Molekulare und zelluläre Aspekte der Embryonalentwicklung des Vertebraten-Nervensystems Fritz G.Rathjen René Jüttner Hannes Schmidt MDC [email protected] http://www.mdc-berlin.de/~devneuro/ Wichtige neurobiologische Zeitschriften: Neuron Nature Neuroscience Journal of Neuroscience Wichtige Zeitschriften mit Neurobiologie: Nature Science Cell Journal of Cell Biology Zitationen: Autor/en Erscheinungsjahr Titel Zeitschrift Band Seitenzahlen Beispiel: Yamada et al. (1991) Control of cell pattern in the developing nervous system: polarizing activity of the floor plate and notochord. Cell 64:635-647 Aufbau eines wissenschaftlichen Artikels: Titel: meist mit einer Aussage Autoren, beteiligte Institutionen Abstract (summary): 120 bis 200 Wörter, Introduction: meist eine Seite Results: mit Abbildungen und Tabellen Discussion Material and Methods References: zitierte wissenschaftl. Literatur Neuro-Lehrbücher: Kandel/Schwartz/Jessell: Neurowissenschaften, Spektrum Verlag Dudel/Menzel/Schmidt: Neurowissenschaft, Springer Verlag Reichert: Neurobiologie, Thieme Verlag Kandel/Schwartz/Jessell: Principles of neural science, McGraw-Hill Zigmond/Bloom/Landis/Roberts/Squire: Fundamental Neuroscience, Academic Press Purves/Augustine/Fitzpatrick/Katz/ LaMantia/McNamara: Neuroscience, Sinauer Associates Inc. Neuro-Lehrbücher: Martinez/Kesner: Neurobiology of Learning and Memory, Academic press Eichenbaum: The cognitive Neuroscience of memory, Oxford University Press Larry R. Squire und Eric R. Kandel: Gedächtnis – Die Natur des Erinnerns, Spectrum Verlag Christof Koch: Bewußtsein – ein neurobiologisches Rätsel, Elsevier Entwicklungsbiologische Lehrbücher: Müller/Hassel: Entwicklungsbiologie, Springer Verlag Drews: Taschenatlas der Embryologie, Thieme Verlag Gilbert: Developmental Biology, Sinauer Associates Browder/Erickson/Jeffery: Developmental Biology, Saunders College Publishing Populärwissenschaftliche Bücher zum Gehirn: Daniel L. Schacter: Wir sind Erinnerung – Gedächtnis und Persönlichkeit, Rowohlt Daniel L. Schachter: Aussetzer – Wie wir vergessen und uns erinnern, Gustav Lübbe Verlag John Kotre: Der Strom der Erinnerung – Wie das Gedächtnis Lebensgeschichten schreibt, dtv Antonio R. Damasio: Descartes`Irrtum – Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn, dtv Joseph LeDoux: Synaptic self – How our brains become who we are, Viking Das (menschliche) Gehirn • Oberfläche einer gigantischen Walnuß • Konsistenz einer reifen Avocado • das am besten geschützte Organ (Cerebrospinalflüssigkeit, Knochen) • macht ca. 3 % der Körpermasse aus, verbraucht aber im Ruhezustand ca. 20 % der Energie des Körpers Die Funktion des Gehirns im Wandel der Zeit • Früher: Kühlorgan für erhitztes Blut (Aristoteles) • Nerven sind Gänge, die eine vom Gehirn und Rückenmark sezernierte Flüssigkeit in die Peripherie bringen. • Erst Erfindung des Lichtmikroskops: zelluläre Strukturen • heute: zentrales Steuerorgan für alle willentlichen und nichtwillentlichen Bewegungen • Aufnahme, Integration und Speicherung aller sensorischen Informationen, Steuerung von Verhalten • „Sitz“ von Gefühlen, Bewußtsein, Gedächtnis und Lernen • Woody Allen: „Das Gehirn ist mein zweitwichtigstes Organ.