Endspurt Vorklinik Endspurt Vorklinik: Biochemie 3 Die Skripten fürs Physikum 1. Auflage 2013. Broschüren im Ordner. 88 S. ISBN 978 3 13 153432 3 Format (B x L): 21 x 28 cm Weitere Fachgebiete > Medizin > Vorklinische Medizin: Grundlagenfächer > Biochemie (med.) Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte. 6 1 Blut Thieme Verlagsgruppe Lernpaket 8 1 Blut 1.1.2 Erythrozyten Das Blut macht etwa 8 % des Körpergewichts aus (bei 70 kg: ca. 5,6 l Blutvolumen). Seine Bestandteile sind: ▪▪45 % zelluläre Bestandteile ▪▪55 % Blutplasma –– 90 % Wasser –– 10 % gelöste Substanzen –– 70 % Plasmaproteine –– 20 % niedermolekulare Stoffe –– 10 % Elektrolyte 99 % der zellulären Bestandteile des Blutes sind rote Blutkörperchen (Erythrozyten). Erythrozyten entstehen im Knochenmark aus Erythroblasten. Diese wiederum entstehen aus myeloischen Stammzellen, die sich aus pluripotenten Stammzellen entwickelt haben (Abb. 1.1). Lerntipp Wichtig – nicht nur für die Prüfung – ist, dass Sie folgende Begriffe zur Blutzusammensetzung unterscheiden können: ▶▶Vollblut: entspricht dem Blut innerhalb des Blutkreislaufs ▶▶Plasma: Vollblut ohne zelluläre Bestandteile ▶▶Serum: Plasma ohne gerinnungsaktive Proteine ▶▶Hämatokrit: Anteil der Zellen am Blutvolumen (in %) 1.1 Zelluläre Bestandteile des Blutes Pro µl enthält das Blut folgende zelluläre Bestandteile: ▪▪Erythrozyten: 4,3–5,7 Mio. (Männer), 3,9–5,4 Mio. (Frauen) ▪▪Leukozyten: 3800–10 500 ▪▪Thrombozyten: 140 000–450 000 Die Zellen haben unterschiedliche Funktionen. Alle Blutzellen stammen von einer gemeinsamen pluripotenten Stammzelle ab. Die Entstehung und Reifung der Blutzellen bezeichnet man als Hämatopoese. 1.1.1 Hämatopoese Bei der Hämatopoese (Abb. 1.1) entwickelt sich eine pluripotente Stammzelle zu einer myeloischen oder einer lymphatischen Stammzelle. Die lymphatische Stammzelle ist Vorläufer der Bund T-Lymphozyten. Aus der myeloischen Stammzelle entstehen die sog. Colony forming Units (CFU), die je nach Zellart in CFU-E (Erythrozyten), CFU-Meg (Megakaryozyten) usw. eingeteilt werden. Aus ihnen bilden sich unter dem Einfluss verschiedener Zytokine wie Wachstumsfaktoren (colony stimulating factors, CSF) und Interleukinen die verschiedenen Zellen der myeloischen Reihe. Apropos 1 µl Blut enthält ca. 4–6 Millionen (5 × 10 6) Erythrozyten. Im gesamten Blutvolumen gibt es etwa 25 Billionen (25 × 1012) rote Blutkörperchen, von denen jedes in seinem Leben ca. 400 km zurücklegt. Die Lebensdauer eines Erythrozyten beträgt etwa 120 Tage. Pro Sekunde werden etwa 2,4 Millionen neue Erythrozyten gebildet. Erythrozyten sind kernlos und daher keine eigenständigen Zellen. Die reifen Erythrozyten haben die Form einer Scheibe mit einer zentralen Eindellung und einem Durchmesser von 7–8 µm. Sehr junge Erythrozyten (Retikulozyten) unterscheiden sich von den älteren dadurch, dass sie noch Reste ribosomaler RNA und einiger Zellorganellen enthalten. Apropos Der Anteil der Retikulozyten an der Gesamtmenge der Erythrozyten