofflimmern mit fehlender p-Welle und unrhythmisch schlagendem Herz beziehungsweise Kammerkomplexen (Pfeile) arterien mit entsprechend schweren neurologischen Ausfallserscheinungen, oder verteilen sich nach dem Herzen in mehrere unterschiedliche Hirnarterien. Klinisch äußern sich Embolien aus dem Herzen somit häufig durch schwere Lähmungserscheinungen, Koma oder Sprachstörungen. In der frühen Computeroder Kernspintomographie liegen häufig je nach Größe des Gefäßverschlusses und dem Grad der individuell vorhandenen Umgehungskreisläufe (sogenannte Kollateralen) geringe nachweisbare Infarkte im Gehirn vor. Ziel der Akuttherapie ist, den weiteren Untergang von Hirngewebe durch Sauer- und Nährstoffmangel aufzuhalten, also die Hirndurchblutung durch die Entfernung des Gerinnsels im Gefäß zu beseitigen. Bislang wurde dies durch die intravenös zu verabreichende Lysetherapie versucht, die nur unter Ausschluss einer Hirnblutung im entsprechenden Zeitfenster angewandt wurde. Allerdings entzogen sich gerade die großen Hirnarterienverschlüsse dieser Therapie und führten trotz allem zu schweren Schlaganfällen. Diagnose eines Gefäßverschlusses Die oben erwähnte Computertomographie (CCT) ist weit verbreitet, und moderne Geräte erlauben in wenigen Minuten die Darstellung der großen hirnversorgenden Arterien sowie in vereinfachter Weise den Nachweis von möglichen Kollateralen (CT-Angiographie, CTA). Die Kernspintomographie (Magnetresonanztomographie – MRT) ist im Akutfall zu aufwändig, dauert länger und ist gerade bei unruhigen Patienten ebenso wie die Ultraschalldiagnostik nicht Diagnostik der Wahl. Anhand der nativen Computertomographie, der klinischen Symptomatik und der Zeit seit Beginn der Sympto- matik sowie der CTA entscheiden sich der behandelnde Neurologe und ein Neuroradiologe, ob zusätzlich zu einer möglichen Lysetherapie diese Gefäße auch über einen Katheter in der Leiste manuell entfernt werden müssen. Endovaskuläre Embolektomie Die schnelle Wiederherstellung der Hirndurchblutung ist die logische und zielgerichtete Therapie des ischämischen Hirninfarkts. Seit Mitte der 90er Jahre im letzten Jahrhundert verdichteten sich die Hinweise, dass dies – ähnlich der Therapie des Herzinfarkts – über Katheter in die Leistenarterie (Angiographie), die dann in das verschlossene Hirngefäß vorgeschoben wurden, sehr effektiv sein kann. Doch bis zuletzt im Jahr 2013 konnte keine Studie diese Arbeitshypothese bestätigen, was primär an noch nicht ausgereiften Kathetern mit unbefriedigenden Rekanalisationsraten lag. Erst die zufällige Entdeckung, dass maschendrahtähnliche Katheter, die primär für die Behandlung von Aneurysmen entwickelt wurden (sogenannte Stentretreaver), sich auch gleichsam wie ein Drahtnetz in Fortsetzung auf Seite 32 Formen des Schlaganfalls • Gefäßverschluss Bei rund 80% der jährlich 160.000 neuen Schlaganfälle in Deutschland liegt eine plötzlich verschlossene Arterie im Gehirn vor und führt zu Funktionsausfällen, wie zum Beispiel Lähmungen, Sprachstörungen, Sehstörungen, Koma oder Doppelbildern. In den ersten vier bis sechs Stunden nach einer Einweisung in die Stroke Unit können entweder mit Fibrin-auflösenden Medikamenten (sogenannte Lysetherapie) oder mittels Katheter über die Leistenarterie (sogenannte endovaskuläre Embolektomie) die Hirndurchblutung und Hirnfunktion im Idealfall wiederhergestellt werden. Auf diese Weise kann möglichst viel Hirngewebe gerettet, beziehungsweise ein weiteres Absterben verhindert werden. • Blutungen Bei etwa 15% aller Schlaganfälle liegen Hirnblutungen aufgrund „geplatzter Arterien“ im Hirn (intrazerebrale Blutungen (ICB)) vor, deren Ursache, Diagnose und Therapie auf der Stroke Unit geklärt werden. Weitere 5% der Schlaganfälle sind Subarachnoidalblutungen (mit Vernichtungskopfschmerz als Kardinalsymptom) oder Venenthrombosen des Gehirns (stärker werdende undulierende Kopfschmerzen mit/ ohne nachfolgenden, neurologischen Ausfallserscheinungen). • Schlaganfall – Hirninfarkt Die Unterscheidung zwischen „blutigen Schlaganfällen“ (20%) und sich entwickelnden Hirninfarkten (80%) ist klinisch fast nicht möglich und erfolgt in der Regel mittels einer Computertomographie des Gehirns. Die Diagnose und Behandlung erfolgt zu meist auf der Stroke Unit. Größte Eile ist insbesondere beim Hirninfarkt geboten, da Hirngewebe in einem engen Zeitfenster noch gerettet werden kann. 32 67-jährige Patientin; schwere Halbseitenlähmung links mit fehlender Wahrnehmung, NIHSS 15; Beginn der Symptomatik 09:10 Uhr – Einlieferung in die Stroke Unit beziehungsweise direkt in die Computertomographie um 10:00 Uhr, Beginn der medikamentösen Therapie um 10:13 Uhr. Nach zwei Tagen zeigte die Patientin nur noch eine leichte Gesichtsasymmetrie und konnte nach Hause entlassen werden. Fortsetzung von Seite 31 einem „Marshmellow“ in dem Gerinnsel verfangen und diese somit aus dem Gefäß entfernen können, hat der Methode zum Durchbruch verholfen. 2015 konnten gleich fünf positive Studien die Wirksamkeit bestätigen. Die Zahlen sind beeindruckend: um einen Patienten mit keinen oder nur unwesentlichen Behinderungen zu erhalten, müssen zwei bis sieben Patienten mit der Methode behandelt werden. Allerdings ist nicht jeder Schlaganfall für die Embolektomie geeignet: von allen nachgewiesenen drohenden Hirninfarkten eignen sich nur maximal zehn Prozent für diese Therapie. Besser bleibt es, einem Schlaganfall vorzubeugen, insbesondere dann, wenn bekannte Risikofaktoren wie nachgewiesenes Vorhofflimmern vorliegen. Seit Jahren weiß man, dass Vitamin-K Antagonisten (VKA) die Synthese von Gerinnungsfaktoren hemmen und gerade bei VHF effektiv vor Schlaganfällen schützen können. Schlaganfallprophylaxe mit Vitamin-K Antagonisten und den „Neuen“ a) CT-Angiographie: Pfeil zeigt auf den Verschluss der rechten mittleren Hirnarterie b) CT-Angiographie: Nachweis guter Kollateralen, das heißt von viel „rettbarem“ Hirngewebe c) Computertomographie des Gehirns bislang ohne Infarktnachweis d) Angiographie mit Gefäßverschluss e) Rekanalisation mittels Stentretreaver um 13:07 Uhr f) Bild des entfernten Gerinnsels g) Magnetresonanztomographie zwei Tage später mit kleinem Infarktkern (Pfeil) h) Magnetresonanztomographie (Diffusionssequenz) als Nachweis des frischen kleinen Infarkts SYNAPSE August Neuro-Reha Obwohl die Schlaganfallrisikoreduktion von VKAs bekannt ist, scheuen sich viele Patienten und Ärzte vor dieser Therapie aus Angst vor Blutungskomplikationen („primum non nocere, secundum cavere, tertium sanare“, übersetzt „erstens nicht schaden, zweitens vorsichtig sein, drittens heilen" – hippokratischer Grundsatz). Allerdings liegen sowohl das spontane Hirnblutungsrisiko als auch die Komplikationsrate bei Stürzen bei weitem niedriger als der Nutzen, das heißt die Schlaganfallverhinderung mittels dieser Substanzen. Hier ist in den letzten Jahren eine Reihe von neuen, allerdings nicht billigen Medikamenten auf den Markt gekommen. Auch die Blutungsrisiken der zahlreichen Gerinnungshemmer und Antikoagulanzien unterscheiden sich teils erheblich. Die Vitamin-K-Antagonisten wie Warfarin® oder Phenprocoumon (Marcumar®), das in Deutschland meist verwendet wird, haben bekanntlich das höchste Blutungsrisiko. Nicht-Vitamin-K-Antagonisten (NOAKs) wie Faktor IIa-(Thrombin)-Hemmer Dabigatran, Faktor Xa-Hemmer Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban). Sie sind hier eine wirkungsvolle Alternative: In aktuellen randomisiert-kontrollierten Stu­dien konnten sie mindestens eine Nicht-Unterlegenheit zur Verhinderung ischämischer Schlaganfälle bei statistisch signifikant geringerem zerebralem Blutungsrisiko gegenüber Warfarin zeigen. Die europäische Vorhofflimmern-Leitlinie gibt jedoch trotz häufig stark schwankenden INR-Werten (Maß für die gute Gerinnungseinstellung) weiterhin den Vitamin-K-Antagonisten den Vorzug, wohingegen andere Leitlinien unter Berücksichtigung der Einschränkungen (Nierenfunktion) NOAKs favorisieren. Ungeklärter Schlaganfall – embolic stroke of undetermined source (ESUS) Der Aufenthalt auf der Stroke Unit dient der schnellen Diagnostik und Therapie des Betroffenen, aber auch dem frühen Beginn rehabilitativer Maßnahmen und der Ursachenklärung beziehungsweise Einleitung ­einer entsprechenden Sekundärprophylaxe. Bei etwa 20% aller Hirninfarktpatienten bleibt die genaue Ursache für den Gefäßverschluss gänzlich ungeklärt (sogenannter kryptogener Schlaganfall). Oder es konkurrieren Schlaganfallrisikofaktoren miteinander, die zu unterschiedlich starker Blutverdünnung und damit Risiko-Nutzen-Profil führen (ESUS Typ). Letztere werden seit einigen Jahren intensiv in Medika­ mentenstudien beforscht. Getestet wird häufig eine leichte Blutverdünnung wie nach einem Herzinfarkt mit niedrig-dosiertem Aspirin gegen ein NOAK, in der Annahme, dass nicht erkanntes oder sehr seltenes intermittierendes Vorhofflimmern vorliegt. Die Ergebnisse solcher Stu­dien werden in zwei bis drei Jahren erwartet. Schlaganfalltherapie in der medbo In der überregionalen Stroke Unit in der Klinik für Neurologie am Bezirksklinikum Regensburg (BKR) werden seit etwa 2004 schwere Schlaganfälle mit großen Gefäßverschlüssen mittels Kathetern behandelt. Dies ist aufgrund der sehr intensiven Zusammenarbeit der Ärzte der Stroke Unit mit Mitarbeitern des Zentrums für Neuroradiologie (Leiter Prof. Dr. Gerhard Schuierer, Standorte medbo und Universitätsklinikum Regensburg) möglich. So konnte die Entwicklung bis hin zum Einsatz von Stentretreavern an vorderster Front verfolgt und das nötige Knowhow erarbeitet werden. Seit Jahren besteht ein eingearbeitetes interdisziplinäres Team, das den Patienten begleitet. Ebenso war die Stroke Unit an Studien zur Zulassung von NOAKs beteiligt und konnte noch vor Markteinführung Erfahrungen mit den neuen Medikamenten sammeln. Gleiches gilt für die Klinik für Neurologische Rehabilitation am BKR, die gerade aus gerinnungsphysiologischer Sicht ein herausforderndes Patientenklientel betreut. Neben klinisch-wissenschaftlichen Projekten rund um die Embolektomie (neurovaskuläre Forschung, Leiter Prof. Dr. Felix Schlachetzki) nimmt die Klinik für Neurologie an zwei verschiedenen ESUS Studien teil, in die Patienten bis zu sechs Monate nach ungeklärtem Hirninfarkt einbezogen, und in der Folge intensiv nachbeobachtet und behandelt werden könnten. Fazit: Prävention ist die beste Therapie Nicht erkanntes beziehungsweise nicht behandeltes Vorhofflimmern ist der wichtigste Risikofaktor für schwere Schlaganfälle. Bei einigen dieser Patienten kann mittels Kathetern über die Leiste („Embolektomie“) das Gerinnsel effektiv neuroradiologisch-interventionell entfernt werden, wenn der Patient schnell nach Symptombeginn in die Stroke Unit eingeliefert wird. Die beste Therapie des Hirninfarkts ist jedoch die Prävention, und bei Vorhofflimmern stehen nun neben dem klassischen Blutverdünner Marcumar® weitere und vor allem sichere Tabletten zur Verfügung. Kontakt: Auskunft zu den ESUS-Studien erteilt Prof. Dr. Felix Schlachetzki, Tel. +49 (0)941/941-3501 Prof. Dr. Felix Schlachetzki ist Chefarzt an der Klinik für Neurologische Rehabilitation am Bezirksklinikum Regensburg Zentrum II (BKR) und Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universität Regensburg mit Schwerpunkt Neurosonographie und neurovaskuläre Forschung, Dr. Roland Backhaus ist Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Universität Regensburg am BKR mit Schwerpunkt Stroke Unit und Telemedizin 33 34 SYNAPSE August KJP SYNAPSE August KJP Bereichert wird die Fachtagung durch die Vorträge von Dr. Reinhard Erös, private Initiative „Kinderhilfe Afghanistan“, zu den politischen, sozialen und kulturellen Hintergründen von minderjährigen Flüchtlingen aus dem afghanisch-pakistanischen Raum und von Prof. Dr. Philip Anderson, OTH, über die (berufliche) Bildungs- und soziale Integration von Flüchtlingen. Dr. Andreas Conca, Direktor des psychiatrischen Dienstes des Gesundheitsbezirkes Bozen, der auch den landesweiten Dienst für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie in Südtirol koordiniert, mit dem die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Regensburg eine lebendige Kooperation pflegt, referiert zu individuellen und kollektiven Schicksalen im Spannungsfeld der Zeitgeschichte Südtirols. N au tät“ Regensburger Fachtagung zur Kinder- und Jugendpsychiatrie 1KJP08-1604-0003 8 neue fremde Heimat Regensburger Fa chtagung zur Kinder- und Juge ndpsychiatrie neue fremde Hei