Kunst- und Ergotherapie im Klinikum Emden Einleitung Die Kunst- und Ergotherapie ist ein Teil des therapeutischen Gruppenangebotes im Klinikum Emden, der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Gegliedert ist die Klinik in vier stationäre Abteilungen und eine Tagesklinik mit unterschiedlichen psychiatrischen Schwerpunkten und jeweils eigenen multidisziplinären Teams, bestehend aus Ärzten, Psychologen, Sozialarbeitern, Krankenschwestern/ -pflegern sowie Kunst- oder Ergotherapeuten. Das Kernstück der Kunst- und Ergotherapie sind die Werkstätten, die sich im ersten Stock, angrenzend an die Tagesklinik, befinden. Hier werden die Patienten beim Kennenlernen und Vertiefen verschiedener Techniken durch vier Ergotherapeuten und drei Kunsttherapeuten unterstützt und begleitet. Weitere Angebote finden aber in speziellen, über die Psychiatrie verteilten Räumen statt, oder werden außerhalb der Klinik angeboten. Das Gruppenangebot wurde über die Jahre hinweg immer wieder überarbeitet und ergänzt, um neue künstlerische Ausdrucksformen (z.B. Film) zu integrieren und das Spektrum einzelner Therapien zu erweitern (z.B. Tangotanzgruppe). Diese Broschüre erläutert den therapeutischen Ansatz der Kunst- und Ergotherapie und beschreibt alle 2 Gruppen, die in diesem Rahmen angeboten werden. Die im folgenden Text verwendeten fachspezifischen Begriffe bezüglich der Methoden sind eine Kombination aus zwei unterschiedlich spezialisierten therapeutischen Ansätzen und sollen hier kurz erläutert werden: Die „lösungsorientierte Methode“ ist aus dem kunsttherapeutischen Ansatz entwickelt und bedeutet, dass der Patient seinen Blick von den Defiziten weg und hin zu vorhandenen Fähigkeiten und dem Gelingenden lenkt. Damit verwandt ist die in der Ergotherapie sogenannte „ausdruckszentrierte Methode“, bei der es in der Regel um eine kreativ-gestalterische Umsetzung und ein ergebnisoffenes, prozesshaftes Tun geht. Anders als in der Ergotherapie üblich werden aber keine Themen oder Motive vorgegeben, der Patient entscheidet auch diesbezüglich selbst. Die ebenfalls ergotherapeutische „kompetenzzentrierte Methode“ meint das produktgebundene Einsetzen von handwerklichen Techniken und lebenspraktischen Übungen. Natürlich werden aber auch in kunsttherapeutischen Verfahren Kompetenzen abgerufen, erfahren und entwickelt, wie sie im Weiteren noch beschrieben werden. Therapie-Konzept und Wirkungsweisen Die Kunst- und Ergotherapie appelliert in ihrem kunsttherapeutischen Ansatz an die noch nicht ausgebildete oder brach liegende allgemeine Schöpferkraft eines Menschen, die es ihm (im Zusammenspiel mit weiteren Therapieformen) ermöglicht, ein besseres Verständnis für sich selbst und eine Haltung zu seinen ihn begleitenden und prägenden Einflüssen zu erlangen. Die verwendeten ausdruckszentrierten und lösungsorientierten Methoden werden in der Kunstund Ergotherapie gekoppelt mit spezifisch ergotherapeutischen Angeboten wie Körperwahrnehmung und der Förderung lebenspraktischer Fähigkeiten. Alle Angebote ermöglichen es dem Patienten eine erweiterte Handlungskompetenz zu erlangen, und definieren sich überwiegend ressourcenorientiert. Der Kunst- und Ergotherapie kommt als vorwiegend nonverbale Therapieform neben den gesprächsorientierten und medikamentösen Therapien somit eine wichtige, ergänzende Bedeutung zu. Der Patient bekommt die Gelegenheit, seine Persönlichkeit zu entdecken bzw. zu entwickeln, indem er (in den meisten Fällen) für ihn ungewohnte oder völlig neue Ausdrucksformen erprobt. Die künstlerischen Materialien, die zur Verfügung stehen, kann der Patient frei wählen und sich ihnen spielerisch-gestaltend und experimentierend nähern. Die verschiedenen Medien können als Ausdrucksmittel der inneren Gefühlslandschaft genutzt oder zu etwas völlig Neuem gestaltet werden. Ihrem