Diabetisches Fuss-Syndrom Dr. med. Jürg Knaus Dr. med. Peter Nussbaumer Chirurgie FMH Gefässchirurgie EBSQ www.spital-lachen.ch SPITAL LACHEN IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Definition • Fussläsion beim diabetischen Patienten, unabhängig von der Ursache SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Epidemiologie • 25% aller Diabetiker entwickeln im Laufe des Lebens ein Ulkus • Bei jedem 5. ist im Verlauf eine Minor- oder MajorAmputation notwendig (ca. 1000 Amputationen/Jahr) • 35% der Patienten sind nach einer grossen Amputation nicht mehr in der Lage, den Alltag ohne fremde Hilfe zu meistern • Signifikante Kosten!!! SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Einteilung nach Wagner Stadiu m Modifikation* Grad 0 Läsion Komplikation Begleitent -zündung Deformation, Hyperkeratose keine keine Grad 1 A/B oberflächliche Läsion Grad 2 A/B tiefe Ulzeration Knochen, Sehnen od. Gelenkkapsel mässig Grad 3 A/B tiefe Ulzeration Abszess oder Osteomyelitis erheblich A/B Gangrän der Zehen od. des Vorfusses Abszess oder Osteomyelitis mit / ohne A/B Gangrän gesamter Fuss Grad 4 A = ohne PAVK; B = mit PAVK * Modifikation nach Harkless www.spital-lachen.ch SPITAL LACHEN IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Wagner Grad 1 und 2 SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Wagner Grad 4 SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Pathogenese • viele, einander überlappende Faktoren führen zur Entstehung der diabetischen Fussläsion – Neuropathie – Durchblutungsstörung (makro / mikro) – Infektion • die Ätiologie lässt sich dabei meist nicht eindeutig abgrenzen, Mischformen sind die Regel SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Pathophysiologie • Repetitiver, moderater Stress auf den neuropathischen Fuss • Fehlen von Schutzmechanismen – „lack of the gift of pain“ • unphysiologische Druckbelastung durch anatomische Veränderungen des Fuss-Skelettes SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Neuropathie • die periphere Neuropathie findet sich bei > 80% der Diabetiker mit Fussläsionen • Hauptfaktor: Minderperfusion peripherer Nerven Sauerstoffmangel SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Neuropathie • Motorische Neuropathie Muskelatrophie des Fussgewölbes veränderte Statik unphysiologische Druckbelastung • Sensorische Neuropathie Sensibilitätsverlust Unphysiologische Drucke werden nicht erkannt fehlende Schmerzen, keine Lageänderung hoher Plantardruck Minderperfusion Ulzera • Autonome Neuropathie Fehlende Befeuchtung Trockenheit Kallus- und Fissurbildung SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Neuropathie Filament-Test SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Durchblutungsstörung • Durchblutungsstörung bei > 50% der Diabetiker nach 10 bis 15 Jahren • Ulkus = Zeichen einer chronisch-kritischen Minderdurchblutung der Extremität – Ruheschmerz – Schmerzmittel > 2 Wochen – Knöchelarteriendruck < 50 mmHg – Zehenarteriendruck < 30 mmHg • gestörte Mikrozirkulation Minderdurchblutung trotz tastbarerPulse SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Unterscheidung Neuropathie Durchblutungsstörung Haut warm, rosig, trocken, schuppig, Ödemneigung kalt, zyanotisch, atroph Lokalisation druckbelastete Stellen Ende der Gliedmassen Sensibilität eingeschränkt unauffällig Pulse (meistens) tastbar nicht tastbar Knochen deformiert normale Struktur therapeutische Konsequenz Entlastung Verbesserung der Durchblutung SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Infektion • die Mehrzahl der diabetischen Fussläsionen werden nicht vom Patienten bemerkt • die klassischen Entzündungszeichen fehlen häufig • Schmerzen fehlen wegen der Neuropathie auch bei tiefen Infektionen • wichtig: neu schwer einstellbarer Blutzucker • wird oft erst bei einer Sepsis entdeckt SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Infektion • die Tiefe der Infektion ist prognostisch wichtig («probe to bone») • Röntgenaufnahmen sind in der frühen Phase wenig hilfreich SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Ursachen • häufigster Auslöser für die initiale Läsion ist das Schuhwerk! – – – – zu eng Riemen zu fest angezogen Zehenwülste bei „Gesundheitsschuhen“ Aufrauhungen • Lokale Verletzungen – Sturz, Wärmeflaschen, Kratzen – Fusspflege SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Fallbeispiel (57j, Mann) März 2012 Okt. 2013 Nov. 2013 SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Fallbeispiel (57j, Mann) April 2014 Jan. 2015 SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Inspektion / Palpation Fussform Frakturen bei Charcot-Fuss, Fremdkörper Hautinspektion trocken/rissig, interdigital, Druckstellen, beginnende Läsionen, Entzündungszeichen, Ödem Schuhversorgung Inspektion der Schuhe ist Pflicht! Durchblutung Fusspulse, ABI, (Oszillographie, Zehendruckmessung) Neurologischer Status Monofilamenttest, Reflexstatus, Vibrationstest SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Ultraschall / Duplexsonographie nicht invasiv Morphologie und Funktion untersucherabhängig zeitaufwändig SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Angiographie reproduzierbar Kontrastmittel ist nierenschädigend invasiv SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Magnetresonanz(MR)-Angiographie nicht invasiv Engstellen werden überschätzt nephrogene systemische Fibrose SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Therapie • • Identifikation von Risikopatienten rasche Behandlung der Infektion – – – • • Beseitigung der