14.08.26 SchwerHo¨ren

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ARD-MORGENMAGAZIN – SERVICE 26.08.2014
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SCHWER HÖREN
Uschi Müller
KARL BERND HÜTTENBRINK
Direktor der HNO Unikliniken Köln
Etwa 15 Millionen Menschen in Deutschland sind schwerhörig. Immer mehr Kinder und Teenager leiden unter Hörschäden durch Freizeitlärm, Spielzeugwaffen und zu lautes Musikhören
können das Gehör dauerhaft schädigen. Einmal eingetretene Hörschäden sind nicht mehr heilbar und Betroffene bleiben ihr Leben lang dadurch beeinträchtigt. Schwerhörigkeit ist also keine
Sache des Alters. Doch weil wir das Hören als etwas ganz selbstverständliches hinnehmen,
wird der Hörverlust meist erst spät bemerkt und behandelt. Dass bei Fernseher und Radio die
Lautstärke hochgedreht werden muss, der Betroffene im Gespräch öfter mal nachfragt, oder
der Klang der geliebten Opernaufnahme plötzlich fad und schlecht erscheint - all dies sind erste
Hinweise auf schlechtes Hören. Meist aber bemerken es die Betroffenen selbst erst spät, oft
sind es Partner und Nahestehende, die auf die Hörminderung hinweisen. Für die Betroffenen
bedeutet die Schwerhörigkeit jedoch einen dramatischen Einschnitt in ihr bisheriges Leben.
Viele ziehen sich dann zurück, vernachlässigen soziale Kontakte, was bis zur Vereinsamung
führen kann. Viele Schwerhörige bezeichnen diesen Zustand als "Leben unter einer Glocke".
Bleibt die Schwerhörigkeit bereits länger unbehandelt, dann verlernt auch das Hörzentrum im
Gehirn, die verschiedenen Höreindrücke zu differenzieren. Wird dann eine Hörhilfe angepasst,
muss der Patient erst wieder lernen, mit den "neuen" Geräuschen umzugehen - vollständig
gelingt das dann oft nicht. Deshalb: Im Zweifel das eigene Hörvermögen beim Facharzt oder
Akustiker testen lassen!
Akute oder chronische Schwerhörigkeit
Je nach Ursache und Ort der Schädigung werden zwei Arten von Schwerhörigkeit unterschieden, die Schallleitungs- und die Schallempfindungsschwerhörigkeit.
Schallleitungsschwerhörigkeit:(syn: Mittelohrschwerhörigkeit)
Bei dieser Form ist die Schallübertragung im äußeren Ohrbereich oder im Mittelohr gestört.
Verursacht wird das durch folgende Erkrankungen:
Einen Ohrenschmalzpfropf (so genanntes Cerumen): der verschließt den äußeren Gehörgang
vor dem Trommelfell. Die Betroffenen verspüren einen plötzlichen, meist einseitigen Hörverlust,
der Arzt findet bereits bei der Inspektion des Gehörganges mit dem Otoskop den Pfropf als
Übeltäter. Der lässt sich ggf. unter Zugabe von entsprechenden Ohrentropfen auflösen und
entfernen.
Als Folge von Verletzungen (z. B. Reinigen des äußeren Gehörganges mit spitzen Gegenständen) oder indirekt durch starke Druckschwankungen (Explosion, Barotrauma) kann das Trommelfell zerreißen. Neben dem plötzlichen Hörverlust zeigt sich oft ein akuter Schwindel, vor
allem wenn kaltes Wasser in das Mittelohr eindringt. Je nach Ausmaß der Verletzung muss das
Trommelfell rekonstruiert werden, ggf. sogar auch verletzte Gehörknöchelchen (Tympanoplastik). Als Trommelfellersatz wird körpereigenes Gewebe, meist Muskelhaut, verwendet. Sind die
Gehörknöchelchen stark zerstört, können Prothesen aus Keramik oder Titan eingesetzt werden
Lärmschwerhörigkeit ist in der Regel das Ergebnis jahrelanger starker Lärmeinwirkungen am
Arbeitsplatz und - nicht zu vergessen - auch in der Freizeit. Bereits ab einem Pegel von 85
dB(A) beginnt die Gefährdung für das Ohr. Die Hörzellen werden geschädigt und sterben ab.
Das Ohr kann die Schallsignale nicht mehr oder nur noch verstümmelt an das Gehirn weitergeben. Lärmschwerhörigkeit ist eine schleichende Krankheit. Wird der Hörverlust bemerkt, ist er
nicht mehr rückgängig zu machen. Gegen Lärmschäden helfen keine Medikamente und keine
Operationen. Sie sind unheilbar. Nichts kann die Hörleistung unseres Ohrs ersetzen, nicht einmal das beste Hörgerät.