Wesen nach ist jede künstlerische Tätigkeit in die Zukunft weisend, d.h. von einer persönlichen Erfahrungsebene aus bringt jede gestalterische Entscheidung etwas Neues, Unbekanntes, dessen Qualität im „Über-sich-hinausgehen“ besteht. Vorgefertigte Schablonen werden deshalb in keinem Fall benutzt. Im Beziehungsdreieck „Patient-Therapeut-Medium“ kommt dem Therapeuten dabei die Aufgabe zu, sich als Begleiter zu verstehen, der die verschiedenen Techniken erklärt und den Patienten auf dessen Weg zu individueller Ausdrucksform unterstützt. Mit den zur Verfügung stehenden Materialien wie Farbe, Ton, Speckstein, Holz, Linol, Papier und den dafür vorgesehenen Werkzeugen, aber auch mittels gemeinsamen, oft improvisierten Musizierens oder Tanzens kann in diesem Sinne gearbeitet werden. Die Patienten können dabei ohne Zwang und Vorgaben eigene Gedanken und Gefühle in die verschiedenen Gestaltungsprozesse einfließen lassen. Es werden emotionale, geistige und soziale Fähigkeiten entwickelt. Die eigene Projektion des Patienten wird gefördert, das heißt er lernt, eigene Vorstellungen, Wünsche und Phantasien als Kriterien für den Gestaltungsprozess zuzulassen. Die Patienten finden sich in ihrem eigenen Tun wieder, sie identifizieren sich mit dem Geschaffenen. Vielleicht erkennen sie sogar Fähigkeiten, von denen sie nie geglaubt hätten, dass sie sie noch haben oder überhaupt jemals besaßen. Auch während einer Nachbesprechung liegt der Schwerpunkt auf dem Prozess des Gestaltens und auf dessen Ergebnis. Es geht also insgesamt sowohl um die Entwicklung instrumenteller Fertigkeiten als auch um die Weiterentwicklung sozio-emotionaler Fähigkeiten. Zu einem großen Teil wird dabei mit Hilfe der subjektbezogenen, ausdruckszentrierten Methode gearbeitet. Der Patient kann seine Ausdrucksfähigkeit entwickeln und seinen Form- und Spieltrieb erleben und ausgestalten, wobei sich dieser Ansatz ganz im Sinne Friedrich Schillers und Herbert Marcuses versteht: Das Spielerische wird als zur Persönlichkeitsentfaltung und autonomen Selbstwerdung erforderliche Notwendigkeit definiert. Die Aufgabenstellung dieser Methode ist eher offen und regt daher zu Spontaneität und Eigeninitiative an. Um die für den Patienten so wichtigen, positiven Erfahrungen zu erreichen, ist es entscheidend, dass sich Therapeut und Patient gemeinsam kleine Ziele setzen. So werden negativ besetzte Schlüsselerlebnisse und Misserfolge vermieden und der Patient bekommt nicht das Gefühl, überfordert zu werden. In einigen Fällen kann es daher schon sinnvoll sein, überhaupt an der Kunst- und Ergotherapie teilzu3 nehmen und einfach nur dabei zu sein, ohne objektiv „aktiv“ zu sein. Neben der ausdruckszentrierten Methode kann es aber auch sinnvoll sein, die kompetenzzentrierte, alltagsorientierte Methode anzubieten. Hier ist der Ansatz kein prozessorientierter, sondern es wird ein klares Ziel formuliert, das über eine genaue Abfolge von Arbeitsschritten erreicht wird. Im Laufe der Zeit lernt der Patient seine selektive Aufmerksamkeit zu verbessern, in dem er unnötige Reize aus der Umgebung ausschaltet und die Konzentration auf die wesentlichen Aufgaben richtet. Trotz aller Freiräume für den Patienten werden auch in der Kunst- und Ergotherapie Regeln, Grenzen, Absprachen genau eingehalten. Auch erhält jeder Patient einen Therapieplan mit den Zeiten, wann er an der Kunst- und Ergotherapie teilnehmen soll. Wenn es das Krankheitsbild erlaubt, erscheint der Patient selbstständig zu den angegebenen Zeiten in den Werkstätten. Die Werkstätten dienen nicht direkt der Vorbereitung auf die Arbeitswelt, eine Ausnahme bildet aber die Patientencafeteria, in der mit einem arbeitstherapeutischen Schwerpunkt gearbeitet wird. Sozialformen Die Sozialform wird je nach Krankheitsbild und Therapiezielen im gesamten Behandlungsverlauf