Ischämie Adäquate Wundbehandlung – • inkl. Entlastung (z.B. TCC) Beseitigung der chronischen Druckschädigung – • Debridement Antibiotika Ruhigstellung Schuhwerk(!) / Orthopädietechniker (evtl. fusskorrigierende Chirurgie) SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Identifikation von Risikopatienten • Vorbeugen ist besser als heilen! • Kardiovaskuläre Risikofaktoren behandeln – Bluthochdruck, Blutfette, Diabetes • Statine auch bei normalem Cholesterin (verhindern Fortschreiten der Arteriosklerose) • Nikotinabstinenz! SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Primärprävention • Patientenbildung • Jährliche Beurteilung durch Fachpersonal – Neuropathie – Durchblutung – Fussdeformitäten • Beurteilung und Beratung von Schuhwerk • Korrekte Schuh- und Einlagenversorgung mit Ziel: Vermeidung von Druckstellen! www.spital-lachen.ch SPITAL LACHEN IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Identifikation von Risikopatienten • Vorbeugen ist besser als heilen! • Kardiovaskuläre Risikofaktoren behandeln – Bluthochdruck, Blutfette, Diabetes-Einstellung • Statine auch bei normalem Cholesterin (verhindern Fortschreiten der Arteriosklerose) • Nikotinabstinenz! SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Identifikation von Risikopatienten • Vorbeugen ist besser als heilen! • Kardiovaskuläre Risikofaktoren behandeln – Bluthochdruck, Blutfette, Diabetes • Statine auch bei normalem Cholesterin (verhindern Fortschreiten der Arteriosklerose) • Nikotinabstinenz! SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Identifikation von Risikopatienten • Vorbeugen ist besser als heilen! • Kardiovaskuläre Risikofaktoren behandeln – Bluthochdruck, Blutfette, Diabetes • Statine auch bei normalem Cholesterin (verhindern Fortschreiten der Arteriosklerose) • Nikotinabstinenz! SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Infekttherapie Infekt = Fuss- und lebensbedrohender Faktor • Symptome – – – – – Schwellung Verhärtung (Induration) Farbveränderung (hell-/dunkelrot, braungräulich) Schmerz eitrige Sekretion SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Infekttherapie Infekt = Fuss- und Lebensbedrohender Faktor • Symptome – – – – – Schwellung Verhärtung (Induration) Farbveränderung (hell-/dunkelrot, braungräulich) Schmerz eitrige Sekretion SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Infekttherapie Infekt = Fuss- und Lebensbedrohender Faktor • Symptome – – – – – • Schwellung Verhärtung (Induration) Farbveränderung (hell- dunkelrot, braungräulich) Schmerz eitrige Sekretion Fieber und Leukozytose treten erst spät auf SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Infekttherapie • oberflächlicher Infekt – Antibiotika – Ruhigstellung • • Antibiotika alleine ohne Ruhigstellung bzw. Entlastung führen nicht zum Erfolg, selektionieren aber eine resistente Hautflora hohe Versagerrate ambulanter antibiotischer Therapien SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Chirurgisches Debridement Die chirurgische Revision ist • nötig für eine erfolgreiche Antibiotikatherapie • alles «tote» Gewebe muss entfernt werden • der Fuss kann nicht immer erhalten werden SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Revaskularisation • der diabetische Fuss stellt eine grosszügige Indikation zur Revaskularisation dar – kathetertechnisch – chirurgisch – kombiniert SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Kathetertechnische Revaskularisation SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Chirurgische Revaskularisation SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Adäquate Wundtherapie • regelmässiges Wunddebridement, primär mechanisch – medikamentöses Debridement nur in speziellen Situationen, da es zur Verlängerung der Wundheilung führen kann • phasengerechte feuchte Wundbehandlung SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Adäquate Wundtherapie • regelmässiges Wunddebridement, primär mechanisch – medikamentöses Debridement nur in speziellen Situationen, da es zur Verlängerung der Wundheilung führen kann • phasengerechte feuchte Wundbehandlung, V.A.C.® SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Entlastung SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Total Contact Cast (TCC) SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Fazit für die Praxis • Therapeutischer Nihilismus ist nicht angebracht! • jede Fussläsion beim Diabetiker ist ein Notfall SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Fazit für die Praxis • Therapeutischer Nihilismus ist nicht angebracht! • jede Fussläsion beim Diabetiker ist ein Notfall! SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Fazit für die Praxis Die Behandlung eines diabetischen Fusses ist eine Herausforderung an die interdisziplinäre Zusammenarbeit: „Interdisziplinäre Diabetische Fuss-Sprechstunde“ Wundfachpflege (Gefäss-)Chirurg / Orthopäde Diabetesberatung Orthopädietechniker SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Fazit für die Praxis • Die Basisbehandlung besteht in – Verhinderung chronischer Druckläsionen – adäquatem Wundmanagement inkl. Druckentlastung – Infekttherapie – Verbesserung der Durchblutung SPITAL LACHEN www.spital-lachen.ch IHR GESUNDHEITSENTRUM AM SEE Fazit für die Praxis Vorbeugen ist besser als Heilen: Die meisten Fussläsionen beim Diabetiker werden nicht vom Patienten selbst, sondern von Angehörigen, Fusspflege / Spitex / Wundambi oder vom Hausarzt entdeckt. Jeder Diabetiker sollte einmal im Jahr zur Routineuntersuchung. 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