mat Interdisziplinäre Fachtagung zur Integration minderjähriger Fl üchtlinge 26. und 27. Septe mber 2016 Bezirksklinikum Reg ensburg Institut für Bildung und Personalentwic klung (IBP) Am 26. Und 27. September 2016 wird sich eine interdisziplinäre Fachtagung am Bezirksklinikum Regensburg dem großen Thema „Integration minderjähriger Flüchtlinge“ widmen. medbo, Stadt und Landkreis Regensburg, die Katholische Jugendfürsorge, die Agentur für Arbeit sowie die Ostbayerische Technische Hochschule (OTH) laden ein. S eit vielen Jahren befinden sich hunderttausende Menschen auf der Flucht aus Afrika, Vorder- und Südasien. Unterschiedlich sind Fluchtursachen und Fluchtrouten, unüberschaubar die Anzahl der Be- Dr. Christian A. Rexroth troffenen, unermesslich die leidvollen individuellen Erfahrungen bis zur Ankunft in Deutschland. Aber unerschöpflich ist auch die Hilfsbereitschaft von haupt- und ehrenamtlichen Helfern. Die Minderjährigen unter den Flüchtlingen, die von ihren Familien auf den Weg geschickt wurden oder die sich ohne Bezugspersonen aus ihrer Heimat auf den Weg gemacht haben, somit unbegleitet sind, haben in unzähligen und in kürzester Zeit zur Verfügung gestellten Jugendhilfeeinrichtungen einen Platz gefunden. Manche der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (umF) hatten bereits erhebliche psychische Belastungen im spärlichen Gepäck oder waren angesichts ihrer Erfahrungen bis zur Ankunft in Deutschland erheblichen Belastungen ausgesetzt. Bei einigen, aber bei weitem nicht bei allen unbegleiteten Minderjährigen lassen sich Traumafolgestörungen feststellen. Manche von ihnen haben bereits mit der Ankunft eine entsprechende kinder- und jugendpsychiatrische Unterstützung in Anspruch genommen. In einer fürsorglichen und un- Dr. Reinhard Erös vor Ort in Afghanistan terstützenden Umgebung können sich aber auch erst Monate nach der Ankunft weitere Symptome einer Belastung zeigen. Die Generation unserer heute Jugendlichen ist mit den umF innerhalb weniger Jahre um einen nicht unerheblichen Anteil größer geworden, so auch ihre individuellen Biographien und Geschichten. Von Deutschland aus besehen werden die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge als Fremde willkommen geheißen. Aus ihrem Blickwinkel wiederum kommen sie in die Fremde. Fremd sind Klima, Sprache und Kultur, fremd ist auch das Angebot der hierzulande bestehenden Möglichkeiten. Auch für die hier Beheimateten ändert sich der Blickwinkel. Manche erleben die ihnen vertraute Heimat plötzlich als fremd, zumindest doch verändert. Insofern findet für die Flüchtlinge wie auch die ansässige Bevölkerung eine Veränderung ihrer Umgebung statt. Beide Positionen bedürfen jeweils einer Integration als Basis für die gesamtgesellschaftliche Integration der Hinzugekommenen. Auf dem Boden unserer Kultur kann aus dem fremden Land wie auch aus der vertrauten eine neue Heimat werden. Integration als Perspektive: Chance und Herausforderung Unter dem Titel „neue fremde Heimat“ schafft die Regensburger Fachtagung zur Integration minderjähriger Flüchtlinge eine Plattform zur gemeinschaftlichen, interdisziplinä- ren Hinwendung zu diesem Thema, das die Integration unterschiedlicher Sichtweisen und Ansätze erforderlich ist. Ausgewählte Referentinnen und Referenten aus unterschiedlichen Fachgebieten konnten hierfür gewonnen werden: Soziologie, Berufsschule, Ausbildung und Arbeit, Pädagogik und Traumapädagogik, Jugendhilfe und Kinder- und Jugendpsychiatrie. Tagungsband zur KJP-Fachtagung 2014 „Schule – nein danke!“ erschienen Die psychosoziale Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Schul­vermeidung hat das Ziel, die psychische Gesundheit zu verbessern und Schulabbrüche langfristig zu vermeiden: eine Aufgabe, die eine konstruktive Kooperation zwischen verschiedenen Disziplinen erfordert. Dieser Band spiegelt mit Bei­trägen unterschiedlicher Fachrichtungen den interdisziplinären Ansatz in der psychosozialen Versorgung betroffener Kinder und Jugendlicher wider. Bibliographische Daten: Rexroth, Christian A., Lustig, Thomas (Hg.): „Schulvermeidung: Frühzeitig – interdisziplinär – gesamtgesellschaftlich“, Verlag V&R unipress 2016 Dr. Christian A. Rexroth ist kommissarischer Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Bezirksklinikum Regensburg 35 36 SYNAPSE August KJP Worte können heilen! Famulatur auf der kinder- und jugendpsychiatrischen Akutstation Katharina Bauer Medizinstudenten müssen praktische Erfahrungen sammeln. Dazu gibt es die obligatorischen Famulatur-Aufenthalte in Kliniken und Praxen. Die Regensburger Medizinstudentin Katharina Bauer hat sich getraut und die Kinder- und Jugendpsychiatrie als erste Famulatur-Station gewählt – und es nicht bereut! Hier ist ihr Bericht. D enke ich an Psychiatrie, dann denke ich an menschenleere Gänge, Gitterstäbe und Neonlampen – irgendwie beängstigend. Doch dann bin ich total überrascht, als ich zum ersten Mal Station 25B der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie betrete: Tonpapierblumen und bunte Puschel hängen von der Decke, an den Zimmertüren kleben farbenfrohe Namensschilder. Fast könnte man sich hier wie in einem Jugendtreff fühlen – wären da nicht die beiden massiven Glastüren, die ich aufsperren und auch wieder zumachen muss. Denn hier ist die „Beschützende Station“, die Akutstation der Kinder- und Jugendpsychiatrie: Der Name passt, denn er zeigt gleich, was die Aufgabe der Station ist. Die Kinder, die hier aufgenommen werden, sind so verschieden wie die Probleme, die zu ihrer Aufnahme geführt haben: Depressive Jugendliche nach einem missglückten Selbstmordversuch, schüchterne magersüchtige Mädchen, taffe drogensüchtige Kids, durch Missbrauch traumatisierte Teenies ... Sie kommen meist mit ihren Eltern, aber auch mal mit dem Notarzt und manchmal sogar mit der Polizei. Bevor es auf die Station geht, werden die Ankömmlinge durchsucht. Die Betreuer schauen nach gefährlichen Gegenständen und Drogen. Neben dem Aufnahmegespräch gibt es noch eine körperliche Untersuchung und Blutentnahme. Wer besonders engmaschig beobachtet werden muss, kommt in einen der Überwachungsräume neben dem Stationszimmer. Zum Beispiel suizidgefährdete Patienten. Warum ich in der Kinder- und Jugendpsychiatrie famuliere Für mich zählt der Mensch in seiner Gesamtheit. Ich finde, der menschliche Geist ist in Sachen Gesundheit viel mächtiger, als man in der rein somatischen, also der körperlich ausgerichteten Medizin gerne glauben würde. Ich bin neugierig auf eine Medizin, die den Menschen mit seinem Charakter, seiner Lebensgeschichte und seinem sozialen Netz sieht, und das noch dazu aus vielen verschiedenen Perspektiven. Denn auch „das Team“ – das multiprofessionelle Team – ist mir in seiner Aufgabe und seinem Zusammenspiel völlig neu. Was ich absolut erwarte: Zeit für Gespräche mit dem Patienten als Mensch. Denn anders als in der somatischen Medizin ist das Gespräch das Diagnose-Instrument der Wahl. Sprechen – und Zuhören. Ein typischer Tag auf Station Auf der Akutstation 25B erwartet die Jugendlichen im Alter von zwölf bis 18 Jahren ein gut strukturierter Tag. Frühstück, Mittag- und Abendessen werden zusammen mit den Betreuern eingenommen. Sie haben ständig ein wachsames Auge auf das Verhalten der Jugendlichen. Ein fester Tagesablauf soll in Krisen Halt geben. Regeln werden konsequent gehandhabt: Handygebrauch, Rauchen, Ausgänge. Manchmal ist sogar die Dauer für den Toilettengang vorgegeben, damit er nicht missbraucht werden kann: Zum Beispiel bei essgestörten Kindern, die sich nach dem Essen nicht wieder erbrechen sollen. Die eingesetzten Therapien haben auch ihre Zeit: Vormittags gibt es Kunsttherapie, damit die Jugendlichen ihre eigenen Ressourcen entdecken können; autogenes Training zur Entspannung und zur Selbstregulierung; oder die Trommelgruppe, in der die Jugendlichen verschiedene Rhythmen nachklopfen und ihre Gefühle ausdrücken sollen. Nachmittags kommen Besucher oder es gibt gemeinsame Aktivitäten wie Brettspiele, Koch- und Fernsehabende. Famulatur Die Famulatur (lat. famulus: der Gehilfe) ist ein in Deutschland im Rahmen der ärztlichen Approbationsordnung vorgeschriebenes Pflichtpraktikum für Medizinstudenten. Es ist auf vier Monate angesetzt, insgesamt zwei Monate davon müssen in praktischer Tätigkeit in einem oder mehreren Krankenhäusern, wahlweise auch stationären Reha-Einrichtungen abgeleistet werden. Famulaturen sind auch in einer Klinik angegliederten Ambulanzen möglich. Die Famulatur wird nach dem ersten und vor dem zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung geleistet. (Quelle: Wikipedia) Medikamentöse Therapie spielt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie nicht die Hauptrolle. Wer länger stationär ist, wird in der klinikeigenen „Schule für Kranke“ in den Hauptfächern unterrichtet – sofern die Therapie dies zulässt. Die Beschulung managt ein Lehrer, der im Austausch mit den jeweiligen Herkunfts-Schulen steht und jeden der Schüler individuell betreut. Er ist selbstverständlich auch Mitglied im multiprofessionellen Team. Die Stationen wirken wie ein Zuhause auf Zeit. Fast vergesse ich, dass ich in der Psychiatrie bin, aber da treten die Ärzte und Psychologen ins Geschehen. Bei ihnen klingelt permanent das Telefon. Es wird viel geredet – mit Eltern, Erziehungsberechtigten, dem Jugendamt, Wohngruppenleitern, Drogenkliniken, Kollegen, vor allem aber mit den jungen Patienten selbst. Die Rolle der Ärzte und Psychologen In der Zeit, in der ich hier bin, ist unter anderem Ärztin Pia für die Gespräche mit den etwa acht Patienten verantwortlich. Nacheinander holt sie die Jugendlichen in ihr kleines Büro mit den orangefarbenen Wänden und den zwei Zimmerpflanzen. Pia nimmt sich für jeden der Teenager Zeit, besonders für die Intensivpatienten. „Intensivpatient“ heißt, dass der Arzt den Patienten jeden Tag sprechen sollte. Dazu gehören zum Beispiel suizidgefährdete Jugendliche. Der Arzt oder Psychologe muss jeden Tag abklopfen, wie es mit den Selbstmordgedanken ausschaut. Ganz oft fällt die Frage: „Schaffst du es, Bescheid zu geben, wenn die Gedanken wieder schlimmer werden?“. Ich erfahre, wie wichtig es für die Jugendlichen ist, dass man ihnen zutraut, bald wieder selbst für ihr Leben Verantwortung zu übernehmen. Und ich lerne schnell, wie offen man mit Todeswünschen, Selbstverletzung und anderen schambesetzten Themen umgehen kann. Die Ärzte auf Station führen „nur“ sechs, sieben Patientengespräche pro Tag, aber diese Gespräche dauern, anders als in der somatischen Medizin, viel länger. Die Psychiatrie ist die sprechende unter den medizinischen Disziplinen: Hier spürt man, wie wichtig und auch wie mäch- tig Reden und Zuhören sind. Auch ich habe irgendwann meinen großen Moment: Mein erstes Patientengespräch! Ein mulmiges Gefühl befällt mich. Kann ich da etwas „kaputt machen“? Ich meine, auf einer Akutstation in der Psychiatrie – das ist doch kein Smalltalk! Was, wenn ... !? Das legt sich aber schnell. Denn eigentlich will ich dem Mädchen mir gegenüber nur das Gefühl geben, dass ich es ernst nehme. Tatsächlich ergibt sich eine angenehme Unterhaltung. Ich merke, dass ich genügend von ihr erfahre, wenn ich meiner Intuition vertraue, und dass ich mich nicht eisern an das an der Uni gelernte Schema halten muss. Die akute Krise überwinden Im Gegensatz zur eigentlichen Therapiestation, wo die Patienten oft Wochen und Monate bleiben, ist die Akutstation 25B eher für kürzere Aufenthalte gedacht. Hauptsächlich geht es hier darum, den Teenagern wieder Halt zu geben, sie zu stabilisieren und ihre nähere Zukunft zu planen. Bei manchen Jugendlichen muss man bereits jetzt schon die Frage klären, ob es nach Hause, in eine Wohngruppe, eine Klinik oder eine Pflegefamilie geht. Daneben laufen erste Schritt der Diagnostik und das Eindosieren von Medikamenten, falls diese nötig sind. Zwischendurch erledigen die Ärzte körperliche Untersuchungen und ambulante Termine. Und dokumentieren immer wieder, was gemacht, erfahren und besprochen wurde. Ärztin Pia redet nicht nur mit den Jugendlichen, sondern auch mit deren Eltern. Diese haben oft eine andere Sicht auf die Dinge als ihre Kinder. Manchmal geht es dabei ziemlich heftig zu, manchmal fließen Tränen. Für solche Fälle hat Pia eine Box mit Taschentüchern parat. Oft möchte ich Partei ergreifen und mich auf eine der beiden Seiten schlagen. Es geht aber gar nicht darum, eine Position oder eine Person zu verteidigen oder jemand Schuldigen ausfindig zu machen. Alle hier haben das Ziel, das oft ebenfalls beschädigte familiäre Miteinander wieder zu stärken. Auf der Station gibt es zweimal in der Woche eine Visite, die Jugendvisite. Dabei sitzt das Behandlungs-Team um einen Tisch, die Ju- gendlichen werden einzeln dazu geholt und dürfen erzählen, was sie bedrückt. Sie bekommen Raum für ihre Probleme und Wünsche. Daneben erfolgt einmal in der Woche die Kurvenvisite. Sie findet ohne die jungen Patienten statt und entsprechend offen kann das Behandlungsteam sich austauschen. Ich bin überhaupt von der Vielfalt des Teams beeindruckt: Ärzte, Sozialpädagogen, Erzieher, Pfleger, Psychologen, Lehrer, Kunst-, Musik- und Sporttherapeuten, Logopäden ... Jeder erzählt von seinen Beobachtungen, sodass ein umfassendes Bild von Kind und Krankheit entsteht. Erst nach einer Weile der Beobachtung wird eine Diagnose vergeben. Krisen, Stationsaufenthalte, Famulaturen: Alles geht einmal zu Ende Für viele Teenies steht nach einigen Tagen die Entlassung an. Das Ziel der Station, die „Krisenintervention und Stabilisierung des Patienten“, ist dann ausgeführt. Für den Tag der Heimreise gibt es ein Entlassgespräch und auch hier sitzen wieder eine Menge Leute zusammen. So bekommen die Eltern von allen Seiten Tipps, Wissen und eine vollständige Einschätzung der Lage. Außerdem wird die ambulante Weiteranbindung an die Klinik oder einen niedergelassenen Arzt organisiert. Und immer wieder hört man: „Du kannst dich jederzeit hier melden, es ist immer jemand da!