Schwerhörigkeit bei Kindern
Damit Kinder richtig sprechen lernen und sich altersgemäß entwickeln, müssen sie gut hören
können. Immer mehr Kinder und Teenager leiden jedoch unter Schwerhörigkeit durch
Lärmeinwirkung. Oft sind laute Spielzeuge, Feuerwerkskörper sowie häufiges und lautes Musikhören über Kopfhörer, in Diskotheken oder auf Live-Konzerten die Ursachen für Hörprobleme und dauerhafte Hörschäden. 100 Dezibel und mehr werden hierbei schnell erreicht. Das
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entspricht etwa einem Presslufthammer in wenigen Metern Entfernung. Bereits ab 85 Dezibel
werden die empfindlichen Sinneszellen im Ohr geschädigt. Besonders gefährdend ist Lärm mit
Schalldruckspitzen. Spielzeuge wie Kinderpistolen, Knackfiguren oder Trillerpfeifen erzeugen
hohe Schalldruckpegel. Sie schädigen schon bei kurzer Einwirkung das Innenohr. Betroffene
Kinder und Jugendliche selbst nehmen ihre Lärmschwerhörigkeit oft lange Zeit nicht bewusst
wahr. Diese fällt zunächst meist Eltern, Lehrern oder Freunden auf. Wenn ein Kind zum Beispiel auffällig lauter als andere spricht, vorrangig ein bestimmtes Ohr einer Geräuschquelle
zuwendet oder im Gespräch häufig nachfragt, sollte es beim HNO-Arzt einen Hörtest absolvieren. Der Test weist eine etwaige Schwerhörigkeit anhand einer Hörkurve nach. Lärmschäden
können verhindert werden, indem Lärmquellen abgeschaltet oder verändert werden. Zum Beispiel sollten elektroakustische Geräte beim Abspielen von vornherein keine kritischen Lautstärken ermöglichen. Auch eine Änderung des Umganges mit Lärm durch ein bewusstes Hörverhalten kann Hörschäden vermeiden. Hilfestellung bietet auch die kostenlose „LärmApp“ des
Berufsverbandes der HNO-Ärzte. Diese ‚LärmApp‘ ist eine Anwendung für Mobiltelefone, die
den Geräuschpegel in Dezibel/dB am jeweiligen Standort misst und die Intensität der Belastung
anzeigt. Zudem gibt sie Informationen zur Lärmschädigung, zum Erkennen von Hörschäden
und zum Lärmschutz.
Zeit für den Arztbesuch
Wenn Sprache und Musik leiser, dumpfer und verwaschener wahrgenommen werden; Geräusche sich zu vermischen scheinen; ein ständiges Pfeifen, Brummen, Rauschen oder Zischen
im Ohr zu hören ist; dann ist es höchste Zeit, die Ohren zu checken.
Behandlungsmethoden:
Je nach Ursache wird therapiert: Möglich sind neben Medikamenten und Operationen natürlich
auch Hörgeräte. Moderne Hörgeräte sind eine wertvolle Hilfe, um wieder besser hören zu können. Sie verstärken den Schall und damit die Bewegung des Trommelfells. Sie klingen deshalb
nicht natürlich und nicht jeder mag mit einem sichtbaren Hörgerät durch die Gegend laufen, das
die meisten als Stigma empfinden. Eine neue Generation von Hörgeräten für besondere
Schwerhörigkeit wird vollständig implantiert.
Unsichtbares Hörgerät
Ein Hörgerät unter der Kopfhaut eignet sich nicht für alle Schwerhörigkeiten. Es eignet sich für
Menschen ab 18 Jahren, die an mittel- bis hochgradiger Schwerhörigkeit, einer Schallempfindungsschwerhörigkeit, leiden. In bestimmten Fällen kommen jedoch auch Personen in Frage,
die auf Grund einer Erkrankung des äußeren Gehörgangs kein Hörgerät tragen können.
Das flache Gerät, das nur halb so groß wie eine Streichholzschachtel ist, wird in einer Operation über dem Ohr in den Schädelknochen gelegt und ist von außen nicht mehr zu sehen. Außen
ist nur ein ca. 2 cm großes Teil sichtbar, das Akku und Sender beinhaltet und magnetisch mit
dem Gerät im Schädelknochen verbunden ist. Das Gerät besteht aus einer Elektronikkapsel,
einem Mikrophonsystem und einem Wandler an den Gehörknöchelchen, die direkt bewegt
werden. Das Gerät unter der Haut überträgt direkt Signale auf die Gehörknöchelchen und so
kommt es zu einer Schallübertragung wie beim normalen Gehör. Die Kosten von mehreren
Tausend Euro müssen Patienten aus eigener Tasche bezahlen, wenn es keine medizinische
Indikation gibt.
Ohrstöpsel
Sie reduzieren Außengeräusche um immerhin 33 Dezibel auf ein erträgliches Maß und helfen
Hörschäden zu verhindern. Wer allerdings die absolute Ruhe sucht, muss wohl einfach mal
raus aus der Großstadt.
