Sonderdruch aus Jahrbuch für Geschichte des Feudalismus Band 6 Akademie-Verlag Berlin " 4ýSl Bernhard Töpfer Tendenzen zur Entsakralisierung in der Zeit des Investiturstreites der Herrscherwürde KönigsIn der neueren Literatur ist die seit dem B. Jh. deutlicher hervortretende hauptsächlich auf die mit ideologie, welche die Legitimation der Herrschergewalt und mit Hilfe der Deizurückführte der Salbung verbundene Herrscherweihe Gott herleitete, durch unterLinie in Königsmacht von die erster gratia-Formel Man theoteils spricht von einem worden. Begriffe gekennzeichnet schiedliche teils von einem Königpriestertum2, Königtum', kratischen bzw. theokratisierten Weihekönigtum)3 (bzw. Königtum und nicht zuletzt teils von einem geweihten hier nur kurz angemerkt, daß vor Es Königtum'. sei auch von einem sakralen derartiger Begriffe zu warnen ist, da mit Verwendung einer verabsolutierenden Königsauffassung der Seite bestimmte erfaßt werden kann. ihnen meist nur eine vor dem Investiturstreit sicherlich keine So war die Königs- bzw. Kaiserherrschaft daß die damals Vorübliche bestreiten, ist Doch zu nicht ausgeprägte Theokratie. Herrscher die Gott Auftrag von regierende der im göttlichen stellung, derzufolge in Element der damatheokratisches habe, durchzusetzen ein gewollte Ordnung ligen Herrscherideologie darstellt. Insofern scheint mir etwa der von W. Ullmann (also in einem deutschsprachigen Aufsatz verwandte Begriff theokra'iisiertes" KennzeichHerrscheramts zur bzw. nicht einfach theokratisches" theocratic") nung der damaligen Herrscherideologie am ehesten sachgerecht. Es stellt sich jedoch die Frage, ob mit dem Attribut oder theotheokratisch" 1 So vor allem in the Middle Politics W. Ullmann, Government and Principles of Ages, London 1961, S. 117 fL (spätere mir nicht zuAuflagen, wie die 4. von 1978, waren ders., Von Canossa gänglich); F. Kempf, ff.; 268 Das ProS. Pavia, in: liJb 93/1973, nach blem der Christianitas im 12. und 13. Jahrhundert, 79/1960, S. 109, spricht, in, ebenda von einer Theokratie". priesterköniglichen 2 So etwa P. E. Schramm, Der König von Frankreich. Das Wesen der Monarchie vom 9. zum 16. Jahrhundert, Bd. 1,2. Aufl., Weimar 1960, S. 156. T Dies wäre die wörtliche Übersetzung des von M. Bloch, Les rois thaumaturges, Strasbourg 1924, S. 51 if., gebrauchten Begriffs sacree". royautä So etwa W. Kölmel, Regimen Christianum. Weg und Ergebnisse des Gewaltenverhältnisses und des Gewaltenverständnisses (8. bis 14. Jahrhundert), Berlin 1970, S. 125; der Begriff Herrscher" bei E. Werner, Konstantinopel sakraler und Canossa, Berlin . 1977, S. 13 (SB Al, - DDR). Vgl. auch den Titel des Aufsatzes von H. Beumann, Die sakrale Legitimierung des Herrschers im Denken der ottonisthen Zeit, in: ZRG GA 66/1948, S. 1. So Ullmann, Von Canossa, S. 268; vgl. ebenda, S. 272, wo er den Begriff sakrales Königtum" ausdrücklich ablehnt, weil er zu schillernd sei. e 164 Bernhard Töpfer in vollem Umfange erfaßt werden kratisiert" die damalige Königsaufiassung kann. Beispielsweise sind theokratische Vorstellungen durchaus mit dem Amtsgerückt gedanken vereinbar, bei dem die Würde des Amtes in den Vordergrund und zugleich eine ausgeprägte Erhöhung der Person des Amtsträgers vermieden der Jahrhunderte vor dem wird. Man kann aber gerade in der Herrscherideologie Tendenzen zu einer solchen Hochwertung des Inhabers des KönigsInvestiturstreit ErachKern F. hat deutlich in diesem meines Zusammenhang erkennen. amtes tens mit Recht von Widersprüchen dem theokratischen Amtsgedanken zwischen des die hauptsächlich der und der sakralen