evaluiert und entsprechend adaptiert. Die Interaktion in einer Gruppe erfordert insbesondere soziale und kommunikative Fähigkeiten. Abhängig vom Krankheitsbild wird in einigen Fällen zuerst an der Vertrauensbasis zwischen Therapeut und Patient innerhalb einer Einzeltherapie gearbeitet. Die kunst- und ergotherapeutischen Mittel sind dabei die gleichen und auch das räumliche Setting unterscheidet sich nicht zu dem einer Gruppentherapie. Im Rahmen der Werkstätten wird die sogenannte Parallelgruppe angewendet, d. h. die Patienten arbeiten an ihren eigenen Werkstücken, erleben sich aber als Teil einer Gruppe, die sich auch untereinander austauscht und gegenseitig anregt. Es entsteht ein loser und unverbindlicher Kontakt zwischen den Patienten. Eine Sonderform bietet die Arbeit innerhalb einer Projektgruppe. Hier arbeiten Patienten gemeinsam an einem Werkstück. Sie trainieren ihre Gruppenfähigkeiten wie Vertrauen, Durchsetzungsvermögen, Kooperations- und Kritikfähigkeit. Im weiteren Verlauf sollen nun die verschiedenen Techniken innerhalb der Kunst- und Ergotherapie beschrieben werden. Malerei/ Zeichnung Im Malraum hat der Patient die Möglichkeit, mit Pastellkreide, Aquarell, Bleistift, Buntstiften, Acryl und Gouache zu malen und zu gestalten. Anhand der Aquarellmalerei und der Bleistiftzeichnung soll verdeutlicht werden, wie unterschiedlich ihre Wirkungsweisen sein können: Während die Zeichnung eine ordnende und positionierende Funktion hat, sie in ihrer Reduktion auf das Wesentliche strukturiert und konzentriert ist, bietet die Aquarellmalerei die Möglichkeit des intuitiven, gefühlsbetonten Tuns, welches weniger kontrolliert werden kann und dem ein eher meditativer, entspan- 4 nender Charakter innewohnt. Beim Zeichnen werden (zunächst) eher Erfahrungen und damit abrufbare Bilder und Motive eingebracht, die weiterentwickelt werden können. Bei der Aquarellmalerei dagegen wird in der Regel gestalterisches „Neuland“ betreten. Druckgrafik In der Kunst- und Ergotherapie werden zwei druckgrafische Verfahren angeboten: die Radierung und der Linolschnitt. Bei der Radierung lernt der Patient, eine Bleistiftzeichnung in eine Druckform umzuwandeln, die der Zeichnung (mit allen Grauwerten) ähnlich ist und die vervielfältigt werden kann. Der Linolschnitt bezeichnet einen Ein- oder Mehrfarbendruck mit klaren Formen. In beiden Verfahren arbeitet der Patient auf ein Ergebnis hin (den Druck), indem er ein Motiv gestaltet, dieses auf den jeweiligen Druckstock überträgt und mit verschiedenen Werkzeugen bearbeitet. So entsteht eine Verbindung von freier Gestaltung und kunsthandwerklicher Präzision. Das Schaffen einer äußeren Ordnung (durch die genaue Planung einzelner Arbeitsschritte) bewirkt eine innere Ordnung. Plastisch-therapeutisches Gestalten mit Holz Auch das Malen mit Pastellkreide, Gouache und Acryl lädt den Patienten ein, frei und experimentierend, spielerisch zu arbeiten. Im Malraum steht eine kleine Auswahl von Kunstbüchern zur Verfügung. Diese sind oft hilfreich auf dem Weg zum Umgang mit künstlerischen Medien. Hierbei wird nicht angestrebt, eine exakte Kopie der Vorlage zu erstellen, vielmehr nutzt man ein kompositorisch reiches und ausformuliertes Bild, um sich ihm mit den eigenen künstlerischen Mitteln zu nähern. Viele Patienten verbinden mit dem Nachbilden eine gewisse Sicherheit, die die Grundlage für eigenes kreatives Erleben sein kann. Im Holzraum, ausgestattet mit Werkbänken und allen notwendigen Werkzeugen, wählt der Patient zwischen freien Gestaltungsarbeiten und klaren, strukturierten Aufgaben. So bekommt er die Möglichkeit, z. B. eine Holzschale zu schnitzen oder Baumstämme in Gesichter, Masken oder Skulpturen jeglicher Art zu verwandeln. Körperliche Anstrengung, Ausdauer, aber auch große Sorgfalt werden dem Patienten beim Bearbeiten von Holz abverlangt. Bildhauerei bietet sowohl den Widerstand des Materials als auch Struktur. Sie ist gekennzeichnet durch rhythmisch sich wiederholende Bewegungsabläufe, die im Laufe der Tätigkeit Sicherheit und eine klare Ordnung geben. Als strukturierende Arbeiten können Nistkästen, Stühle, etc. gefertigt werden. Hier wird handwerkliches „Know-How“ mit Handlungsplanung im Sinne der kompetenzzentrierten Methode verbunden. 