“ Wesentliche Funktionen des Gehirns basieren auf der schnellen, präzise regulierten und komplexen Kommunikation zwischen den einzelnen Neuronen. Die Synapse • „So far as our present knowledge goes, we are led to think that the tip of a twig of the [axonal] arborescence is not continuous with, but merely in contact with the substance of the dendrite or cell body on which it impinges. Such a special connection of one nerve cell with another might be called synapse.“ • Foster und Sherrington 1897 • Von griechisch: synapsis: „festhaken, umklammern“ • Genauer zur Geschichte bei: Purves und Lichtman „Principles of neural development“ Sinauer Ass. Inc. (1985) • „Umschaltstelle für diskontinuierliche Erregungsübertragung von einem Neuron auf ein anderes oder auf ein Erfolgsorgan.“ (Pschyrembel) Die Neuronentheorie • Zelltheorie (Schleiden und Schwann, Mitte des 19. Jahrhundert): alle Organismen bestehen aus Zellen • Nervensystem wurde ausgeklammert. Camillo Golgi z. B. war Anhänger der Retikulardoktrin (Neuriten fusionieren miteinander und bilden SyncytiumPlasmodesmen-Zellketten). • Nach W. His und Santiago Ramon y Cajal: Neuronentheorie, d.h. Zelltheorie gilt auch für das ZNS. • Golgi und Cajal erhalten gemeinsam den Nobelpreis und haben noch während der laudatio eine leidenschaftliche und heftige Auseinandersetzung über Richtigkeit der beiden gegensätzlichen Theorien Retikular- vs. Neuronentheorie • A: Neurone bilden ein Syncytium und sind physisch miteinander verbunden. Axone, die in das Rückenmark projizieren, fusionieren mit Rückenmarksneuronen • B: Neurone sind unabhängige funktionelle Einheiten, die miteinander über Synapsen kommunizieren. • Lösung: Ross Harrison zeigt, daß während der Entwicklung axonale Fortsätze auswachsen und somit Axone nicht aus Fusion von Einzelzellen stammen können • Außerdem: EM (~1950) Die großen Fragen sind: • Wie arbeiten die Nervenzellen im Gehirn zusammen, um Verhalten zu erzeugen und wie werden diese Zellen ihrerseits durch die Umwelt beeinflußt? • Sind geistige Vorgänge in bestimmten Gehirnregionen lokalisiert, oder stellen sie eine kollektive und diffus verteilte Eigenschaft des gesamten Gehirns dar? • Großteil der Antworten auf zellulärer und molekularer Ebene noch nicht möglich! Populäre Fragen über das Gehirn • • • • • • • • • • • • Wie schwer ist ein menschliches Gehirn? • Wieviel Synapsen hat ein Gehirn? • wieviel Synapsen pro mm³? Wie lange muß man zählen (bei einer • Synapse pro Sekunde), um alle Synapsen eines normalen menschlichen Gehirns durchzuzählen? • Wieviel Synapsen hat eine Nervenzelle? Wie lang sind die Fortsätze pro mm³ Gehirn? • wie groß ist eine Synapse im Durchmesser? • Wie groß wäre das Gehirn, wenn 1 Synapse • = 1 cm? Wie groß ist ein Nervenzellkörper? • Wie dick ist ein Fortsatz? • Ist das Gehirn von Mann und Frau • unterschiedlich groß - warum/nicht? ca. 1,5 - 2 kg ca. 1014 Synapsen ca. 109 ca. 3 Millionen Jahre zwischen 1000 und 100.000 ca. 1 Meter ca. 0.3 µm ca. 4 km lang ca. 10-20 µm ca. 0,5 µm ja - abhängig von Körpergröße Lineare Beziehung zwischen Körpergröße und Gehirngröße Weitere Fragen zum Gehirn • Wie lang sind die Nervenfasern im Gehirn? • Wie schnell bilden sich Synapsen während der Entwicklung des Gehirns? • Wieviel des menschlichen Genoms ist notwendig für die Bildung des Gehirns während der Entwicklung? • Wieviel Neurone in einem menschlichen Gehirn? • Wieviel Gliazellen? • ca. 500.000 Kilometer • ca. 250.000 pro