Herrscherweihe", Verherrlichung Tendenzen sei Herrschers" diente, gesprochen c Zur Verdeutlichung derartiger hier nur auf die Ausführungen Wipos über die Weihe bzw. Salbung Konrads II. dem hat demnach dieser Akt damals aus Sakrament verwiesen; als aufgefaßte7 Christi König Gewählten Menschen der zum gemacht", als vicarius einen neuen des Walten habe8. teil Auch die Bezeichnung göttlichen am wiederholt auftretende Königs als christus domini, als des Herrn", veranschaulicht wohl noch Gesalbter Dei' denn die Kennzeichnung unmittelbarer als vicarius Christi oder als vicarius jene Tendenz, dem geweihten Herrscher eine eindeutig über die anderen Menschen überhöhte Stellung zuzuweisen. Derartige Anschauungen, die kaum unter den Begriff darauf gezu subsumieren sind, waren unverkennbar theokratisch" richtet, die Herrscherperson in eine überhöhte, sakrale Sphäre" zu heben. 10 Mit der Aussage, daß in jener Herrscherideologie Tendenzen einer Sakralisierung wirksam waren, soll keineswegs behauptet werden, daß das frühmittelalterliche Königtum bzw. Kaisertum ein ausgeprägtes Sakralkönigtum gewesen sei. Wenn man mit W. Baetke davon ausgeht, daß im eigentein Sakralkönigtum lichen Sinne nur gegeben sei, wenn der Herrscher in irgendeiner Weise Objekt der göttlichen Verehrung ward, dann ist klar: es hat dieses Kriterium beim mittelalterlichen Herrschertum durchgängig nicht gegeben. Hierbei ist festzuhalten, daß die in diesem Sinne eingeschränkten sakralen Züge der damaligen Herrscherideologie in direktem Zusammenhang bzw. Salbung mit der Herrscherweihe Nachwirkungen stehen und kaum als unmittelbare germanischer Vorstellungen gedeutet werden können. 12Zugleich ist es in unserem Zusammenhang wesentlich, daß insbesondere die ersten Kaiser der salischen Dynastie jene theokratisch-sa0 F. Kern, Gottesgnadentum EntZur Widerstandsrecht Mittelalter. im früheren und der Monarchie, 2. Aufl., hrsg. von R. Buchner, Darmstadt 1954, S. 94wicklungsgeschichte der Krö7 Vgl. dazu P. E. Schramm, Geschichte des Lichte im englischen Königtums nung, Weimar 1937, S. 119 f. MG 8 Wipo, Gesta Chuonradi II. imperatoris opera, Wiponis c. 3, ed. H. Bresslau in: SS in us schol, 3. Aufl., Hannover/Leipzig 1915, S. 23. ideologischen Vgl. G. Koch, Auf dem Wege zur Studien zum Sacrum Imperium. Berlin Jahrhundert, Herrschaftsbegründung der deutschen Zentralgewalt im 11. und 12. 1972, S. 68 ff. (Forschungen zur mittelalterlichen Geschichte, Bd. 20). 10 Ebenda, S. 189. Bd. 109, Leipzig, Al, 11 W. Baetke, Yngvi und die Ynglinger, (SB Berlin 1964, S. 39 Heft 3). 1; Vgl. ebenda, S. 180; F. Graus, Volk, Herrscher und Heiliger im Reich der Merowinger, Prag 1965, S. 334. Zur Entsakralisierung der Herrscherwürde 165 kralen Züge dazu nutzten, für sich einen geistlichen Rang zu beanspruchen und damit ihre sehr weitgehende Herrschaft über die Kirche zu rech'tfertigen. 13 seit der Mitte des 11. Jh. daran ging, den HerrschaftsAls das Reformpapsttum Gewalten über die Kirche zurückzuweisen und den Papst der weltlichen anspruch Herrschern stehende Oberhaupt der Christenheit herauszuüber das allen als die Vertreter der Reformpartei jene aus standen vor der Notwendigkeit, stellen'', der Salbung abgeleiteten Ansprüche weltlicher Herrscher, insbesondere der Kaiser, auf einen geistlichen Rang bzw. eine sakral überhöhte Stellung abzubauen. Zu diesem Zweck nutzte man unterschiedliche Argumente. Vor allem kam es darauf an, den Anspruch der Könige auf einen geistlich-priesterlichen Rang zu in den Kreis der Laien zu versetzen. Dazu verneinen und diese unmißverständlich die Wirkung der