Fort VII Die Korrespondenz der Häftlinge des Lagers - Phila

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Manfred Schulze
Fort VII
Die Korrespondenz der Häftlinge des Lagers Fort VII
sowie des SS-Arbeitserziehungslagers Posen-Lenzingen
Die Geschichte, auch wenn Sie noch so grausam ist, dient der Aufarbeitung durch die beteiligten Personen, so
dass ich mir erlaube, hier als Deutscher, einen Abriß der Ereignisse zu bringen.
Die Einrichtung hatte ihren Sitz in einem preußischen Fort, dem Fort VII in Posen (heute Poznan). Das Fort war in
den Jahren 1879 bis 1883 als Teil eines Verteidigungssystems im Westen Posens erbaut worden.
Das Fort war für höchstens 1.000 Gefangene gebaut. Nach der Besetzung Polens durch die Deutschen, wurden
hier anfangs 1.200 später bis zu 2.000 Gefangene eingeliefert.
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Die Gefängniszellen hatten keine Fenster und niedrige Decken. Es gab keine Zelleneinrichtungen und die
Gefangenen schliefen auf Stroh. Die Situation im Fort VII war vergleichbar mit anderen Lagern der SS und
Gestapo, welche uns nur allzu gut bekannt sind.
Das Lager Fort VII wurde am 7. Oktober 1939 angelegt. Für die Inbetriebnahme des Lagers nimmt man den 10.
Oktober 1939 an, da an diesem Tage die Militärbehörde des Fort VII das Lager an die Sicherheitspolizei
abgegeben hatte. Am gleichen Tage wurde auch offiziell bekannt gegeben, dass das Konzentrationslager im Fort
VII voll organisiert sei.
Die Nutzung des Lagers war für die verschiedensten Gefangenengruppen als
Konzentrationslager
Arbeitserziehungslager (AEL)
Kriegsgefangenenlager
Übergangslager und
Umsiedlungslager vorgesehen.
Diese Nutzung war zeitlich überschneidend von Anfang an und bis zum Ende des Lagers praktiziert. Durch diese
unterschiedliche Nutzung war auch die Art des Postbetriebes gekennzeichnet. Hier wurde für die
unterschiedlichen Gruppen Portopflicht, Portofreiheit oder Portopflicht beim Empfänger deklariert. Beispiele zu
dieser Handhabung auf den weiteren Abbildungen.
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Bild 2 - Konzentrationslager
Nach der Belegung des Lagers, Mitte Oktober 1939, wurde das Lager als Konzentrationslager geführt. Da das
Lager eine begrenzte Größe hatte, war es schnell überfüllt. Aufgrund der Lage, am Rande einer großen Stadt,
wurde das Konzentrationslager im Frühjahr 1940 zu einem Übergangslager umgebildet. Seit diesem Zeitpunkt
wurden die Häftlinge in andere große Konzentrationslager verbracht oder getötet.
Entgegen diesen Erkenntnissen und amtlichen Darstellungen, muss die Verwendung als Konzentrationslager
länger stattgefunden haben. Hierzu gebe ich einen Beleg vom 8.8.1940, entwertet am 10.8.1940, zur Kenntnis.
Die Karten konnten zu dieser Zeit in polnischer Sprache geschrieben werden, da die Zensoren oft Volksdeutsche
mit polnischer Sprachkenntnis waren. Für die Zensur ist nur ein kleiner Haken auf der Textseite zu erkennen.
Bild 3 - Arbeitserziehungslager (AEL)
Im Frühjahr 1940 begannen einzelne Staatspolizeistellen aus eigener Initiative oder auf Veranlassung von
Firmenleitungen, regional unterschiedliche staatspolizeiliche Sonderlager zu eröffnen, bis nach dem Erlass des
Reichsführers SS und der Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern, über die „Errichtung von
Arbeitserziehungslagern“ vom 28. Mai 1941 allgemein entschieden wurde.
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Der Erlass vom 28. Mai 1941 sagt u.a. aus: „... Die Arbeitserziehungslager sind ausschließlich zur Aufnahme von
Arbeitsverweigerern und arbeitsunlustigen Elementen, deren Verhalten einer Arbeitssabotage gleichkommt,
bestimmt. Die Einweisung verfolgt einen Erziehungszweck, sie gilt nicht als Strafmaßnahme und darf als solche
auch nicht amtlich vermerkt werden“. Später zeige ich einen Lagervordruck, in dem die Worte AEL erscheinen.
Dieses widerspricht der Verordnung.
Die hier gezeigte Karte trägt im Absender keinen Vermerk über die Funktion des Lagers, so dass hier zu
vermuten ist, dass es sich um AEL-Häftlinge handelt. In sonstigen Fällen ist der Grund des Aufenthaltes vermerkt.
Seit April 1940 schickte die Gestapo auch Mitglieder der Widerstandsbewegung in das Fort VII. Hier handelte es
sich um Gefangene aus dem Distrikt Posen, Schlesien und dem polnischen Korridor. Unter ihnen befanden sich
nur wenige Frauen, höchstens jeweils 50. In diesem Falle handelt es sich um Karten einer Frau innerhalb der
Stadt Posen.