5 Plastisch-therapeutisches Gestalten mit Speckstein Plastisch-therapeutisches Gestalten mit Ton Speckstein bietet ein breites Experimentierfeld mit unterschiedlichen Werkzeugen, der von allen plastisch-therapeutischen Angeboten am ehesten zum freien, abstrakten Gestalten einlädt. Verschiedene Specksteinarten werden angeboten, die unterschiedliche Härtegrade haben. Einige lassen sich schwer bearbeiten und der Patient muss viel Kraft und Ausdauer aufbringen, damit aus einem Speckstein-Rohling eine Skulptur werden kann. Andere wiederum sind fast „butterzart“. Dabei wird die sensomotorische Perzeption angesprochen. Hände sind unser Werkzeug! Diese Aussage trifft vor allem beim freien Modellieren mit glattem oder schamottiertem Ton zu. Die Unmittelbarkeit, mit der die Hände den weichen Ton bearbeiten und zu einer Plastik formen, erinnert oft an Erfahrungen aus der Kindheit (Knete, Sandkasten). Die taktile Wahrnehmung ist hier ein wesentliches Element im gestalterischen Erleben. Der Ton lässt sich leicht im Prozess verändern und umformen. Je nach Phantasie werden oft Masken, Tiere, Köpfe oder auch freie Arbeiten plastiziert. Aber auch strukturierte Arbeiten wie Vasen, Schalen, etc. können gestaltet werden. Auch hierbei gibt es keine Schablonen. Es entsteht also immer ein individuelles Stück. Am Ende einer Specksteinarbeit bietet der zunächst unscheinbare Stein einen Überraschungseffekt, der erst beim Ölen oder Wachsen des Steines sichtbar wird: Verschiedene Farben und Zeichnungen kommen zum Vorschein und lassen den Speckstein besonders wirkungsvoll aussehen. Oft neigen die Patienten dazu, sich davon blenden zu lassen und den Speckstein wegen dieser Eigenschaft nur oberflächlich zu bearbeiten. Hier bedarf es häufig der Anregung der Therapeuten, aus der zweidimensionalen Betrachtung in die eigentliche plastische Gestaltung zu kommen, mit Höhen und Tiefen zu arbeiten und mit konvexen und konkaven Formen zu experimentieren. Schneller „Effekthascherei“ wird so entgegen gewirkt. 6 Ausdrucksmalerei/ Malgruppe Dieses Angebot lehnt sich an den von Arno Stern entwickelten sog. „Malort“ an: Die Malgruppe findet in einem Raum statt, der speziell für diese Therapie ausgestattet ist und der während der Therapie geschlossen bleibt („closlieu“ = „der geschlossene Raum“). Die Wände sind mit Faserplatten versehen, an denen die Patienten ihre Offsetdruckpapierbögen in der Größe von 100 x 70 cm aufspannen können, um im Stehen zu malen. In der Mitte des Raumes steht ein Tisch mit Farben und Pinseln, die von allen Patienten gemeinsam benutzt werden. Borstenpinsel verschiedener Größen und Gouache-Farben in 16 verschiedenen Tönen werden angeboten. Die Patienten werden angehalten, frei und ohne Vorgaben zu malen. Durch das Arbeiten im Stehen und den damit verbundenen Bewegungsmöglichkeiten wird freies und großflächiges Gestalten erleichtert. Das räumlich-situative Setting ist immer gleich, es ermöglicht Ruhe, Konzentration und Entspannung. Innerhalb dieser Gruppe werden die Bilder nicht bewertet oder analysiert. Um den prozessorientierten Ansatz zu unterstreichen, der den Patienten ohne Leistungsdruck gestalten lässt, bleiben die Bilder im Nebenraum und können nicht mit nach Hause genommen werden. Die Sonderform: Die Kunst- und Ergotherapie auf der P09a Die P09/ P09a ist eine allgemein-psychiatrische Station, die unterteilt ist in einen subakuten und