“ Auch ich werde nach dreißig Tagen „entlassen“. Gibt es eine Diagnose für Abschiedstraurigkeit? Nun, ich habe in diesem Praktikum viel zugehört. Ich durfte bei körperlichen Untersuchungen assistieren, habe Gespräche geführt. Aus dem Praktikum nehme ich viel mit. Ich habe gelernt, wie wichtig Teamfähigkeit und eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe sind. Ich habe auf eindrucksvolle Art gesehen, dass auch flache Hierarchien und ein „Du“ bis zum Oberarzt für reibungslose Abläufe und vollwertige Arbeit sorgen können. Und ich habe gelernt, wie wichtig Empathie, Offenheit und die Fähigkeit zuzuhören für einen Menschen sein können. Denn auch Worte können heilen. Katharina Bauer ist Studentin der Medizin an der Universität Regensburg 37 38 SYNAPSE August KJP SYNAPSE August KJP „Mein Kind verhungert!“: Immer wieder quält solch ein Gedanke Eltern von Säuglingen und Kleinkindern. Nach der Säuglingsforscherin Mechthild Papouŝek machen sich drei bis zehn Prozent der Eltern Sorgen um die Nahrungsaufnahme ihrer Kinder. F ütterstörung im frühen Kindesalter“ nennt die WHO in ihrem Diagnosekatalog ICD-10 „eine für das frühe Kindesalter spezifische Störung beim Gefüttert-Werden mit unterschiedlicher Symptomatik“. Weitere Unterscheidungen in der Symptomatik mit unterschiedlichen therapeutischen Konsequenzen trifft das Klassifikationsschema Zero-toThree (0-3) des National Center for Infants, Toddlers and Families. Manche Kinder wehren sich voller Panik bei den Mahlzeiten, weil sie traumatische Erfahrungen in Füttersituationen gemacht haben. Dies kann etwa nach medizinischen Eingriffen im Mund- und Halsbereich auftreten. Andere Kinder können durch eine medizinische Erkrankung zu schwach für eine Füttermahlzeit sein oder Schwierigkeiten haben, angemessen wach und nicht zu aufgeregt oder schläfrig zu sein. Es gibt Kinder, die ein extrem wählerisches Essverhalten zeigen und regelrechten Ekel bei bestimmten Nahrungsmitteln bis zum Wür- Fütterstörung im frühen Kindesalter Hilfe, mein Kind verhungert! Dr. Sabine Schneble Fallbeispiel: Der kleine Tim Tim, elf Monate, ist ein neugieriges, lebendiges und gut entwickeltes Kind. In den letzten Monaten hat er allerdings kaum noch zugenommen. Es fällt ihm schwer, mittags oder abends einzuschlafen, und nachts wacht er häufig auf, ohne von selber wieder in den Schlaf zu finden. Seine Mutter beschreibt, wie sehr sie sich nach einer frühen Fehlgeburt auf Tim gefreut habe. In der Schwangerschaft sei sie sehr vorsichtig gewesen, habe sich sehr gesund ernährt und sei immer wieder in Sorge gewesen, ihrem Kind könne etwas zustoßen. Die Zeit nach der Geburt sei sehr schwierig gewesen. Tim habe viel geschrien, sich schlecht beruhigen können und sehr häufig geringe Mengen an der Brust trinken wollen. Die Mutter sei schon bald sehr erschöpft gewesen. Als Tim Brei und feste Nahrung bekommen sollte, wurde es noch schwieriger. Tim aß nur sehr kleine Portionen und die Mutter war froh, dass sie weiter stillen und Tim auf diese Weise auch beim Einschlafen unterstützen konnte. Sie sei sehr beunruhigt, dass Tim so schlecht esse; sie habe inzwischen regelrecht Angst vor den Mahlzeiten, die zu immer mehr Konflikten führen würden. Im Rahmen einer videogestützten Beratung kann die Mutter ihre intuitiven Fähigkeiten im Kontakt mit ihrem Sohn und auch bei den Mahlzeiten wiederentdecken und erfährt mehr Sicherheit, mit Tims Schwierigkeiten umzugehen. Dabei spielen die Gestaltung der Mahlzeiten und Nahrungspausen sowie der Kontakt in Spielsituationen und der Umgang mit den eingangs genannten Fragen eine große Rolle. Auch die Frage der Selbstständigkeit beim Einschlafen und der Umgang mit den Ängsten der Mutter sind Thema der Beratung. gen erleben. Auch der Kontakt zwischen dem Kind und seiner Bezugsperson kann so beeinträchtigt sein, dass eine angenehme Füttersituation kaum möglich ist. Manche Kinder sind unruhig und abgelenkt und zeigen an allem Interesse außer am Essen. Sie scheinen ihre Hungergefühle kaum wahrzunehmen. Häufig haben diese Kinder auch Schwierigkeiten, sich zu regulieren, und zeigen Ein- und Durchschlafprobleme oder auch Trennungsängste. In ihrer großen Sorge um ihr Kind befürchten manche Eltern sogar, dass das Kind verhungern könnte. Es kann dazu kommen, dass Eltern ihre intuitiven Fähigkeiten im Umgang mit ihrem Kind zeitweise verlieren und ihre Kinder ent- weder nur unter Ablenkung wie zum Beispiel mit Hilfe eines Tablets oder Notebooks füttern oder die Kinder sogar zum Essen zwingen. Nach der Säuglingsforscherin Mechthild Papouŝek kann dies zu einem Teufelskreis führen, in dem die Mahlzeiten für Eltern und Kinder immer konfliktreicher und belastender werden. Ziel einer Eltern-Kind-Beratung oder -Psychotherapie ist es, diesen Teufelskreis zu unterbrechen und die Eltern wieder in ihre intuitiven Fähigkeiten im Kontakt zu ihrem Kind zu bringen. Intuitive elterliche Fähigkeiten Eltern, sogar Kinder, haben die Fähigkeit, im Kontakt zu Säuglingen und Kleinkindern eine Sprache zu benutzen, die diese gut verstehen können und die deren Sprachentwicklung fördert. Sie nehmen den Kontakt zu Säuglingen so auf, dass diese sie optimal sehen können, und wissen im Dialog mit ihnen, wann sie Pausen einhalten und wann sie das Kind mit ihrer Kontaktaufnahme stimulieren wollen. Auch beim Füttern gehen sie Blickkontakt ein und deuten die Signale ihres Kindes feinfühlig. So wissen sie, wann das Kind Nahrung aufnehmen will und wann nicht. Für alle Eltern beginnt bereits in der Schwangerschaft nach Daniel Stern (Daniel Stern, Die MutFortsetzung auf Seite 40 39 40 SYNAPSE August KJP SYNAPSE August KJP Bei Kindern mit Fütterstörungen sollte das Gespräch dabei auch nicht darum gehen, ob und wie viel das Kind gegessen hat. Für die Kinder ist es hilfreich, wenn die Eltern sie loben und ermutigen, wenn sie Interesse am Essen zeigen oder sogar selbstständig essen. Dabei ist es auch völlig in Ordnung, wenn die Kinder dies zunächst mit den Händen tun. Es ist ganz normal, dass Kleinkinder neuen Speisen zunächst häufig mit einer gewissen Skepsis begegnen. Denn es dauert eine Weile, bis sie sich an einen neuen Geschmack gewöhnt haben. Sinnvoll ist es, wenn das Kind zum Beispiel bei einem Grundnahrungsmittel nur ein wenig das Gesicht verzieht, diese Nahrungsmittel immer wieder zwischen bereits bekannten und beliebten Nahrungsmitteln anzubieten. Sollten die Kinder allerdings eine starke Abwehr zeigen, würgen oder gar erbrechen, sollten diese Nahrungsmittel nicht wiederholt angeboten werden. Dann kann es besser sein, wenn die Eltern ein Vorbild sind, gerne etwas Neues ausprobieren und dem Kind nur dann etwas von ihrem Essen abgeben, wenn es danach verlangt. des den Eltern Sorgen bereiten, gibt es noch weitere Gründe: zum Beispiel vermehrtes Schreien bei Säuglingen (sogenannte Schreibabys), sehr ausgeprägtes Trotzen, Anklammern, Sprachentwicklungsverzögerungen, Kommunikationsprobleme oder Spielunlust führen oft zur Vorstellung in der kinderund jugendpsychiatrischen Spezialambulanz am Bezirksklinikum Regensburg. Hier kümmert sich ein multiprofessionelles Team mit einer Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, mehreren Mitarbeitern aus dem psychologischen Dienst und einer Sozialpädagogin um die Familie. Bei Bedarf können logopädische und ergotherapeutische Dia­ gnostik und Behandlung angeboten werden. Es erfolgt eine zeitnahe interdisziplinäre Beratung und, wenn gewünscht, Therapie, die in Absprache mit den Eltern auch videogestützt erfolgen kann und die individuellen Bedürfnisse von Kind und Eltern sowie die Eltern-Kind-Interaktion berücksichtigt. Dabei sucht das Team der Spezialambulanz nach individuellen Lösungen und unterstützt die Eltern in ihren intuitiven elterlichen Fähigkeiten. Unterstützung für Kinder und Eltern Wenn Kindergartenkinder große Schwierigkeiten mit der Inte­ gration in die Gruppe der Gleichaltrigen haben, kann auch eine tagesklinische Aufnahme in die Regensburger Tagesklinik für Kindergartenkinder (Tigerlilly) angeboten werden. Während der Beobachtung und Behandlung in der Tagesklinik versucht das Team, in enger Zusammenarbeit mit den Eltern zu klären, wo die Stärken und Schwächen der Kinder liegen und welche Unterstützungsmöglichkeiten das Kind und die ganze Familie brauchen könnten, um die Entwicklungschancen und die Integration ihres Kindes zu verbessern. So wie im Fallbeispiel des kleinen Tim (siehe Kasten) die Nahrungsaufnahme und der Schlaf des KinFortsetzung von Seite 39 terschaftskonstellation, 2006, Klett Cotta) die Auseinandersetzung mit vielen Fragen. Neben der Freude auf das Kind tauchen Sorgen auf wie „Werde ich eine gute Mutter/ein guter Vater sein?“, „Werde ich mein Kind lieben?“, „Werde ich in meine neue Rolle als Mutter beziehungsweise Vater hinein finden?“, „Habe ich ein soziales Netz, das mich unterstützt?“, „Kann ich das Überleben meines Kindes sicher stellen?“. Eine traumatische Erfahrung wie beispielsweise eine frühere Fehlgeburt oder dramatische Schwierigkeiten während der Geburt können dazu führen, dass El- tern so sehr verunsichert und belastet sind, dass sie angesichts solcher Fragen Angst und Panik entwickeln. Wenn dann noch das Kind vielleicht eigene Schwierigkeiten mitbringt, sich zu beruhigen, entspannt Nahrung aufzunehmen, in Kontakt zu gehen oder in den Schlaf zu finden, kann dies zu einem Teufelskreis führen. Wie sollen sich Eltern verhalten? den. Auch ist es nicht sinnvoll, sie beim Essen abzulenken oder mit ihnen zu spielen. Denn dadurch lernen sie nicht, ihre Hunger- und Sättigungsgefühle wahrzunehmen. Natürlich darf die Essenssituation trotzdem spielerisch und fröhlich gestaltet werden! Meistens ist es sinnvoll, zwischen den Mahlzeiten Nahrungspausen einzuhalten, in denen nur ungesüßter Tee oder Wasser angeboten wird. Wichtig ist, dass die Eltern zwar bestimmen, was das Kind wann isst, aber gleichzeitig verstehen und akzeptieren, dass Kinder bereits sehr früh selber regulieren, wie viel sie essen. Sie sollten nicht zum Essen gedrängt oder gar gezwungen wer- Ganz wichtig ist für die Kinder die Erfahrung, dass eine gemeinsame Mahlzeit eine angenehme soziale Situation ist, die Freude macht, in der die Familienmitglieder es genießen, miteinander am Tisch zu sitzen und sich auszutauschen. Spezialambulanz für Säuglinge und Kleinkinder am Bezirksklinikum Regensburg • Ärztliche Ansprechpartnerin: Dr. Sabine Schneble • Psychologischer Dienst: Lucia Doll, Dr. Simon Meier, Christine Zechmeister • Sozialarbeit: Diana Frischholz Kontakt: medbo Bezirksklinikum Regensburg Institutsambulanz der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie Universitätsstraße 84, 93053 Regensburg Besuchereingang: Vitusstrasse 3 Tel. +49 (0) 941/941-4004, [email protected] Dr. Sabine Schneble ist Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie in der Institutsambulanz der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am medbo Bezirksklinikum Regensburg 41 SYNAPSE August