beträgt normalerweise 0,8–2,5 %. Steigt dieser Wert stark an, weist das auf eine Erythropoese nach akutem Blutverlust oder einer Hämolyse (Auflösung oder Abbau von Erythrozyten) hin. Ein wichtiger Regulator der Erythropoese ist das Hormon Erythropoetin (EPO), das ein Glykoprotein ist. Es wird zu 90 % in der Niere und zu 10 % in der Leber gebildet. Bei Sauerstoffmangel (z. B. beim Aufenthalt in großen Höhen) kann es in den peripheren Geweben und in der Nierenrinde zu einer Hypoxie kommen, d. h., der O2-Partialdruck im arteriellen Blut nimmt ab. Daraufhin wird in der Nierenrinde vermehrt EPO synthetisiert und freigesetzt. Die Synthese wird durch einen Transkriptionsfaktor (hypoxia inducible factor, HIF) induziert. EPO regt über einen membranständigen Rezeptor die Erythropoese im Knochenmark an. Gentechnisch hergestelltes EPO wird vor allem bei Tumoranämie und Anämie aufgrund von Nierenversagen eingesetzt. Im Sport ist es ein unerlaubtes Dopingmittel. Alte Erythrozyten werden von den retikuloendothelialen Zellen in Milz, Knochenmark und Leber phagozytiert . ▶▶Funktion der Erythrozyten. Die wichtigste Aufgabe der Ery- throzyten ist der Gastransport (s. u.). Der Mensch verbraucht in Ruhe etwa 500 l Sauerstoff pro Tag. Die roten Blutkörperchen transportieren den Sauerstoff von der Lunge in die Gewebe und Kohlendioxid von den Geweben in die Lunge. aus: Endspurt Vorklinik – Biochemie 3 (ISBN 9783131534323) © 2013 Georg Thieme Verlag KG Abb. 1.1 Schema der Hämatopoese. (CFU = colony forming unit; CSF = colony stimulating factor; EPO = Erythropoetin; IL = Interleukin; TNF-α = Tumornekrosefaktor.) selbsterneuernde Stammzelle c-kit Ligand pluripotente Stammzelle myeloische Stammzelle lymphoide Stammzelle Thymus CFU-E CFU-Meg IL-3 GM-CSF IL-3 EPO IL-3 GM-CSF IL-11 GranulozytenMonozyten-CFU IL-3 EPO M-CSF Erythrozyt CFU-Eo IL-3 IL-5 GM-CSF CFU-Baso IL-2 IL-4 TNFα IL-7 IL-3 IL-4 TNFα IL-7 IL-3 G-CSF Megakaryozyt Thrombozyt Monozyt M-CSF im Gewebe neutrophiler eosinophiler B-Zelle basophiler T-Zelle Granulozyt Plasmazelle Makrophage ▶▶Stoffwechsel der Erythrozyten. Der Erythrozytenstoffwech- sel ist stark eingeschränkt, da sie weder Zellkern noch Zellorganellen besitzen. Der Stoffwechsel des Erythrozyten ist auf 2 Reaktionswege beschränkt: ▪▪die anaerobe Glykolyse zum Gewinn von ATP ▪▪den Pentosephosphatweg zur Bereitstellung von NADPH + H+ für die Regeneration von Glutathion (s. u.) Die Glucose für die anaerobe Glykolyse nimmt der Erythrozyt über den Insulin-unabhängigen GLUT1-Transporter auf. Er gewinnt pro 1 Mol Glucose 2 Mol ATP. Die Phosphoglycerat­kinase überträgt das energiereiche Phosphat vom 1,3-Bisphosphoglycerat auf ADP. Es entstehen 3-Phosphoglycerat und ATP. Über die Phosphoglyceratmutase wird der verbleibende Phosphatrest auf das C2 des Glycerats verschoben. Das Produkt ist 2-Phosphoglycerat, aus dem Phosphoenolpyruvat entsteht. Durch die Pyruvatkinase wird die Phosphatgruppe des PEP auf ADP übertragen. Es entstehen Pyruvat und