Verhältnis Kirche Königtum - Goethe

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Goethe Universität
Frankfurt am Main
Historisches Seminar
SoSe 2012
Titel der Veranstaltung: Kirchengeschichte in Quellen
Dozent: Dr. Peter Gorzolla
Verhältnis Kirche Königtum
Vorgelegt von: Barth, David
Nibelungenallee 20
60318 Frankfurt am Main
[email protected]
Matr.Nr.: 3867761
Fachrichtung: Magister modularisiert
Geschichte (HF) 7.Semester
Philosophie (HF) 6.Semester
Wenn wir heute an das Papsttum und das Königtum im 11. Jahrhundert zurückdenken, so
denken wir an zwei politische Größen, die teils miteinander, teils gegeneinander vorgingen.
Vor allem sehen wir beide als gefestigte Größen, die sich an Bedeutung und Macht
gleichkamen.
Diese systematische Vorstellung entpuppt sich bei näherer Prüfung allerdings als Trugbild.
Zwar war das Papsttum im Spätmittelalter eine Machtposition, doch war es von den Anfängen
bis zu dieser ein weiter Weg. Bis der Papst als das Oberhaupt der Christenheit und als
politische Größe anerkannt wurde, verging beinahe ein Jahrtausend1. Um ein Gefühl für die
politische Position zu bekommen, werden in dieser Arbeit ausgewählte Quellen untersucht,
die das Verhältnis zwischen Papsttum und Königtum verdeutlichen, indem sie uns über die
Selbstauffassung der Würde des Papstes einerseits und des Königs andererseits informieren,
sowie darüber, wie der jeweilige Würdenträger die Kompetenz des jeweils Anderen auffasste.
Zu diesem Zweck wurden hier Quellen zur Zeit des Investiturstreits ausgewählt, weil, so die
These, sich erst im Zuge dieses Streits das Papsttum zu einem „Mitspieler im europäischen
Mächtekonzert“ des Mittelalters entwickelt hatte. Demnach versuchen wir anhand dieser
Quellen, konkret die Frage zu beantworten, wie der höchste Bischof Roms, der bis zur
Exkommunikation Heinrichs IV., weit davon entfernt gewesen war, an einen König
Machtansprüche zu stellen, diesen absetzen konnte?
Als eine der beiden Hauptquellen soll hierbei der Brief „De Synodo“ dienlich sein, bei dem es
sich um ein Protokoll der Fastensynode vom 14. bis 20. Februar 1076 handelt und somit nicht
nur in die Zeit des Investiturstreits einzuordnen, sondern auch selbst ein Zeugnis für den
Beginn des Ausbruchs ist. Die Quelle ist als kritische Edition im Register Gregors VII. in
lateinischer Sprache zu finden.
Die Auslöser dieses Streits waren zum einen die simonistische Ämtervergabe und zum
anderen der Anspruch des Papstes Gregor VII., das alleinige Recht zu besitzen, Bischöfe
einzusetzen, was jedoch bis dahin nicht so praktiziert wurde. Das heißt, dass bisher häufig
Könige und Kaiser geistliche Stühle mit Bischöfen besetzten2. Nachdem der deutsche König
Heinrich IV. wiederholt Gregors VII. Anspruch missachtet hatte und trotz seines Anspruchs
weiterhin Bischöfe, z.B. in Mailand, einsetzte und sich darüber hinaus mit Geistlichen abgab,
die von Gregor VII. exkommuniziert worden waren, drohte er Heinrich IV. ebenfalls mit der
1
Vgl. Erkens, Franz – Reiner: Herrschersakralität im Mittelalter – von den Anfängen bis zum Investiturstreit,
Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer 2006, S. 192f.
2
Vgl. Ebd., S.192f.
Bannung (s. NQ2): Um die Zuspitzung dieses Konflikts nachvollziehen zu können, werden
wir, bevor wir auf die erste Hauptquelle eingehen können, zunächst Quellen untersuchen, die
einmal anhand von Leitsätzen aufweisen, welche Befugnisse dem Papst aus Sicht Gregors
VII. zustanden und inwiefern er diese gegenüber Heinrich IV. zur Geltung bringen möchte.
Daraufhin wird Heinrichs IV. Reaktion untersucht werden, aus der sowohl sein
Selbstverständnis und vor allem sein Verständnis der Würde des Papstes erfahren werden
kann.
