Praktische Anmerkungen zur Infektiösen Anämie des Pferdes Prof. Dr. Dr. habil. Peter Thein Zu den seit Mai dieses Jahres laufenden Untersuchungen zur Ermittlung der Ursachen des Ausbruches der Equinen Infektiösen Anämie (ETA) in NRW und ihrer weiteren Verbreitung seien einige praxisrelevante Fakten in Erinnerung gebracht. Diese Systemerkrankung der Equiden, die in Deutschland seit 1950 der Anzeigepflicht unterliegt und seit Oktober 2010 durch die neu gefasste Verordnung zum Schutz gegen die Ansteckende Blutarmut der Einhufer geregelt ist, wurde in den letzten Jahren wiederholt durch Pferdetransporte aus dem osteuropäischen Ausland, insbesondere dem endemisch verseuchten Rumänien auch nach Deutschland eingeschleppt. Hand in Hand damit konnten Unregelmäßigkeiten bezüglich der Kennzeichnungsverordnung (Equidenpass) der Einhufer als begünstigend dafür rekonstruiert werden. Die eindeutige Identifizierung aller, insbesonders importierter Pferde ist eine der Voraussetzungen, um im gegebenen Fall der EIA eine epizootiologische Rückverfolgung zu gewährleisten. Die Erregerübertragung des die Infektion/ Krankheit auslösenden Lentivirus geschieht in erster Linie über blutsaugende/ -fressende Fluginsekten, wie Bremsen, Wadenstecher usw.. Das Virus wird von diesen Insekten lediglich über kurze Entfernungen im vermehrungsfähigen Zustand übertragen, eine Virusvermehrung in diesen Insekten findet nicht statt. Hinsichtlich der auf die Virusübertragung folgenden Manifestation können drei Verlaufsformen eintreten: 1. Akute EIA 2. Chronische EIA 3. Inapparente EIA Das Problem aller drei Verlaufsformen ist, dass jede zum lebenslangen Virusträgertum führt und alle Se- und Exkrete dieser Pferde virushaltig sind. Daraus resultiert die besondere Gefahr dieser Infektionskrankheit. Die Konzentration nur auf die Weiterverbreitung der Infektion durch die Insektenübertragung allerdings kann hierbei stark einengend wirken. Während die akuten und die chronischen Verlaufsformen zu sehr unterschiedlichen klinischen Bildern führen - auf die hier nicht näher eingegangen werden kann bleiben die bis zu 80/90% asymptomatischen Virusträger ohne klinische Anzeichen die eigentliche Gefahr der Weiterverbreitung, da an ihnen individuell kein Verdacht auf Vorliegen einer EIA ausgesprochen werden wird. Bei Pferden, die Virusträger sind, wird die Infektion sowohl horizontal wie vertikal übertragen; trächtige Stuten können innerhalb aller drei Verlaufsformen abortieren oder infizierte, kranke sowie gesunde Fohlen zur Welt bringen. Letztere können sich allerdings dann über Kolostrum und Milch infizieren, da der Erreger, zusammen mit gegen ihn gerichteten Antikörpern, darüber ausgeschieden wird. Bei inapparent infizierten Pferden ist dann an EIA zu denken, wenn diese intermittierende Fieberschübe, vergesellschaftet mit einer Thrombozytopenie/ Leukopenie, erleiden. Die Inkubationszeiten sind sehr unterschiedlich und schwanken zwischen drei Wochen und drei Monaten. Gleiches gilt für die Antikörperbildung/ Serokonversion, die vergleichbare Zeit in Anspruch nimmt. In seropositiven Pferden persistiert das Virus ein Leben lang. Dies ist gemäß EIA-Verordnung auch der Grund für die dann erfolgende Tötungsanordnung. Antikörper werden offiziell im Immundiffusionstest (Coggins-Test) und den ELISA's nachgewiesen. Virus DNA und RNA ist in verschiedenen Sekreten und Plasma des antikörperpositiven Pferdes mittels PCR und RT-PCR schon früher nachweisbar als die Antikörper. Die schwierige klinische Diagnose sowie die unterschiedlichen Verlaufsformen mit Virusträgertum führen immer wieder dazu, dass