ATP. Pyruvat wird durch die Lactatdehydrogenase zu Lactat reduziert. Das ATP wird vor allem für die Na+/K+-ATPase in der Erythrozytenmembran und die Glutathionsynthese benötigt (s. u.). Im Gegensatz zu anderen Zellen, die bei vollständiger Oxidation von Glucose etwa 32 ATP erzeugen, ist die Ausbeute in den Erythrozyten also deutlich niedriger. Der ATP-Gewinn im Erythrozyten liegt jedoch noch unter 2 ATP pro Glucose, da der Erythrozyt aus 1,3-Bisphosphoglyce- rat, dem Zwischenprodukt der Glykolyse, 2,3-Bisphosphoglycerat (2,3-BPG) synthetisiert (Abb. 1.2). 2,3-Bisphosphoglycerat wird nicht in 3-Phosphoglycerat umgewandelt und das ATP, das bei der Phosphoglyceratkinase-Reaktion gebildet würde, geht verloren. Das 2,3-BPG hat eine wichtige Funktion bei der O2Abgabe von Hämoglobin (s. u.). Glykolyse P Abb. 1.2 Synthese von 2,3-Bisphosphoglycerat aus dem 1,3-Bisphosphoglycerat, dem Zwischenprodukt der Glykolyse. aus: Endspurt Vorklinik – Biochemie 3 (ISBN 9783131534323) © 2013 Georg Thieme Verlag KG 7 L er n pa k e t 8 1.1 Zelluläre Bestandteile des Blutes 8 1 Blut ▶▶Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel. Die Glucose-­ 6-phosphat-Dehydrogenase (G6P-DH) ist ein Enzym des Pentosephosphatwegs, das Glucose-6-phosphat in 6-Phosphogluconolacton umwandelt. In diesem Schritt wird reduziertes NADPH + H+ gebildet. Eine Unterfunktion der G6P-DH führt zu einem Mangel an NADPH + H+. Dadurch steht weniger NADPH + H+ für die Regeneration von Glutathion zur Verfügung. Erythrozyten mit G6P-DH-Mangel sind daher empfindlicher gegen oxidativen Stress als normale Erythrozyten. Reaktive Sauerstoffspezies, deren Gehalt z. B. durch Infektionen, Einnahme bestimmter Medikamente wie Malariamittel oder nach Genuss bestimmter Nahrungsmittel wie Saubohnen (Fava-Bohnen, Favismus) ansteigt, können bei Menschen mit G6P-DH- bzw. NADPH-Mangel nicht ausreichend beseitigt werden. Die Folge sind hämolytische Krisen mit Fieber, Oberbauchschmerzen und Ikterus. Der geschädigte Erythrozyt erschwert die Entwicklung der Malariaerreger ähnlich wie bei der Sichelzellanämie. Patienten mit einem Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel haben einen gewissen Schutz gegen die schwere Form der Malaria. Dieser Schutz förderte die Verbreitung dieser Mutationen, sodass der Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel heute mit etwa 400 Mio. Merkmalsträgern die häufigste Enzymmangelerkrankung der Welt ist. Apropos Bei der Polycythaemia vera liegt eine klonale Störung in einer transformierten pluripotenten Stammzelle vor. Dadurch sind Erythropoese und Thrombopoese gesteigert. Die Folge ist ein hyperplastisches Knochenmark. Erythrozyten, Granulozyten und Thrombozyten sind im peripheren Blut vermehrt vorhanden. Durch das erhöhte Blutvolumen ist die Blutviskosität erhöht. Dadurch treten häufig Thrombosen auf, insbesondere in peripheren Gefäßen, Kopf- und Herzkranzgefäßen. Therapeutisch wird die Blutviskosität durch häufige Aderlässe erniedrigt. Die mediane