Ergotherapie vielen Ergotherapeuten unbekannt ist. Sarah Kolb, Ergotherapeutin der Rheinischen Kliniken Langenfeld, stellt ihren Alltag vor: Sie berichtet über Hintergründe und Strukturen in der forensischen Psychiatrie, erläutert die ergotherapeutischen Angebote und beschreibt den Umgang mit ihren Patienten. enn Menschen erhebliche Straftaten begehen und sie wegen einer psychischen Erkrankung nicht oder eingeschränkt schuldfähig sind (a siehe Zusatzinformationen im Internet), ordnet das Gericht eine Unterbringung im Maßregelvollzug an [1]. 2004 erfolgte dies durchschnittlich bei 3 von 1.000 Abgeurteilten. Die Maßregel dient der Therapie und Sicherung der Patienten und damit dem Schutz der Allgemeinheit. Bedingung der Unterbringung ist, dass weitere rechtswidrige Straftaten zu erwarten sind. Außerdem muss die Dauer der psychischen Störung ein länger dauernder Zustand sein, und die Tat muss als symptomatisch für die Störung erkennbar sein. Die Unterbringungsdauer orientiert sich an den Behandlungsfortschritten. Sie ist „unbefristet“. Durchschnittlich verbringen Patienten sechs Jahre im Maßregelvollzug. Viele Patienten stammen aus unteren sozialen Schichten, dazu kommen geringe schulische Bildung und häufig Heimaufenthalte in Kindheit oder Jugend. Der Anteil der Frauen im Maßregelvollzug beträgt etwa 4,9 %, der Männeranteil entsprechend 95,1 % [2]. Im Jahr 2006 waren bundesweit 8.536 Patienten untergebracht [3]. W tion fest, auf welcher der Patient entsprechend seinen Voraussetzungen behandelt werden soll. In der Eingangsphase ist die Sicherung der Patienten baulich und personell auf hohem Niveau (a Abb. 1) und wird bei therapeutischen Fortschritten vermindert. Die Lockerungsstufen reichen von der „Ausführung im Gelände in Doppelbegleitung mit Handfesseln auf dem Rücken, eventuell zusätzliche Fußfesseln und Polizeibegleitung“, über begleiteten Ausgang zu den therapeutischen Aktivitäten bis hin zur Dauerbeurlaubung. Behandlungsphase: Motivation trotz unfreiwilliger Therapie > In der Behandlungsphase beginnt der Patient, seine Delikte und maladaptiven Verhaltensweisen aufzuarbeiten. Das geschieht vorwiegend in Einzel- oder Gruppenpsychotherapie. Der Patient soll die Straffälligkeit in seinem lebensgeschichtlichen Kontext begreifen. Mithilfe der Psychotherapeuten filtert er Faktoren heraus, die einen Rückfall begünstigen. Außerdem unterstützt ihn das Team bei „sozial erwünschten Verhaltensweisen“, beispielsweise durch Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt. arbeiten in der forensischen Psychiatrie Die Forensik ist ein Arbeitsbereich, der Homogene Behandlungsstationen > In der forensischen Abteilung der Rheinischen Kliniken Langenfeld des Landschaftsverbands Rheinland befinden sich zurzeit 158 Patienten. Neben Aufnahme- und Krisenstation und offener Reha-Station gibt es neun Behandlungsstationen, deren Belegung sich nach Diagnosen und Therapiestand richtet . Die Diagnosen entsprechen in etwa den bundesweiten Statistiken (a Kasten „Maßregelvollzug“). Für die Patienten lassen sich unabhängig von Störungsbild und Anlassdelikt drei Therapiephasen formulieren: die Eingangsphase, die Behandlungsphase und die Rehabilitationsphase. Die Dauer der Phasen, lässt sich nicht festlegen. Sie ist abhängig von vielen Faktoren: der Wirksamkeit der medikamentösen Behandlung, den Fort- oder Rückschritten des Patienten sowie seiner Compliance. Eingangsphase: psychiatrische Diagnostik > Während der Eingangsphase führt das multiprofessionelle Team eine ausführliche Diagnostik durch. Darauf baut dann die Behandlungsplanung auf. Für die Behandlungsplanung legt das Team beispielsweise die Sta- MaSSregelvollzug Diagnosen und Delikte Diagnosenverteilung im Maßregelvollzug [2] >> Persönlichkeitsstörung: 44 % >> Erkrankung des schizophrenen Formenkreises: 40 % >> hirnorganische Störung: 6 % >> geistige Behinderung: 6 % >> Suchterkrankung: 4 % Viele dieser Erkrankungen treten in Verbindung mit intellektueller Minderbegabung oder Abhängigkeitserkrankungen auf. Anlassdelikte im Maßregelvollzug [2] >> Sexual-, Tötungs- und Körperverletzungsdelikte: 62,9 % >> Erpressung: 9,8 % >> Betrug und Untreue: 2,1 % >> Straftaten im Straßenverkehr: 1,3 % ergopraxis 3-4/08 22 Hinter verschlossenen Türen Foto: S. Mugrauer Ergotherapie ergopraxis 3-4/08 Abb. 1 Der Eingangsbereich der foren­sischen Abteilung: Jeder, der zur Station will, muss diese Schleuse passieren. Sicherung hat hier einen hohen Stellenwert. Rückmeldegespräche oder Belohnungsprogramme. Alle Behandler diskutieren Fortschritte im Rahmen einer Fallbesprechung. Die Patienten befinden sich in der Regel nicht aus intrinsischer Motivation in Therapie, sondern aufgrund richterlicher Anordnung und vielfach gegen ihren Willen. Diese Konstellation der „Zwangstherapie“ schafft ein Spannungsfeld zwischen dem Patienten und dem Behandler und verkompliziert den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung als Therapiegrundlage. Wesentliche Inhalte des Behandlungskonzepts, wie eigenverantwortliches und autonomes Handeln, Verbesserung des realistischen Selbstbildes in einem entwicklungsfördernden Milieu oder Stärkung des Selbstwertgefühls, gestalten sich unter diesen Bedingungen nicht immer einfach. Weitere erschwerende Faktoren sind komorbide Störungen wie Suchtmittelmissbrauch, intellektuelle Minderbegabung sowie dissoziale Verhaltenszüge. Handlungsorientierte Programme zeigen jedoch Erfolge. Sie binden den Patienten eigenverantwortlich in die Therapie ein und lassen ihm Gestaltungsmöglichkeiten. Beispiele dafür sind Rollenspiele, Wahrnehmungsübungen und Verhaltensproben. Die Programme entsprechen dem Lernstil des Patienten und haben eine kognitiv-behaviorale Ausrichtung. Außerdem ist es wichtig, dass sie kriminogene, das heißt verbrechensauslösende Merkmale thematisieren [4]. Das Stationsmilieu hat ebenfalls eine relevante therapeutische Funktion: Homogene, nach Diagnosen unterteilte Wohneinheiten sollen den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Patienten entsprechen. Des Weiteren müssen Regeln kommuniziert werden. Diese sollten klar und eindeutig sein, und jeder Patient und Behandler muss sie konsequent einhalten. Ein Patient hat zwei Bezugspfleger, die Ansprechpartner für aktuelle Anliegen sind. In dieser Phase sind das Training von sozialen Kompetenzen, Psychoedukation, Angehörigenarbeit, Sporttherapie, Ergotherapie und auch Schulunterricht wichtige Therapien. Der Schulunterricht ist individuell und sehr unterschiedlich. Einige Patienten sind Analphabeten und lernen das Lesen und Schreiben, andere nutzen den Unterricht, um Schulabschlüsse nachzuholen. Natürlich werden die Ressourcen des Patienten auch auf Station gefördert. Ein Beispiel dafür ist, die Verantwortung für ein Kleintier zu übernehmen. Rehabilitationsphase: zunehmend mehr Eigenverantwortung > In der Rehabilitationsphase orientiert sich der Patient schrittweise nach außen, um seine Fortschritte im geschützten Rahmen auch dorthin zu übertragen. Zum Beispiel wohnt er auf einer offenen Rehabilitationsstation, oder er erhält Tagesurlaub und Wochenendurlaub. Diese Nachsorge zu planen und durchzuführen, gehört zu den letzten Schritten im Maßregelvollzug. Ergotherapie hinter verschlossenen Türen > Die Ergotherapie ist ein Teil des Behandlungskonzeptes der forensischen Abteilung, in der ich seit 2004 als Ergotherapeutin arbeite. Meine Patienten sind hauptsächlich Menschen mit Persönlichkeitsstörung und