Bei NQ1 handelt es sich um den Dictatus Papae, in welchem die 27 Leitsätze des Papstes
Gregor VII. überliefert werden. Die Autorschaft Gregors VII. an dem Dictatus gilt als
gesichert. Die Entstehung der Quelle wird auf das Jahr 1075, vermutlich im März, datiert.
Der von Papst Gregor VII. aufgestellte Dictatus Papae, gibt uns Auskunft darüber, welche
Kompetenzen dem Papst, seiner Meinung nach, zukommen. Sofern diese Grundsätze
anerkannt sind, würde er mit der Bannung Heinrichs rechtmäßig handeln und ihn absetzen
können, da Heinrich (unter anderem) gegen Leitsatz VI verstoßen hat.
„VI. Daß wir mit von ihm Exkommunizierten unter anderem nicht in demselben Haus bleiben
dürfen3.“
„VIII. Daß er allein die kaiserlichen Herrschaftszeichen verwenden kann.4“
„XII Daß es ihm erlaubt ist, Kaiser abzusetzen.5“
„XXVII Daß er Untergebene von dem Treueid gegenüber Sündern lösen kann.6“
In Verbindung mit der zweiten Nebenquelle sehen wir, dass Gregor VII. nach seinen eigenen
Leitsätzen handelt und er somit gemäß dem Verständnis seiner Würde handelte. Dass seine
Kompetenz allgemein so aufgefasst wurde, kann allerdings nicht bestätigt werden; es kann
nicht anhand einer Quelle gesagt werden, was Gang und Gebe war.
3
Dictatus Papae, hg. und übers. von Franz-Josef SCHMALE in: Quellen zum Investiturstreit, erster Teil
Ausgewählte Briefe Papst Gregors VII., hg. von Franz-Josef SCHMALE und Rudolf BUCHNER (= ausgewählte
Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters – Freiherr vom Stein – Gedächtnisausgabe 12a), Darmstadt
1978, S. 149.
4
Ebd., S.149.
5
Ebd., S.151.
6
Ebd., S.151.
Bei NQ 2 handelt es sich um einen Brief, indem Gregor VII. Heinrich IV. Ermahnt, seinen
Anweisungen und Anathemen, gemäß seiner Leitsätze, Gehör zu schenken. Wie aus dem
Brief zu entnehmen ist, gab es bereits Auseinandersetzungen zwischen Heinrich IV. und
Gregor VII. in Bezug auf das sogenannte Investiturrecht. Speziell beklagt Gregor VII. in
diesem Brief, dass Heinrich IV., ohne Rücksprache Bischöfe in Mailand und später auch in
Fermo und Spoleto eingesetzt hat: „und nun fürwahr, um Wunde auf Wunde zuzufügen hast
du gegen die Satzungen des apostolischen Stuhles die Kirchen von Fermo und Spoleto […]
Personen übertragen, die uns noch unbekannt sind und denen die Hand den Vorschriften
entsprechend aufzulegen nicht erlaubt ist, wenn sie nicht bewährt sind und wohl bekannt
sind.7“ Aus Gregors VII. Perspektive gebührte allein ihm dieses Privileg. Darüber hinaus
verkehrte Heinrich IV. weiterhin mit von Gregor VII. Gebannten: „… senden wir dir nur
zögernd den apostolischen Segen, da Du nach dem Richtspruch des apostolischen Stuhles und
dem Urteil der Synode als jemand bezeichnet wirst, der wissentlich Gemeinschaft mit
Exkommunizierten hält.8“ Aufgrund dieser Missachtung seiner Person bzw. Würde, ermahnte
er Heinrich IV. sich seinen Urteilen zu beugen und ihn als Papst in seinem Sinne
anzuerkennen, sonst habe dies negative Konsequenzen, denn nach Gregors VII.