Forensik Zentraler Sicherheitsbeauftragter der medbo Forensiken State of the art Bisher war Georg Jung Sicherheitskoordinator der Regensburger Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie. Seit Mai 2016 übernimmt er diese Aufgabe auch für den Maßregelvollzugsstandort Parsberg und die künftige Klinik für Forensische Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in Regensburg. S tate of the art“ heißt so viel wie „auf dem neuesten Stand“: Ein Motto von Georg Jung nicht erst seit seiner neuen Aufgabe als Sicherheitskoordinator aller medbo Maßregelvollzugseinrichtungen. Sein Ziel und seine grundsätzliche Aufgabe in der neuen, erweiterten Funktion wird die zentrale Abstimmung aller Standort-Sicherheitskonzepte auf ein einheitliches, hohes Niveau und somit die zentrale Zusammenführung aller sicherheitsrelevanten Maßnahmen sein. Die Vorteile liegen auf der Hand: Von der gegenseitigen Vertretung der an den verschiedenen Standorten mit Sicherungsaufgaben betrauten Mitarbeiter, über die einfachere Wartung einheitlicher Security-Geräte und Software durch die medbo Technik, bis hin zu identischen Ablauf- und Eskalationsstrukturen. Doch was ist Sicherheit? Diese Frage beantwortet er selbstbewusst: „Im Maßregelvollzug ist Sicherheit alles“. Alle Aspekte – angefangen bei den Baumaßnahmen, über die Vorbereitung der Mitarbeiter auf Deeskalationsmaßnahmen bis hin zur Raumplanung für Patienten – spielen bei der Definition von Si- cherheitsmaßnahmen ein Rolle und müssen in Sicherheitskategorien gedacht werden. Hinzu kommt: Sicherheit ist im Fluss, denn das technologische „state of the art“ ändert sich laufend, und die forensische Infrastruktur muss immer wieder neuen Gegebenheiten – rechtlichen, organisatorischen und prozesstechnischen – angepasst werden. Oft genug im laufenden Betrieb. Mehr als Gitter Als Sicherheits-Chef ist Georg Jung dafür verantwortlich, dass die Sicherungsaufgabe des Maßregelvollzugs baulich umgesetzt ist. Das an sich ist schon eine beachtliche Aufgabe. Denn er koordiniert damit laufende Neubaumaßnahmen ebenso wie die Unterhaltmaßnahmen bestehender Gebäude. Und die haben wie die im ehemaligen Kloster Karthaus-Prüll untergebrachten Teile der Regensburger Erwachsenenforensik manchmal schon ein paar Jahrhunderte auf dem Buckel. So entscheidet er maßgeblich ebenso mit, welche Fenstergriffe (natürlich schwer gesicherte) verbaut werden, wie er auch an Konzepten beteiligt ist, wie die äußere Erscheinung einer Maßregelvollzugsklinik den Spagat zwischen „Gefängnis-Festung“ und einer therapeutisch wertvollen Umgebung für Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen meistert. Dazu verweist er auf die gerade neu installierten Außenzäune der forensischen Neubauten auf dem Regensburger medbo Gelände: „Diese neuen Gitterzäune wirken aus der Entfernung fast transparent. Das ist wichtig, da die Klinik ja in ein Großklinikum eingebunden ist. Auf dem gesamten Gelände halten sich Patienten anderer Einrichtungen auf, die sich erholen und die schönen Parkflächen genießen sollen“. Auf der anderen Seite setzt das neue Gebäude auf mächtig vergitterte Fenster, die optisch aber mit der feingliedrigen grau-grünen Klinkerfassade verschmelzen. Mensch im Mittelpunkt Georg Jung nennt sich selbst ein medbo Urgestein. Er hat schon an der Regensburger Berufsfachschule für Krankenpflege gelernt und arbeitet seit 1984 am Bezirksklinikum. Seit 2002 ist er Sicherheitsbeauftragter in der Regensburger Forensik. Er kennt jeden Winkel des medbo Großklinikums in Regensburg, kennt die Menschen dort. Sicherheit, so sagt er, sei für ihn in erster Linie die Sicherheit von Menschen: Von Patienten ebenso wie von Mitarbeitern. Sicherheit sei ein Prinzip, das sichtbar gemacht werden müsse, damit Menschen sich sicher fühlten. „Aber wesentlich für die Sicherungsaufgabe ist, dass Menschen für sie verantwortlich sind – und Sicherheit beginnt im Kopf!“, sagt Georg Jung. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der medbo Maßregelvollzugseinrichtungen müssten, so Jung, in die Lage versetzt sein, in Sicherheitskategorien zu denken und zu handeln. Entsprechend häufig und regelmäßig werde die Belegschaft geschult und bliebe auf diese Weise für Sicherheitsfragen sensibilisiert. Eine spannende Aufgabe ist für Jung jetzt auch die Umsetzung der bayernweit ersten Maßregelvollzugseinrichtung für psychisch kranke jugendliche Straftäter. Seit Planungsbeginn macht er sich systematisch schlau, besucht Fachmessen, sieht sich bei anderen Einrichtungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz um. Sein Netzwerk sei inzwischen riesig, intern wie extern, sagt Georg Jung. Das helfe ihm, Ideen und Informationen zu neuen Technologien, Materialien, Konzepten und Methoden frühzeitig zu bekommen. Baulich und in punkto Sicherheitskonzepte werde sich die „Jugendforensik“ nicht sonderlich von den parallel gebauten Erweiterungsgebäuden der Erwachsenenfo- rensik unterscheiden. „Aber wir müssen praktische Erfahrungen mit den jugendlichen Patienten sammeln. Viele von ihnen werden wir in ihrem Reifungsprozess begleiten – da ändern sich Verhaltensweisen und Einstellungen und es treffen Teenies auf junge Erwachsene“. Sicherheit mit Weitblick „Wir waren bei vielen Dingen die Ersten“, sagt Jung stolz, und meint damit nicht nur sich selbst, sondern auch den Ärztlichen Direktor der Re- gensburger Forensik, Dr. Wolfgang Mache, die frühere Pflegechefin Eva-Maria Hacker und ihren Nachfolger Michael Stopfer. So hat die Regensburger Forensik als erste in Bayern ein regelmäßiges professionelles Deeskalationsmanagement für alle Berufsgruppen eingeführt. „Unsere Patienten sind psychisch krank und überreagieren manchmal. Unsere Leute sollen hier souverän bleiben und reagieren können“. Jetzt sorgt er dafür, dass die Deeskalationsräume in den Erwachsenenforensiken mit so genannten Call- Walls ausgestattet werden. Das sind „unkaputtbare“ überdimensionale Touchscreens, die den Patienten, die abgesondert werden müssen, die Möglichkeit bieten, ruhige Musik zu wählen und anzuhören, Filme zu schauen oder einfache Spiele zu spielen. Beruhigend soll das wirken, die Patienten sollen sich beschäftigen und ablenken können. „Auch eine Uhr kann hier geschaltet werden. Das ist wichtig, denn unsere Patienten sollen ihr Gefühl für Zeit behalten“, erklärt Georg Jung. (RNE) Theaterprojekt zu Gast in der Regensburger Forensik „Die Räuber“ unter uns Das Theaterprojekt der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie des kbo-Isar-Amper-Klinikums München-Ost gastierte im Sommer 2016 zum zweiten Mal in der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie Regensburg. Im Gepäck: Schillers „Die Räuber“. D iesmal brachte das Ensemble aus Forensik-Patienten des kboIsar-Amper-Klinikums München-Ost und kbo-Mitarbeitern einen Klassiker in modernem Gewand mit: Das Theaterstück „Die Räuber“ von Friedrich Schiller. Unterstützt wurden die Schauspieler von der Münchner Forensik-Band. Zum zweiten Mal nach 2015 gastierten „die Münchner“ in Regensburg – mit tatkräftiger Unterstützung des Chefs der Regensburger Forensik, Dr. Wolfgang Mache. Inszeniert und geleitet wurde die Aufführung durch den Konstanzer Schauspieler und Regisseur Bernd Wengert. Er begleitete schon mehrere Theaterprojekte in der Psychiatrie und tourte mit den Patienten und Mitarbeitern bereits zum sechsten Mal durch verschiedene andere Forensische Kliniken in Deutschland. Beeindruckend war auch bei Schillers „Die Räuber“ wieder, wie es Bernd Wengert und sein Team erneut schafften, die in den Patienten schlummernden künstlerischen Ressourcen aufzuspüren und zu ak- tivieren. Respekt verdienen der Mut, die Disziplin und vor allem auch der Humor, die die psychisch und suchtkranken Akteure an den Tag legten. Das fand auch das Publikum, bestehend aus Patienten und Mitarbeitern der Regensburger Forensik: Der Applaus war lang und kräftig. (RNE) Friedrich Schiller „Die Räuber“ Das 1781 zuerst anonym veröffentlichte Schauspiel handelt von der Rivalität zweier Brüder, Karl und Franz von Moor. Durch die Intrigen seines eifersüchtigen Bruders Franz, des zweitgeborenen Sohns des Grafen Maximilian von Moor, gerät der verleumdete Student Karl sprichwörtlich „unter die Räuber“, deren Anführer à la Robin Hood er wird. Doch ein Teil der Räuber sind tatsächlich Verbrecher: Mord und Gewalt breiten sich aus. In der Zwischenzeit ermordet Franz den Vater, um Herr über Schloss Moor zu werden. Die Geschichte geht für keinen der beiden Brüder gut aus: Franz, als ruchloser neuer Graf Moor, bringt sich um, als die Räuber das Moor’sche Schloss angreifen; Karl verzweifelt an seinem gesellschaftlichen Abstieg und der moralischen Last seines Räuber-Daseins und liefert sich der Justiz aus. 43 44 SYNAPSE August medbo SYNAPSE August medbo Referentinnen im medbo Vorstandsbereich Mission: Vorstand An der Spitze eines jeden Unternehmens laufen viele Fäden zusammen. Dass medbo Vorstand Dr. Dr. Helmut Hausner keinen davon aus den Augen verliert, dafür sorgen die Referentinnen Manuela Bergbauer und Veronika Steinkohl im Hintergrund. S ie haben viel gemeinsam und verstehen sich gut, das sieht man auf den ersten Blick. Manuela Bergbauer und Veronika Steinkohl sind beide Referentinnen im Vorstandsbereich der medbo: Die Betriebswirtschaftlerin Bergbauer seit fast fünf Jahren, die Psychologin Steinkohl seit Jahresbeginn 2016. Beide berichten direkt an den Vorstand Dr. Dr. Helmut Hausner und koordinieren eine Vielzahl seiner Aufgaben. Ihre gemeinsame Mission: Hilf dem Chef! Aber ihre Schwerpunkte unterscheiden sich. Die „Außenministerin“ … Manuela Bergbauer übernimmt eher die Funktion einer klassischen persönlichen Referentin: Sie recherchiert und bereitet fachspezifische Themen aller Art auf, erarbeitet Informationen Neue medbo-Verwaltung in Regensburg und Hintergründe für Sitzungen, an denen Dr. Dr. Hausner teilnimmt, koordiniert und begleitet Veranstaltungen des Vorstands. „Im Jahr 2015 habe ich knapp 200 Termine vorbereitet. Die Hälfte war rein medbo intern, wie beispielsweise der Abteilungsleiter-Jourfixe oder die Chefarztkonferenz. Hinzu kommt die Gremienarbeit“, erklärt Manuela Bergbauer. Hierunter fallen beispielsweise die Sitzungen des medbo Verwaltungsrats, aber auch die inhalt­ liche Vorbereitung von medbo Themen für den Bezirkstagspräsidenten sowie die Aufbereitung externer Netzwerktermine und -anfragen. Gemeint ist hier zum Beispiel die unternehmensinterne Abstimmung und Ausarbeitung von komplexen Ministeriumsoder Anfragen von Verbänden zu einer Vielfalt von Themen. Neben der Koordination interner Sitzungen nimmt sie an manchen direkt teil, protokolliert und übernimmt das „Monitoring“. Darunter versteht man die Information und Rückmeldung über Aufgaben, die aus diesen Sitzungen an Dritte erteilt werden. „Wenn ich komme, dann gibt’s Arbeit – und meistens muss es auch noch schnell gehen“ – Manuela Bergbauer lacht. Besonders reizvoll findet sie an ihrer Arbeit, dass sie zum Teil täglich neue Aufgaben erwarten. Das Klinik- und bereichsübergreifende interne als auch externe Netzwerken ist dabei ein wesentlicher Punkt ihres Zuständigkeitsbereiches. … und die „Innenministerin“ Veronika Steinkohl ist die Projektmanagerin im Vorstandsbereich. Bei ihr laufen die Fäden wichtiger, oft gerade auch bereichsübergreifender strategischer Unternehmens-Projekte zusammen: Ob Risikomanagement, Zentrenbildung in der Erwachsenenpsychiatrie oder Personalmarketing – sie kommt mit verschiedensten Themen aus Versorgung und Verwaltung in Berührung. „Mit manchen Inhalten beschäftige ich mich mehr, mit anderen weniger tief“, meint sie und schmunzelt. „Manche Projekte oder Arbeitsgruppen steuere ich nur, bei anderen nehme ich teil und halte so den Vorstand und die Direktoren informiert.“ Nicht zuletzt koordiniert die zertifizierte Projektmanagerin die Vorstandskonferenzen, die derzeit zweimal pro Woche stattfinden, und Veronika Steinkohl und Manuela Bergbauer übernimmt hier – wie Manuela Bergbauer bei den Gremien – das Themen-Monitoring. Hinzu kommen etliche Arbeitsgruppen, in denen Veronika Steinkohl die Unternehmensleitung vertritt. Einer der wichtigsten Aspekte ihrer Arbeit ist die Klammerfunktion über die Linien der medbo hinweg: Sie arbeitet hier eng mit den Direktoren der vier medbo Geschäftsbereiche zusammen. Steinkohl: „Mein Bereich ist sehr bunt und meine Vorerfahrung hilft mir dabei, Themen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und diese den verschiedenen Parteien zu vermitteln. Und ich darf mit vielen Themen gleichzeitig jonglieren: Toll!