Herrscherweihe entwerten, ohne mußten die Reformtheoretiker jedoch deren Existenz grundsätzlich zu verneinen, da dieser Akt in besonderem Ordnung einzuMaße geeignet war, das Herrscheramt in die christlich-kirchliche des gliedern. Diese zwiespältige Haltung spiegelt sich wider in der Argumentation reformerisch gesinnten Bischofs Wazo von Lüttich, der bereits kurz nach den schwerwiegenden Eingriffen Kaiser Heinrichs III. in die Besetzung des päpstlichen Stuhles um 1050 feststellt, daß sich die Salbung des Priesters wesentlich von der höher einzuschätzen seil'; dementdes Königs unterscheide und grundsätzlich sprechend habe der Kaiser kein Recht, Päpste abzusetzen. . Humbert von Silva CanDer bedeutendste Theoretiker der Reformbewegung, dida, ging in seiner Schrift gegen die Simonisten von vornherein davon aus, daß der König ein Laie sei, d. h. er ignorierte die sakralen Züge in der KönigsideoloWorten folgenden ln Könige der Salbung ein: Dazu empAuf die mit geht er gie. fangen sie das Schwert aus den Händen der Priester Christi und dazu werden sie der Kirchen Gottes einsetzen und, wo gesalbt, daß sie sich für die Verteidigung immer es nötig ist, dafür kämpfen. "17 Die Salbung hat demnach in keiner Weise Wirkung, sondern Herrschers überhöhende die Stellung des und absichernde eine sie verpflichtet ihn zum Dienst für die Kirche. In ähnlicher Akzentuierung deutet Manegold von Lautenbach in seiner zwiEr Königsweihe. die 1083 erwähnt sie 1085 Streitschrift schen und entstandenen in jenem Kapitel, in dem er das Vorgehen weltlicher Gewalten gegen Geistliche, die sich hartnäckig dem Papst widersetzen, rechtfertigt. Dazu zitiert er die im heißt, der Ordo der Königskrönung in daß Accipe Formel es gladium, enthaltene 13 Vgl. J. Fleckenstein, Rex canonicus. Über Entstehung und Bedeutung des mittelKönigskanonikats, in: Festschrift P. E. Schramm zu seinem 70. Geburtstag, alterlichen Bd. 1, Wiesbaden 1964, S. 61 f. und 71. 1', Vgl. Ullmann, Von Canossa, S. 275, der hervorhebt, daß Gregor VII. das universale über die gesamte christliche Gemeinschaft beanregimen und damit die Oberaufsicht spruchte-1-3 Anselmi Gesta episcoporum Leodiensiuln, ed. R. Köpke in: MG SS VII, Hannover 1846, S. 229 f. 1GVgl. G. Tellenbach, Libertas. Kirche und Weltordnung im Zeitalter des Investiturstreites. Stuttgart 1936, S. 130 (Forschungen zur Kirchen- und Geistesgeschichte, Bd. 7). 17 Humbert, Libri III adversus simoniacos, ed. F. Thaner in: MG Libelli de lite I, Hannover 1891, S. 217. 166 Bernhard Töpfer der König bei der consecratio das Schwert aus den Händen der Bischöfe empfängt, der Kirche verordnet ist; zugleich wird auf die das von Gott zur Verteidigung der Feinde die Pflicht des Königs zum Kampf gegen Ungerechtigkeit und gegen Christenheit sowie auf seine Verpflichtung zum Schutz von Witwen und Waisen hingewiesen. ` Diese beiden, allein die Pflichten betonenden Zeugnisse machen der Herrscherweihe zuzubillideutlich, welchen Stellenwert die Kirchenreformer keine ist Aufwertung Königs bereit des von einer sakralen waren; gen gesalbten Spur zu entdecken. Überdies ist bei einer Einschätzung der Anschauungen Manedes daß berücksichtigen, durch Betonung besonders er eine golds zu akzentuierte des Stellung Amtsgedankens19 von vornherein eine überhöhte, sakral fundierte Herrschers ausschließt. Neben der Abwertung der Herrscherweihe bzw. ihrer einseitigen Deutung im des Königs zum Dienst für die Kirche ist in schriftSinne einer Verpflichtung der Kirchenreform lichen Äußerungen der Repräsentanten noch ein weiteres in das Verneinung Elemente Argument