KI-Forum 24.10.2016 Der IS in Syrien und Irak

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Der IS, Syrien und wir
Vortrag von Karin Gothe
Islamwissenschaftlerin, Journalistin & Trainerin für interkulturelle Kompetenzen
24. Oktober 2016, KI-Forum Paderborn, 18-20 Uhr
Kontakt: [email protected] / 0171-2730636 / Berlin
Zwei Topoi
Der Ideal-Zustand
des Ur-Islam!
Die Einheit der
islamischen
Gemeinschaft
(Umma)
Unterdrückung des
Orients durch den
Okzident
!2
Die Umma
Gemeinschaft, jenseits von Stamm, Clan oder Nationalität
Umma islamiya = weltweite Gemeinschaft der Gläubigen
Der Islam bricht traditionelle Strukturen auf.
!3
Koran!
Die Offenbarungen Gottes durch den Erzengel Gabriel
Sunna des Propheten!
Die Art und Weise, wie Mohammad lebte
Vorbildcharakter
Hadithe!
Erzählungen über das Leben Mohammads
Quellen des islamischen Rechts, der Scharia
Sure 59, Vers 7: … Und was euch der Gesandte gibt, das nehmet, und was
er euch verwehrt, von dem lasset ab und fürchtet Allah. Siehe, Allah straft strenge.
!4
Vielfalt der islamischen Rechtsschulen
Erlaubnis zum Kampf
„Denjenigen, die (gegen die Ungläubigen) kämpfen (so nach einer
abweichenden Lesart; im Text: die bekämpft werden), ist die
Erlaubnis (zum Kämpfen) erteilt worden, weil ihnen (vorher)
Unrecht geschehen ist. – Gott hat die Macht, ihnen zu helfen. –“!
– 22:39
Einigkeit der vier sunnitischen Rechtsschulen:
!
Aussagen des Koran zum Dschihad sind im Kontext des Konflikts zwischen Muhammad und seinen
Widersachern zu sehen.
!
Situation in Mekka und Medina des 7. JH ist nicht direkt auf andere Situationen übertragbar. Aber:
Gott schreibt Muslimen unter bestimmten Voraussetzungen den Kampf vor.
!
Grundsätzlich: Gott verurteilt das Töten (Sure 5, Vers 32: Wenn jemand einen anderen Menschen tötet,
ohne dass dieser einen Mord begangen oder auf der Erde Unheil gestiftet habe, so sei es, als hätte er
die ganze Menschheit getötet.)
!
Todesstrafe im Rahmen von Scharia möglich, aber niemals als Selbstjustiz.
!
Koran: Kampf nur gegen genau definierte Gegner, keinesfalls gegen Zivilisten und nur unter Führung
des obersten Befehlshabers der Muslime.
Fünf Säulen des Islam
Schahada - das Glaubensbekenntnis
Salat - das Gebet
Zakat - Almosen
Saum - Fasten im Ramadan
Hadsch - Pilgerfahrt nach Mekka und Medina
Sechs Glaubensartikel
Muslime glauben an:
1. einen einzigen Gott
2. seine Engel
3. seine Offenbarung
4. seine Gesandten
5. den Tag des Jüngsten Gerichts
6. das Leben nach dem Tod
Kalif
religiöse Führung!
weltliche Herrschaft!
Vorbeter, Führung in Glaubensfragen
Sultanat, Exekutive
kann delegiert werden
Imame und Muftis
König, Sultan, Emir
lokale Vorbeter in den
Moscheen und Ersteller von
Rechtsgutachten, abhängig von
Rechtsschulen
sollen Kalifen anerkennen //
Legitimation ihrer eigenen
Herrschaft
Die vier rechtgeleiteten Kalifen
Abdallah Abu Bakr!
632-634
Umar Ibn alKhattab 634-644
Schwiegervater Muhammads.
Stellvertreter des Gesandten (Khalifu
rasulilah)
Schwiegervater Muhammads.
Befehlshaber der Gläubigen (Amir
al-mu’minin), Expansion
Uthman Ibn Affan!