Intelligenzminderung. Je nach Indikation kommen die Patienten für 45 Minuten zur ergotherapeutischen Einzeltherapie oder zur 90-minütigen Gruppentherapie. Die Obergrenze der Gruppenstärke liegt bei sechs Patienten. Im ersten Kontakt bespreche ich mit dem Patienten seine Ziele und seine Problematik. Bevor die ergotherapeutische Behandlung beginnt, erfahre ich durch ihn und auch durch das Team mehr über seine Schwierigkeiten und seine Möglichkeiten. Dann gestalte ich mit ihm das weitere Vorgehen. Meine Woche beginnt mit einer Gruppentherapie. Vier Pfleger begleiten Patienten zu den gesicherten Räumen der Ergotherapie. Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt. 23 Abb. 2 Werkstück eines Patienten: Über das Medium Ton beschreibt er, was verbal zunächst nicht möglich ist – eine Figur verdeutlicht Gefühle. Die Auseinandersetzung mit sich > Ich arbeite mit Herrn Becker Die Pfleger nutzen den Kontakt, um mir aktuelle Informationen weiterzugeben und verabschieden sich dann. Die Tür schließe ich hinter den Männern ab. Sie beachten das Zuschließen nicht, scheinbar Routine auf beiden Seiten? Nein, Routine trifft es nicht, denn Routine macht unaufmerksam. Aber man gewöhnt sich an dieses Abschließen; ich habe zu Hause schon wie selbstverständlich meine Schwester eingeschlossen. Die Patienten zeigen mir den Inhalt ihrer Taschen – beispielsweise Kaffee für eine kleine Pause. Sie richten ihre Arbeitsplätze in einem der zwei Werkräume ein. Der größere Raum ist mit Hobelbank und Werktischen, Standbohrmaschine und Decoupiersäge sowie Materialschränken und einem abschließbaren Werkzeugschrank ausgestattet. Erst zu Beginn der Therapie öffne ich diesen, und die Männer entnehmen die benötigten Utensilien. Alle Werkzeuge sind abgezählt und derart angeordnet, dass fehlende Stücke sofort auffallen. Jeder Patient hat ein eigenes Fach in einem Regal, in dem er seine begonnenen Werkstücke lagert. Die Auswahl der Tätigkeiten geschieht zum Teil auf Vorschlag der Patienten, teilweise regen die zuständigen Psychotherapeuten oder Psychiater Themen oder Ausdrucksformen an. Ich bespreche mit Patienten Projekte, die sich anbieten, um diese Themen zu bearbeiten. Fall: Herr Becker > Als Beispiel meiner Arbeit beschreibe ich einen Patienten, mit dem ich seit circa einem Jahr arbeite. Im letzten Gutachten formulierte der Psychiater die Diagnose: „Persönlichkeitsstörung mit ängstlich-vermeidenden, antisozialen und Borderline-Anteilen“, eine rezidivierende depressive Störung und multiple Paraphilien. (Paraphilien bedeuten abweichendes Sexualverhalten wie Exhibitionismus und transsexueller Fetischismus.) Herr Becker * entwickelte in der Adoleszenz einen Wäschefetischismus. Diesen lebte er zunächst am Mieder seiner Mutter aus, von welcher er sich ungenügend beachtet und ungeliebt fühlte. Er stahl Wäsche aus fremden Häusern. Fand er keine vor, so legte er * Name geändert zurzeit ausdruckszentriert. In meiner Haltung bin ich zugewandt, versuche ihn zu bestärken, seine Emotionen und Bedürfnisse wahrzunehmen und mitzuteilen. Über die gestalterischen Arbeiten gelingt es ihm zunehmend, sein Selbstvertrauen zu steigern: Er präsentiert Bilder auf der Station, eines hat er im Tagesraum ausgestellt. Das freie Gestalten ermöglicht ihm, eigenverantwortlich zu handeln, und schafft seinen Autonomiebestrebungen, die aufgrund der Unterbringung eingeschränkt sind, ein Lernfeld: Über das Gestalten entscheidet er eigenverantwortlich, bestimmt über Form und Qualität seiner Werke. Er drückt Empfindungen aus und teilt sich seiner Umwelt mit. Momentan arbeitet er an einer Figur aus Ton. Die circa 30 cm hohe Figur wirkt verwachsen, hat einen Klumpfuß und nur ein Auge (a Abb. 2). Herr Becker glasiert diese sorgfältig