erkennbar, theokratisch-sakraler auf eine Urdes Im Mittelpunkt der Herrscherideologie abzielt. steht dabei die Frage Wesens der weltlichen Gewalt im Unterschied sprungs bzw. des ursprünglichen der der Andeutungen Herkunft in dieser bereits geistlichen. Richtung zur enthält wohl von einem französischen Kanonisten 1047/1048 verfaßte Traktat De ordi2D Er verneint grundsätzlich die Anschauung, daß Kaiser den nando pontifice" Platz Christi einnehmen könnten, d. h. er wendet sich gegen die damals verbreitete Wertung des Kaisers als vicarius Christi 21 Vielmehr würden die Herrscher im Dienste des Teufels erhoben, um mit Feuer und Schwert zu wirken, was vor Gott insgesamt verabscheuenswert sei. Daher seien Kaiser grundsätzlich den Bischöfen 22 Auf diese Weise wird die weltliche Machtausübung pauschal mit untergeordnet einer negativen Wertung versehen: an die Stelle des von Gott gesetzten Königs tritt ein im Dienst des Teufels stehender Machthaber. In weiter präzisierter Form findet sich diese Tendenz -in zwei Briefen Papst Gregors VII. an Bischof Hermann von Metz, in denen er die Bannung König Heinden Bereits 1076 IV. in diesem verweist er Zusammenhang auf richs rechtfertigt. höheren Rang der bischöflichen gegenüber der königlichen Würde: Während die Die 13 Manegold, Liber ad Gebehardum 371. 34, K. Francke S. c. ed. in: ebenda, Accipe-gladium-Formel im Mainzer Ordo von ca. 961 jetzt bei P. E. Schramm, Die Texte des Ordo" und seiner Vorlagen, in: ders., Kaiser, Könige und Päpste, Bd. 3, Mainzer Stuttgart 1969, S. 99 f. 19 Vgl. G. Koch, Manegold von Lautenbach und die Lehre von der Volkssouveränität unter Heinrich IV., Berlin 1902, S. 34; vgl. S. 131 und 153 (Historische Studien, veröff. in: E. Ebering, Ferner K. J. 34). Leyser, The Bd. von polemics of the papal revolution, Trends in medieval political thought, hrsg. von B. Smalley, Oxford 1965, S. 48. 20 Zu Autorschaft cum und Abfassungszeit vgl. G. B. Borino, Invitus rnontes ultra domino papa Gregorio abii, in: Studi Gregoriani 1, Rom 1947, S. 8 und 30 f.; A. Becker, der Studien zum Investiturproblem in Frankreich, Saarbrücken (Schriften 1955, S. 142 Universität des Saarlandes). 21 Vgl. 1V. Ullmann, Die Machtstellung des Papsttums Im Mittelalter, Graz/Wien/Köln 1960, S. 386; Koch, Auf dem Wege, S. 71. 22 De ordinando pontifice auctor Gallicus, ed. E. Dümmler de fite I, in: MG Libelli Hannover 1891, S. 14. Zur Entsakralisierung der Herrscherwürde 167 erstere von Gott eingesetzt sei, könne man aus den Anfängen der Königsherrschaft ersehen, daß sie von menschlichem Hochmut ersonnen wurde. Im Unterschied zu den Bischöfen, die für die Erlangung des ewigen Lebens wirken, strebten iiie Könige unablässig nach eitlem Ruhm 23 Noch schärfer drückt sich Gregor in dem zweiten an Bischof Hermann gerichteten Brief aus, der im März 1081 entin Umlauf gesetzt wurde? ' stand und gleichzeitig in einer Zirkularausfertigung hat, beIn diesem Schreiben, das die Ausmaße einer umfassenden Streitschrift gründet der Papst in grundsätzlicher Weise sein Recht, Könige zu bannen und ihre Untertanen vom Treueid zu lösen. Hier wiederholt er zunächst die Feststellung, daß die durch Menschen, die Gott nicht kannten, erfundene weltliche Würde der sei; darauf folgt von Gott selbst eingesetzten geistlichen Würde untergeordnet daß Ködie in neuerer Literatur häufig diskutierte Aussage: wüßte nicht, Wer nige und Herzöge ihren Ursprung bei jenen hatten, die Gott nicht kannten und durch Hochmut, Raub, Hinterlist, Mord, kurz durch nahezu alle möglichen Verbrechen, angestiftet vom Fürsten dieser Welt, nämlich