Selbstverständnis sei der König ihm als Stellvertreter Petri klar unterstellt und von seiner
Gnade abhängig, wenn er ihm schreibt:
„Falls Du zu den Schafen des Herrn gehörst, bist du ihm (Petrus) durch das Wort und die
Macht des Herrn übergeben, daß er Dich weide, als ihm Christus sagte: […] „Dir sind die
Schlüssel des Himmels gegeben; und was Du auf Erden binden wirst, wird auch im Himmel
gebunden sein; und was Du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein. 9“
Demzufolge habe er als „Herr der Schafe“, die Befugnis alles und jeden (und das schließt
Könige mit ein) an ihre Würde zu binden und auch wieder zu lösen. Der Brief wurde laut
kritischer Edition am 8. Dezember 1075 verfasst. Damit dient dieser Brief im Vergleich mit
Q1 in erster Linie dem besseren Verständnis, der Umstände, die vermutlich zur Entstehung
von Q1 beigetragen haben. Desweiteren erfahren wir, im Vergleich mit NQ1, wie er die für
die Exkommunikation Heinrichs notwendige Kompetenz und die damit einhergehende
7
Brief Nr.66, hg. und übers. von Franz-Josef SCHMALE in: Quellen zum Investiturstreit, erster Teil Ausgewählte
Briefe Papst Gregors VII., hg. von Franz-Josef SCHMALE und Rudolf BUCHNER (= ausgewählte Quellen zur
deutschen Geschichte des Mittelalters – Freiherr vom Stein – Gedächtnisausgabe 12a), Darmstadt 1978, S.
199.
8
Ebd., S. 199.
9
Ebd., S. 201.
Überlegenheit der geistlichen gegenüber der weltlichen Macht begründen möchte: Anhand
der Bibel, mit den vermeintlichen Worten vom Sohn Gottes.
Auf diese (aus Sicht des Königs) Anmaßung reagierte Heinrich IV. ebenfalls mit der
Forderung, dass Gregor VII. abdanken solle. Dementsprechend bezeugt die Hauptquelle, in
welcher Gregor VII. über Heinrich IV. einen Bann ausspricht, des Papstes Reaktion auf
Heinrichs IV. Brief „an den falschen Mönch“. Beide werfen in ihrer Begründung dem jeweils
Anderen vor, ihre Würde falsch zu verstehen und sich Befugnisse anzumaßen, die sie nicht
inne hätten.
NQ3 bezeugt die Reaktion Heinrichs auf die Drohungen von Papst Gregor VII. Dieser Brief
ist zwar an den Papst adressiert, diente aber wohl Propagandazwecken, da ihm bereits vorher
ein Brief geschrieben worden ist. Im Vergleich mit NQ1 zeigt sie uns eine andere Ansicht
über die Befugnisse des Papstes auf. In diesem Brief wird deutlich, dass der Papst keine
Gewalt über den König hatte. „[…] du hast unsere Demut für Furcht gehalten und dich daher
nicht gescheut, dich sogar gegen die uns von Gott verliehene königliche Gewalt zu erheben;
du hast zu drohen gewagt, du würdest sie uns nehmen, als ob wir von dir das Königtum
empfangen hätten, als ob in deiner und nicht in Gottes Hand Königs- und Kaiserherrschaft
lägen.10“
„Auch mich […] hast du angetastet, mich, von dem die heilige Überlieferung lehrt, daß ich
nur von Gott gerichtet werden darf.11“
„Er (Petrus) sagt nämlich: „Wenn irgendeiner, ich oder ein Engel vom Himmel, euch ein
anderes Evangelium verkündete, als wir verkündigt haben, dann sei er verflucht.“So steige du
dann […] herab.12“
Inwiefern dieses Machtverhältnis wahr ist, lässt sich nicht sagen, da es sich, wie oben
geschrieben, um ein Propagandaschreiben handelt13. Aber es lässt vermuten, dass die Ansicht
und das Wort des Papstes nicht unangreifbar waren. Wie auch aus einem vorherigen Brief zu
erkennen ist, ist die Absetzung des Papstes auf einem Konzil beschlossen worden. Somit
scheint die Souveränität des einen über den Anderen nicht geklärt zu sein. Fakt ist aber, dass
10
Brief Nr. 12, übers. von Franz-Josef SCHMALE, in: Quellen zur Geschichte Kaiser Heinrichs IV. hg. von Rudolf
BUCHNER (=Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters - Freiherr vom SteinGedächtnisausgabe 12), Darmstadt 1963, S. 67, Z. 5-9.
11
Ebd., S.67, Z. 21-24.
12
Ebd., S.67, Z. 33-38.
13
Vgl. Ebd., S.65.
König Heinrich IV. wohl keine Bedenken hatte Gregor zu missachten und auch seinen Bann
nicht fürchtete.
Letztlich bezeugt die Hauptquelle, dass Gregor VII über Heinrich IV. einen Bann ausspricht.