und nimmt dabei Kontakt zu mir und den Mitpatienten auf. Er erzählt, wie die Figur entstand und was sie für ihn ausdrückt. Über das Medium Ton findet er also Zugang zu seinem „Thema“: Während des Arbeitsprozesses sei er an seine derzeit konflikthafte Beziehung zu seiner Bezugspflegerin erinnert worden, und er habe die von ihm wahrgenommenen Emotionen einfließen lassen. Das Ergebnis spiegele für ihn das Empfinden „unterdrückt zu werden“ (Klumpfuß) und „nicht ausreichend beachtet zu werden“ (nur ein Auge) wider. Im weiteren Verlauf merkt er an, dass er sorgfältig und bemüht vorgehe und dass seine Gefühle zu der Person nicht ausschließlich negativ seien. Herr Becker nimmt seine Figur zur Einzelpsychotherapie mit und erarbeitet dort den Bezug zu seinen ambivalenten Gefühlen hinsichtlich seiner Mutter und Frauen allgemein. Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt. 24 Brände. Teilweise kam es zu aggressiv-destruktiven Handlungen an den Objekten, indem er sie zerriss oder beschmutzte. Herr Becker verhält sich Frauen gegenüber ambivalent, ähnlich der Beziehung zur Mutter. Er wünscht sich Zuwendung und Zärtlichkeit und reagiert auf Enttäuschung mit Rückzug, aber auch mit aggressiven Impulsen. Aktuell ist Herr Becker wegen versuchter Vergewaltigung mit gefährlicher Körperverletzung untergebracht. Er führt Einzelgespräche mit Psychotherapeuten, mit der Bezugs­ pflege, nimmt an einer Interaktionsgruppe und einer Deliktgruppe teil und geht zur Arbeitstherapie und zur Ergotherapie. Im Klinikalltag zeigt Herr Becker konfliktvermeidende Rückzugstendenzen. Er reagiert passiv-aggressiv auf Strukturierungsangebote: Er hält zum Beispiel seinen Wochenplan nicht ein. Herr Becker zeigt wenig Zugang zu seinen aggressiven Anteilen und zur eigenen Emotionalität, er hat ein geringes Selbstvertrauen und verminderte Fähigkeit zum Perspektivwechsel. Der Perspektivwechsel ermöglicht es, eine Situation aus der Sicht einer anderen Person wahrzunehmen – das spielt im Bereich der Opferempathie eine maßgebliche Rolle. Als Therapeutin muss man schnell „umschalten“ können > Nach der Einheit überprüfe ich die Patienten mit einem Handdetektor auf Metallgegenstände und begleite sie zur Tür, an welcher die Pfleger sie abholen. Der nächste Patient kommt zur Einzeltherapie. Aufgrund seiner mangelhaften Impulskontrolle ist er zurzeit nicht ergopraxis 3-4/08 Fotos: S. Kolb Ergotherapie Ergotherapie gruppenfähig. Ich verhalte mich nun weniger autonomiefördernd, im Gegenteil: Ich achte auf eine klare Struktur, auf genaue Planung bezüglich Ablauf und Vorgehensweise und auch auf kompetenzzentriertes Arbeiten, um Absprachefähigkeit, Ausdauer und Handlungskompetenz zu verbessern. Hier ist es besonders wichtig, eindeutig und konsequent zu sein. 25 Menschen mit Intelligenzminderung. Sie sind an einem Gruppenprojekt beteiligt, um ihre Station zu gestalten. Dafür fertigen sie Collagen. Einige der entstehenden Bilder sind aus unterschiedlichen Farbnuancen zusammengesetzt, beispielsweise ein Verlauf von himmelblau bis dunkelviolett. Fünf Patienten stehen um das große Bild verteilt, einige kleben, andere suchen nach neuen „Farbschnipseln“, die sie einbringen wollen. Menschen mit Intelligenzminderung zeigen eine herabgesetzte Differenzierungsfähigkeit, sie können ihre Gefühle schwer verbalisieren und Bedürfnisse nur schlecht aufschieben. Durch das interaktionelle Kunstprojekt erfahren sie unterschiedlichstes Sozialverhalten, sie müssen Verantwortung übernehmen, Kompromisse eingehen und auch Bedürfnisse zurückhalten können. Ihre Stationsumgebung zu beeinflussen, sensibilisiert sie auch, ihre Umwelt wahrzunehmen. Sie können in kleinen Schritten aktiv und kompetent ihre Lebenssituationen mitgestalten. Diese