akuten Bereich. Damit auch auf die schwer erkrankten Patienten der P09a eingegangen werden kann, wird hier eine besondere Form der Kunst- und Ergotherapie angeboten. Auf der Station stehen den Patienten Materialien zur Verfügung, die sich gut für den direkten Einsatz vor Ort eignen. Die Therapie findet also vor allem in einem kleinen, sehr geschützten und reizarmen Rahmen statt. Einerseits sorgen die Therapieangebote für eine Tagesstruktur, andererseits bekommen die Patienten die Möglichkeit, sich trotz ihrer Erkrankung kreativ zu artikulieren. fragt wie Planungsvermögen. Das Filmen, Schneiden und Vertonen gehört dabei zu den möglichen Aufgaben, die von den Patienten übernommen werden. Musiktherapie Für dieses Angebot benötigt der Patient keine musikalischen Vorkenntnisse. Auf einfache und anschauliche Weise wird auf verschiedenen Instrumenten ein musikalisches Zusammenspiel möglich. Neben dem angenehmen Erlebnis, mit seinem musikalischen Beitrag Teil eines Ganzen zu sein, ergeben sich auch neue Forderungen: Das Problem, ein Ohr In der subakuten Krankheitsphase können die Patienten dann die Werkstätten im ersten Stock nutzen und auf der Station begonnene Arbeiten beenden. Filmgruppe Der Film als schnelle Abfolge von Bildern versetzt den Betrachter in die Lage, einen erzählerischen Zusammenhang herzustellen und somit eine Geschichte zu erleben. In der einmal wöchentlich stattfindenden Filmgruppe arbeiten zwei bis vier Patienten (unter Anleitung) mit Kamera, Computer und entsprechender Software an der Herstellung eines (Kurz-)Films. Dies ist meist ein mehrwöchiges, manchmal mehrmonatiges Projekt, in welchem die Patienten gemeinsam eine filmische Idee entwickeln und diese bis zur Fertigstellung verfolgen. Durch die Unterschiedlichkeit der möglichen Projekte, die von Animationsfilmen mit selbst gestalteten Figuren, kurzen dargestellten Geschichten bis zur einfachen Sammlung und Verknüpfung thematisch ausgesuchter Motive gehen können, haben die Teilnehmer großen Einfluss auf den wesentlichen Produktionsinhalt. Die langfristige Auslegung der Gruppe erfordert Teamarbeit und Verlässlichkeit. Diese Grundpfeiler dienen dazu, sich über das Medium Film gemeinsam kreativ äußern zu können. Spontaneität ist ebenso ge- für sich zu haben, gleichzeitig das andere den Mitmusizierenden zu leihen, ist immer eine Gratwanderung zwischen Nähe und Distanz. Ferner sind individuelle musikalische Freiheiten in der Gruppe willkommen und erlaubt. Diese sollten aber immer im Dienst der ganzen Gestaltung stehen. Lampenfieber, Gruppenfähigkeit, Konzentration, Achtsamkeit, Mitempfinden, Vorausempfinden, u.v.m. sind Eigenschaften, mit denen die Patienten ohne Worte in der Gruppe umgehen. Und: Vieles kann die kleine musikalische Gestaltung zum Einsturz bringen. Das Zulassen eines möglichen Scheiterns ist aber auch immer die Berechtigung für einen neuen Versuch. 7 Kochgruppe Außenaktivität Stationsübergreifend findet einmal wöchentlich eine Kochgruppe in einer extra angelegten Lehrküche statt. Die Patientengruppe (max. 5 Pat.) bereitet sich gemeinsam auf die Nahrungszubereitung vor. Eigene Menüwünsche werden geäußert, Kochbücher zur Anregung hinzugezogen, saisonale Nahrungsmittelangebote berücksichtigt. Danach wird schließlich gemeinsam entschieden, welches Gericht gekocht wird, in der Regel Hauptgericht und Nachspeise. In Zusammenarbeit mit einer Sozialarbeiterin werden jeden Mittwochnachmittag unterschiedliche Freizeitaktivitäten, wie z. B. Museumsbesuche, Ausflüge in die nähere Umgebung Emdens und vieles weitere außerhalb der Klinik angeboten. In unregelmäßigen Abständen werden auch unterstützende Einrichtungen wie die Tagesstätte „Tandem“ oder das Kontaktcafé „Kumm Rin“ besucht. Diese Kontaktstellen können für einige Patienten auch nach der Entlassung eine wichtige