dem Teufel, sich anmaßten, Anmaßung zu herrüber ihnen Gleichgestellte in blinder Gier und unerträglicher Stelle Augudarauf kurz aus zitierte Wertung Eine ähnliche schen. enthält eine Hochmut derzufolge sei, doctrina christiana", es unerträglicher stins Schrift De Natur ja ihm die von aus Menschen jemand Herrschaft über anmaße, wenn sich gleich seien 2G dieser Aussagen ist Bei den Bemühungen um eine korrekte Interpretation Könige gein VII. Gregor an darauf daß anderen wiederholt verwiesen worden, Gott Königtum das ihnen von Briefen durchaus daß davon richteten ausgeht, übertragen seif'; und auch in vor 1076 verfaßten Schreiben an Heinrich IV. wird klar gesagt, daß dieser von Gott in seine Machtstellung eingesetzt wurde2e. Besondere Beachtung verdient in diesem Zusammenhang ein 1080 verfaßter Brief an König Wilhelm von England, in dem der Papst im Sinne der traditionellen Zweigewaltenlehre erklärt, daß der allmächtige Gott in dieser Welt zwei herausragende Würden einrichtete, die apostolische und die königliche; anschließend betont er allerdings unmißverständlich die Überordnung und das Aufsichtsrecht der päpstlichen Gewalt, aber von einer Verknüpfung zwischen Teufel und Königsherrschaft ist hier keine Rede. zs Gregorli VII. registrum lib. IV, nr. 2, ed. E. Caspar, MG Epp sel II, Berlin 1920, S. 295. 2 Ebenda lib. VIII, nr. 21, Berlin 1923, S. 544 ff.; die Zirkularausfertigung überliefert Bruno. Liber de bello Saxonico c. 73, bearb. von H. -E. Lohmann, MG Deutsches Mittelalter 2, Leipzig 1937, S. 66 ff. =5 Gregorii VII. registrum, S. 552. 26 Ebenda, S. 556. 27 So in zwei Schreiben an dänische Könige: ebenda lib. V, nr. 10, S. 362, und lib. VII, divina commisit. providentia curam 497: regni S. cui 21, nr. 2s Ebenda lib. II, nr. 31, S. 165, und lib. III, nr. 7, S. 257: qucm Deus in summo rerum posuit culmine. 29 Ebenda lib. VII, nr. 25, S. 505 f. Vgl. dazu F. J. Schmale, Papsttum in: Probleme des 12. Jahrhunderts, II., Innocenz VII. Gregor und schen Forschungen, Ed. 12). f. (Vorträge und S. 16 1968, gart und Kurie zwiKonstanz/Stutt- 168 Bernhard Töpfer Aussagen GreWenn man versucht, die sicher nicht voll harmonisierbaren durch gors VII., die einmal die Errichtung weltlicher Herrschaft auf Anstiftung Gewalt königlichen der die Einsetzung den Teufel zurückführen, zum anderen betonen, sinnvoll zu erklären, dann ist zunächst zu beachten, daß der Papst keineswegs behauptet, die Einsetzung des Herrscheramtes widerspreche grundsätzlich dem Willen Gottes; er betont nur, daß jene, die als erste in heidnischer Zeit die Macht über die ihnen ursprünglich gleichgestellten Menschen an sich rissen, durch handelten. gewalttätig und wurden vom Teufel eingegebenen Hochmut getrieben VII. hier daß Gregor betont, Stelle dieser E. Bernheim hat bei der Erörterung des heidnischen StaaStaates, des also Entstehung nur von der ursprünglichen Boden" Teufelsstaates dieses christlichen auf tes der Fortsetzung ... und von ..., fragt ist Das sich aber, sicher es richtig; Herrschern spreche? unter ungerechten Verwiesen bereits ist. Aussage Gregors voll erfaßt ob damit die Bedeutung von daß Nitschke, der hervorhebt, A. ebenfalls von sei noch auf die Interpretation Zeit" heidnischer christlicher Unterschied zwischen und Gregor einen scharfen Papstes sagt also nichts über das Wedes Ausspruch mache, und folgert: Dieser über Entstehung in etwas seine nur vorchristsondern des Königtums aus, sen G. Tellenbach Bernheims Annahme, daß bezweifelte licher Zeit. " Demgegenüber Fürsten zu beziehen seien; er geht aber schlechte Gregors auf diese