Überlebenszeit beträgt 10–14 Jahre. Fazit – Das müssen Sie wissen –– ! Erythropoetin ist ein Glykoprotein. –– ! Seine Synthese wird durch den Transkriptionsfaktor HIF (hypoxia inducible factor) induziert. –– !! Die Hauptaufgabe der Glykolyse in den Erythrozyten ist die Synthese von ATP. –– ! Die Glucose gelangt über den Insulin-unabhängigen GLUT1 in den Erythrozyten. –– !! Ein Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel führt zur einer verminderten Produktion von NADPH. –– ! Erythrozyten mit G6P-DH-Mangel sind empfindlicher gegen oxidativen Stress als normale Erythrozyten. –– ! Thrombopoetin wird hauptsächlich in der Leber gebildet. 1.1.3 Leukozyten 1.2 Hämoglobin Leukozyten sind die Zellen der Immunabwehr. Sie werden in Granulozyten, Lymphozyten und Monozyten eingeteilt. Insgesamt machen sie nur etwa 1 % der zellulären Bestandteile des Blutes aus. Sie werden im Kap. 2 besprochen. Hämoglobin ist das wichtigste Hämprotein im Blut und macht einen großen Bestandteil des Blutes aus: Ein Erythrozyt besteht zu 34 % aus Hämoglobin, aus Wasser (65 %) sowie Enzymen und anderen Proteinen (1 %). Hämoglobin ist ein tetrameres Protein mit einer relativen Molekülmasse von 64 000 (Abb. 1.3). Jede der vier Proteinketten, die durch nicht kovalente Kräfte zusammengehalten werden, hat eine Hämgruppe gebunden. Das häufigste Hämoglobin beim Erwachsenen ist das Hämoglobin A1 (HbA1, A für adult); es besteht aus 2 α- und 2 β-Ketten (α 2β2). Das fötale Hämoglobin (HbF) ist dagegen aus 2 α- und 2 γ-Ketten aufgebaut (α 2γ2). HbF hat eine größere Sauerstoffaffinität als HbA1 und kann ihm daher den Sauerstoff abnehmen, wodurch die Sauerstoffversorgung des Fötus verbessert wird. Außerdem bindet der Regulator 2,3-Bisphosphoglycerat (s. u.) schwächer an HbF als an HbA1, was ebenfalls den Sauerstoffübertritt von der Mutter zum Fötus erleichtert. Ein weiteres Hämoglobin, das in geringer Menge beim Erwachsenen vorkommt, ist das Hämoglobin A 2 (HbA 2, α 2δ2). 1.1.4 Thrombozyten 1 µl Blut enthält 140 000–450 000 Thrombozyten. Ihre Lebensdauer beträgt ca. 8–10 Tage. Sie sind etwa 2–3 µm groß. Thrombozyten entstehen durch Abschnürung von Megakaryozyten im Blut. Stimuliert wird die Bildung durch Thrombopoetin, ein Hormon, das hauptsächlich in der Leber gebildet wird. Sie enthalten keinen Zellkern, besitzen aber einige Mitochondrien und Lysosomen. Thrombozyten verfügen somit über mitochondriale DNA und enthalten in ihrem Zytoplasma stabile RNA, sodass sie eigene Proteine herstellen können. Thrombozyten können über die Glykolyse, den Citratzyklus und die Atmungskette Energie gewinnen. Sie besitzen außerdem sog. Granula. Diese enthalten verschiedene Effektorsubstanzen (Tab. 1.1), die bei der Blutstillung (S. 18) eine wichtige Rolle spielen. Tab. 1.1 Die Inhaltsstoffe der Thrombozytengranula. Inhaltsstoff Funktion ADP Aktivierung und Aggregation Serotonin Vasokonstriktion von-Willebrand-Faktor Adhäsion an Kollagen Fibronectin Adhäsion an Gewebezellen