Dass ein König mit einem Bann belegt wurde, ist bis dahin nicht vorgekommen14. Im
Gegenteil, die Zeitgenossen hatten bisher nur erlebt, dass ein König einen Papst absetzte. Ein
Beispiel hierfür ist die Absetzung zweier Päpste durch Heinrich III., den Vater Heinrichs IV15.
Was aus der Hauptquelle – dem offiziellen päpstlichen Protokoll16 – geschlossen werden
kann, ist die Tatsache, dass Gregor VII. Heinrich den IV. exkommunizierte. Sprich, die
Quelle berichtet zeitlich aus nächster Nähe und weist in Verbindung mit den Nebenquellen,
aufgrund ihrer Androhung und späterer Reaktionen auf die Exkommunikation hin. Von wem
sie verfasst wurde ist allerdings unbekannt; es ist aber nach der kritischen Edition davon
auszugehen, dass sie nicht von Gregor VII. selbst verfasst worden ist. Vermutlich hat ein
Teilnehmer der Synode dieses Protokoll geschrieben. Da es sich um ein Protokoll handelt,
wird der Schreiber versucht haben, die Worte Papst Gregors VII. so nahe wie möglich
wiederzugeben und dabei keinen Hintergrundgedanken der inhaltlichen Verfälschung –
höchstens der Verschönung der Wortwahl – gehabt haben.
Aufschluss darüber, ob der Papst die Befugnisse dazu hatte, einen König zu
exkommunizieren, kann sie uns nicht geben, lediglich, dass er entweder glaubte sie zu
besitzen oder sie besitzen wollte. Dass es aber vermutlich so wirken soll, als hätte er sie inne,
davon ist auszugehen, denn jemand würde sich nicht in eine solche Situation begeben, wenn
er nicht wüsste, dass er Chancen hat, seine Ansprüche irgendwie geltend zu machen:
“Beate Petre apostolorum princeps, inclina, quaesumus, pias aures tuas nobis et audi me
servum tuum, […]17 “
„Heiliger Petrus, Anführer der Apostel, wende, so bitten wir, uns pflichtbewusst deine Ohren
zu und höre mir, deinem Diener, zu […]“
„Et michi tua gratia est potestas a Deo data ligandi atque solvendi in celo et in terra. Hac
itaque fiducia fretus pro ecclesie tue honore et defensione ex parte omnipotentis Dei Patris et
14
Vgl. Erkens, Franz – Reiner: Herrschersakralität im Mittelalter – von den Anfängen bis zum Investiturstreit,
Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer 2006, S.191.
15
Ebd., S.196.
16
Findet sich als Anmerkung bei: De Synodo, hg. von Erich CASPAR, in: Gregorii VIII Registrum LIB. I – IV (=
Monumenta Germaniae Historica. Epistolae 10a. Epistolae Selectae 2), Berlin 1955, Lib.III, S.268.
17
Ebd.,S.270, Z.2f.
filii et Spiritus sancti per tuam potestam et auctoritatem Heinrico regi, filio Heinrici
imperatoris, qui contra inaudita superbia insurrexit, totius regni Teutonicorum et Italie
gubernacula contradico et omnes christianos a vinculo iuramenti, quod sibi fecerunt vel
facient, absolvo et, ut nullus ei sicut regi serviat, interdico.18”
“Und mir ist durch deine Gnade von Gott die Kraft des Bindens und Lösens übertragen
worden. Daher spreche ich vertrauend auf diese Zuversicht, für die Ehre und Verteidigung
deiner Kirche auf Seiten des allmächtigen Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, durch
deine Macht und Ermächtigung, König Heinrich, Sohn Kaiser Heinrichs, der sich mit
unerhörtem Hochmut gegen (uns/deine Kirche) erhoben hat, die Königswürde über das ganze
deutsche Reich und die Führerschaft über Italien ab und löse alle Christen von der Fessel des
Schwurs, welche sie selbst machten oder machen werden, und verbiete sie, damit niemand
diesem wie einem König dient.“
„Et quia sicut chritianus contempsit oboedire nec ad Deum rediit, quem dimisit participando
excommunicatis meaque monita, que pro sua salute misi, te teste spernendo seque ab ecclesia
tua tamptans eam scindere separando, vinculo eum anathematis vice tua alligo […]19“
“Und weil er es verachtete wie ein Christ zu gehorchen und nicht zu Gott zurückkehrte,
welchen er aufgrund des Verkehrs mit Exkommunizierten verließ, sowie meine Mahnungen,
die ich für sein Heil entsendete, du bist mein Zeuge, und aufgrund seiner Verachtung deiner
Kirche gegenüber, weil er versuchte diese durch Teilung zu zerstören, binde ich ihn statt