644-656
Schwiegersohn Muhammads.
Endgültige Abfassung des Koran,
weitere Expansion
Ali Ibn Abu Talib!
656-661
Schwiegersohn (Mann seiner
Tochter Fatima) und Vetter
Muhammads
656 - 661: Ali Ibn Abu Talib,
Schwiegersohn und Vetter
Muhammads
Hassan
Hussein t Kerbela 680
Kufa
Schiiten / Schia = Partei Alis
660 - 680: Muawiya, Sekretär Muhammads,
Sippe der Umayyaden vom Stamm der
Quraisch, einer der einflussreichsten
Familien Mekkas, Statthalter von Syrien
Yazid I. (680–683)
Damaskus
Sunniten / Sunna
749-1258: Abbasiden-Dynastie:
Nachfahren von Muhammads Onkel
Abbas. Diese vertraten die These,
dass nur Männer aus dem Zweig
dieses Onkels das Amt des Kalifen
ausüben konnten.
Bagdad
Ali, Hassan und Hussein
Spaltungen unter Schiiten bis ins
9. Jahrhundert: z.B. Imamiten,
Ismailiten und Zaiditen.
Cordoba
Mekka,
Istanbul…
Weltweit: 10 bis 15 Prozent der muslimischen Gläubigen insgesamt sind Schiiten.
Mehrheit nur in Iran, Irak und Bahrain.
Fast überall benachteiligte Minderheit: Das prägte ihre Theologie. Revolten gegen die als
unrechtmäßig angesehenen sunnitischen Kalifen spielen eine zentrale Rolle.
Hoffnungen
Arabische !
Nationalisten
Armenier
Kurden
Drusen
Maronitische Christen Juden
32
Teilnehmerstaaten
Ambitionen
Zusammenbruch
Osmanisches
Reich
Großbritannien
Frankreich
USA Italien
Russland
Pariser Friedenskonferenz 1919-1920
Konferenz von San Remo 1920
Gründung !
Völkerbund
Schaffung von neuen Staaten aus den ehemaligen Provinzen des Osmanischen Reichs!
Verteilung der Völkerbund-Mandate an Großmächte Großbritannien und Frankreich
!13
Balfour-Deklaration 2.11.1917
Großbritannien unterstützt das Ziel der Zionisten,
in Palästina eine „nationale Heimstätte“ des jüdischen Volkes zu errichten.
Verehrter Lord Rothschild,!
!
ich bin sehr erfreut, Ihnen im Namen der Regierung Seiner Majestät die folgende
Erklärung der Sympathie mit den jüdisch-zionistischen Bestrebungen übermitteln zu
können, die dem Kabinett vorgelegt und gebilligt worden ist:!
Die Regierung Seiner Majestät betrachtet mit Wohlwollen die Errichtung einer
nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina und wird ihr Bestes tun, die
Erreichung dieses Zieles zu erleichtern, wobei, wohlverstanden, nichts geschehen
soll, was die bürgerlichen und religiösen Rechte der bestehenden nicht-jüdischen
Gemeinschaften in Palästina oder die Rechte und den politischen Status der Juden in
anderen Ländern in Frage stellen könnte.!
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diese Erklärung zur Kenntnis der Zionistischen
Weltorganisation bringen würden.!
29. August 1897: erster
Zionistenkongress in Basel!
Gründung der Zionistischen
Weltorganisation (WZO):!
Ziel: Der Zionismus erstrebt
für das jüdische Volk die
Schaffung einer öffentlichrechtlich gesicherten
Heimstätte in Palästina.
!
Ihr ergebener Arthur Balfour
!14
Sykes-Picot-Abkommen 16.5.1916
Geheimabkommen: Der britische Diplomat Mark Sykes und der Franzose
Georges Picot teilen das östliche Osmanische Reich untereinander auf.
Die Öl- und Wasserquellen der Region im Blick aber ohne Rücksicht auf ethnische oder Stammesverbindungen.
!15
Hussein - Mc Mahon Korrespondenz 1915-1916
Briefwechsel zwischen !