Aussagen nur der Problematik nicht weiter nach und erklärt - sicher mit Recht -, daß man diese Ausführungen nicht in ein in sich geschlossenes System" hineinzwängen könne. u der Bedenken gegenüber abschwächenden Deutung jener Auch G. Koch äußert Sätze durch Bernheim? Gregors VII. schwerTatsächlich wird man der Bedeutung der Formulierungen lich gerecht, wenn man erklärt, sie bezögen sich nur auf die Entstehung des Staates in heidnischer Zeit und sagten somit nichts über das Wesen des Königtums aus. Überordnung der Begründung des Papsttums über bei Denn dann hätte er seiner die weltlichen Gewalten die Entstehung der Königsmacht gar nicht zu erörtern brauchen. Wenn er hervorhebt, daß weltliche Macht - wenn auch wohl mit Zulassung Gottes - von Menschen in teuflischem Hochmut unter Gewaltanwendung ihr doch damit offenbar dann eigene allgemeine Wesenser will errichtet wurde, durchbrechen können, sobald ein Herrjederzeit die wieder kennzeichnen, züge Normen hält und sich nicht die denn christlich-kirchlichen scher sich nicht an das setzt Gregor zweifellos ebenfalls voraus - dem Haupt der Kirche unterordnet. in die vom Papst garantierte Nur durch strenge Eingliederung Ordnung der Christenheit kann sich ein König als ein wahrhaft von Gott gesetzter Herrscher erweisen und den mit weltlicher Machtausübung besonders eng verbundenen Gefahren, die vom Teufel ausgehen, entgehen. 30 E. Bernheim, Mittelalterliche Zeitanschauungen in ihrem Einfluß auf Politik und Geschichtsschreibung, Tübingen 1918, S. 206. :iA. Nitschke, Die Wirksamkeit Gottes in der Welt Gregors VII. Eine Untersuchung über die religiösen Äußerungen Handlungen und politischen des Papstes, in: Studi Gregoriani 5, Rom 1956, S. 190 f.; zustimmend Leyser, The polemics, S. 56 f. 32 Tellenbach, Libertas, S. 187, Anm. 33 Koch, Auf dem Wege, S. 20. Zur Entsakralisierung der Herrscherwürde 169 Damit bezieht der Papst eine Position, mit der er gegenüber der traditionellen kirchlichen Lehre wesentliche eigene Akzente setzte. Vertreter der vorherrschenden kirchlichen Auffassungen hatten durchaus mit der Möglichkeit des Auftretens ungerechter, tyrannischer Herrscher gerechnet; in diesem Falle war man davon ausgegangen, daß solche Tyrannen zwar nicht von Gott gesetzt, aber von diesem wegen der Sünden der Menschen doch zugelassen seien, weshalb ihnen zu gehorchen sei. ' Derartige Nuancierungen konnten in den Augen Gregors, der die danach beurteilte, ob Gott oder der Teufel von ihnen Menschen grundsätzlich letztlich nur unaufgebbare Grundprinzipien Besitz ergriffen hatte, verwischen. Daher konnte er den Gedanken, daß ein Christ einem ungerechten Herrscher zu gehorchen habe, nicht akzeptieren. Seiner Ansicht nach verdiente ein beliebiger guter Christ eher ein König genannt zu werden als ein schlechter Herrscher, denn jener gehörte zum corpus des wahren Königs Christus, dieser aber zum corpus diaboli 36 Weiterhin wird durch Gregors Auffassung vom Ursprung weltlicher Herrschaft dem Wesen nach zum Kreis der Machthaber daß klargestellt, weltliche zusätzlich Laien gehören und keinen autogenen Anspruch auf einen geistlichen Rang haben. Dem entspricht sein Hinweis, daß letztlich jedem Inhaber einer der niedersten Würde höhere Exorzisten, dem zukomme als einem Weihen, eine etwa geistlichen Gewalt über Dämonen, während Könige hätten jene denn Herrscher, weltlichen beherrscht Dämonen würden. Fürsten von oft allzu nur und Metz fanden Bischof VII. Gregors Brief von an dem -den Auszüge aus zweiten Investiturdes Periode der Sammlungen sowohl Eingang in kirchenrechtliche des