Heft 4/2003 Sonderdruck september 2003 P.b.b. Verlagspostamt 1040 Wien, Ersc einungsort: Wien, Zulassungsnummer: GZ 02Z032086 M Therapie der Depression bei Alzheimer-Demenz Quellenangabe: World Psychiatric Association, International Thematic Conference „Diagnosis in Psychiatry: Integratiting the Sciences“, Wien, 19.–22.06.2003 Depression bei Alzheimer-Demenz für zumindest drei Monate. Bei 18 dieser Patienten (7 männliche und 11 weibliche Patienten) im Alter zwischen 58 und 86 Jahren (mittleres Alter 77 Jahre) wurde die Behandlung mit AcetylcholinesteraseHemmern für sechs Monate mit durchschnittlich 50mg/Tag (Dosierung zwischen 25 und 100mg) Trazodon kombiniert. Nach dieser Behandlungsdauer wiesen alle mit Trazodon behandelten Patienten eine verbesserte Punktezahl auf der GDS auf, die sich von 5/15 (range 3-8) auf 4/15 (range 110) positiv änderte. Des Weiteren verschlechterte sich der mittlere MMSE-Wert nicht (19/30), im Gegensatz zu den anderen 24 Patienten, die Trazodon nicht erhielten. Ihre Punktezahl reduzierte sich von 21/30 auf 19/30. DEPRESSION SOFORT UND EFFIZIENT BEHANDELN Warum haben Sie Trazodon für die Behandlung der begleitenden Depression bei Alzheimer-Patienten ausgewählt? Die relevanten biochemischen Veränderungen im Gehirn bei Alzheimer-Patienten entstehen auf Grund von Defiziten beim cholinergen Übertragungsweg. Trazodon ist das Mittel erster Wahl bei der Behandlung der De- den kognitiven Benefit der pression bei Alzheimer-PatienAnticholinesterase-Therapie. ten, weil diese Substanz keine Überdies zeigt Trazodon keianticholinergen Nebenwirkunne Nebenwirkungen – außer gen aufweist – im Gegensatz zu eine kurzfristige Schläfrigkeit trizyklischen Antidepressiva.Es am Morgen in zwei Fällen. Jeist bekannt, dass die aktuelle ne Patienten, die mit TrazoAlzheimer-Therapie mit Chodon behandelt wurden, hatlinesteraseinhibitoren Angstzuten eine bessere Lebensquastände steigern kann und der Einsatz von Trazodon, eine ant- Trevisan: „Unser Augen- lität – ein positiver Aspekt idepressive Substanz mit anxio- merk legten wir auf die auch für die Betreuungsperlytischer Eigenschaft, daher be- nicht kognitiven Sym- sonen. sonders effektiv ist. Weiters ist ptome der Alzheimer PaWann können Sie endgülties für die Patienten-Complian- tienten, weil sie oft unge Ergebnisse vorweisen? ce sehr wichtig,nachts einen er- behandelt bleiben.“ Bis jetzt haben wir die Daten holsamen Schlaf zu haben. Gestörter oder reduzierter Schlaf kann die Agi- von 18 Alzheimer-Patienten ausgewertet. Wir erwarten, dass wir die Studie abschließen köntiertheit erhöhen. nen, sobald wir die Daten von weiteren 30 AlzWelche Aussagen über die Behandlung heimer-Patienten ermittelt haben. Ausgehend der Depression bei Alzheimer können Sie von einer konsistenten und fundierten Zahl an nach der Evaluation der ersten Patienten Fällen ist abzusehen, dass die abschließenden treffen? Ergebnisse für die Effizienz von Trazodon bei Die Ergebnisse zeigen, dass Trazodon bei der Behandlung der Depression und VerhalAlzheimer-Patienten mit einer milden tensstörungen bei Alzheimer sprechen. Form der Depression nicht nur die StimVielen Dank für das Gespräch! mungsstörungen verbessert, sondern auch Antidepressiva bei Alzheimer-Demenz Beim internationalem Kongress der Welt-Psychiatrievereinigung (WPA) Ende Juni 2003 in Wien wurde die Behandlung der Depression Symptomatische pychopharmakologische Therapie bei Alzheimer-Demenz mit Trazodon: Ein Kommentar von Univ.-Prof. DDr. Peter Fischer degenerativen Pathologie beeinträchtigt ist. Überdies verzögern eine rechtzeitige Diagnose und früher Beginn der Therapie das Fortschreiten der Demenz. bei Alzheimer-Patienten diskutiert. Einen interessanten Beitrag dazu pression müssen sofort und effizient behandelt werden, da Stimmungsstörungen die kognitive Aktivität verschlechtern. Geriatrie Praxis Österreich: Welche nicht kognitiven Begleitsymptome bei Demenzpatienten sind am häufigsten anzutreffen? Trevisan: In der frühen Phase – also zwei bis vier Jahre nach Ausbruch der AlzheimerKrankheit – leiden Patienten oft an Ängstlichkeit, Depressionen und Schlafstörungen. Diese Begleitsymptome gehen mit dem geistigen Leistungsabfall Hand in Hand. Patienten sind sich bewusst, dass „mit mir etwas passiert“. In der späteren Phase der Erkrankung sind diese nicht kognitiven Symptome von Aggression, Teilnahmslosigkeit, Wahnvorstellungen und Paranoia überlagert. seite 26 Bei unseren Untersuchungen mit Patienten mit milden bis moderaten Alzheimer-Symptomen weisen rund 40 Prozent der Fälle eindeutige Symptome einer Depression auf. Zusätzlich liegt in 30 Prozent eine Depression als subklinisches Merkmal vor. Welchen Stellenwert hat die Therapie der Begleitsymptome neben der kognitiven Standardbehandlung mit Cholinesteraseinhibitoren? Die Bedeutung