Trägerrolle übernehmen. In der stationsübergreifenden Gruppe können alt gehegte Freizeitaktivitäten für sich wiedergewonnen oder neue Interessen geweckt werden. Man lernt andere Menschen kennen, die unter einer ähnlichen Erkrankung leiden und findet Gesprächspartner zum Austausch. Die Anregung zur eigenen Entscheidung bei der Auswahl von verschiedenen Freizeitaktivitäten kann auch nach dem stationären Aufenthalt eine Tagesstruktur, bzw. eine Balance zwischen Arbeit, Entspannung und Aktivität schaffen. Nach dem Erstellen der Einkaufsliste übernimmt ein Teil der Gruppe selbstständig oder – wenn nötig – in Begleitung den Einkauf. Die anderen Gruppenteilnehmer bereiten einen Tee zu, überprüfen und ergänzen die Ausstattung der Lehrküche bezüglich frischer Handtücher etc. Anschließend wird beim gemeinsamen Tee die weitere Aufgabenverteilung besprochen. Beim konkreten Arbeiten wird auf einen hygienischen Umgang mit Nahrungsmitteln und Geräten geachtet und eigenverantwortliches Handeln gefördert. Im weiteren Verlauf der Gruppe hat jeder seine kleinen Teilaufgaben. Es ist aber auch nötig, einen gewissen Überblick über das Gesamtgeschehen zu haben, um den Ablauf zu koordinieren. Schließlich wird das Mahl auch gemeinsam eingenommen. In der Kochgruppe kommt die kompetenzzentrierte, alltagsorientierte Methode zum Tragen, d. h. es werden Aktivitäten und Tätigkeiten durchgeführt, die den Patienten darin unterstützen, verloren gegangene oder beeinträchtigte kongnitive und sensomotorische Fähigkeiten zu üben. Das Planen von Arbeitsabläufen bzw. die Verbesserung oder Wiederaufnahme lebenspraktischer Fähigkeiten stehen in der Kochgruppe im Vordergrund. Sie dient auch der konkreten Vorbereitung auf die Entlassung in das häusliche Umfeld. Es wird für ein freundliches Miteinander gesorgt und auf einander geachtet. Deshalb werden natürlich auch kommunikative und soziale Fähigkeiten innerhalb der Kochgruppe gefördert. 8 Gartenprojekt Hierbei handelt es sich um ein stationsübergreifendes Angebot, bei dem es um die Bepflanzung und Bearbeitung mehrerer Hochbeete geht. Ein bis zweimal wöchentlich können bis zu fünf Patienten an dieser Gruppe teilnehmen. Durch die kompetenzzentrierte Methode können Patienten selbstständig planen, die eigene Arbeitsbelastung und -leistung bewerten sowie ein sinnvolles Freizeitangebot nutzen. Patien- ten können durch das Anlegen und Bearbeiten der Hochbeete auch den ressourcenorientierten Umgang mit Lebensmitteln, Wasser und Energie lernen. Die Ernte sollte dann für die Kochgruppen der Stationen verwendet werden. Bewegung und Entspannung Ort der kombinierten Bewegungs- und Entspannungsgruppe ist der Gymnastikraum auf der Station P 28, in dem maximal zehn Patienten gleichzeitig Platz finden. Ein Ziel ist es, den Körper wieder zu entdecken, als wichtiges, wertvolles Instrument und Ausdrucksmittel. Die eigenen Grenzen und Möglichkeiten der Beweglichkeit können erprobt und ein sorgsamer Umgang mit dem Körper und Freude an der Bewegung erlebt werden. Gymnastik bezeichnet im Allgemeinen die gleichmäßige Ausbildung des Körpers. Es kommen verschiedene gymnastische Geräte wie Bälle, Therabänder, Hanteln und Stöcke zum Einsatz. Elemente aus dem Yoga und der Wirbelsäulengymnastik fordern von den Teilnehmern eine Schulung der Körperwahrnehmung und des Gleichgewichts. Den Abschluss einer jeden Bewegungseinheit bildet eine Entspannungsphase, so dass der Körper lernt, nach einer Anspannungsleistung wieder loszulassen. Hier wird insbesondere die Technik der progressiven Muskelentspannung angewendet, aber auch körperbetonte Phantasiereisen und Wahrnehmungsübungen, unterstützend unterlegt mit ruhiger Entspannungsmusik. Häufig angewandt stellt sich ein Übungseffekt ein und auch Patienten, die unter hohen Anspannungen leiden, können positive Effekte erzielen