Patienten verstehen Inhalte besser, wenn sie „anschaubar“ sind. So nutzen sie ein selbst gestaltetes Wandbild, das den Farbkreis zeigt, um ihre Stimmung zu beschreiben. Einige Patienten haben in der Ergotherapie Selbsteinschätzungsinstrumente hergestellt. Zum Beispiel steckt ein Patient jeden Abend eine Holzfigur auf die Stelle einer farbigen Skala, die seiner gegenwärtigen Verfassung entspricht (a Abb. 3). Er teilt sich so seiner Umgebung mit. Enge interdisziplinäre Zusammenarbeit gewährt Sicherheit > ergopraxis 3-4/08 Nach der Projektarbeit teile ich meine Beobachtungen der therapeutischen Stationsleitung mit und dokumentiere in der elektronischen Patientenakte, auf die jeder Behandler Zugriff hat. Enge Zusammenarbeit und regelmäßiger Austausch vermeiden Krisen und erhöhen die Sicherheit. Die Station informiert mich beispielsweise über aktuelle Konflikte der Patienten, bevor diese an der Therapie teilnehmen. Umgekehrt gebe ich meine Eindrücke wieder, damit sich alle „Puzzlestücke“ zu einem möglichst differenzierten und einschätzbaren Bild zusammenfügen. Zu diesem Zweck findet zweimal im Jahr für jeden Patienten eine Fallvorstellung statt, in der die weitere Behandlung ausgearbeitet wird. Für den Fall eines Konflikts, in dem das Verhalten akut nicht einschätzbar, fremdaggressiv oder autoaggressiv ist, tragen alle Mitarbeiter ein Personenschutzsystem in Form eines Alarmgerätes mit sich. Auf Knopfdruck aktiviert man es, sodass sich alle Kollegen daraufhin sofort zum Ort der Meldung begeben, um die Situation zu deeskalieren. Bislang musste ich dieses System nicht nutzen. Täter behandeln, um Straftaten vorzubeugen > Ich werde häufig gefragt, warum ich im Maßregelvollzug arbeite, ob ich keine Angst habe, und warum ich mich mit Tätern befasse, die anderen Men- Abb. 3 Vom Patienten angefertigtes Selbsteinschätzungsinstrument: Mithilfe der Skala teilt er seine Stimmungen mit. schen zum Teil Schreckliches angetan haben. Es ist mir ein Anliegen, auf keinen Fall den Eindruck zu vermitteln, irgendetwas zu verharmlosen, zu bagatellisieren oder zu entschuldigen. Ich arbeite in der forensischen Psychiatrie, da die Ergotherapie hier – im Gegensatz zur Akutpsychiatrie – über einen längeren Zeitraum Teil des Behandlungsprozesses ist. Das bietet die Möglichkeit, sich intensiv mit den Patienten und mit anderen Berufsgruppen auseinanderzusetzen. Neben den klassischen Werktechniken sehe ich es als Herausforderung, neue Ideen und Projekte zu entwickeln, die es den Patienten auch nach jahrelanger Teilnahme noch ermöglichen, Handlungskompetenzen weiterzuentwickeln. Beispielsweise planen wir, künftig das Projekt „Digitale Fotografie“ anzubieten. Ich habe keine Angst. Seit Beginn meiner Tätigkeit ist es zu keinem Vorfall in der Ergotherapie gekommen, da schon im Vorfeld von Krisen Maßnahmen zur Deeskalation eingeleitet werden. Die Behandlung und die Sicherung der Täter verstehe ich als einen Beitrag zum Schutz der Gesellschaft. Die Rückfallquoten der Patienten, die aus dem Maßregelvollzug entlassen werden, sind geringer als die Rückfallquoten aus dem Strafvollzug [2]. Und meiner Meinung nach zählt jede (!) Straftat, die nach der Therapie nicht (!) begangen wird. Sarah Kolb Die Zahlen in eckigen Klammern verweisen Sie auf die Literaturangaben im Internet unter www.thieme.de/ergoonline > „ergopraxis“ > „Artikel“ > „Ergotherapie“. Dort finden Sie auch die im Text erwähnten Zusatzinformationen. Sarah Kolb, examinierte Ergotherapeutin. Sie beendete ihre Ausbildung 2003. Seit 2004 arbeitet sie in der forensischen Psychiatrie in den Rheinischen Kliniken Langenfeld. Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt. Projekt: gemeinsam zum Ziel > Am Nachmittag arbeite ich mit