Gerinnungsfaktoren Unterstützung der Thrombusbildung Plättchenfaktor 4 chemotaktisch für Granulozyten PDGF (platelet-derived growth factor) Vasokonstriktion, mitogen auf glatte Muskelzellen Abb. 1.3 Struktur des Hämoglobins A1. aus: Endspurt Vorklinik – Biochemie 3 (ISBN 9783131534323) © 2013 Georg Thieme Verlag KG 1.2.1 Glykiertes Hämoglobin 1.2.2 Hämgruppe In einem als Glykierung bezeichneten Prozess werden an die N-terminalen Enden der β-Ketten im HbA1 nicht enzymatisch verschiedene Kohlenhydrate angehängt, sodass HbA1C entsteht. Bei einem normalen Erwachsenen liegen 5–7 % des Hämoglobins glykiert vor. Apropos Der HbA1C-Wert steigt bei erhöhter Blutglucosekonzentration und charakterisiert als „Blutzuckergedächtnis“ den Blutzuckergehalt eines Patienten in den letzten Wochen. Der HbA1C-Wert dient dem Arzt als Kontrollparameter zur Einstellung eines Diabetespatienten. Die Hämgruppe (das Häm) ist die prosthetische Gruppe des Hämoglobins (und des Myoglobins, s. u.). Grundbaustein ist ein Porphyringerüst , das aus vier untereinander über Methinbrücken (-CH=) verbundenen Pyrrolringen besteht (Tetrapyrrolringsystem), die verschiedene Seitenketten tragen. Über die vier Stickstoffatome in der Mitte des Ringsystems ist ein zweiwertiges Eisenatom (Fe2+) komplex gebunden. An dieses Eisenatom kann ein Sauerstoffmolekül (O2) angelagert werden, ohne dass sich die Wertigkeit des Eisens ändert. Es handelt sich also nicht um eine Oxidation. Fazit – Das müssen Sie wissen Biosynthese des Häms –– ! Die relative Molekülmasse des tetrameren Hämoglobins ist 85 % des Häms werden im Knochenmark synthetisiert. Zudem kann Häm auch in der Leber gebildet werden. Wie beim Harnstoffzyklus läuft die Biosynthese in zwei verschiedenen Kompartimenten der Zelle ab. Beginn und Ende der Hämbiosynthese 64 000. –– !! HbA entsteht durch nicht enzymatische Glykierung von 1C HbA. Mitochondrium 8 Succinyl-CoA COO COO 8 CoA 8 CO 2 CH 2 CH 2 CH 2 O COO 4 × 2 H 2O CH 2 CH 2 δ -AminolävulinatSynthase [PALP] NH 3 1 C CoA COO 8 Glycin C O PorphobilinogenSynthase CH 2 NH 3 2 8 δδ-Aminolävulinat CH 2 CH 2 CH 2 C H2C C NH 3 C N CH H 4 Porphobilinogen negative Feedback-Hemmung V COO 3 Porphobilinogen-Desaminase Uroporphyrinogen-I-Synthase Uroporphyrinogen-III-Cosynthase M M V N A 4 NH 4 N P A A B P C A NH HN Fe N N M M P A P Fe2 V 2H 6H M V M V N N A Protoporphyrinogen-Oxidase HN M UroporphyrinogenDecarboxylase 4 CO 2 7 M NH NH HN P P Uroporphyrinogen III Häm Ferrochelatase D 6 M M D 2 H 2O 2 CO 2 M NH HN NH HN B M P M A B P C M Koproporphyrinogen-Oxidase C M P P Protoporphyrinogen IX P P Protoporphyrin IX O2 V 5 M 4 D NH HN NH HN P P Koproporphyrinogen III COO Reste: COO CH 2 CH 2 CH 2 CH 2 CH 3 CH A P M V Acetat- Propionat- Methyl- Vinyl- Abb. 1.4 Hämbiosynthese. (Zu den Schritten 1–7 siehe Text.) aus: Endspurt Vorklinik – Biochemie 3 (ISBN 9783131534323) © 2013 Georg Thieme Verlag KG 9 L er n pa k e t 8 1.2 Hämoglobin 10 1 Blut finden im Mitochondrium statt, einige Zwischenschritte erfolgen