“. käme ihr sehr zugute, meint sie, denn über das Controlling habe sie einen fundierten Einblick in alle Unternehmensbereiche bekommen – „und ich mag es sehr, mit vielen Menschen zu tun zu haben“, sagt Bergbauer über sich selbst. Veronika Steinkohl hat bis 2007 Psychologie an der Uni Regensburg studiert. Schon während dieser Zeit hat sie viel Erfahrung in der klinischen Versorgung und Forschung am Bezirksklinikum Regensburg gesammelt. Viele Kollegen kennen sie noch aus ihrer Zeit als Versorgungsforscherin in der medbo Psychiatrie oder als Projektmanagerin im KIS-Projekt (Krankenhausin- formationssystem). „Über die KIS-Aufgabe war ich auch eine Zeit lang Mitarbeiterin in der IT‘“, berichtet sie. Zuletzt aber hatte sie als Mitglied im Team der Vorstands-Stabstelle Unternehmensentwicklung die Aufgabe, den Überblick über wichtige strategische Projekte zu behalten. „Das ist ganz ähnlich dem, was ich jetzt mache“, ergänzt sie. Dass sie beide Diplomatinnen sind, zeigt ihre Einigkeit bei der Frage, was für ihre Tätigkeit für den Vorstand der medbo wichtige Voraussetzung sei: „Man muss gut mit Menschen können – und loyal und diskret sein“. Dem ist nichts hinzuzufügen. (RNE) medbo Diplomatie Was ist ein Referent? Manuela Bergbauer und Veronika Steinkohl ergänzen sich gut, vielleicht gerade weil sie aus unterschiedlichen Fachrichtungen kommen. Bergbauer ist eine Frau der Verwaltung: sie stieg gleich nach ihrem BWL-Studium an der Uni Regensburg 2009 im Controlling der medbo ein, bevor sie 2011 in den Vorstandsbereich wechselte. Das Referenten sind im öffentlichen Dienst eine spezielle Funktion mit assistierender Aufgabenstellung und/oder beratender Funktion. Häufiges Einsatzgebiet sind Stabstellen, also Funktionsbereiche, die nicht einer hierarchischen Linie, sondern ausschließlich einer Leitungsfunktion zugeordnet sind. In aller Regel haben Referenten keine eigenen, sondern von der Führungsposition, der sie zuarbeiten, abgeleitete Kompetenzen und Befugnisse. Referenten haben keine Weisungsrechte gegenüber Mitarbeitern in den Linien, aber es kann ihnen auch niemand außer ihrer Führungskraft Weisungen erteilen. 45 46 SYNAPSE August medbo SYNAPSE August medbo Mein medbo-Tag beim Sozialdienst Wöllershof Unterstützer in allen Lebenslagen Daniela Plößner Sozialdienst bei der medbo. Am Zugfenster rauscht die Oberpfalz vorbei, während ich auf dem Weg zum Bezirksklinikum Wöllershof über den Begriff „Sozialdienst“ nachdenke. Wikipedia verrät mir, dass das Wort „sozial“ im erweiterten Sinn „hilfsbereit, gemeinnützig oder barmherzig“ bedeutet. Ist also der Sozialdienst ein „gemeinnütziger Dienst“? E s ist kurz nach halb acht Uhr morgens, als ich durch den Torbogen das Gelände des Bezirksklinikums Wöllershof betrete. HAUS 5 ist mein erster Einsatzort an diesem Tag. Dort werden medikamenten- oder alkoholabhängige Menschen stationär betreut. Wer wird Millionär? Gabi Frischholz, eine der Mitarbeiterinnen des neunköpfigen Sozialpä­ dagogen-Teams, nimmt mich mit zum ersten Termin. Sie leitet an diesem Vormittag zwei Gruppentherapien. In der ersten Gruppe sind viele neue Patienten beteiligt. Aus diesem Grund verteilt Frischholz Fragebögen rund um das Thema Sucht. Es geht, so Frischholz, um Psychoedukation, das heißt Aufklärung über und Sensibilisierung für die eigene Krankheit. Im Stil von „Wer wird Millionär“ sollen die Therapieteilnehmer im Team Fragen beantworten, wie etwa „Seit wann ist in Deutschland Sucht als Krankheit anerkannt?“ – a) 1957, b) 1968 oder c) 1985. (Die richtige Antwort lautet übrigens b). Jeder arbeitet mit, so gut er kann. Zauberwort „Struktur“ Ein anderer Patient macht sich wegen eines Termins bei der Agentur für Arbeit Sorgen. Er fühlt sich deswegen überfordert. Aufmerksam lauscht Gabi Frischholz seinen Anliegen und vermittelt sofort einen lösungsorientierten Ansatz. Das ist auch eine der Hauptaufgaben des Sozialdienstes: Die Patienten sollen sich nach der Behandlung wieder selbstständig in ihrem familiären, so- zialen und beruflichen Alltag bewegen können. Manche psychische Krankheit erschwert ein Anknüpfen an das frühere Leben. Der Sozialdienst begleitet den Patienten durch die Krankheit und hilft im akuten Krisenfall oder bei Problemen im Umfeld. Er unterstützt, etwa wenn der Patient eine gesetzliche Betreuung benötigt, vermittelt stationäre oder ambulante Behandlungen, oder berät, falls es hilfsbedürftige Angehörige gibt, die versorgt werden müssen. Gleichzeitig wird immer wieder vermittelt, dass es völlig in Ordnung ist, sich erneut Hilfe zu holen. „Wir sagen den Leuten immer ‚Kommen Sie gerne wieder‘. Damit ist natürlich nicht gemeint, dass wir wollen, dass die Patienten wieder rückfällig werden. Es geht vielmehr um das Gefühl eines Sicherheitsnetzes“, sagt Frischholz, als sie dem Patienten die Anwesenheit in der Sitzung in seinem Therapieplan bestätigt. Auch das ist eine Maßnahme, um eine Struktur zu schaffen und die Suchtkranken so wieder ins eigenständige Leben zurückzuführen. Die Patienten müssen selbstständig auf das Personal zugehen, um sich die einzelnen Programmpunkte im Therapieplan bestätigen zu lassen. Sozialdienst: Kümmerer im multiprofessionellen Team Was ich bisher erlebt habe, klingt sehr nach Psychotherapie. Ich hake bei der Sozialpädagogin Kerstin Bletsch nach, wo der Unterschied zwischen Psychotherapeuten und Sozialpädagogen liege. Psychotherapeuten und Psychiater – also die Ärzte – arbeiten vor allem diagnostisch. Sie analysieren die Symptome, stellen die Krankheit fest und erarbeiten einen auf den Patienten abgestimmten Therapieplan. Sozialpädagogen kümmern sich vor allem um die Frage „Wie geht es nach der Entgiftung, der Therapie, dem Krankenhaus weiter?“. Ich frage Bletsch, warum sie sich für diesen Beruf entschieden hat. Sie lacht und ihre Augen begin- nen zu leuchten. Es seien vor allem die Menschen, die sie interessierten. Wichtig sei dabei, die Schicksale nicht zu werten, und man brauche die Fähigkeit zur Abgrenzung. Die Langzeittherapie bei Alkoholkranken dauert 15 Wochen – da hat man längeren Kontakt. Plötzlich klingelt das Telefon. Ein Patient meldet sich bei Bletsch, um ihr mitzuteilen, dass er seine Entwöhnung auf Station 13b des Wöllershofer Schwester-Klinikums in Regensburg antreten möchte. Dort sei er näher an zuhause. Nun müssten Anträge für die Kostenübernahme ausgefüllt werden. Dafür benötigt er Kerstin Bletschs Hilfe. Die Mitarbeiter des Sozialdienstes sind auch für die Ermittlung des Kostenträgers zuständig und stehen mit Rentenund Krankenversicherung sowie der Sozialverwaltung des Bezirks Oberpfalz in Verbindung. Nach dem Telefonat protokolliert sie den Kontakt mit dem Patienten, inklusive der Dauer des Gesprächs. Um Dokumentation und Verwaltung kommt also auch der Sozialdienst nicht herum. Stichwort Qualitätsmanagement. Zusätzlich bereitet Kerstin Bletsch Gruppensitzungen mit verschiedenen Inhalten vor. Ein Thema, das bei Patienten sehr gut ankommt, ist „Glück“. Mit der zentralen Frage „Was bedeutet Glück für mich?“ bringt sie den Patienten eine bewusste Lebensführung näher. Sie vermittelt die Botschaft: Mit sich selbst zufrieden zu sein ist eine Fähigkeit, die man lernen kann. Andere Erkrankung – andere Intervention Halbzeit. Ich wechsle auf Station 2. Sozialpädagogin Claudia Sobek arbeitet auf der Station für Drogenund chronisch mehrfach beeinträchtigte Abhängige (CMA). Sie erzählt, dass sich die Arbeit mit Drogenpatienten von der mit Alkoholabhängigen unterscheidet. Sie verhielten sich anders, deshalb müsse unterschiedlich auf sie eingegangen wer- den. An oberster Stelle stehe auch hier die Psychoedukation und Strategieentwicklung bei Rückfällen. Der Suchtdruck, also das Verlangen nach den Rauschmitteln, ist ein halbes Jahr lang sehr hoch, erklärt sie. Während Frischholz und Bletsch bei ihren Patienten viel mit Terminvereinbarung arbeiten, geht Sobek freier vor und passt die Pa­tienten eher auf dem Gang ab, um sich nach ihnen zu erkundigen oder Informationen einzuholen. Kein Problem also, sie mal eben auf dem Gang anzusprechen und sich nach ihnen zu erkundigen. Man brauche, so Claudia Sobeck, grundsätzlich viel Verständnis und Geduld für die CMA-Patienten auf Station 2B, da viele krankheitsbedingt in ihren kognitiven Fähigkeiten eingeschränkt seien. Daran wird in Gruppen- und Einzelsitzungen gearbeitet. Auch hier kommt das Spielkonzept von „Wer wird Millionär“ wieder zum Einsatz. Das langfristige Ziel bleibt dasselbe: Die erfolgreiche Abstinenz und Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Dazu ist es manchmal auch notwendig, den Kontakt zum bisherigen sozialen Umfeld weitestgehend abzubrechen und sich ein sprichwörtlich neues Leben aufzubauen. Das ist in betreuten Wohngruppen möglich, in der ehemals Abhängige miteinander in den Alltag zurückfinden sollen. Perspektivwechsel: Rehabilitation Nachmittags begleite ich Tamara Federl. Die Jüngste im Sozialdienst-Team arbeitet in HAUS 19, der Sucht-Reha. Hier geht es darum, die Abstinenz nach der Entgiftung auch therapeutisch zu stärken und die Patienten auf das Leben nach der Langzeittherapie vorzubereiten. Federl macht mit den Patienten viele Motivations- und Bewerbungstrainings. Außerdem unterstützt sie die Patienten bei der Wohnungssuche und den notwendigen Anrufen bei verschiedenen Institutionen wie dem Arbeitsamt oder der Bank. Für die Patienten ist das eine Herausforderung, die gemeistert werden will. Sozialdienst – Individuell wie die Menschen selbst Am Ende des Tages sitze ich wieder im Zug nach Regensburg und lasse das Erlebte Revue passieren. Der Begriff „Sozialdienst“ ist immer noch weit gefasst und genau das trifft den Nagel auf den Kopf. Grundsätzlich macht jede Mitarbeiterin im Wöllershofer Sozialdienst dasselbe: Sie begleitet und unterstützt die Patienten auf ihrem Weg aus der Krankheit. Doch so unterschiedlich die Patienten und Krankheiten sind, so verschieden sind die Herangehensweisen der Sozialpädagoginnen. Facettenreich, herzlich, zuversichtlich, immer in Zusammenarbeit mit dem Pa­tienten. Ganz, ganz nah am Menschen. Spektrum Sozialdienst • Psychosoziale Intervention, etwa Hilfen bei Problemen mit dem sozialen Umfeld, Suchtberatung, Hilfe bei existentiellen Krisen • Soziale Intervention, etwa gesetzliche Betreuung, Wohnungsangelegenheiten, Vermittlung in Selbsthilfegruppen und zu Beratungsstellen • Wirtschaftliche Intervention, etwa wirtschaftliche Sicherung, Leistungen der Kranken- und Pflegekasse, weitere finanzielle Hilfsmöglichkeiten • Ambulante und stationäre Nachsorge, etwa häusliche Pflege, Betreutes Wohnen, Haushaltshilfe • Medizinische Rehabilitation, etwa stationäre Weiterbehandlung, Anschlussheilbehandlung • Teilhabe am Arbeitsleben, etwa Leistung zur beruflichen Rehabilitation/Umschulung, stufenweise Wiedereingliederung Quelle: Wikipedia 47 48 SYNAPSE August medbo SYNAPSE August medbo St. Vitus und das Vitus-Fest Baseball bei der medbo St. Vitus: Der NeuorologieHeilige Es findet jedes Jahr rund um den Patronatstag des Heiligen Vitus am 15. Juni statt: Das Vitus-Fest in der Krankenhauskirche und im Prioratsgarten St. Vitus am Bezirksklinikum Regensburg. Ein Fest, das alle vereint: Patienten, Mitarbeiter, Nachbarn und Pfarrgemeinde. I n diesem Jahr hat das Wetter fast bis zum Schluss gut gehalten. Diakon Harald Wieder und Bruno Feldmann vom Bezirksklinikum Regensburg atmen auf. Mitte Juni organisieren die beiden das jährliche Vitus-Fest: Diakon Wieder kümmert sich um den Festgottesdienst am Sonntag vor oder nach dem Namenstag des Heiligen Vitus am 15. Juni. Jedes Jahr wird ein besonderer Zelebrant eingeladen, den Gottesdienst in der Krankenhauskirche St. Vitus im Klosterbezirk des Klinikums zu leiten und zu gestalten. 