deiner mit der Fessel des Banns […]“
Anhand der Hauptquelle in Verbindung mit den Nebenquellen eins und zwei lässt sich die
theologische Begründung Gregors VII. nachvollziehen. Denn er beruft sich auf die Worte
Jesu, der seinen Jünger Petrus als seinen Stellvertreter auf Erden einsetzt, der die Macht zu
binden und zu lösen von ihm erhalten hat. Daraus leitet er (Gregor) die Befugnis ab, Heinrich
zu bannen. Gleichzeitig beansprucht er auch die Christen von ihren Eiden gegenüber eines
Exkommunizierten lösen zu können. In Verbindung mit den anderen Quellen können wir also
annehmen, dass Heinrich von Gregor exkommuniziert wurde und dass Gregor dies
theologisch begründet. Allerdings sehen wir auch in Verbindung mit NQ3, dass dieser
Anspruch etwas Neues war und von Heinrich IV. durchaus nicht gefürchtet wurde, nachdem
18
De Synodo, hg. von Erich CASPAR, in: Gregorii VIII Registrum LIB. I – IV (= Monumenta Germaniae Historica.
Epistolae 10a. Epistolae Selectae 2), Berlin 1955, Lib.III, S.270, Z. 14 – 23.
19
Ebd., S. 270 – 271, Z. 25 – 4.
er Gregors Drohung umkehrt und von Gregor verlangt vom apostolischen Stuhl
zurückzutreten. Festgestellt werden kann auch, dass das Investiturrecht ein wichtiges Recht
gewesen sein muss, da es sonst nicht zu einer solch prekären Situation gekommen wäre. Da
es, wie gesagt bisher noch nicht vorkam, dass ein Papst einen König absetzte, sondern das
Gegenteil der Fall war, hat Gregor sein Leben auf das Spiel gesetzt, um dieses Recht zu
erlangen. Weshalb es für ihn so wichtig war, darüber kann letztlich nur spekuliert werden. Es
wäre möglich, dass Gregor ein religiöser Fanatiker war, dem es wirklich darum ging die
fähigsten Bischöfe einzusetzen, zum Wohle des Seelenheils. Eine andere Möglichkeit wäre,
dass es Gregor schlichtweg um Macht ging. Um diesen Ansatz weiter verfolgen zu können,
müssen wir einen Blick darauf werfen, inwiefern das Investiturrecht für den König wichtig
war, weil wir daraus erkennen, inwiefern die Möglichkeit dieses Recht auszuüben einen
entscheidenden Machtfaktor ausmacht.
Im Mittelalter wurde der König als geheiligte Person vererhrt und die Monarchie „als
biblische beglaubigte Herrschaftsform“20 empfunden. Trotz dieser biblischen Rechtfertigung
beruhte die Herrschaft des Königs auf der Zustimmung anderer. Diese Anderen waren die
übrigen Fürsten des Reichs, denn letztlich war ein König nur ein Fürst und war für die
anderen Fürsten nur ein primus inter pares21. Auch wenn dem König eigentlich (theologisch
betrachtet) von Gott im Sinne eines 1. Vasallen das gesamte Königreich übergeben worden
war, konnte er nicht über alle Bereiche. Auch wenn theoretisch den übrigen Fürsten, wie es
im Feudalsystem üblich war, vom König Ländereien als Lehen übergeben worden waren, sie
somit seine Vasallen waren, und diese das Land an seiner statt verwalteten und für den König
Truppen aushoben und Abgaben leisteten, konnten diese Ländereien durch Schenkungen (als
Allod) ganz in den Besitz des Lehnsherrn übergehen. Darüber hinaus vererbte der Lehnsherr
sein Lehen an seine Nachkommen weiter, wodurch sich das gemeine Volk eher mit dem
Lehensherr als dem König als direktem Herrscher, vor allem nachdem das Lehen zu Allod
wurde, identifizierte. Da sie also faktisch in diesen Gebieten herrschten und somit eine eigene
Machtbasis erhalten hatten, waren sie die Rivalen des Königs. Je besser sich der König also
gegen seine Vasallen durchsetzen konnte, desto mehr Macht hatte er im Reich. Den Fürsten
war natürlich daran gelegen, dass ihre Macht nicht geschmälert wurde, weshalb ein starker
König für sie nicht unbedingt wünschenswert war. Um die Macht seiner Vasallen zu
schmälern und seine eigene Machtbasis zu vergrößern, war es für den König wichtig,
Ländereien für sich verwalten zu lassen, die allerdings nach dem Tod des Lehnsherrn wieder
in seinen Besitz übergingen. Dabei bot es sich an Bischöfe als Lehensherren einzusetzen, da
20
21
Demandt, Alexander: Kleine Weltgeschichte, Frankfurt: Fischer Verlag 2007, S. 114.