Bild 4 - Vordrucke
Seit Juli 1940 sind Lagervordrucke bekannt. Bis Juni 1943 jedoch auch Karten ohne Vordruck verwendet. Hier ist
anzunehmen, dass diese Karten mit der Post von den Angehörigen in das Lager kamen.
Die Zensur wurde mit Datenstempeln, dem Wort zensiert oder handschriftlichen Vermerken durchgeführt.
Bild 5 - Kriegsgefangenenpost
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Kriegsgefangenenpost war nach der Genfer Konvention portofrei. Das Wort “Kriegsgefangenenpost“ als
Statusangabe mit dem darunter befindlichen „gebührenfrei“ auf dieser Karte. Hier handschriftliche
Zensurvermerke und Stempel aus der Zeit Juni bis August 1941. Vom gleichen Kriegsgefangenen ist in meiner
Sammlung eine Postkarte aus März 1940 vorhanden, in der er sich im Oflag VII B befand.
Bild 6 - Kriegsgefangenenpost
Hier wurde die Vorschrift der Genfer Konvention ignoriert oder es war keine andere Postkarte vorhanden. Die
Zensur hat sich hier reichlich betätigt und nach dem Textteil „wie lange muss ich noch ...“ den gesamten Resttext
gestrichen.
Bild 7 - Lagerstatus mit dem Zusatz „Schneiderwerkstatt“
Aus dem Schriftverkehr des Valentin Paterek sind Belege von August 1941 bis Juni 1942 vorhanden. Herr
Paterek war schon in seiner berliner Zeit Mitglied der Sokol-Bewegung, nach seiner Rückkehr nach Polen nahm
er am Groß-polnischen Aufstand teil und wurde im Jahre 1926 auf den Index gesetzt. Bis 1939 nahm er am
Aufbau der Sokol teil und wurde 1939 Mitglied des jetzt konspirativen Vereins in Groß-Polen. Diese Leute waren
natürlich für die Deutschen von vornherein verdächtig. Im April 1941 wurde er von der Gestapo wegen
konspirativer Arbeit inhaftiert, in das Fort VII verbracht. Dort blieb er bis zu seiner Aussiedlung Anfang 1942 in
das KL Mauthausen, wo er am 16.10.1942 verstarb.
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Bild 8 - Postkarten ohne Lagerordnung
Wie bereits erwähnt, wurden über lange Zeit normale Kartenvordrucke und wie auch hier Bildpostkarten für den
Postverkehr aus dem Lager genutzt. Diese Belege sind mit eingehender Post den Gefangenen von der Familie
überlassen worden.
Bild 9 - Belege aus dem Lager mit Lagerordnung
Wie aus anderen Lagern – Konzentrationslagern – Gefängnissen u.a. bekannt, unterlag die Lagerordnung
ständiger willkürlicher Veränderung durch Streichungen, Hinzufügung, bis zur völligen Postsperre für den
Absender oder Empfänger. Auf einigen Belegen sind im Text diese Maßnahmen zu erkennen und damit dem
Absender bekannt.
Die Karte vom 19.9.1940 beschreibt den Absender als „Schutzhaftgefangenen“ und ist portofrei in den
Ortsverkehr gegeben.
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Bild 10 - Schutzhaftgefangener gestrichen
Diese Überschrift in der Lagerordnung wurde hier durch den Begriff „Kriegsgefangenen Post/gebührenfrei“
ersetzt. Diverse Streichungen im Textteil der Lagerordnung und damit Einschränkung des Post- und
Paketempfangs.
Bild 11 - Gefangenenpost – reiner Text zur Lagerordnung
Hier wurde gründlich verändert, so dass es eines Vordrucks kaum noch bedurfte. Zum anderen hat man die
Möglichkeit gegeben, persönliche Wünsche zu formulieren.
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Bild 12 - Veränderter Lagervordruck
Als Absender wieder der Begriff „Schutzhaftgefangener“ auf dem Beleg aus September 1944. Ovaler Stempel
geprüft mit Zensurvermerk und Stempel für Nachgebühr in Höhe von 9 Rpf., dieses entsprach der
anderthalbfachen Gebühr einer Postkarte.
Zabikowo – Poggenburg
(amtliche Bezeichnung Posen – Lenzingen)
Das Polizeigefängnis der SS-Sicherheitspolizei und das SS-Erziehungslager Posen-Lenzingen wurde räumlich
fast an der gleichen Stelle errichtet, an dem sich bis August 1943 ein Zwangsarbeitslager für Juden befand. Die
Wahl fiel auf Zabikowo. Dort standen in unmittelbarer Nähe, aus der Zeit des Zwangsarbeitslagers, für Juden
bereits Baracken (Reichsautobahn – Lager Lobau). Abbau, Aufbau, Umbau und Erweiterung waren Ende Februar
1944, die Verlegung der Häftlinge aus Fort VII Ende April 1944, abgeschlossen.