der frühen Behandlung wird ersichtlich, wenn wir uns vor Augen führen, dass Stimmungsstörungen die kognitive Aktivität verschlechtern, die vor allem von der Unsere Untersuchungen zielen auf die Behandlung depressiver Verstimmungen ab, die bei Alzheimer-Patienten mit milden bis moderaten Symptomen sehr häufig vorkommen. Unser Augenmerk legten wir auf die milde Form der Depression, weil sie bei diesen Patienten unterschätzt wird und dadurch in vielen Fällen unbehandelt bleibt. Das aber hat zur Folge, dass sich die kognitive Aktivität verschlechtert. Unter den von uns untersuchten 127 Patienten mit milder bis moderater AlzheimerKrankheit fanden sich 42 Fälle mit milden depressiven Verstimmungen gemäß der „Geriatric Depression Skala“ (GDS). Alle Patienten erhielten bereits eine Behandlung mit Acetylcholinesterase-Hemmern (Rivastigmin 6mg oder Donepezil 5mg pro Tag) geriatrie praxis österreich 4/03 Foto: Foto Disc TM Psychiatrie der Universität Padova, Italien: Auch milde Formen der De- Beim internationalen Kongress der World Psychiatric Association (WPA) Ende Juni in Wien präsentierten Sie Ergebnisse Ihrer Studie „Depressive disorder in alzheimer’s disease: Trazodone therapy associated with acetylcholinesterase inhibitors“. Welches Ziel verfolgen Sie mit dieser Studie? ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG lieferte Prof. Dr. Carlo P. Trevisan von der Abteilung Neurologie und Sowohl bei Angst und depressiven Zuständen als auch bei Schlafstörungen kommen zur Therapie bei Alzheimer-Demenz in erster Linie moderne, wenig anticholinerge, Antidepressiva in Frage.Auch Agitiertheit und Aggressivität, die von Ärzten und Angehörigen beim dementen Patienten meist nicht als Symptome einer Depression gedeutet werden, sprechen auf die Therapie mit modernen Antidepressiva häufig gut an. Generell werden bei Demenz stationär und ambulant in allen Stadien der Erkrankung zu selten Antidepressiva verabreicht. Häufig erfolgreiche Antidepressiva bei nicht kognitiven Symptomen der AD sind die selektiven Serotonin-Reuptake-Inhibitoren (SSRIs), das einzige in Österreich zugelassene Antidepressivum aus der SARI Gruppe, das „Trazodon“ und der einzige zur Zeit verfügbare reversible Hemmer der Monaminoxidase-A „Moclobemid“. Die Wirkung von Trazodon, einem SARI (Serotonin 5-HT2-Antagonist und Reuptake-Inhibitor) setzt sich zusammen aus einer schwächeren Serotonin-Reuptake-Inhibition und einem potenten Antagonismus am 5-HT2A- und 5-HT2C - Rezeptor. Die 5-HT2 Blockade führt zu einer Erhöhung der serotonergen Neurotransmission am 5-HT1A Rezeptor, was zum antidepressiven und anxiolytischen Profil der Substanz beisteuert. Die Besserung von Einund Durchschlafstörungen wird auf die 5-HT2A-Rezeptor-Blockade zurückgeführt. Die angstlösende Wirkung dürfte auch auf der blockierenden Wirkung am 5-HT2C Rezeptor beruhen. In einer kleinen (n=28) randomisierten, plazebokontrollierten Doppelblindprüfung gegen Haloperidol zeigten sich 50 bis 250mg Trazodon in der Besserung der Agitiertheit bei Demenz in einer neun Wochen dauernden Verabreichung dem Halope- geriatrie praxis österreich 4/03 ridol (1 bis 5mg/die) als mindestens ebenbürtig, verursachte aber deutlich weniger Nebenwirkungen (Sultzer et al., 1997). Es sei angemerkt, dass die genaue Beobachtung des individuellen dementen Patienten häufig Hinweise darauf gibt, ob eher ein Antidepressivum (Angst,Verstimmung) oder ein Neuroleptikum (psychotische Symptome) das unspezifische Symptom der Agitiertheit bessern werden. Die Nebenwirkungen von Trazodon sind bis auf gelegentlich beobachtete Tagesmüdigkeit und den sehr seltenen Priapismus sehr gering, und es fehlen insbesonders anticholinerge Nebenwirkungen. Bezüglich der Sturzneigung alter Menschen bestehen leichte Vorteile gegenüber den SSRIs, die wiederum deutlich günstiger als die trizyklischen alten Antidepressiva abschnitten, wie in einer großen retrospektiven Studie von Purushottam et al. (1998) an über 2.000 Pflegeheimbewohnern beschrieben wurde. Als optimale Dosis gibt Salzman (2001) eine Tagesdosis beim dementen Patienten von nur 50 bis 75mg Trazodon an, wobei sicher bis zu 150mg abends dosiert werden können. Abschließend sei erinnert, dass Antidepressiva nicht die menschliche persönliche Zuwendung der Angehörigen, Pflegenden und Ärzte ersetzen können. Univ.-Prof. DDr. Peter Fischer Ludwig-Boltzmann-Institut für Altersforschung und Klinische Abteilung für Allgemeine Psychiatrie, Wien klinischen Erfahrungen mit dem SARI Trazodon: • „A Double-Blind Comparison of Trazodone and Haloperidol for Treatment of Agitation in Patients with Dementia.“ Sultzer et.al., Am. J. of Geriatr. Psych. 1997; 5: 60-69 • „Treatment of the agitation of late-life psychosis and Alzheimer’s disease“C. Salzman, Euro. Psychiatry 2001; 16 Suppl. I: 25s-8s. seite 27