Minute • ca. 1/3 aller menschlichen Gene sind notwendig • ca. 1011 • ca. 1012 Das Nervensystem • ZNS – Gehirn und Rückenmark • PNS – sensorische Komponenten (bringt Informationen aus der externen und der internen Umgebung zum ZNS) – motorische Komponenten (führt Befehle des ZNS über die Skelettmuskulatur aus) • alle Komponenten entwickeln sich aus einer speziellen Struktur: dem Neuralrohr • darüberhinaus: Plakoden (ektodermale Verdickungen) Ziel der kommenden Stunden: • Wie entsteht das Neuralrohr (Neurulation) • wie entstehen aus den Vorläuferzellen im Neuralrohr die Nervenzellen und Gliazellen • wie verschalten sich die Nervenzellen • wie kommt es zu der funktionellen Unterteilung in verschiedene Bereiche des Nervensystems • in der dritten Stunde: Beispiel für Entwicklung und Funktion eines speziellen Teils des ZNS: die Netzhaut • Das Gehirn entwickelt sich über einen längeren Zeitraum hinweg als Produkt aus genetischer Information, zellulären Interaktionen, sowie dem Zusammenspiel des Organismus mit seiner Umgebung • Neben der Massenzunahme kommt es zu einer immer komplexeren zellulären Architektur Fragen: • Wie können wir ein komplexes System aus 1012 Zellen mit jeweils 10.000 Synapsen pro Zelle organisieren, wenn wir nur da 30.000 Gene zur Verfügung haben? • Wie können wir ein ca. 1,5 kg schweres Organ, das komplizierter aufgebaut ist, als alles was wir sonst in der belebten und unbelebten Natur kennen, aus einem befruchteten Ei herstellen? Abschnitte der Entwicklung eines Nervenzellverbandes • • • • • • • Neurale Induktion (Neurulation) Neurale Differenzierung Neurale Wanderung Axonales Wachstum und Wegfindung Synaptische Verschaltung Neuraler Zelltod Erfahrungsabhängige (aktivitätsabhängige) Modulation der Verschaltungen • Regeneration Zwei Haupthemen: Wie verschaltet sich das Nervensystem, d.h. wie wachsen Axonen zu ihren Zielgebieten aus ? – Molekulare Analyse des axonalen Wachstums. Wie bilden sich Synapsen ? Wie werden Synapsen moduliert ?– Molekulare der Synaptogenese. Der Wachstumskegel • Lamellipodia • Filipodia • kontraktile Filamente (Aktin und Myosin) • erkennt komplexes Molekülmuster in seiner Umgebung und kann auf Muster reagieren • dadurch gerichtetes Wachstum Eine Kombination von verschiedenen Faktoren sorgt für die richtige Orientierung des axonalen Wachstums Moleküle, die axonales Wachstum beeinflussen • Zelladhäsionsmoleküle auf anderen Zellen und Extrazelluläre Matrixmoleküle (sorgen für mechanische Adhäsion des Wachstumskegels an das Substrat und definieren Bereiche, die permissiv sind; Laminin, Integrine, Cadherine, CAMs) • diffusible Moleküle (chemotrope Faktoren; definieren anziehende und abstoßende Bereiche entlang des Wachstumsweges) Zelladhäsionsmoleküle • Interaktion zwischen Neuronen und anderen Neuronen (Faszikulation) oder zwischen Neuronen und Gliazellen • homophil oder heterophil Synaptogenese • • Umwandlung des Wachstumskegels in präsynaptische Endigung (synaptische Vesikel, Exozytosemaschinerie) gleichzeitige Differenzierung der postsynaptischen Membran (Aggregation des Neurotransmitterrezeptors und vieler anderer Moleküle) Die neuromuskuläre Endplatte • Kommunikationsstelle zwischen Motoneuron und Skelettmuskelfaser • besteht aus drei zellulären Komponenten: • Motoneuron • Muskelfaser • Schwannsche Zelle • dazu: Basalmembran