DeusdeLucca, des Anselm in die Zeit, von folgenden der so streits als auch Gratiani'1. Es Decretum das in Chartres' dit°', des Ivo von und schließlich auch Stellen über die Sammlungen der keine daß genannten ist jedoch bemerkenswert, Exorzisten jedes Vorrang den geüber Gewalt der und den Ursprung weltlichen 1085 Nur der hat. zwischen wohl Machthabern aufgenommen genüber weltlichen Turiner in die einer Tarraconensis Liber und und 1090 in Aquitanien entstandene Handschrift überlieferte, um 1100 niedergeschriebene Collectio in sieben Büchern, die beide auch den Dictatus Papae enthalten, übernahmen die erstgenannten Pasin der Karolingerzeit, .cs Vgl. etwa H. H. Anton, Fürstenspiegel und Herrscherethos Bonn 1968, S. 377 ff. 3' So Nitschke, Die Wirksamkeit Gottes, 5.152; vgl. ebenda, S'190. 34 Gregorii VII. registrum lib. VIII, nr. 21, S. 557. 37 Ebenda, S. 555. Vgl- O. Hageneder, Das päpstliche Recht der Fürstenabsetzung: Pontiflciae Historiae Grundlage in: Archivum 1/1963, 1150-1250, kanonistische seine S. 56. 33 Anselmus episcopus Lucensis, Collectio canonum lib. I, C. 80, hrsg. von F. Thaner, " ff. S. 53 1906, Oeniponte Fasc. i, lib. des Deusdedit IV, Kardinals e. 184, Bd. 1, hrsg. von Kanonessamnilung :9 Die 1905, S. 489 n. Paderborn Glanvell, V. W. von f., V, 378, Panormia V, in: 108 Migne, Decretum PL, Bd. 161, und Chartres, 40 No von L 1235 L col. 437 und 61 Decretum Gratiani D 96, c. 9/10; C. XV, q. 6, e. 3, ed. E. Friedberg, Bd. 1, Leipzig 1879, Sp. 340 und 756. 170 Bernhard Töpfer sagen". Diese minimale Rezeption'u der besonders negativen Wertungen der Königswürde läßt darauf schließen, daß die durchaus für die Kirchenreform engagierte Kanonistik des ausgehenden 11. und des 12. Jh. im ganzen nicht bereit war, alle Positionen Gregors zu übernehmen. Auch die propäpstliche Streitschriftenliteratur greift die Stelle über die Anfänge weltlicher Herrschaft nicht auf. Doch haben immerhin Bernold von Konstanz sowie Deusdedit in seinem Libellus rezicontra invasores et symoniacos" die etwas weniger rigorose Formulierung piert, daß die von Gott eingesetzte geistliche Würde höher stehe als die weltliche Gewalt, die eine menschliche Erfindung sei. " der im Diese Hinweise lassen bereits erkennen, daß die realen Auswirkungen Investiturstreit massiv einsetzenden Bemühungen der Kirche um einen Abbau dar sakralen Komponente in der Herrscherideologie werden nicht überbewertet dürfen und deren Auswirkungen jeweils unter Berücksichtigung der tatsächlichen Machtstellung der Königsgewalt in den einzelnen Staaten beurteilt werden müssen. Im Reich verloren die sakralen Züge der Position des Königs bzw. Kaisers offenkundig an Bedeutung. Der Kampf gegen die päpstlichen Oberhoheitsander sprüche führte zwar in der Zeit Kaiser Friedrichs I. mit dem Aufkommen Bezeichnung Imperium" Akzentuierung Kompoder zu einer sakralen sacrum nente in der Reichsidee. Aber da als Träger des Reiches neben dem Kaiser zunehmend die Fürsten in den Vordergrund traten, vermochte dieser auf die Instidie Stellung des Herrschers nicht nennenstution bezogene Vorstellungskomplex wert zu unterbauen. ' in Frankreich und England. Hier wirkte sich Anders verlief die Entwicklung die Tatsache aus, daß die Herrscher dieser Königreiche nicht im Zentrum päpstlicher Angriffe standen und die hohe Geistlichkeit im wesentlichen an einer Zentralgewalt interessiert war. Jedenfalls ist zu beobachten, daß aktionsfähigen in diesen Staaten die Auseinandersetzungen des Investiturstreites keineswegs zu einer Schwächung, sondern eher zu einer bewußten Stärkung der hier bisher weniger