2016 war dies Prälat Alois Möstl, Pfarrer von St. Wolfgang und gleichzeitiger Kirchenrektor von St. Vitus. Danach lädt die medbo zum traditionellen Vitus-Fest in den Prioratsgarten. Seit vielen Jahren ist Bruno Feldmann der „gute Geist“ Vitusfest im Prioratsgarten des Klosters Karthaus-Prüll Go, maniacs, go! Anfang Mai war das Baseball/ Funball Team „medbo maniacs“ zu Gast beim 9. Baseball Business Barbecue Cup, der von den Regensburg Legionären ausgerichtet wurde. Gottesdienst in St. Vitus des Festes und kümmert sich um das leibliche Wohl der Gäste. Gottesdienstbesucher der Regensburger Pfarrei St. Wolfgang treffen hier auf Patienten und Bewohner des Bezirksklinikums, Mitarbeiter der medbo auf Nachbarn aus den Regensburger Stadtbezirken Kumpfmühl und Ziegetsdorf. Es wird gemeinsam gegessen, geplaudert und gelacht. Es kommen auch frühere „Medboianer“: Ehemalige medbo Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich auf den neuesten Stand bringen wollen, was so los ist in und um das Bezirksklinikum Regensburg. Vom Heiler zum Heiligen Vitus lebte im vierten Jahrhundert nach Christus. Der ursprüngliche Sizilianer war schon zu seinen Lebzeiten ein bekannter Heiler nicht zuletzt der nach ihm benannten Krankheit, dem Veitstanz, und der altdeutschen „Fallsucht“, also der heutigen Epilepsie – einer der verbreitetsten neurologischen Erkrankungen, die auch bei der medbo am Bezirksklinikum Regensburg diagnostiziert und behandelt wird. Der Sohn reicher Eltern ist einer derjenigen katholischen Heiligen mit einer besonders tragischen Leidensgeschichte. Schon als kleiner Bub soll er sich zum Christentum bekannt haben, was seinem Vater ganz und gar nicht gefiel. Vitus floh der Legende nach im zarten Alter von sieben Jahren auf das süditalienische Festland, wo er von einem veritablen Adler gerettet und ernährt worden sein soll. Kaiser Diokletian holte den jungen Vitus später nach Rom, wo er den Sohn des Kaisers vom Veitstanz heilte. Verhängnisvollerweise sollte Vitus dann bei seiner eigenen, vom Kaiser ausgerichteten Ruhmesfeier heidnischen Göttern opfern. Weil er sich weigerte, wurde er zur Strafe den kaiserlichen Löwen zu Fraß vorgeworfen. Doch die hatten wunderbarerweise keinen Appetit auf Vitus, wurden zu den sprichwörtlichen Lämmern und verschonten den Heiler. Dann probierten es die Römer anders: Sie steckten Vitus in siedendes Öl. Diesmal retteten ihn Engel aus der Notlage. Entsprechend sind heute seine Insignien als einer der 14 Nothelfer aufgestellt: Es steht in einem Kessel und hält meist einen Adler in der Hand. Vitus-Quelle Ein interessantes Detail rund um St. Vitus hat wiederum mit dem Bezirksklinikum Regensburg, besser gesagt mit dem dortigen Klosterbezirk zu tun. Denn unter der Klosterkirche St. Vitus entspringt die Quelle des Vitus-Bachs, der über viele Jahrhunderte die Trinkwasserversorgung der Stadt Regensburg sicherstellte. (RNE) B ei hervorragendem Wetter schlugen die Medboianer ihren ersten Gegner deutlich mit einem Punktestand von 7:2. In der zweiten Partie trafen die medbo maniacs auf die Mannschaft der Rewag – gegen die sie im regulären Spielverlauf zunächst mit 4:4 ein „unentschieden“ errang. Erst im zweiten Verlängerungsinning unterlag das medbo Team der Rewag knapp mit 8:10. Wie sich später herausstellte, war die Mannschaft der Rewag letztendlich Sieger des gesamten Turniers. Resümée der medbo maniacs: Eine ehrenvolle Niederlage, denn es ist keine Schande, so knapp gegen den Champion zu unterliegen. Wahrer Sportsgeist! Nachwuchs willkommen! Kinder. Aber Trainerassistent Michael Raith freut sich, dass die Mannschaft zuletzt auch Verstärkung durch Studenten der Uni Regensburg bekommen hat. Raith, selbst lange Jahre Spieler in der deutschen Baseball Liga (Regensburg Legionäre, Deggendorf Dragons), macht auch unerfahrene Spieler fit in Sachen Spielstrategie, Schlagtechnik und (an dieser Stelle nicht näher beschriebene) „Winkelzüge“. Das Schöne am Baseball sei, so Coach Marco Lemanska, dass es für alle unterschiedlichen Talente und Eigenschaften von Spielern passende Positionen innerhalb eines Baseballteams gibt – da findet eigentlich jeder seinen Platz. Bei den medbo maniacs spielen vor allem medbo Mitarbeiter und ihre Wer mehr über die medbo maniacs und die Sportarten Baseball und Funball wissen möchte, wendet sich an Marco Lemanska (KJP Regensburg) oder Michael Raith (medbo IT, Regensburg). Anfragen von extern leitet die Pressestelle ([email protected]) gerne weiter! (RNE) Die medbo maniacs freuten sich als Preis über eine schicke Urkunde und Freikarten für den Buchbinder-Cup am Pfingstwochenende 2016. Zwei für die medbo maniacs: Marco Lemanska (oben, 2.v.l.) und Michael Raith (Mitte stehend) 49 50 SYNAPSE August medbo audit beruf und familie Führungskraft mit Familienanhang Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist nicht immer einfach. Dem Arbeitgeber medbo ist es ein großes Anliegen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei diesem Spagat zu unterstützen. Insbesondere für Führungskräfte ist es eine besondere Anstrengung, ihrer Verantwortung in beiden Welten gerecht zu werden: Dem Weg zur Führungskraft, dann dem Team im Job und natürlich dem Team in der Familie. SYNAPSE stellte zwei „Chefs“ aus zwei verschiedenen Bereichen der medbo vier identische Fragen – und bekam spannende Antworten. Silvia Schiekofer Silvia Schiekofer ist derzeit Leiterin Patienten- und Pflegemanagement in Doppelfunktion: Im Zentrum für Allgemeinpsychiatrie II der Uni-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie sowie der Klinik für Kinder- und Jugendpsychi­ atrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Bezirksklinikum Regensburg. Wie sehen Ihre persönliche Familiensituation und ihr beruflicher Werdegang aus? Sch.: Ich bin verheiratet und habe zwei Söhne (zehn und acht Jahre). Bei der medbo bin ich seit 1986 beschäftigt und war jahrelang in der Akutpsychiatrie tätig. Nach Abschluss der Fachweiterbildung für Psychiatrie verlagerte sich mein Tätigkeitsschwerpunkt in Richtung Mitarbeiterführung. Die Projektleitung für die Reorganisation der Gerontopsychiatrie (jetziges Zentrum für Altersmedizin) wurde mir nach der Geburt meines ersten Sohnes übertragen. Parallel dazu studierte ich Pflegemanagement an der Fernhochschule Hamburg (HFH). Das war nur möglich, weil sich mein Mann Elternzeit nahm und anschließend seine Arbeitszeit reduzierte. Glücklicherweise hatte ich durch meine Eltern eine zusätzliche Betreuungsmöglichkeit. So konnte ich mich beruflich weiterentwickeln, mein Studium erfolgreich abschließen und nach der Geburt meines zweiten Sohnes die Bereichsleitung für die Gerontopsychiatrie übernehmen. Im Zuge der Zentrenbildung in der Psychiatrie am Bezirksklinikum Regensburg wurde mir die Funktion der Leiterin Patienten- und Pflegemanagement für das Zentrum für Allgemeinpsychiatrie II und später zusätzlich für die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie übertragen. Wie meistern Sie den täglichen Spagat zwischen Beruf und Familie? Sch.: Ich erfahre starken Rückhalt durch meine Familie, Freunde und Nachbarn. Zudem besuchen beide Söhne nach der Schule den Kinderhort zur Hausaufgabenbetreuung und Freizeitgestaltung. Das umfangreiche Ferienprogramm der medbo ist für uns ebenfalls eine Unterstützung. Darüber hinaus habe ich das Glück, mit sehr engagierten Mitarbeitern und Kollegen in einem Team zu arbeiten, die mir immer die Motivation geben, meine Ziele zu erreichen. Außerdem zeigten meine Vorgesetzen nach der Geburt meiner Kinder nie Zweifel an meiner Einsatzund Leistungsbereitschaft. Für den nötigen Ausgleich zwischen Beruf und Familie sorgen dann schon meine Jungs. Mit ihren kleinen und großen Sorgen, mit ihrer Aufgewecktheit und Fröhlichkeit sind sie immer eine willkommene Ablenkung nach einem langen Arbeitstag. Silvia Schiekofer Welche Herausforderungen mussten Sie auf dem Weg zur Führungsposition meistern? Sch.: Wenn ich jetzt zurückdenke, frage ich mich, wie ich das alles geschafft habe: hochschwanger in den Studienpräsenzzeiten der HFH in München zu sitzen; kurz vor dem Entbindungstermin noch eine große BWL-Klausur zu schreiben und an einer dreitägigen Zukunftswerkstatt teilzunehmen. Der dauernde Spagat zwischen Arbeit, Studium und Familie hat mich einige Male nahe an meine Grenzen gebracht. Antrieb und Motivation, um den einmal eingeschlagenen Weg weiter zu gehen, waren sowohl die Freude am Beruf als auch meine Familie, die verständnisvollen Mitarbeiter, Kollegen und Vorgesetzen. Welche Tipps haben Sie für Frauen und Männer, die eine Führungsposition anstreben und dabei die Familie nicht zu kurz kommen lassen wollen? Sch.: Für mich gibt es keine allgemeingültigen Antworten. Ich denke, es ist immer eine Frage der persönlichen Einstellung und Situation. Wichtig ist es in punkto Familie, die Ansprüche nicht immer zu hoch zu stecken und alles perfekt haben zu wollen. Ich finde, es kommt nicht auf die Menge der gemeinsamen Zeit an, sondern darauf, wie intensiv wir sie zusammen verbringen, und dass meine Jungs immer wissen, dass ich für sie da bin. Für mich ist es legitim, Hilfe und Unterstützung anzunehmen, wenn sie uns angeboten wird. Karriere und Familie miteinander zu vereinbaren, benötigt meiner Meinung nach neben einem geregelten familiären Umfeld, guten Freunden und Nachbarn, auch einen für Familie und Beruf aufgeschlossenen Arbeitgeber. (LHO) Dr. Susanne Bader Dr. Susanne ist stellvertretende Maßregelvollzugsleiterin an der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie am medbo Bezirkskrankenhaus Parsberg. Wie sehen Ihre persönliche Familiensituation und Ihr beruflicher Werdegang aus? B.: Ich bin verheiratet und habe zwei Töchter (sieben und 11 Jahre). Im Februar 2011 habe ich die Oberarzt-Stelle in Parsberg für HAUS 3 übernommen und im Januar 2014 begann der Aufbau einer forensischen Ambulanz- und Entlass-Sta­tion, seitdem leite ich als Oberärztin diese Station und vertrete den ­Chefarzt. Mittlerweile haben wir 75 Pa­tienten in der Ambulanz und 30 Pa­tienten in der Entlass-Station. ­Anfangs war es eine große Herausforderung auf Grund des Personalengpasses. Jetzt betreue ich selbst etwa 20 ambulante Patienten und arbeite an Konzepten der gesamten Forensischen Klinik in Parsberg mit. So lange es geht, möchte ich die Führungsaufgaben und Patientenversorgung gleichzeitig machen. So bleibe ich geerdet. Wie meistern Sie den täglichen Spagat zwischen Beruf und Familie? B.: Die Arbeit in der Forensik läuft eine Zeitlang gleichförmig – bis außergewöhnliche Vorkommnisse auftreten, die die beste Planung außer Kraft setzen und auf die sofort reagiert werden muss. Als ich in Parsberg als Oberärztin anfing, waren meine Kinder zwei und sechs Jahre alt. Mein Dr. Susanne Bader Mann, der in Vollzeit arbeitet, übernimmt schon immer einen Nachmittag in der Woche. Ist ein Kind krank, teilen wir uns den Tag, so dass beide zumindest für einen halben Tag in die Arbeit gehen können. Ich hatte für die Mädels von Anfang an eine gute Betreuung auch am Nachmittag und vor allem ein tragfähiges Netzwerk, da meine Familie nicht vor Ort lebt. Ein bezahlter Fahrdienst, der auch in Notsituationen einspringt, ermöglicht genauso wie andere Eltern einen reibungslosen Ablauf. Bei Terminen, die langfristig planbar sind wie Fortbildungen, kommen meine Eltern für eine Woche zu uns. Dann lege ich mir in diese Woche jeden Abend berufliche Termine. Mittlerweile sind meine Kinder selbstständiger. Die Große geht zu ihren Terminen alleine und die Nachmittagsbetreuung der Kleinen ist so flexibel, dass ich auch mal bei Krisen auf Station, Stau auf der Autobahn oder so später kommen kann. Ein Nachteil dieses festgezurrten Tagesablaufs ist, dass es wenig Zeit für Spontaneität gibt. In der Arbeit ist es wichtig, dass ich mich auf das Team verlassen kann und ich nicht für alles gebraucht werde. Ich bin allerdings – außer im Urlaub – immer telefonisch erreichbar, wenn kritische Situationen eine Entscheidung von mir verlangen. Das kommt selten vor. Die Ferien teile ich mir mit dem Chefarzt, der selbst zwei Kinder hat, gerecht auf. Welche Herausforderungen mussten Sie auf dem Weg zur Führungsposition meistern? B.: Als nach meiner Facharztausbildung in der Forensik eine Oberarzt-Stelle frei wurde, war ich schwanger und habe mich nicht darauf beworben. Das war ein Fehler. Als ich mich später für das Führungskräfteentwicklungsprogramm der medbo bewarb, wurde meine Bewerbung abgewiesen, weil ich noch keine Führungsposition hatte. Auf die nächste Oberarzt-Stelle habe ich mich dann erfolgreich beworben. Für mich waren meine eigenen Ansprüche die größte Herausforderung: „Kann ich das? Kann ich mich durchsetzen?