Hussein ibn Ali, Scherif von Mekka, und !
Sir Henry McMahon, Britischer Hochkommissar in Ägypten !
!
Inhalt: Britische Unterstützung für eine arabische Unabhängigkeit im
Nahen Osten - Hussein sollte Herrschaft über ganz Arabien erhalten.!
!
Gegenleistung:!
Unterstützung der Araber für einen von Großbritannien geplanten
Aufstand gegen die osmanische Herrschaft.
!16
Identitäts-Fragen
•
Familie (Abu Mohammad)
•
Stamm, Clan, Sippe (z.B. Quraisch)
•
Religion: sunnitisch oder schiitisch? christlich,
jüdisch oder jesidisch? Drusen oder Alawiten?
•
Ethnie: armenisch, arabisch oder kurdisch?
•
Staatsangehörigkeit: Zufall per Grenzziehung!
!17
Verteilung der Konfessionen in Syrien
Schiiten
Kurden
Sunniten
Drusen
Christen
Alawiten
11 %6 %
13 %
7 %
6 %
56 %
!18
New York
11.9.2001
Entlassungen der
Saddam-Hussein-Leute in
Geheimdienst, Armee,
Ministerien
Al-Qaida im Irak Zarqawi
bekämpft USBesatzung
Konflikt zwischen
Schiiten und
Sunniten
verschärft sich
Irak-Krieg 2003
Eroberung von Bagdad, Sturz
Saddam Husseins
Jedoch: Keine Beweise für
Massenvernichtungswaffen
oder konkreter Angriffspläne Irreführung der
Weltöffentlichkeit.
Viele Sunniten
haben nichts
mehr zu
verlieren,
schließen sich
Dschihadisten
an.
Abzug der
US-Truppen
Dezember
2011
Bürgerkrieg, IS
ergreift Macht
in großen
Landesteilen
!19
Ausrufung des Kalifats am 1. Tag des Ramadan 2014
Abu Bakr al-Baghdadi - selbsternannter Kalif des Islamischen Staates
(IS), der als „Kalif Ibrahim“ in die Geschichtsbücher eingehen will
schwarzer Turban - Symbol
Abstammung von Mohammed
!20
!21
Saudi-!
Arabien
Türkei
Islamistische !
Rebellen
Russland
Allianz
Kurden
USA
Assad
Iran
Hisbollah
IS-Daish
!22
Deutschlands Beteiligung
am Krieg gegen den IS
Operation
Counter Daesh
Unterstützung
der irak. Kurden
Humanitäre
Hilfe
Nach Terroranschlägen in Paris
am 13.11.2015 beschließt
Bundestag am 4.12.2015 BWEinsatz (bis Ende 2016)
Begründung: IS bedroht Frieden
und Sicherheit weltweit / Angriff
auf Werteordnung Europas
D beteiligt sich an
Ausbildungsmission für irakische
Armee und irakisch-kurdische
Paschmerga-Kämpfer mit bis zu
100 BW-Soldaten als Trainer
(Grundausbildung,
Sanitätsdienst, Beseitigung von
Sprengfallen)
1,35 Milliarden Euro = D gehört
zu den größten Gebern
659 Millionen Euro: humanitäre
Hilfsmaßnahmen,
606 Millionen Euro:
strukturbildende
Übergangsmaßnahmen /
bilaterale Hilfe
91 Millionen Euro:
Krisenbewältigung.
BW unterstützt mit Fregatte von 6
Tornado-Aufklärungsflugzeugen
die frz. Streitkräfte.
Kontingent 1200 BW-Soldaten aktuell größter Auslandseinsatz
Bereitstellung Luftbetankung,
Aufklärung und Stabspersonal
!
Aber: keine bewaffneten
Angriffe, symbolische Geste
!
Deutschland schenkt irakischen
Kurden 2014 Waffen im Wert
von 70 Millionen Euro,
Fahrzeuge,
Panzerabwehrraketen und
Sturmgewehre.
Die irakische Regierung erhält
Nachtsichtgeräte und
Schutzhelme.