ausgeprägter sakralen Züge in der Herrscherideologie beitrugen. Die in den Vordergrund Königsweihe wurde nachdrücklicher gestellt und in Frankreich durch den im 12. Jh. aufkommenden Gebrauch des sogenannten Himmelsöls 42 Zum Liber Tarraconensis Le Bras, Histoire des collections vgl. P. Fournier/G. canoniques en Occident, Bd. 2, Paris 1932, S. 244 fL; auch P. Fournier, Le Liber Tarraconensis, in: Melanges Julien Havet, Paris 1895, S. 273; J. Gilchrist, The reception of Pope Gregory VII into the Canon Law 1073-1141, in: ZRG KA 59/1973, S. 55, der jedoch die Übernahme des Briefes von 1081 nicht erwähnt. Zur Turiner Collectio vgl. ebenda, S. 4 f. 41 Vgl. ebenda, S. 73, wo darauf hingewiesen wird, daß die Übernahme von Aussagen Gregors VII. in kanonische Sammlungen mit Ausnahme der von Deusdedit verfaßten sehr begrenzt war und nicht mit dem starken Nachwirken Papst Urbans II. zu vergleichen ist. 45 Bernold, De solutione iuramentorum, ed. F. Thaner in: bIG Libelli de lite II, Hannover 1892, S. 147 f.; Deusdedit, in: ebenda, S. 353. 45 Vgl. B. Töpfer/E. Engel, Vom staufischen Imperium zum Hausmachtkönigtum, Weimar 1976,5.119. Zur Entsakralisierung der Herrscherwürde 171 in ihrer Bedeutung gesteigert t Die Fähigkeit, Wunder zu tun bzw. Krankheiten, speziell die Skrofeln, zu heilen, wurde sowohl in Frankreich als auch in England im 12. Jh. mit dem Erstarken des Königtums fest mit dem Inhaber des Königsdaß gerade in titels verknüpft. 47 Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, Frankreich bereits zu Beginn des 12. Jh. eine Streitschrift entstand, in der Gregors VII. Auffassung vom Aufkommen der staatlichen Gewalt expressis verbis der Gemeint ist de regia potestate et sacerwurde. zurückgewiesen Tractatus dotali dignitate", den Hugo von Fleury dem englischen König Heinrich I. widVerfassers führt Hugo des Namen den zu nennen, wörtlich die FormuOhne mete. lierungen Gregors an und weist sie unter Hinweis auf die im Mittelalter oft Kapitel des Römerbriefes im 13. Paulus des als frivol zurück. Aussage zitierte Paulus bezeuge, daß die königliche Gewalt nicht von Menschen, sondern von Gott in Frankreich die' Herrschersalbung besonders `'' So sich erwiesen eingesetzt sei. ideologisches Vorstellungen Bollwerk, als ein ihr die verbundenen an dem und mit der Kögeförderten Tendenzen der Entsakralisierung die vom Reformpapsttum bestreiten ist, daß die Reformkirche Wenn zu nicht auch nigsgewalt scheiterten. die über beschränken Herrschaft ecclesia zu vermochte die unmittelbare weltliche des kirchlichen Bereiches durchsetzte, so gilt Verselbständigung und eine gewisse Königsideologie trotz aller Nuancierundie Kampf sakralisierte für ihren gegen dann leur lutte contre la royaute M. Bloch: Feststellung die von letztlich gen Mais ämes, les reformateurs echouerent. "49 les dans sacree, solidement enracinee bei der Salbung König Ludwigs VII. im Jahre Verwendung tc Zu seiner erstmaligen Bd. S. 1, 147. Frankreich, König Der von 1131 vgl. Schramm, 47 Vgl. ebenda, 5.151. Für England Bloch, Les rois thaumaturges, S. 49. 44 Tractatus de regia potestate et sacerdotali dignitate lib. I, c. 1, ed. E. Sackur in: AIG Libelli de lite II, Hannover 1892, S. 467. Vgl. W. Kölmel, Typik und Atypik. Zum in: Speculum Publizistik, historiale. Johannes Geschichtsbild der kirchenpolitischen 1965, S. 283. Spörl aus Anlaß seines 60. Geburtstages, Freiburg/München 49 Bloch, in: Handbuch 1966, S. 500. Les thaumaturges, rois der Kirchengeschichte, S. 259 f. Vgl. hrsg. von auch die Bemerkungen von F. Kempf H. Jedin, Bd. III/1, Freiburg/Basel/Wien