Ebd., S.114.
diese nicht in den Bund der Ehe eingehen konnten und somit keine legitimen Erben zeugen
konnten. Ferner wurden der Kirche diese Ländereien geschenkt, da ja immer für den König
gewirtschaftet wurde, da die Bischöfe, da sie durch den König eingesetzt wurden, ihm
verpflichtet waren. Aufgrund dessen waren die Bischöfe der Schlüssel des Königs seine
Machtbasis gegenüber den anderen Fürsten zu behaupten. Indem dem König das Recht
Bischöfe einzusetzen genommen werden würde, würde ein wichtiger, wenn nicht der
wichtigste Teil, seiner Machtbasis wegfallen22.
Da Heinrich IV. diese Handhabung, wie ihm die Fürsten des Reiches nördlich der Alpen
vorwerfen, vollzog, konnte sich Gregor VII. nahezu
Exkommunikation
Heinrichs
IV.
gelegen
kommen
sicher sein, dass ihnen die
würde.
Will
man
nun
dem
Interpretationsansatz des Machthungrigen Papstes folgen möchte, könnte man ihm
unterstellen, die Bischöfe einsetzen zu dürfen, damit die der Kirche geschenkten Ländereien
auf ihn als Grundherren übergehen und diese Ländereien, da sie somit ihm verpflichtet sind,
für ihn wirtschaften und Truppen ausheben.
Um bewerten zu können, welche Wirkung Gregors Bann bei den oben genannten Fürsten
verursachte und welche Akteure dabei eine tragende Rolle spielten, muss nun die zweite
Hauptquelle einbezogen werden. Bei dieser handelt es sich um das Ultimatum der Fürsten an
Heinrich vom 25. Oktober 1076, die dahin gehend untersucht werden soll, wie die Fürsten auf
Gregors Schreiben vom 25. Juli 1076 reagierten und in ebendiesem Ultimatum ihre Haltung
dem König gegenüber bekundeten.
22
Kurz und prägnant fasste dies Alexander Demandt in seinem Werk „Kleine Weltgeschichte“ S.113-124
zusammen.
Quellen – und Literaturverzeichnis
Quellen:
Brief Nr. 12, übers. von Franz-Josef SCHMALE, in: Quellen zur Geschichte Kaiser Heinrichs
IV. hg. von Rudolf BUCHNER (=Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des
Mittelalters - Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 12), Darmstadt 1963, S.65 – 69.
Brief Nr.66, hg. und übers. von Franz-Josef SCHMALE in: Quellen zum Investiturstreit,
erster Teil Ausgewählte Briefe Papst Gregors VII., hg. von Franz-Josef SCHMALE und
Rudolf BUCHNER (= ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters –
Freiherr vom Stein – Gedächtnisausgabe 12a), Darmstadt 1978, S. 197 – 205.
De Synodo, hg. von Erich CASPAR, in: Gregorii VIII Registrum LIB. I – IV (= Monumenta
Germaniae Historica. Epistolae 10a. Epistolae Selectae 2), Berlin 1955, Lib.III, S.268 – 271,
Z.1 – 7.
Dictatus Papae, hg. und übers. von Franz-Josef SCHMALE in: Quellen zum Investiturstreit,
erster Teil Ausgewählte Briefe Papst Gregors VII., hg. von Franz-Josef SCHMALE und
Rudolf BUCHNER (= ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters –
Freiherr vom Stein – Gedächtnisausgabe 12a), Darmstadt 1978, S. 149ff.
Literatur:
Demandt, Alexander: Kleine Weltgeschichte, Frankfurt: Fischer Verlag 2007.
Erkens, Franz – Reiner: Herrschersakralität im Mittelalter – von den Anfängen bis zum
Investiturstreit, Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer 2006.
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