EIA-Pferde entgegen den Bestimmungen der EIA-Verordnung klinisch instrumentell untersucht und auch therapiert werden, da noch nicht bekannt ist, dass sie infiziert sind. Daraus resultiert die Gefahr nicht-insekten-bedingter Weiterverbreitung der Infektion auch auf iatrogenem Weg. Daneben sind diese Pferde geeignet, über ihre virushaltigen Se- und Exkrete ihre Umgebung zu kontaminieren und auf diese Art neue Infektionsketten zu starten. Darauf sollte jeder Pferdepraktiker, insbesondere in Pferdekliniken und Gestüten vorbereitet sein, um durch möglichst schnelle Reaktion im Verdachtsfall die richtigen Schritte zur Klärung der Infektionslage unternehmen zu können. Dazu zählen auch und vor allem präventive Maßnahmen, die nicht in der EIA-Verordnung enthalten sind, für den praktischen Umgang mit dieser schweren Infektionskrankheit und ihrer Verhütung/ Kontrolle jedoch von Wichtigkeit sind. Hierbei geht es in erster Linie um Pferdekontrolle, Dokumentation, Probennahme und -rückstellung, präventive Testung auf EIA-Antikörper in besonderen klinisch/chirurgischen Fällen, aseptisches Arbeiten im OP-Bereich, gezielte Desinfektion von Instrumenten, Geräten, Räumen, Insektenkontrolle und ggf. Isolationsmaßnahmen. Als praktikable Beispiele dafür seien die folgenden 10 Punkte angeführt: 1. Bei Vorstellung unbekannter Pferde, z.B. im Rahmen einer Ankaufsuntersuchung, die Klärung der Identität und ursprünglichen Herkunft des betreffenden Pferdes anstreben. Dies auch z.B. im Fall länger zurückliegender Einfuhr nach Deutschland, speziell in Hinblick darauf, ob dieses Pferd aus einem der Endemieländer stammt. In jedem Fall empfehlenswert ist die Entnahme einer Blutprobe zur Testung auf EIA. 2. Im speziellen Fall von Pferden, die als Schlachtpferde deklariert, z.B. aus dem osteuropäischen Raum oder Südamerika eingeführt wurden, dann aber im Hobbybereich als preisgünstige Freizeitpferde auftauchen: Vorgehen wie o. a. 3. Bei Pferden mit intermittierendem, therapieresistentem Fieber: Blutentnahme → Differentialblutbild Test auf EIA. 4. Bei Klinikpatienten zum Zeitpunkt der Aufnahme eine Blutprobe ziehen, Plasma (Eppendorfgefäß) als Rückhalteprobe bei –20°C einfrieren. Damit ist im Fall der Fälle die epizootiologische Spurensuche abgesichert. 5. Im Fall chirurgischer (blutiger) Intervention höchst mögliche Asepsis, gezielte, wiederholte Desinfektion auch von Geräten wie Nasenbremse, Thermometer, Endoskop, Nasenschlundsonde usw. 6. Im Fall der Übertragung von gewonnenem biologischem Material, z.B. Knochenmark, Stammzellen usw., unerlässliche wiederholte Testung des Donors und postoperativ des Rezipienten. 7. Das gleiche gilt für Plasmaspender in Gestüten und Kliniken. Hier ist die regelmäßige, z.B. l x Jahr-Testung auf EIA anzuempfehlen. 8. Kommerziell erhältliche, homologe biologische Produkte vor Einsatz auf EIA testen, sofern diese nicht ausdrücklich als negativ vorgetestet deklariert sind. 9. Speziell in Kliniken mit internationalem Besatz Insektenkontrolle, Insektenreduktion. Vorhalten von Quarantäneboxen mit entsprechenden Eingangsuntersuchungen. 10. Das persönliche Bewusstsein dahin gehend schärfen, dass bei unklarer klinischer Symptomatik immer auch an EIA zu denken ist und die Entnahme einer Blutprobe und deren Testung zur frühest möglichen Erkennung des Vorliegens dieser Infektionskrankheit vielen anderen Pferden das Leben sichern hilft. Insgesamt soll diese Ausführung dazu beitragen, das eigene, tägliche Verhalten bezüglich der Verhinderung von Infektionskrankheiten einmal kritisch zu überprüfen und Möglichkeiten zu finden, es ggf. zu optimieren.