“. Ich habe eine Zeitlang gebraucht, um meinen Führungsstil zu finden. Anfangs wollte ich alle Entscheidungen partnerschaftlich treffen, alle Teammitglieder dabei mitnehmen. Das hat aber nicht funktioniert, da die Verantwortung letztendlich bei mir lag und somit auch das letzte Wort. Welche Tipps haben Sie für Frauen und Männer, die eine Führungsposition anstreben und dabei die Familie nicht zu kurz kommen lassen wollen? B.: Zeigen Sie Ihr Interesse an einer Führungsposition! Sprechen Sie Ihren Vorgesetzten im Mitarbeitergespräch darauf an, dass Sie mehr Verantwortung wollen und sich die Führungsaufgaben zutrauen. Bewerben Sie sich, wenn Führungsstellen ausgeschrieben werden. Delegieren Sie in der Arbeit so weit wie möglich, bleiben Sie aber ansprechbar für Ihr Team. Oft reicht den Mitarbeitern das Wissen um die Möglichkeit, die Führungskraft anrufen zu können, wenn es nötig ist, um selbstständig die richtigen Entscheidungen zu treffen. Bauen Sie ein Netz zu Ihrer Unterstützung auf und seien Sie nicht zu perfektionistisch: der Fertigkuchen für das Kindergartenfest ist genauso gut wie der Selbstgebackene. Wer die Kinder zum Turnen fährt, ist egal – Hauptsache, sie kommen pünktlich dort an. (LHO) 52 SYNAPSE August medbo Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der medbo sind mit ihrer Arbeit und ihrem Arbeitgeber sehr zufrieden. Das Umfrageergebnis der psychischen Gefährdungsbeurteilung zeigt, dass die medbo von ihren Mitarbeitern im deutschlandweiten Klinikvergleich sehr positiv bewertet wird. A lle Mitarbeiter der medbo wurden im Januar 2016 zu psychischen Belastungen am Arbeitsplatz befragt. 50% der Mitarbeiter beteiligten sich an der anonymen Umfrage, so dass die Ergebnisse als repräsentativ gelten können. Dieser für ein Unternehmen mit fast 3.000 Arbeitnehmern gute Teilnahmewert lässt auf ein großes Interesse am Thema schließen. Gefragt wurde nach Belastungen (unter anderen quantitativen und emotionalen Anforderungen, Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben) und unterstützenden Faktoren (etwa Einfluss bei der Arbeit, Führungsqualität, Kollegialität, Gerechtigkeit), aber auch nach positiven und negativen Auswirkungen der Arbeit auf den einzelnen Mitarbeiter. Arbeitgeber medbo punktet Das Gesamtergebnis für die medbo ist sehr gut. In vielen Bereichen schneidet das Unternehmen besser ab als andere deutsche Kliniken. Als besonders herausragend erleben medbo Mitarbeiter die Führungsqualität und regelmäßiges Feedback durch Kollegen und Vorgesetzte. Hier zahlt sich aus, dass die medbo schon früh in eine gute Führungskräftequalifikation investierte. Mittlerweile gehören Weiterbildungen wie das Führungskräfteentwicklungsprogramm für junge Nachwuchskräfte oder breitere Angebote wie „gesundes Führen“ zum festen Standard. Im Bereich der Pflege wird bereits seit geraumer Zeit einmal jährlich ein Führungskräftefeedback durchgeführt, ebenfalls ein Instrument zur individuellen Weiterentwicklung und kontinuierlichen Verbesserung der Führungskräfte. Die Ausweitung des Führungsfeedbacks auf andere Berufsgruppen läuft. SYNAPSE August medbo Ein zweites erfreuliches Ergebnis war die sehr positive Bewertung der gegenseitigen sozialen Unterstützung und das gute Verhältnis innerhalb des Kollegenkreises. Auch hier setzt sich die medbo positiv vom deutschen Gesundheitswesen ab, so dass es sich nicht um ein reines Berufsphänomen handelt, wie man es von Angehörigen sozialer Berufe vielleicht erwarten würde. Auch wenn das Gesundheitswesen generell als krisensicher gilt, erleben die medbo Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz als deutlich sicherer als Umfrageteilnehmer anderer Kliniken. Dies ist ein Ergebnis, auf das die medbo besonders stolz sein kann und wofür sie auch viel tut. Durch das hauseigene Institut für Bildung und Personalentwicklung und durch enge Kooperationen mit verschiedenen Hochschulen verfügt die medbo über die Möglichkeit, Mitarbeiter in viele Richtungen weiter zu qualifizieren und so auch frühzeitig auf neue medizinpolitische Entwicklungen zu reagieren. Auf der anderen Seite sorgt ein engagiertes und gut funktionierendes betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) dafür, dass Mitarbeiter trotz gesundheitlicher Einschränkungen nicht auf der Strecke bleiben, sondern ihr Arbeitsplatz erhalten werden kann. Nicht zuletzt ist die medbo dank kluger wirtschaftlicher Entscheidungen der vergangenen Jahre ein gut aufgestelltes, gesundes Unternehmen: keine Selbstverständlichkeit in der heutigen Krankenhauslandschaft. Typische Stressoren im Gesundheitswesen Natürlich wurden auch Problemfelder benannt. Als überdurchschnittlich belastend werden die hohen emotionalen Anforderungen der Arbeit und die Notwendigkeit erlebt, eigene Emotionen im therapeutischen Setting verbergen zu müssen. Das ist jedoch im Umgang mit Patienten, insbesondere Patienten mit psychischen Erkrankungen, unabdingbar. Hinzu kommen weitere „Bezirkskliniken-typische“ Stressoren, etwa wenn schwer kranke Patienten in Psychiatrie und Maßregelvollzug auch gegen ihren Willen behandelt werden müssen und es dadurch oder krankheitsbedingt zu Konflikten kommt. Gemessen an anderen deutschen Berufsgruppen mit Kundenkontakt wie Einzelhandel, Behörden oder Polizei treten in der medbo deutlich mehr Konflikte mit den Kunden/Patienten auf, die sich in verbalen Beschimpfungen des Personals bis hin zu Sachbeschädigungen oder leider auch tätlichen Angriffen gegenüber dem Personal äußern können. Gemessen an der Zahl der Kunden-/Patientenkonflikte zeigt sich aber ein sehr niedriger Wert für den so genannten „kundenbezogenen Burnout“. Hier weisen Polizei, Sicherheitsdienste oder Mitarbeiter von Jobcentern erheblich höhere Zahlen auf, was für die außerordentlich hohe Professionalität der medbo Mitarbeiter spricht. Insgesamt zeigten die gefundenen Belastungen erfreulich wenig negative Auswirkungen auf die Mitarbeiter. Im Gegenteil: Die Burn­outWerte liegen in der Selbsteinschätzung signifikant unter dem Schnitt im Gesundheitswesen und Arbeitsund Lebenszufriedenheit deutlich über Bundesniveau beziehungsweise dem Niveau des deutschen Gesundheitswesens. Schließlich kommt auch der Gedanke an Berufsaufgabe in der medbo erheblich seltener vor als andernorts. Wie geht es weiter? Zunächst werden im ersten Zug alle Abteilungen über ihre individuellen Ergebnisse informiert. Durch die detaillierte Auswertung konnten einzelne Bereiche mit höherer Anforderung und Belastung definiert werden. Hier werden Workshops stattfinden, in denen gemeinsam mit den dort tätigen Mitarbeitern Lösungen erarbeitet werden. Aber auch in positiv bewerteten Abteilungen werden Maßnahmen eingeleitet, um die vorhandenen Ressourcen zu erhalten und weiterzuentwickeln. Dr. Ema Loncarek ist Stabstelle für das Betriebliche Gesundheitsmanagement der medbo und leitet die Arbeitsgruppe „Psychische Gefährdungsbeurteilung“ Ergebnisse der medbo-weiten psychischen Gefährdungsbeurteilung 2016 Sicherer Arbeitsplatz, Kollegialität und gute Führungskultur Dr. Ema Loncarek 53 +++ shinweis g n u lt ta ns e +++ Vera hinweis s gehörig g n n u lt A ta r s ü n f a r e +++ Ve lfegrupp hi : Selbst n Menschen n o n A l A nke nken Me holkran o k lkoholkra en und l a a n o v n e o v g rig r Angehö ern, Kolle sind. hängigkeit. Ist es schon nicht einfach, das Alkoholproblem bei einem Mitarbeiter anzusprechen, so ist es für Mitarbeiter noch schwieriger, dies bei einem Vorgesetzten zu tun. Co-Abhängigkeit im Betrieb zeigt sich beispielsweise darin, dass Kollegen und Mitarbeiter direkte Gespräche über oder mit dem Mitarbeiter bezüglich seines offensichtlichen Alkoholproblems vermeiden: Wenn jemand beispielsweise morgens schon mit einer Alkoholfahne zur Arbeit erscheint. Damit wird offensichtliches Fehlverhalten nicht nur „übersehen“, sondern auch quasi entschuldigt und unterbewertet. Betriebliche Suchthilfe Co-Abhängigkeit – die Sucht hinter der Sucht Werner Maurer Suchtkranke Menschen leben – wie andere Menschen auch – in aller Regel in sozialen Bezugssystemen: Partner, Familie, Freunde ebenso wie Arbeitskollegen oder das spezifische Suchthilfesystem. Alle wollen dem Suchtkranken helfen, sich aus der Sucht zu befreien. Nicht wenige werden dabei selbst zum Opfer. A ngst, Scham, Verdruss, immer wieder zerstörte Hoffnung und Enttäuschung, Ohnmacht und Verzweiflung: Diese Erfahrungen sind Angehörigen, Helfern und Arbeitskollegen von Suchtkranken nicht fremd. Die Bezugspersonen eines suchtkranken Menschen bemerken oft lange nicht, wie stark auch sie in das Suchtgeschehen verwoben sind. Ihnen ist meist ebenso wenig klar, wie „co-abhängig“ sie selbst geworden sind. Denn es ist für sie schwer zu unterscheiden, was „richtige Hilfe“ und was „suchtfördernde Unterstützung“ ist. Im überwiegenden Sprachgebrauch ist mit „Co-Abhängigkeit“ die beschönigende Haltung oder das kaschierende Verhalten eines Menschen gemeint, mit dem er die Sucht eines anderen unterstützt. Damit trägt er unterschwellig dazu bei, dass der Suchtabhängige nicht mit den Folgen seines Konsums konfrontiert wird, sich folglich nicht erklären und entsprechend keine Konsequenzen ziehen muss. Co-abhängig verhält sich also jemand, der die Suchterkrankung eines anderen „deckt“. Und der unter dem (Mit-)Leidensdruck schlimmstenfalls selbst erkrankt. Seine Erschöpfung und seine Belastungen im Bemühen, dem Suchtkranken zu helfen, werden bisher weder vom Ge- sundheitssystem, noch von der Gesellschaft in ihrem ganzen Ausmaß gesehen. Dies gilt für den privaten wie auch den beruflichen Alltag gleichermaßen. Co-Abhängigkeit am Arbeitsplatz Im Betrieb sind Hierarchien besondere Hürden bei der Bekämpfung von Suchterkrankungen und Co-Ab- Die drei Phasen der Co-Abhängigkeit: Phase 1: Verleugnungs-Beschützer-Helfer-Phase • Es wird Nachsicht geübt • Verständnis für den Suchtmittelkonsum • Zuwendung durch Aufmerksamkeit und Mitgefühl • Verdrängung der Realität • Ermunterung durch Selbstdisziplin Phase 2: Kontroll-Phase • Problemsuche • Suchtmittelkonsum wird gedeckt und verheimlicht • Aufgaben und Probleme des Betroffenen werden übernommen (etwa Einkaufen, Hausarbeit, Endlosgespräche ohne Ergebnis) • Mitleid mit den Angehörigen Phase 3: Anklagephase • Beobachtung und Überwachung • Aggressionen • Isolierung und Ausgrenzung • Verachtung • Abwenden vom Betroffenen (Kündigung, Scheidung) Ist Stillschweigen über „die Angelegenheit“ aus dringlichen Gründen nicht mehr möglich (etwa Eigen- oder Fremdgefährdung im akuten Rauschzustand), versuchen Suchtkranke oft, in scheinbar offenen Gesprächen mit Vorgesetzten und Mitarbeitern Verständnis zu wecken und damit eine hohe soziale Nähe herzustellen. Kollegen helfen dem Betroffenen dann meist über familiäre oder arbeitsplatzbedingte Schwierigkeiten hinweg und kaschieren damit weiter sein Fehlverhalten und seine schlechte Leistung: oft genug im Team. Dann wandelt der Vorgesetzte den einen oder anderen Fehltag nachträglich in eine Urlaubsmeldung um und wird damit selbst immer erpressbarer. Auf diesem Wege werden die negativen Konsequenzen des Suchtverhaltens verschleiert; das Alkoholproblem aber wird verlängert, die Krankheit verschlimmert. Wird das Verhalten des Abhängigen zu lange geduldet, kompensiert und übersehen, fühlt dieser sich irgendwann für sein Handeln nicht wirklich verantwortlich. Das „Pflichtenheft“ der Sucht hat das Team, die Kollegen, der Vorgesetzte übernommen. Wird andererseits zu viel Druck von außen aufgebaut (zum Beispiel die Forderung nach sofortiger Abstinenz) oder wird Verhalten moralisch eingefordert („Reißen Sie sich zusammen!