und ein besseres Gefühl für eigene Bedürfnisse entwickeln und lernen mit Hilfe einfach erlernter Techniken ihre Spannungszustände zu lösen. Sitzgymnastik Die Sitzgymnastik richtet sich, im Gegensatz zur Bewegungs- und Entspannungsgruppe, an körperlich eingeschränkte und ältere Personen. Deshalb werden hier die Übungen überwiegend im Sitzen durchge- führt. So kann mit unterschiedlichen Übungsgeräten gearbeitet werden. Vor allem die Muskelpartien der oberen Extremitäten und des Oberkörpers werden angesprochen. Außerdem muss sich der Patient bei dieser Art von Übungen konzentrieren, um die ihm vorgemachten Übungen auch folgerichtig umsetzen zu können. Der Spaß innerhalb der Gruppe trägt natürlich auch zum Wohlbefinden des Patienten bei. Sportgruppe Die Sportgruppe ist ein stationsübergreifendes Angebot das einmal wöchentlich in einer externen Sporthalle, bzw. (in den Ferien) im Freien stattfindet. Sie besteht aus Patienten unterschiedlicher Altersstufen und verschiedener Krankheitsbilder. Die Sportgruppe gliedert sich in drei Abschnitte. In der ersten Phase werden Dehn- und Ausdauerübungen durchgeführt. Im Anschluss daran wird ein kurzes Aufwärmspiel angeboten. Hierzu wird meist Badminton als Medium eingesetzt. Dabei klären die Patienten untereinander, wer mit wem zusammen spielt. Sie treten also in Kontakt und lernen, rücksichtsvoll miteinander umzugehen. Der Hauptteil besteht dann aus einer Mannschaftssportart, wie Hockey, Fußball oder Basketball. Die Sportart wechselt wöchentlich, so dass viele sportliche Interessen berücksichtigt werden. Patienten lernen Regeln einzuhalten, ihre Grenzen zu erfahren (auch rechtzeitig Pausen einzulegen) und fairen sportlichen Umgang zu pflegen. Die Interaktion in der Gruppe stellt dabei eine wesentliche Herausforderung dar. Ungeahn9 tes Potential wird bei diesen sportlichen Aktivitäten wachgerufen und Freude an der ausgelassenen, spielerischen Bewegung geweckt. Laufgruppe Zweimal in der Woche wird morgens um 7:30 Uhr (also noch vor dem Frühstück) eine Laufgruppe angeboten, die dem Patienten die Möglichkeit bietet, den Tag bewusst und aktiv zu beginnen und so aus einer Routine auszubrechen. Die Laufgruppe teilt sich in eine Walking- und eine Jogginggruppe auf, damit die Patienten eigenverantwortlich entscheiden können, wie fit und laufstark sie sich fühlen. Jeder Patient bestimmt also selbst sein Tempo. Je öfter an der Laufgruppe teilgenommen wird, desto höher wird natürlich auch die Belastungsgrenze sein. Während sportlicher Aktivitäten werden im Gehirn Botenstoffe (Dopamin, Serotonin und Endorphine) gebildet und ausgeschüttet, die zu einem Wohlbefinden führen. Die eigene Körperwahrnehmung wird beim Laufen gestärkt, aber auch der Kontakt zu Mitpatienten spielt eine tragende Rolle. Vor allem Patienten mit geringem Antrieb, sog. Morgentiefs oder Negativsymptomatik, fällt es schwer, den Tag strukturiert und pünktlich zu beginnen, obwohl sie es innerlich wollen. Innerhalb der Laufgruppe treffen sie Mitpatienten, denen es ähnlich geht. Das Zusammengehörigkeitsgefühl wird gestärkt. Tangotanzgruppe Die Tangotanzgruppe ist ein bewegungstherapeutisches Angebot, das mit den Elementen des Tango Argentino arbeitet. Spielerisch werden die Patienten durch Bewegungs- und Rhythmusübungen an das Tanzen herangeführt. Musik und Rhythmus werden durch einfaches Vorwärts- und Rückwärtsgehen, sowie Pausen und Drehungen geübt; zunächst allein, dann als Paar. Die Selbsterfahrung durch Bewegung wird unterstützt durch verschiedene Übungen aus dem Feldenkrais, Pilates und der Piraldynamik. 