Bild 13 - Lagervordruck aus dem Fort VII, verwendet in Zabikowo
Die Karte vom 6.12.1943, Lager noch im Aufbau, wurde von einem Häftling des Fort VII geschrieben, welcher am
Lageraufbau beteiligt war.
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Bild 14 - Weiterverwendung der Vordrucke aus Fort VII
Ende April 1944 war die Verlegung der Häftlinge aus dem Fort VII nach Lenzingen (Zabikowo) abgeschlossen.
Hier eine Postkarte aus Mai 1944, bei welcher nach Prüfung die Portofreiheit nicht anerkannt und demzufolge die
Karte mit Nachporto belegt wurde.
Bild 15 - Weiterer Vordruck aus 1943
Hier legt man sich nicht fest, ob die Sendung aus Fort VII oder Lenzingen erfolgte. Die Portofreiheit wird hier
anerkannt, der Kartentext legt neue Bedingungen im Postverkehr fest.
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Bild 16 - A.E.L. – Arbeitserziehungslager
Erstmalig in der Lagerordnung diese Bezeichnung AEL, welche im Prinzip verboten war. Hier mit genauer
Anschrift in Posen-Lenzingen, Mallwitzer-Weg Nr. 10. In der persönlichen Absenderangabe ist mir bisher diese
Bezeichnung „AEL“ nicht bekannt geworden. Die unfrankierte Karte wurde geprüft und mit dem anderthalbfachen
Nachporto einer normalen Ortskarte belastet.
Bild 17 - Lagerleitung des Übergangslagers
Dieser Begriff taucht erstmalig im Oktober 1943 auf Vordruckbelegen auf. Die Karten wurden von der
Lagerleitung des Fort VII an die „Hinterbliebenen“ verschickt, um ihnen die lakonische Mitteilung des Verbleibs
oder Nichtverbleibs der Angehörigen zu geben. Hierzu verschiedene Vordrucke belegt. Sämtliche tragen
handschriftliche Streichungen oder Zusatzvermerke.
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Bild 18 - Polizeigefängnis der Sicherheitspolizei und Arbeitserziehungslager
Hier taucht wiederum der Begriff AEL als Absenderangabe oder als Lagerangabe auf. Hingewiesen wird auf das
Verfahren zur Auflösung des Nachlasses.
Bild 19 - Überstellung in ein Konzentrationslager
Gleicher Vordruck, jedoch mit dem Zusatz „er wurde dem KL Mauthausen überstellt“.
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Bild 20 - Der Vorstand des Stammlagers
„Die Kleidungsstücke des Verstorbenen können ihnen erst zugesandt werden, wenn sie 95 Rpf. in Briefmarken
für Porto eingesandt haben“.
Bild 21 - Stammlager – Untersuchungshaftanstalt
Neben dem Fort VII und dem Gestapo-Gefängnis in der Ritterstraße, war dieses Gestapo-Gebäude in der
Mühlenstraße 1 ein Inbegriff des Leidens in dieser Zeit.
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Das Ende
Jeden Tag gab es Erschießungen durch die Nazis an der Todesmauer. 1943 wurde bei einer Massenexekution
ebenfalls eine Reihe von Gefangenen erhängt. Außerdem wurden auch geisteskranke Personen in des Fort VII
zur Vernichtung gebracht. Alle Toten wurden nahe dem Fort in den Wäldern (in welchen auch die Hinrichtungen
stattfanden) verscharrt. Kurz nach dem Einmarsch in Polen, wurden 70 polnische Studenten und eine Gruppe von
Ordensschwestern erschossen.
1944 wurden alle Gräber von den Deutschen geöffnet und die sterblichen Überreste verbrannt, um die
Verbrechen zu vertuschen.
Im Oktober 1944 bestand das Wachpersonal aus 80 Mann und 2 Aufseherinnen. In einem Erlass des
Reichsführers SS über die Errichtung von Arbeitserziehungslagern heißt es: „Die Bewachungskräfte sind durch
die Geheime Staatspolizei zu stellen. Können solche Kräfte nicht aus dem Bestand der Polizei oder im Wege der
freien Vereinbarung ... gewonnen werden, so müssten sie als Notdienstverpflichtete herangezogen werden“.
Die Personalliste für das Fort VII unterscheidet SD-Angehörige, Gefängniswachmeister, Angehörige der Kripo,
SS-Reservisten, weibliche Hilfskräfte und Notdienstverpflichtete sowie einen Polen. Die Namen tauchen später im
Lager Zabikowo wieder auf.
Bei den Erinnerungen der Häftlinge tauchen immer wieder die gleichen Namen in einer Gruppe von Schindern
auf, als besonders brutal aufgefallen, sind hier die beiden Aufseherinnen.
Eine ausführliche Katalogisierung ist nach meiner Sammlung durch Herrn Loerdahl erfolgt, einen mehrteiligen
Bericht gab es in den Mitteilungsblättern der Arge Polen.
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