“), kann dies die Selbsthilferessourcen der Abhängigen schwächen: Sie können diese Forderungen krankheitsbedingt nicht erfüllen, die Ziele sind akut zu hoch gesteckt. itarbeit ontiert ruppe fü ht auch M Arbeitsplatz konfr lbsthilfeg e te S s n d o n n u Die Al-A sich regelmäßig kheit am uchtkran ft schen trif n offen, die mit S Uhr te bis 19:00 m Regensburg, 0 :0 8 Vorgesetz 1 t, u a g im Mon zirksklinik n Diensta m EG, medbo Be te tz le n • Jede penrau ensburg 19, Grup 053 Reg • HAUS ätsstraße 84, 93 Universit Betriebliche Suchthilfe bei Co-Abhängigkeit Die Gesellschaft tendiert oft dazu, dem suchterkrankten Menschen zu viele Aufgaben und zu viel Eigenverantwortung abzunehmen. Das führt schnell dazu, dass der Betroffene sich der Verantwortung entledigt fühlt. Die Chance der Suchtkrankenhilfe, Co-Abhängigkeit zu vermeiden oder zu lindern, könnte darin liegen, die Mitwirkung des Abhängigen herauszufordern und anzumahnen. Dabei ist insbesondere dem erkrankten Arbeitnehmer zu vermitteln, dass er Verantwortung für sich und seinen Gesundheitszustand trägt und diese auch wahrnimmt. Es gehört Mut dazu, in konstruktiver Weise auf Gefahren wie riskantes Trinken hinzuweisen. Noch schwerer ist es, dies direkt und offen zu tun. Im betrieblichen Umfeld sind Anlaufstellen und Beratungsmöglichkeiten wie eine betriebliche Suchthilfe sinnvoll. Sie beraten die Co-abhängigen Kollegen und Vorgesetzten und begleiten sie im Konfrontations- prozess. Bei der medbo stehen die Suchtberater an den Standorten Regensburg, Wöllershof und Parsberg sowie die Betriebliche Suchthilfe zur Verfügung. Auch der betriebsärztliche Dienst und die Betriebspsychologin können angesprochen werden. Wer Mut zeigt, macht Mut. (Adolf Kolping) Da es nicht nur um den Arbeitsplatz, sondern um einen Menschen geht, der der Hilfe bedarf, lohnt sich der Einsatz, auch wenn er nicht sofort auf Gegenliebe beim Suchtkranken stößt. Das Wichtigste ist aber, dass dem Suchtkranken Unterstützung zu­ gesagt und gegeben wird. Und dass er auch in seiner Krankheit Respekt und Wertschätzung erfährt. Nach der Einsicht, dass ich eine gefährdete Person vor mir habe, das Spiel lange genug mitgespielt habe, werde ich KLAR vorgehen. Werner Maurer ist betrieblicher Suchthelfer der medbo am Standort Regensburg Ausstieg aus dem Co-Verhalten – eine KLARe Haltung Konsequent Auf auffälliges Verhalten hinweisen. Kontakte zum Beratungsangebot ermöglichen. Änderung anfordern und konkret vereinbaren. Einhaltung von Absprachen verfolgen. Loslassen Das Problem erkennen und akzeptieren. Verantwortung an die Person zurückgeben. Unterstützung auf dem Weg zusichern. Abgrenzen Zuversicht vermitteln: ich glaube, Du schaffst es. Es ist Deine Entscheidung. Du musst wissen, wohin Du willst. Reden Ich rede mit, nicht mehr nur über die Person. Ich suche selbst Beratung auf, wenn in meinem nahen Umfeld ein Suchtproblem auftaucht. SYNAPSE August Personalia +++Veranstaltungshinweise+++Veranstaltungshinweise+++ GOOD BYE NIKOTIN Raucherentwöhnungskurs für medbo Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Dr. Anja Geßner: IBP unter neuer Leitung Seit dem 1. April 2016 ist Dr. Anja Geßner Leiterin des medbo Instituts für Bildung und Personalentwicklung (IBP). Sie folgt auf Christine Denk, an die sie auch in deren Funktion als Abteilungsleiterin Bildung und Personalentwicklung im Geschäftsbereich Personal berichten wird. Die promovierte Diplom-Psychologin Geßner gehört der medbo seit 2012 an und kennt als bisherige stellvertretende Institutsleiterin und Qualitätsmanagement-Beauf- tragte das IBP Team und die Aufgabe im Detail. Vor ihrem Einstieg bei der medbo arbeitete Dr. Anja Geßner nach Studium und Promotion in Bamberg zunächst als Bereichsleitung im Beruflichen Trainingszentrum (BTZ) in Straubing, das Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen durch eine individuell abgestimmte psychosoziale und berufsfachliche Begleitung beim (Wieder-)Einstieg ins Berufsleben unterstützt. (RNE) Start: 07. November 2016 Dauer: 7 Wochen (bis 19. Dezember 2016) Termine: Jeweils montags um 17:00 Uhr (à circa 90 Minuten) Ort: Besprechungsraum Psychiatrische Institutsambulanz (HAUS 20, Raum 0.43), Bezirksklinikum Regensburg Kursleitung: Dr. Angela Henschel Selbstkostenanteil: 102,- € pro Person (bei maximal 12 Teilnehmern) bis 140,- € pro Person (bei mindestens 10 Teilnehmern). Bei regelmäßiger Teilnahme sind bis zu 75,- € Förderung durch Ihre 2016 Krankenkasse möglich! m e d b o KU g n lu m m versa Anmeldung: medbo hinderten en und Schwerbe rbehindert eiterinInstitut für Bildung und e w h c s r e d ammlung llten Mitarb Personalentwicklung IBP hrige Vers leichgeste det statt am: Die diesjä derten Menschen g fin Weitere Informationen bei in Standorte schwerbeh rbeiter aller medbo Dr. Ema Lončarek, ita is nen und M 3:30 Uhr b medbo Gesundheitsmanagement, 016, von 1 Bezirks Oberpfalz, .2 1 .1 3 0 n e s Tel. +49 (0)941/941-1824, g, d l de Donnersta hr im Alten Festsaa nsburg U [email protected] ge 0 e :0 R 6 1 1 5 a 0 circ tr. 14, 93 -S a m o h ung Ludwig-T Tagesordn ressen sowie die d n ta e a g n im u e d H an die en Einla r h e lic b n m ö te rs p e Die p n de S e ätestens E werden sp versandt. Die Gleichstellungsbeauftrage der medbo informiert Neue Seminare für Führungskräfte am IBP Frauen in Führung Lust auf Führung Familienbewusst Führen 24./25.10.2016 09.00 bis 16.15 Uhr 05.12.2016 09.00 bis 16.15 Uhr 12./13.12.2016 09.00 bis 16.15 Uhr Weitere Informationen über das medbo Intranet (Beruf und Familie) oder das Institut für Bildung und Personalentwicklung (IBP) Weiterbildungsermächtigung Neuropsychologie für Ingo Aue Seit 20. Juni 2016 ist es amtlich: Diplom-Psychologe Ingo Aue, Leiter Neuropsychologie an der Klinik für Neurologische Rehabilitation am Bezirksklinikum Regensburg (Neuro-Reha), hat die Weiterbildungsermächtigung der Deutschen Gesellschaft für Neuropsychologie e.V. (DGN) für das Fach „Klinische Neuropsychologie“ erhalten. Damit darf Ingo Aue ab sofort im Rahmen der Klinik für Neuro-Reha die Weiterbildung zum zertifizierten Klinischen Neuropsychologen anbieten und durchführen. Die Ermächtigung gilt für drei Jahre. Diese DGN-Weiterbildung ist die spezifische fachliche Grundlage für eine Berufstätigkeit sowie der Qualitätsstandard in der Versorgung von Patienten mit Erkrankungen oder Funktionsstörungen des Gehirns. Die Weiterbildung erfolgt in praktischer Berufstätigkeit in Einrichtungen, die für das Fachgebiet akkreditiert sind: In diesem Fall die medbo Neuro-Reha. Es werden umfassende theoretische und anwendungsbezogene Kenntnisse vermittelt, die das Curriculum Klinische Neuropsychologie definiert. Das Curriculum selbst wird kontinuierlich an die Fortschritte in den Neurowissenschaften, in der Medizin und der Psychologie sowie an die sich verändernde Ausbildungs- und Versorgungslandschaft angepasst. (RNE) Dr. Peter Radlinger wird stellvertretender Vorsitzender der PSAG Cham Der Chefarzt des Zentrums für Psychiatrie Cham, Dr. Peter Radlinger, wurde Ende April 2016 zum stellvertretenden Vorsitzenden der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft (PSAG) Cham gewählt. Er vertritt den Vorsitzenden Dr. Matthias Dobmeier. Beide werden die PSAG damit für die nächsten drei Jahre leiten. Dr. Radlinger folgt in diesem Amt auf Dr. Dr. Helmut Hausner, seinem Vorgänger im Amt des Chefarztes in Cham und jetzigen Vorstand der medbo. Die PSAG ist ein regionaler Steuerungsverbund, in dem alle an der Versorgung psychisch kranker Menschen beteiligten Einrichtungen, Dienste, Behörden und Institutionen zusammengeschlossen sind. Er stellt regionale Versorgungslücken fest und erarbeitet entsprechende Vorschläge. Zudem fördert die PSAG die Vernetzung und Zusammenarbeit der Koope­rationspartner. (RNE) 57 Bildungswerk Irsee SYNAPSE August Personalia / Veranstaltungen Synapse August Bezirk 59 www.bildungswerk-irsee.de Der medbo-Vorstand dankt allen Jubilaren für 25 Jahre Treue und Unterstützung! Wolfgang Amschl Lucia Frank Waltraud Gassner Günther Hetzenecker Waltraud Menner Anton Schwamberger Wilhelm Weinzierl Pförtner Gesundheits- und Krankenpflegerin Altenpflegerin Sozialpädagoge Gesundheits- und Krankenpflegehelferin Stv. Stationsleiter Sozialpädagoge Berufliche Qualifizierung – jetzt ! Mit einem ständig erweiterten Angebot an praxisorientierten und wissenschaftlich fundierten Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen bietet das Bildungswerk des Bayerischen Bezirketags umfassende Möglichkeiten zur beruflichen Qualifizierung. Renommierte DozentInnen aus den Bereichen Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie sichern den nachhaltigen Erfolg, kontinuierliche Evaluationsarbeit den hohen Standard. Erleben Sie im einmaligen Ambiente der beiden Tagungshäuser Kloster Irsee und Kloster Seeon den idealen Rahmen für produktive Workshops und Seminare, Fachtagungen und Kongresse. Wöllershof Wöllershof Parsberg Regensburg Parsberg Regensburg Regensburg Veranstaltungshinweise 26./27. September 2016, 09:00 Uhr Bezirksklinikum Regensburg, IBP Bildungswerk des Bayerischen Bezirketags Klosterring 4, D-87660 Irsee Das Gesamtprogramm „impulse 2016“ mit detaillierten Beschreibungen aller Angebote finden Sie auf unserer Homepage. Telefon 08341 906-604, -606, -608 Telefax 08341 906-605 E-Mail [email protected] www.bildungswerk-irsee.de Bildungswerk des Bayerischen Bezirketags neue fremde Heimat – Interdisziplinäre Fachtagung zur Integration minderjähriger Flüchtlinge Regensburger Fachtagung zur Kinder- und Jugendpsychiatrie 16. Oktober 2016 Bezirksklinikum Regensburg, IBP Cannabis Suchtsymposium des Zentrums für Suchtmedizin am medbo Bezirksklinikum Regensburg 26. Oktober 2016, 16:30 Uhr Bezirksklinikum Regensburg, HAUS 29 Dr. Christoph Born, Uniklinik Salzburg: Veränderungen von Psyche und Organismus bei extremem Untergewicht Inforeihe „Mittwochsfortbildung“ – Anmeldung über die Direktion der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität am Bezirksklinikum Regensburg 16. November 2016, 16:30 Uhr Bezirksklinikum Regensburg, HAUS 29 Dipl.-Psych. Volker Dittmar, medbo: Ego-State-Therapie – Die Therapie mit verschiedenen Persönlichkeitsanteilen Inforeihe „Mittwochsfortbildung“ – Anmeldung über die Direktion der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität am Bezirksklinikum Regensburg Mehr Informationen zu medbo-Veranstaltungen unter: www.medbo.de Impressum Herausgeber: Medizinische Einrichtungen des Bezirks Oberpfalz KU (Anstalt des öffentlichen Rechts), Vorstand Universitätsstraße 84 | 93053 Regensburg | Tel +49 (0) 941/941-0 | www.medbo.de Redaktionelle Leitung: Renate Neuhierl (RNE), [email protected] Autoren: Günter Bonack (GBO), Pressestelle Bezirk Oberpfalz Martina Hirmer (MHI), Pressestelle Bezirk Oberpfalz Lissy Höller (LHO), Pressestelle medbo Daniela Plößner (DPL), Praktikantin Pressestelle medbo Susanna Pröbstl (SPR), Pressestelle medbo Rätselauflösung von Seite 13 LÖSUNGSWORT: APOTHEKE Foto: Titel Frank Hübler; S2/3 Valerie Potapova - Fotolia.com; S3 Julianne Zitzlsperger; S4/5 Martina Hirmer; S6 Berufsfachschule für Musik Sulzbach-Rosenberg; S7 Lissy Höller; S8/9 Lissy Höller; S11 lassedesignen - Fotolia.com; S12 Kali Nine LLC - istockphoto.com; S14/15 Rawpixel.com - Fotolia.com; S16 RICO - Fotolia.com; S17 photocrew - Fotolia.com; S18/19 Robert Kneschke - Fotolia.com; S21 Frank Hübler; S22 Frank Hübler; S23o Frank Hübler; S23u kasto - Fotolia.com; S24 Frank Hübler; S25 Renate Neuhierl; S26 travelpeter - Fotolia.com; S27 Sebastian Kaulitzki - Fotolia.com; S28 Guzel Studio - Fotolia.com; S31 medbo; S32 medbo; S34/35 afghanistanhilfe-erös; S36 Carey Hope - istockphoto.com; S38/39 Yuri Arcurs - istockphoto.com; S40/41 Susan Chiang - istockphoto.com; S42 Renate Neuhierl; S43 Renate Neuhierl; S44 Lissy Höller; S45 Renate Neuhierl; S47 francescoch - istockphoto.com; S48 Renate Neuhierl; S49 privat; S50/51 Lissy Höller; S53 Alon Othnay - Fotolia.com; S54 Giulio Fornasar - Fotolia.com; S56 klickerminth - Fotolia.com; S57 Julianne Zitzlsperger; S58/59 a_korn - Fotolia.com Der SYNAPSE-Titel zeigt ein Windrad im Park des Bezirksklinikums Wöllershof. Konzeption und Leitung: Renate Neuhierl Grafische Gestaltung: Creativbuero Jürgen Mayer Auflage: 5.000 Stück | Erscheinungsweise: vierteljährig | Vertrieb: B 07930 S Gender-Erklärung: Um die Lesbarkeit zu vereinfachen, wird in der SYNAPSE meist auf die zusätzliche Formulierung der weiblichen Form verzichtet. Wir möchten deshalb darauf hinweisen, dass die ausschließliche Verwendung der männlichen Form explizit als geschlechtsunabhängig verstanden werden soll. Die nächste SYNAPSE erscheint am 15. November 2016. Eingabeschluss für Beiträge ist der 01. Oktober 2016. 1V05-1604-00044 58 visite 06. Oktober 2016 Reha daheim?! – Tipps und Infos für Angehörige von neurologischen Patienten Dr. Fried Eckart Seier, Chefarzt Zentrum I für Frührehabilitation und Weiterführende Rehabilitation, Klinik für Neurologische Rehabilitation, Bezirksklinikum Regensburg, u.a. 01. Dezember 2016 Gut gemacht! – Richtiger Umgang mit verhaltensauffälligen Kindern Dieter Doll, Stationsleiter Tagesklinik, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Bezirksklinikum Regensburg Ärzte, Forscher und Experten unserer Kliniken und Einrichtungen informieren Sie zu wichtigen Themen der seelischen und neurologischen Gesundheit Ort: IBP Institut für Bildung und Personalentwicklung, Hörsaal, medbo Bezirksklinikum Regensburg Universitätsstraße 84 93053 Regensburg Beginn: jeweils um 19 Uhr Der Eintritt ist kostenfrei. Kostenloses Parken auf dem Besucherparkplatz hinter der Haupteinfahrt zum Bezirksklinikum Regensburg, Universitätsstraße 84. Sie erreichen das Bezirksklinikum Regensburg mit den Buslinien 2b, 4, 6 und 11, Ausstieg an der Zentralen Omnibushalte­stelle (ZOH) „Universität“.