Postexpositionsprophylaxe (PEP) nach sexuellem Kontakt (nonoccupational exposure) Wichtig .................................................................................................................................................................................... Kontakt und Dringlichkeit ........................................................................................................................................................ Beurteilung Infektionsrisiko ..................................................................................................................................................... Vorgehen bezüglich HIV-Risiko ................................................................................................................................................ Vorgehen bezüglich Hepatitis-Risiko ....................................................................................................................................... Beratung + Vorgehen bezüglich andere sexuell übertragbarer Infektionen (STIs) ................................................................. Blutentnahmen + Laborverordnung ........................................................................................................................................ Durchführung HIV- PEP ............................................................................................................................................................ Nachbetreuung nach Exposition ............................................................................................................................................. Literatur .................................................................................................................................................................................. Guidelines.ch - Medizinische Leitlinien für Diagnostik und Therapie 1 1 1 2 3 3 4 4 4 5 Guideline: Postexpositionsprophylaxe (PEP) nach sexuellem Kontakt (non-occupational exposure) 13.02.2017 Wichtig ■ ■ ■ ■ Die Indikationsstellung zur PEP ist eine Notfallsituation Je früher die PEP begonnen wird, desto besser wirkt sie > 48 Std nach Exposition ist eine PEP nicht mehr indiziert Auch an andere sexuell übertragbare Krankheiten denken und mittesten Kontakt und Dringlichkeit Kontakt bei Fragen ■ Konsiliardienst Infektiologie: Tel. 071 494 1122 Dringlichkeit ■ ■ ■ Notfall! Je früher der Beginn, desto besser die Wirkung: Wirksamkeit der PEP nach Exposition Nach 6-8 Stunden nimmt die Wirksamkeit bereits ab Wirksamkeit ungewiss bei Beginn > 24h Nach > 48 Stunden nicht mehr indiziert ● ● ● Beurteilung Infektionsrisiko Was ist ein Risiko? ■ ■ ■ ■ Kontakt mit Schleimhaut oder offener Wunde Körperflüssigkeit mit hoher Viruskonzentration: Blut, Sperma/Vaginalsekret HCV: sexuelle Übertragung selten, fast ausschliesslich bei Männern die Sex mit Männern haben oder bei traumatischem Sex Übertragungsrisiko im Vergleich: HBV>HIV>HCV Was ist kein Risiko? ■ ■ ■ ■ Kontakt mit intakter Haut Körperflüssigkeit mit niedriger Viruskonzentration: Speichel, Urin HIV: Unter Therapie vollständig supprimierte HI-Viruslast bei Quelle→ Risiko vernachlässigbar klein HBV: Bei Impfschutz (Anti-HBs >= 10 IU) → kein HBV-Risiko HIV-Risiko gemäss Art der Exposition (wenn Quelle HIV positiv und nicht behandelt) Art der Exposition Risiko pro Exposition Rezeptiver analer GV 1 / 200 Rezeptiver vaginaler GV 1 / 1000 Insertiver analer GV 1 / 1500 Guidelines.ch - Medizinische Leitlinien für Diagnostik und Therapie 1 Guideline: Postexpositionsprophylaxe (PEP) nach sexuellem Kontakt (non-occupational exposure) Insertiver vaginaler GV 1 / 2000 Rezeptiver oraler GV 1 / 10‘000 Insertiver oraler GV 1 / 20‘000 13.02.2017 Vorgehen bezüglich HIV-Risiko Indikation zum PEP-Start ■ ■ Vaginaler GV, analer GV, oraler GV mit Ejakulation in den Mund Vergewaltigung: Siehe Guideline PEP nach Sexualdelikt Vorgehen ■ Quelle bekannt HIV positiv → PEP-Start sofort + Rücksprache mit Dienstarzt Infektiologie Tel. 071 494 1122 Bestimmung der HIV-RNA (PCR) bei Quelle HIV-Schnelltest bei Quelle (Blut von Quelle muss so rasch als möglich auf ZNA gebracht werden) Schnelltest positiv → PEP-Start sofort + Rücksprache mit Dienstarzt Infektiologie Info von exponierter Person, dass Schnelltest falsch positiv sein kann Schnelltest negativ → keine HIV-PEP durchführen Quelle unbekannt oder sofortige Blutentnahme bei Quelle nicht möglich HIV-Infektion bei Quelle unwahrscheinlich → keine PEP (da sehr geringes Risiko) Quelle gehört einer Gruppe an mit hoher (>=10%) HIV-Prävalenz (z.B. Mann der Sex mit Männern hat (MSM), Herkunft aus Hochprävalenzland (Subsahara-Afrika) + analer oder vaginaler GV→ PEP-Start sofort (sofortige Überweisung der exponierten Person ins nächste Akutspital) wenn Exposition mehr als 48 Stunden zurückliegt ►keine HIV-PEP durchführen! ● ■ ● ❍ ● ■ ● ● ■ Art der Exposition HIV-Status der Quelle HIV positiv HIV positiv mit nicht nachweisbarer Viruslast Unbekannter HIVStatus, Gruppe mit hoher Prävalenz Unbekannter HIVStatus, nicht Gruppe mit hoher Prävalenz Rezeptiver analer GV ja ja ja nein Insertiver analer GV ja nein eventuell* nein Vaginaler GV (Mann oder Frau) ja nein eventuell* nein Ejakulation in den Mund ja nein eventuell* nein Oraler GV ohne Ejakualtion in den Mund nein nein nein nein Menschenbiss eventuell* nein eventuell* nein Nadelstichverletzung durch Fixerspritze im öffentlichen Raum - - eventuell* - Guidelines.ch - Medizinische Leitlinien für Diagnostik und Therapie 2 Guideline: Postexpositionsprophylaxe (PEP) nach sexuellem Kontakt (non-occupational exposure) 13.02.2017 * ja, wenn zusätzliche Faktoren, die das HIV-Übertragungsrisiko erhöhen, vorliegen wie z.B. Exposition im Hochrisikobereich (z.B. Schwulensauna), V.a. sexuell übertragbare Krankheit. Eine rasche Testung der Quellenperson muss immer angestrebt werden →Im Zweifelsfall sofortiger PEP-Start empfohlen. Entscheid bezüglich Weiterführung der PEP im anschliessenden Gespräch mit der Fachperson Infektiologie (siehe Nachbetreuung). Vorgehen bezüglich Hepatitis-Risiko Vorgehen HBV ■ Hat exponierte Person einen vollständigen HBV-Schutz? nein oder unsicher aktive Impfung: Engerix B20 1x i.m. (Deltoid) und Vervollständigung der HBV-Basis-Impfung Nachkontrolle HBs-Ag, Anti-HBc und Transaminasen nach 3 und 6 Monaten nein/unsicher + Quelle hat bekannte Hepatitis B zusätzlich Hep B Immunglobulin Behring (0.06 ml/kgKG) i.m. (Deltoid) ja keine Massnahmen ● ❍ ❍ ❍ ● ❍ ● ❍ Vorgehen HCV ■ Hat Analverkehr / traumatischer Sex stattgefunden? nein kein Risiko ja + Quelle HCV positiv keine PEP, aber HCV-Frühtherapie möglich ALAT-Kontrolle monatlich bis Mt 6, falls ALAT ansteigt → HCR-RNA (PCR) HCV-AK nach 3 + 6 Monaten ja + Quelle unbekannt (Annahme:HCV-Risiko gering) HCV-AK nach 6 Monaten ● ❍ ● ❍ ❍ ❍ ● ❍ Beratung + Vorgehen bezüglich andere sexuell übertragbarer Infektionen (STIs) ■ V.a. HIV-Primoinfektion (sofortige Arztkonsultation! Wenn der konsultierende Arzt den Verdacht bestätigt, bitte Rücksprache mit Konsiliardienst Infektiologie: Tel. 071 494 1122) bei: Fieber mit