im Zytosol (Abb. 1.4): ▶▶1. δ-Aminolävulinat-Synthase-Reaktion. Die Porphyrinsyn­ the­ se beginnt mit Glycin und Succinyl-CoA , aus denen im Mitochondrium PALP-abhängig δ-Amino-β-ketoadipat entsteht, das spontan zu δ-Aminolävulinat decarboxyliert. Die δ-Aminolävulinat-Synthase (auch 5-Aminolävulinat-Synthase genannt) ist das Schlüsselenzym der Hämbiosynthese. Porphobilinogen-Synthase-Reaktion. δ-Aminolävulinat gelangt vom Mitochondrium ins Zytosol. Durch die Porphobilinogen-Synthase werden zwei Moleküle δ-Aminolävulinat zu einem Molekül Porphobilinogen verbunden. Das Porphobilinogen enthält bereits den Pyrrolring. ▶▶2. ▶▶3. Porphobilinogen-Desaminase- und PhosphobilinogenIsomerase-Reaktion. Vier Moleküle Porphobilinogen werden in zwei Schritten durch die Porphobilinogen-Desaminase und die Phosphobilinogen-Isomerase unter Abspaltung von vier NH2-Gruppen zu Uroporphyrinogen III zusammengebaut. Die Synthese eines Moleküls Uroporphyrinogen III benötigt acht Glycinmoleküle und acht Succinyl-CoA-Moleküle. ▶▶4. Uroporphyrinogen-Decarboxylase-Reaktion. Die vier Ace- tatreste von Uroporphyrinogen III werden durch die Uroporphyrinogen-Decarboxylase zu Methylresten decarboxyliert. Es entsteht Koproporphyrinogen III, das über einen Transporter in das Mitochondrium zurückkehrt. ▶▶5. Koproporphyrinogen-Oxidase-Reaktion. Die Propionatsei- tenketten des Koproporphyrinogens werden durch die Koproporphyrinogen-Oxidase zu Vinylresten decarboxyliert und dehydriert. Produkt der Reaktion ist Protoporphyrinogen IX . An diesem Punkt sind die Seitenketten des späteren Häms fertiggestellt; die beiden abschließenden Reaktionen modifizierten nur noch das Innere des Tetrapyrrols. ▶▶6. Protoporphyrinogen-Oxidase-Reaktion. Durch Dehydrierungsreaktionen im Tetrapyrrolringsystem entsteht aus Protoporphyrinogen IX der direkte Hämvorläufer Protoporphyrin IX. ▶▶7. Ferrochelatase-Reaktion. Im letzten Schritt wird durch die Ferrochelatase das zweiwertige Eisen eingefügt. ▶▶Porphyrien. Diese Erkrankungen beruhen auf einer Störung der Hämbiosynthese. Meist liegt diesen Erkrankungen ein angeborener Enzymdefekt zugrunde. Bei einer Porphyrie wird das Endprodukt Häm vermindert gebildet . Die δ-AminolävulinatSynthase unterliegt keiner Feedback-Hemmung mehr, wodurch die Enzymaktivität erhöht ist. Je nach Enzymdefekt akkumulieren unterschiedliche Porphyrine, die in die Gewebe übertreten. Durch diese Akkumulation der Porphyrine treten neurologische Symptome und Hauterscheinungen wie eine erhöhte Fotosensibilität der Haut, teilweise mit Tumorentwicklung, auf. Die häufigsten Formen der Porphyrien sind die akute intermittierende Porphyrie mit einem Porphobilinogen-DesaminaseMangel und die Porphyria cutanea tarda mit einem Uroporphyrinogen-Decarboxylase-Mangel. Regulation der Hämbiosynthese Die Hämbiosynthese wird auf der Stufe der δ-AminolävulinatSynthase reguliert. Häm selbst hemmt das Enzym über einen negativen Feedback-Mechanismus allosterisch. Zudem kann Häm die Synthese