10 Beim Tango Argentino gibt es keine festen Schrittfolgen, jede Bewegung zur Musik kann frei improvisiert werden. Dies gibt den Patienten die Möglichkeit, Kreativität und Spielfreude zu entdecken. Diese freie Improvisation erfordert ein hohes Maß an gegenseitiger Aufmerksamkeit. Durch den Wechsel der führenden und folgenden Rolle und durch häufiges Wechseln der Tanzpartner verstärkt sich das Gruppengefühl, Selbst- und Fremdwahrnehmung werden gestärkt. Ziel soll immer sein, die Bewegung mit innerer Beteiligung nachzuvollziehen, um die eigenen körperlichen Empfindungen besser wahrzunehmen, das eigene Bewegungsrepertoire zu erweitern und auf die Verbindung von Stimmung und Bewegung aufmerksam zu werden, auch werden Balance und bessere Raumwahrnehmung gefördert. Progressive Muskelentspannung Entspannungsgruppe P 29 (PMR) und Die Technik der PMR ist ein Entspannungstraining und Grundbestandteil der Verhaltenstherapie. Sie ist schnell und leicht zu erlernen und wird in zunehmendem Maße genutzt, um eine tiefe Entspannung des gesamten Körpers zu erlernen. Dabei werden nacheinander die einzelnen Muskelpartien in einer bestimmten Reihenfolge zunächst angespannt, die Muskelspannung wird kurz gehalten und anschließend wird die Spannung gelöst. Die Übungen können sowohl im Sitzen als auch im Liegen vorgenommen werden, die Größe der Gruppe ist dabei nicht relevant. Ziel der PMR: Herstellen einer verringerten Grundspannung der Muskulatur, Hilfe gegen Spannungskopfschmerz, Verbesserung des Körpergefühls, Lockern von Verspannungen, Erleben von Entspannung, Erlernen einer Einschlafhilfe, Stressbewältigung. In der Entspannungsgruppe wird die Technik der Atem-Achtsamkeitsübung eingesetzt. Dabei wird der Atem nicht beeinflusst oder reguliert, sondern bewusst wahrgenommen. Aufsteigende Gedanken werden akzeptiert, ohne dass man ihnen gedanklich weiter nachgeht. Man nimmt sie wahr und lässt sie wieder ziehen. Dann konzentriert man sich wieder auf die Atmung. Diese Entspannungsphase dauert, wenn es dem Patienten möglich ist, bis zu zwanzig Minuten. Leise Musik kann den Prozess unterstützen. Im Allgemeinen verbessern Entspannungsübungen das eigene Körpergefühl und helfen bei der Stressbewältigung im Alltag. Die Verbesserung der inneren Ausgeglichenheit ist in ihrer neurophysiologischen Wirkung erforscht und belegt. Cafeteria Die sogenannte „Patientencafeteria“ ist ein Cafe mit begrenzten Öffnungszeiten (11 – 14 Uhr, nur an Werktagen), die sowohl von Patienten, als auch von Mitarbeitern oder Besuchern des Klinikums genutzt werden kann. Zwei Patienten arbeiten hier innerhalb eines dreimonatigen Einsatzes, im Anschluss einer stationären oder tagesklinischen Behandlung oder in Angliederung über die PIA (Psychiatrische Institutsambulanz). Hier kommt die arbeitstherapeutische Methode zum Tragen, in der es auch um die Ablösung aus dem Stationsmilieu geht. Neue Kontakte werden geknüpft und das Agieren in der Öffentlichkeit wird geübt. Die Patienten erlernen Pünktlichkeit und direkt auf die Arbeit abgestimmte Fertigkeiten wie die Zubereitung von Getränken, Bedienung, Hygiene, Kassenführung und Abrechnung. So lernen die Patienten ihr eigenes Ich zu stärken, Interessen und Verantwortungsbewusstsein zu entwickeln. Im Hinblick auf einen möglichen Einsatz oder eine Rückkehr auf den 1. oder 2. Arbeitsmarkt können sie sich in ihrer Belastbarkeit überprüfen. Die Cafeteria ist zudem Ausstellungsort für Patientenarbeiten, Veranstaltungsort für die Treffen einer Selbsthilfegruppe und dient Freitagabends als Discothek. 11 Schlusswort Die Kunst- und Ergotherapie ermöglicht den Patienten die Hinwendung zu neuen, ästhetischen Erfahrungen über eine gestalterisch-künstlerisch Tätigkeit, aber auch das (Wieder-) Erlernen alltäglicher Handlungen und Aktivitäten, die eine selbstbestimmte Teilhabe am sozio-kulturellen Leben ermöglichen helfen. 12 Der wichtigste Aspekt bei allen vorgestellten therapeutischen Gruppenangeboten aber bleibt: „Denn um es endlich auf einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ (Friedrich Schiller)