Hautausschlag Fieber mit Lymphknotenschwellungen Fieber mit Schleimhautveränderung im Mund Starken Kopf- und Nackenschmerzen V.a. behandlungsbedürftige Geschlechtskrankheit (Arztkonsultation!) bei: Vaginalem / urethralem Ausfluss oder Schmerzen Ulcus genital / enoral / anal Lymphknotenschwellung Hautausschlagoder Schleimhautveränderung im Mund ● ● ● ● ■ ● ● ● ● Guidelines.ch - Medizinische Leitlinien für Diagnostik und Therapie 3 Guideline: Postexpositionsprophylaxe (PEP) nach sexuellem Kontakt (non-occupational exposure) ■ ■ ■ ■ 13.02.2017 Syphilis →Eine mögliche Infektion sollte nach 3 Monaten gesucht werden (Tp-Ig oder TPPA) Chlamydien →Eine mögliche Infektion kann präventiv mit 1g Azithromycin behandelt werden Guideline-links: Allg. Aspekte STD, Syphilis, Gonorrhoe, Chlamydien, Urethritis, Genitaler Herpes Informationen zur STD Sprechstunde im KSSG Blutentnahmen + Laborverordnung Blut von Quelle ■ ■ ■ HIV-Ak/Ag falls kein Schnelltest gemacht HBsAg bei fehlendem/unbekanntem HBV-Schutz der exponierten Person HCV-AK nur wenn Analverkehr / traumatischer Sex stattgefunden hat Blut von exponierter Person ■ ■ ■ 0-Serologie HIV-Ak/Ag falls HIV-PEP gestartet wird Anti-HBs bei unklarem HBV-Schutz Durchführung HIV- PEP Abgabe 1 "Starterpackung HIV-PEP" (enthält je 2 Tabletten Truvada® und Isentress®) ■ ■ Sofort 1 Tablette Truvada + 1 Tablette Isentress einnehmen Nach 12 Stunden nochmals 1 Tablette Truvada und 1 Tablette Isentress einnehmen Bei PEP Start am Wochenende → zusätzlich Abgabe von 1 bis 2 "Überbrückungspackung(en) HIV-PEP" (enthält je Packung 2 Tabl. Truvada®), davon: ■ ■ Erste Tablette Truvada® 24 (18-26) Stunden nach PEP-Start einnehmen Anschliessend 1 Tablette Truvada alle 24 Stunden einnehmen Patienten-Informationen zur PEP ■ ■ ■ ■ Tabletten-Einnahme nüchtern oder mit dem Essen Kein Unterbruch ohne Rücksprache mit dem Infektionsspezialisten Mögl. Nebenwirkungen: Übelkeit, Bauchbeschwerden, Kopfschmerzen Keine wesentlichen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten Eine vollständige HIV-PEP dauert 4 Wochen. Indikation für Weiterführung der PEP → Rücksprache Infektiologie (siehe Nachbetreuung) Nachbetreuung nach Exposition ■ Nachbetreuung idR durch Hausarzt Serologische Nachkontrollen HIV-Test nach 3 Mt HBs-Ag, Anti-HBc und Transaminasen nach 3 und 6 Monaten bei fehlendem HBV-Impfschutz HCV-AK nach 3 und 6 Mt nur bei Risiko Ggf Vervollständigung HBV-Impfschutz ● ❍ ❍ ❍ ● Guidelines.ch - Medizinische Leitlinien für Diagnostik und Therapie 4 Guideline: Postexpositionsprophylaxe (PEP) nach sexuellem Kontakt (non-occupational exposure) ■ 13.02.2017 Falls HIV-PEP gestartet wurde →Infektiologische Sprechstunde KSSG Terminvereinbarung → Tel. 071 494 1028 Kurzbericht per e-mail an [email protected] Dort Beratung + Entscheid bezüglich Weiterführung der HIV-PEP (nächster Arbeitstag) Exponierte Person muss für Resultate (HBsAg, HCV-AK von Quelle, Anti-HBs-Titer) erreichbar sein Quelle muss für Resultate erreichbar sein ● ● ● ■ ■ Literatur ■ ■ Postexpositionelle Prophylaxe (PEP) von HIV ausserhalb des Medizinalbereiches–AG Klinik und Therapie der EKSG (SMF 2014) Benn P et al. UK guideline for the use of post-exposure prophylaxis for HIV following sexual exposure. International Journal of STD & AIDS, 22: 695-708, 2011 Verantwortlicher Autor: Dr. med. Patrick Schmid Erstellt am: 08.06.2015 Letzte Änderung: 27.12.2016 Publizierte Version: 1.0.0 Gültig für: KSSG / Infektiologie (08.07.2015, Pietro Vernazza) Guidelines.ch - Medizinische Leitlinien für Diagnostik und Therapie 5