der δ-Aminolävulinat-Synthase unterdrücken. Hämabbau Alte Erythrozyten werden von den Zellen des retikuloendothelialen Systems (RES) in Milz, Knochenmark und Leber phagozytiert und abgebaut. Hämoglobin, das bei einer Hämolyse außerhalb von Milz, Knochenmark und Leber freigesetzt wird, bildet mit Haptoglobin, einem Glykoprotein des Blutplasmas, einen Komplex , der von der Leber aufgenommen wird. Dort wird das Hämoglobin zunächst in den Globin- und den Hämanteil zerlegt. Das Globin wird vollständig zu den entsprechenden Aminosäuren abgebaut (Abb. 1.5). Lerntipp Der Hämabbau ist ein beliebtes Prüfungsthema, es werden viele Fragen dazu gestellt. Schauen Sie sich genau an, welche Produkte (insbesondere direktes und indirektes Bilirubin) wo entstehen und welche Eigenschaften sie haben. Das rote Häm wird im ersten Schritt seines Abbaus, bei dem die Hämoxygenase den Tetrapyrrolring des Häms an einer Methinbrücke öffnet, in grünes Biliverdin umgewandelt. Die Hämoxy­ genase ist eine Monooxygenase, die zur P450-Superfamilie gehört. Diese Reaktion findet in den Zellen des retikuloendothelialen Systems statt und ist O2- und NADPH + H+-abhängig. Dabei werden u. a. Eisenionen und Kohlenmonoxid (CO) freigesetzt. Das Eisen steht für den Einbau in ein neues Hämmolekül zur Verfügung, das CO wird ausgeatmet. Durch die Biliverdinreduktase wird Biliverdin in orangefarbenes Bilirubin verwandelt, das zwei Propionylgruppen mit zwei Carboxylresten enthält und nur schwer wasserlöslich ist. Das Bilirubin (unkonjugiertes, sog. indirektes Bilirubin) verlässt das RES und wird an Albumin gebunden zur Leber transportiert. Die sich ändernde Farbe eines „blauen Fleckens“ (Häm­ a­ tom) macht diese Abbaureaktion deutlich: ▪▪Zuerst erscheint ein blauer Fleck durch „normales“ Desoxyund Methämoglobin, ▪▪anschließend verfärbt sich der Fleck grün (Biliverdin) und ▪▪schließlich erscheint er gelb-orange (Bilirubin). Das indirekte Bilirubin wird in die Leber aufgenommen, wo die Ausscheidungsform des Bilirubins gebildet wird. Dazu wird einer oder beide freien Carboxylreste der Propionylgruppen des Bilirubins durch die Glucuronosyltransferase mit Glucuronsäure verestert (konjugiert). Produkt dieser Glucuronidierung ist Bilirubinmono- bzw. -diglucuronid (Mono- bzw. Diglucuronidylbilirubin; konjugiertes, sog. direktes Bilirubin), das eine höhere Wasserlöslichkeit als Bilirubin besitzt und ausscheidungsfähig ist. Das direkte Bilirubin wird in einem aktiven Transportprozess in die Galle abgegeben. Da dieser Transportprozess gegen einen Konzentrationsgradienten stattfindet, ist er der geschwindigkeitsbestimmende Schritt des gesamten Hämabbaus. Das Bilirubin gelangt über die Galle in den Darm und wird dort weiter zu den farblosen Produkten Stercobilinogen und Urobilinogen abgebaut. Diese gelangen zu 20 % über den enterohepatischen Kreislauf zurück zur Leber. Die restli- aus: Endspurt Vorklinik – Biochemie 3 (ISBN 9783131534323) © 2013 Georg Thieme Verlag KG 1.2 Hämoglobin Abb. 1.5 