!23
Salafistische Gefährder in Deutschland
sich selbst radikalisierende Einzeltäter, Trittbrettfahrer (Nizza)
•
•
•
Rückkehrer aus Jihad-Gebieten
„Schläfer“ von Terrororganisationen
•
•
Einzeltäter unter Flüchtlingen
Radikalisierte Jugendliche aus salafistischen Moscheen
Bis jetzt (2016) sind mehr als 800 Deutsche nach Syrien
gereist, um den IS zu unterstützen.
Ein Drittel kam wieder zurück - gegen sie laufen Ermittlungen und
Gerichtsverfahren.
!24
Wer sind die deutschen IS-Kämpfer?
Analyse von 670 Biografien von deutschen IS-Kämpfern
Studie von 2015 im Auftrag des Innenministeriums
Die Hälfte der Kämpfer folgt jihadistischen Gruppen, darunter 78 % IS!
80 % Männer, 20 % Frauen!
Überwiegend aus Städten!
Zwischen 15 und 62 Jahre alt!
409 / 670 in Deutschland geboren. !
399 / 670 deutsche Staatsbürgerschaft!
114 / 670 später zum Islam konvertiert!
50% haben zuvor Straftaten begangen !
(v.a. Gewalt-, Eigentums-, Drogendelikte, Sexualstraftaten)!
82 / 670 haben Abitur oder Fachhochschulreife!
80 / 670 Studenten (die meisten ohne Abschluss) !
150 / 670 Arbeitslose!
63 / 670 direkt von der Schulbank in den Dschihad!
Radikalisierung: 30% durch Internet, 37% durch Freunde, 33% Kontakte in Moscheen !
(nur 9 / 670 Kontakte in Gefängnissen)!
234 / 670 sind inzwischen wieder in Deutschland, 23 / 670 in Haft.
!25
Salafisten
Islamistische Strömung, die sich streng an der Frühzeit
des Islam orientiert. Sie verteufeln die Sitten der
Ungläubigen und der nicht so frommen Muslime.
ultrakonservative Strömung
Rückbesinnung und Orientierung an den „Altvorderen“
Salaf: Vorfahre
auch in der Kleidung
Ablehnung der traditionellen Rechtsschulen und Gelehrten meist eigene Interpretation von Koran, Hadith und Sunna
Puristen
Jihadisten
!26
Was bieten
Salafisten?
Was suchen
Jugendliche?
Sinn des Lebens
Werte und Orientierung
klares Weltbild, klare Benimmregeln,
Unterscheidung Gut /Böse, Richtig/ Falsch
Aussicht auf ein rechtschaffenes
Leben mit Paradies-Versprechen
Ziel und Sinn / Perspektiven
Aufmerksamkeit, Anerkennung
Überlegenheit
Moralische Überlegenheit,
Belohnung als Märtyrer
Selbstwirksamkeit,
Zugehörigkeitsgefühl
Vorbilder
Gerechtigkeit
Mitglied der Umma zu sein
Gruppenzugehörigkeit in Moschee
Autoritäten: islamische Gelehrte und Kämpfer
Möglichkeit, gegen Ungerechtigkeit zu kämpfen
!27
Gefahr durch Flüchtlinge?
•
Einzeltäter kommen unerkannt als Flüchtlinge zu uns.
•
Rekrutierung: Salafistische Organisationen rekrutieren
Mitglieder unter Flüchtlingen /unbegleitete Jugendliche.
Humanitäre Aktionen
Angebote / Aufnahme in Gruppen
Religion
Frustration
!28
Antisemitismus
Was können wir tun?
Diskussionsvorschläge:
Propaganda der Salafisten in Deutschland
erschweren / Demokratie als Prävention
Arabische Nachbarländer stärken, die unter der
Flüchtlingslast zu zerbrechen drohen
Flugverbotszonen einrichten
Russland - Bombardierungen stoppen
Türkei: doppeltes Spiel beenden
Wer/was soll nach Assad kommen?
!29
KI-Forum Paderborn
24. Oktober 2016
Landrat Manfred Müller
mit Referentin Karin Gothe
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