Lärm
Lärm gehört zu den häufigsten Gefährdungen am Arbeitsplatz. In Deutschland sind ca. 5 Millionen Arbeitnehmer gehörgefährdendem Lärm ausgesetzt. Lärmschwerhörigkeit führt sogar die
Liste der häufigsten Berufskrankheiten an.
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Lärm ist hörbarer Schall (z.B. Maschinengeräusch, Ton, Knall, laute Musik, störender Sprachschall), der die Gesundheit - d.h. das körperliche sowie seelische Wohlbefinden - des Menschen beeinträchtigen kann. Gehörschäden entwickeln sich in der Regel so langsam, dass man
die Verschlechterung des Hörvermögens oft nicht bemerkt und dann ist es schon zu spät.
Lärmbedingte Schwerhörigkeit ist unheilbar. Die Folgen im medizinischen und sozialen Bereich
sind erheblich.
Gehörschutz
Ihr Arbeitgeber ist verpflichtet, Ihnen eine der Lärmbelastung angepasste persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung zu stellen. Das können entweder Gehörschutzstöpsel oder Kapselgehörschützer sein. Gehörschutzstöpsel sind allgemein dicht abschließende Pfropfen aus unterschiedlichen Materialien, die direkt im Ohr getragen werden. Kapselgehörschützer eignen
sich besonders bei wiederholten und kurzzeitigen Aufenthalten in Lärmbereichen. Sie sind einfach zu handhaben und in Lärmpausen leicht abnehmbar. Die Auswahl des Gehörschutzes
sollte immer - nach entsprechender ärztlicher Beratung - den Arbeitsplatzerfordernissen angepasst sein. Aber selbst der beste Hörschutz nützt nichts, wenn er nur im Spind liegt. Sie selbst
sind dafür verantwortlich, Ihr Gehör angemessen zu schützen. Auch wenn es manchmal unbequem und hinderlich ist: In Lärmbereichen muss dauerhaft Gehörschutz getragen werden. Nur
seine konsequente Verwendung schützt vor Hörschädigungen.
Dauerlärm
Unser Ohr ist für Lärm-Dauerbelastungen nicht ausgelegt. Die Zilien (feine kleine Härchen im
Innenohr) biegen sich unter dem Einfluss der Schallwellen und wandeln diese in elektrische
Impulse um, die über den Hörnerv an das Gehirn weitergegeben werden. Werden die Zilien
jedoch ständig zu stark gereizt, sterben sie ab. Dauerhafte Hörschäden sind die Folge. Erste
Anzeichen können Ohrgeräusche, der so genannte Tinnitus, sein: Pfeifen, Rauschen, Brummen. Gönnen Sie Ihren Ohren, besonders nach einem lauten Arbeitstag, ausreichend Pausen.
Verbringen Sie bewusst einige Stunden in einer ruhigen Umgebung, damit sich Ihr Ohr von den
Lärmbelastungen erholen kann. Eine Überbelastung ist schneller erreicht als man denkt. Schon
ein Abend (fünf Stunden) in einer Disko, in der die Schallbelastung durchschnittlich 100 dB(A)
erreicht, bedeutet, dass man sich damit dem Vierfachen der zulässigen Schallbelastung für
eine ganze Woche aussetzt.
WEITERE INFORMATIONEN:
Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie (DGHNO
KHC) : http://www.hno.org/
Informationen zur Schwerhörigkeit und Artikel zum Herunterladen.
Deutsche Gesellschaft der Hörgeschädigten - Selbsthilfe und
Fachverbände e.V.: http://www.deutsche-gesellschaft.de/
Informationen zur Schwerhörigkeit und Artikel zum Herunterladen.
Kostenloser Hörtest im Internet:
http://hearcom.eu/main/Checkingyourhearing/publicarea/3digit_de.html (Es sind ein Headset
oder Lautsprecher und Mikrofon erforderlich)
Hörtest per Telefon: www.hoertest-per-telefon.de
Der „Hörtest per Telefon“ dauert nur ca. 5 Minuten und kostet 0,99 Euro.
Bei dem „Hörtest per Telefon“ werden mehrere zufällige Dreierkombinationen von Ziffern dargeboten. Bei jeder Darbietung hört man nach einer Ankündigung drei Ziffern und gleichzeitig
ein Rauschen. Nach der akustischen Wiedergabe der Ziffern müssen diese über die Tastatur
eingegeben werden. Falls alle Ziffern richtig verstanden wurden, steigt die Schwierigkeit bei der
nächsten Darbietung, indem die Sprache im Vergleich zum Rauschen leiser wird. Wurde min-
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destens eine Ziffer falsch eingegeben, wird die nächste Darbietung wieder leichter. Insgesamt
müssen ca. 27 Zahlenkombinationen eingegeben werden. Im Anschluss erhalten Sie das Testergebnis.
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