Hämabbau. retikuloendotheliales System rotes Häm alter Erythrozyt Globin Fe2⊕ Abbau 3 NADPH + H⊕ Wiederverwertung 3 O2 Hämoxygenase 3 NADP⊕ Blut 3 H 2O CO Bilirubin grünes Biliverdin Albumin indirektes Bilirubin NADPH + H⊕ Biliverdinreduktase Leber NADP⊕ Bilirubin orangefarbenes Bilirubin 2 UDPGlucuronat Glucuronosyltransferase 2 UDP Darm Bilirubindiglucuronid = direktes Bilirubin Bilirubindiglucuronid Niere Gallenblase Urobilinogen bei starkem Abbau von Häm Stercobilinogen Stercobilin enterohepatischer Kreislauf 20% Urobilinogen Urobilin 20% Fäces (orangegelbe Farbe durch Stercobilin und Urobilin) Urin chen 80 % werden weiter in die orangegelben Gallenfarbstoffe Stercobilin bzw. Urobilin verwandelt, die den Fäzes ihre Farbe geben. Bei starkem Hämabbau wird Urobilinogen zudem über die Niere ausgeschieden. Bei Kontakt mit Sauerstoff oxidiert das Urobilibogen zu Uroblin und färbt dadurch den Urin dunkel. Apropos Der Neugeborenenikterus ist eine Sonderform des Ikterus. Er tritt bei fast allen Neugeborenen zwischen dem 2. und 6. Lebenstag auf, weil physiologisch mehr Bilirubin anfällt und die Aktivität der UDP-Glucuronosyltransferase noch nicht voll entwickelt ist, sodass das Bilirubin nur unzureichend konjugiert wird. ▶▶Hyperbilirubinämie (Ikterus). Ein erhöhter Bilirubinspiegel Fazit – Das müssen Sie wissen (Normwert Gesamtbilirubin) führt zur über Gelbfärbung der Skleren und der Haut (Gelbsucht, Ikterus). Die Gelbsucht kann verschiedene Ursachen haben: ▪▪prähepatischer (hämolytischer) Ikterus: Hyperbilirubinämie hauptsächlich durch Hämolyse mit vermehrtem Häm­ abbau; vor allem die Blutplasmakonzentration des indirekten (unkonjugierten) Bilirubins ist erhöht, da die Konjuga­ tionskapazität der Leber überschritten wird. ▪▪intrahepatischer Ikterus: Er beruht auf einer Leberschädigung (Hepatitis, Leberzirrhose) mit eingeschränktem Bilirubinabbau; die Blutplasmakonzentration des indirekten oder auch des direkten Bilirubins kann erhöht sein. ▪▪posthepatischer Ikterus: Die Blutplasmakonzentration des direkten Bilirubins steigt, da der Abfluss von Gallenflüssigkeit gestört ist (z. B. Gallengangsstein). 2 mg·dl–1 1 mg·dl–1 –– !! Glycin und Succinyl-CoA sind Bausteine der Hämsynthese. –– ! Die δ-Aminolävulinat-Synthase ist PALP abhängig. –– ! Die erhöhte Fotosensibilität der Haut, die teilweise als Symptom einer Porphyrie zu beobachten ist, entsteht durch die Akkumulation von Porphyrinen in der Haut. –– ! Häm wird im Blutplasma an Haptoglobin gebunden. –– ! Die Hämoxygenase öffnet den Tetrapyrrolring des Häms. –– !! Beim Hämabbau entsteht neben Biliverdin und Eisenionen auch Kohlenmonoxid (CO). –– ! Bei der Häm-Oxygenase-Reaktion wird CO frei. –– ! Ein blauer Fleck entwickelt sich analog den Hämoglobinabbauprodukten: erst blau (Desoxy- und Methämoglobin), dann grün (Biliverdin), dann gelb-orange (Bilirubin). aus: Endspurt Vorklinik – Biochemie 3 (ISBN 9783131534323) © 2013 Georg Thieme Verlag KG L er n pa k e t 8 Häm aus anderen Hämproteinen 11