Azeotrope Gemische trennen Dort, wo die herkömmliche Destillation an ihre Grenzen stößt, kommt das Pervaporationsverfahren zum Einsatz. Die dabei verwendeten Membranen trennen spielend azeotrope Gemische organischer Lösemittel mit Wasser oder Methanol und Ethanol. NORBERT MARTIN SULZER CHEMTECH ■ Auch wenn man gerne ohne sie auskommen möchte, Lösungsmittel sind aus vielen Prozessen der Feinchemie, der Pharmazie, der Petrochemie oder der Druckindustrie nicht wegzudenken. Kennzeichnend für die meisten dieser Prozesse ist dabei: • Verwendung reinster und wasserfreier Lösungsmittel als Ausgangsmaterial • Entstehung wasserhaltiger Lösungsmittel als Nebenprodukt einer Reaktion • Entstehung von mit Feststoffen verunreinigten Lösungsmitteln als Abfallprodukte GRENZEN DER DESTILLATION Die Destillation ist bei der Lösungsmittelrückgewinnung seit langem das Standardverfahren. Lösungsmittel im Dampf (Gewichtsprozent) Dampf-Flüssigkeit-Gleichgewicht 100 90 b a 80 70 c d 60 azeotroper Punkt 50 40 30 20 10 0 0 12 Mit ihr lassen sich sowohl gelöste Feststoffe als auch hochsiedende Komponenten wie Wasser abtrennen. Die Destillation ist unkompliziert, solange die Lösungsmittel gegenüber Wasser ein gutes Destillierverhalten aufweisen, d.h. sich gut aufkonzentrieren lassen (Bild 1■, Kurve a). Aufwendiger ist das Verfahren bei geringen Wassergehalten, wenn der Unterschied der Konzentrationen von Flüssigkeitsund Dampfphase kleiner wird (Kurve b). Sobald die Konzentra- 10 20 30 40 50 60 70 Lösungsmittel in der Flüssigkeit (Gewichtsprozent) SULZER TECHNICAL REVIEW 3/98 80 90 100 1■ Die Abtrennung eines kleinen Restwasseranteils aus einem Lösungsmittel kann nur noch mit großem Aufwand erfolgen (Kurve b, rechts oben). Der azeotrope Punkt begrenzt den Einsatzbereich der Destillation (Kurven c und d). 3790 2■ Das Pervaporationsverfahren beruht auf dem Einsatz einer Membran, die für bestimmte Stoffe durchlässig ist und für andere nicht. Mit diesem Verfahren lassen sich beispielsweise Lösungsmittel weitestgehend entwässern, was mit einer normalen Destillation ohne zusätzlichen Aufwand nicht möglich ist. tionen in der Flüssigkeits- und in der Dampfphase identisch sind, also der azeotrope Punkt erreicht wird, ist eine weitere Destillation sinnlos, weil eine höhere Konzentration nicht mehr zu erreichen ist (Kurven c und d). Für jeden Verfahrensingenieur stellt sich die Frage, wie er diese Problematik umgehen kann. Möglich wäre eine Modifikation des Produktionsverfahrens, die den Einsatz wasserhaltiger Lösungsmittel erlaubt – sofern der Prozeß dies überhaupt zuläßt. Eine andere Möglichkeit ist, den azeotropen Punkt durch Zusatz eines Hilfsmittels zu beseitigen (z. B. Einsatz eines Schlepp- oder Trocknungsmittels), mit der Gefahr der Ver- unreinigung des Lösungsmittels durch den Hilfsstoff. PERVAPORATION SPRENGT GRENZEN Sulzer Chemtech bietet nach der Übernahme der deutschen «GFT Membran-Trennverfahren» das Verfahren der Pervaporation an, welche die Destillation optimal ergänzt. Herzstück einer Pervaporationsanlage (Bild 2■) ist die Pervaporationsmembran, die in patentierte Plattenmodule eingebaut ist und für die gewollte Stofftrennung sorgt. Sie hat nämlich die Eigenschaft, bestimmte Stoffe aufgrund chemischer Verwandtschaft zu absorbieren und weniger verwandte Stoffe abzuweisen. Zur Abtrennung von Wasser aus Lösungsmitteln stehen hydrophile Membranen zur Verfügung, zur Abtrennung von Lösungsmittel aus Wasser organophile Membranen. Damit der absorbierte Stoff die Membran durchdringt, bedarf es einer treibenden Kraft. Im Falle der Pervaporation ist dies die Partialdruckdifferenz der zu entfernenden Komponenten dies- und jenseits der Membran, die den Transport des Stoffes durch die Membran bewirkt. Der Partialdruck einer Komponente ist dabei proportional zu ihrer Konzentration und dem Dampfdruck des reinen Stoffes bei der gegebenen Temperatur. Aus diesem Grund wird der Partialdruck einer Komponente auf der Zulaufseite (Vorderseite der Membran) durch Aufheizen erhöht und auf der Rückseite der Membran (Permeatseite) durch Vakuum und Kühlung abgesenkt. Die Betriebstemperaturen des Zulaufgemisches liegen bei rund 95 °C. Auf der Permeatseite können Temperaturen von +20 bis –20 °C zur Kondensation des Permeates benötigt werden, je nachdem wie gründlich man die Komponente (z. B. Wasser) entfernen SULZER TECHNICAL REVIEW 3/98 13 3■ Verfahrensfließbild einer Veresterungsanlage, die mit einer Dampfpermeationsstufe ausgerüstet ist. Dampfpermeation Säure-AlkoholGemisch Wasser Destillationskolonne Kühlsole wichtsreaktion entsteht Wasser, das zur Erhöhung der Esterausbeute entfernt werden muß. Ist der Ester ein Schwersieder, so besteht die Möglichkeit zur Abtrennung von Wasser durch Erhitzung des Reaktionsgemisches, so daß der leichtersiedende Alkohol mit dem entstehenden Wasser verdampft, der schwersiedende Ester jedoch im Reaktor verbleibt. In einer nachgeschalteten Kolonne werden Wasser und Alkohol getrennt, was jedoch nur bis zum Azeotrop möglich ist. Das azeotrope Alkohol-Wasser-Gemisch kann nur bedingt wieder dem Reaktor zugeführt werden, da Wasser die Verschiebung des Gleichgewichtes behindert. Eine Optimierung der Reaktion war bisher nur durch den zusätzlichen Einsatz von wasserfreiem Alkohol möglich. Durch den Einsatz der Dampfpermeation direkt hinter der Kolonne ist der Betreiber nun in der Lage, das Alkoholazeotrop zu entwässern und den wasserfreien Alkohol in den Reaktor zurückzuführen (Bild 3■). Damit kann der Reaktor bis zur vollständigen Umsetzung eines Ausgangsstoffes in Betrieb bleiben. Der Alkoholüberschuß kann reduziert und kein wasserhaltiger Alkohol muß entsorgt werden. Dadurch vereinfacht sich die Isolierung des Esters, da er nur noch vom Alkohol abzutrennen ist. Vakuum RÜCKGEWINNUNG VON FESTSTOFFEN UND LÖSUNGSMITTELN WERTVOLLE ERGÄNZUNG ZUR DESTILLATION sie bei der Pervaporation keine Rolle. Dort ist der unterschiedliche Transport der Komponenten durch die Membran entscheidend. Damit stellt die Pervaporation eine wichtige Ergänzung zur Destillation dar, können doch beispielsweise Destillationskolonnen für günstigere Betriebspunkte ausgelegt werden, während die nachgeschaltete Pervaporation die Feinarbeit übernimmt. Bei der Trennung von Flüssigkeitsgemischen spricht man von Pervaporation. Liegt jedoch ein mit der Flüssigkeit im Gleichgewicht liegender Sattdampf des zu trennenden Gemisches vor, spricht man von Dampfpermeation; das Prinzip der Trennung ist dasselbe. Während die Dampf-FlüssigkeitGleichgewichte die Effizienz der Destillation bestimmen, spielen ERHÖHUNG DER AUSBEUTE VON REAKTIONEN Ester-WasserGemisch Reaktion Wasser möchte. Mit diesem Prinzip bestehen enorme Vorteile für die Stofftrennung: • Sie funktioniert unabhängig vom Dampf-Flüssigkeit-Gleichgewicht • Azeotrope Gemische lassen sich ohne chemische Hilfsmittel problemlos aufspalten. Komponenten gleicher Flüchtigkeit sind voneinander trennbar 4■ Verfahrensfließbild einer kombinierten Anlage, die aus einem Verdampfer und einer nachgeschalteten Dampfpermeation zur Rückgewinnung von Feststoffen und Lösungsmitteln besteht. Ein verbreiteter Prozeß in der chemischen Industrie ist die Herstellung von Estern durch die Reaktion von organischen Säuren mit Alkoholen. Bei dieser Gleichge- Vakuumbehälter Verdampfer Dampfpermeationsmodul Einspeisung Abschlämmung Kühlwasser Kondensator Produkt N2 Vakuumpumpe Dampf Kondensat 14 SULZER TECHNICAL REVIEW 3/98 Permeat (Wasser) Ein anderes Beispiel ist die Lösemittelrückgewinnung aus Mutterlaugen. In vielen Prozessen, beispielsweise in der Pharma-Industrie, erreicht man die Ausfällung von Wirkstoffen aus wäßrigen Syntheselösungen durch Zugabe von Lösungsmitteln, z. B. Alkoholen. Nach der Ausfällung und Abfiltration der Wirkstoffe bleiben große Mengen wäßriger Lösungsmittelgemische zurück, die aber immer noch mit Wirkstoffen gesättigt sind. Auch hier können Sulzer-Technologien weiterhelfen. Je nach Wassergehalt des Lösungsmittelgemisches kann entweder eine Destillationskolonne zur gleichzeitigen Entfernung der gelösten Feststoffe und zur Vorentwässerung des Lösungsmittels bis zum Azeotrop zum Einsatz kommen. Oder man installiert nur einen Verdampfer zur Entfernung der Feststoffe und entwässert anschliessend das Lösungsmittel durch Dampfpermeation auf ein Niveau zur Wiederverwendung in der Produktion (Bild 4■). Der Vorteil besteht in der gleichzeitigen Rückgewinnung der gelösten Feststoffe oder von deren wertgebenden Bestandteilen, der Wiederverwendbarkeit des Lösungsmittel in der Produktion und der Reduktion des logistischen Aufwands. Sulzer Chemtech hat bereits eine solche Anlage an einen pharmazeutischen Betrieb in Portugal geliefert, die 300 kg/h entwässertes Lösungsmittel bei einem Rückgewinnungsgrad von 88% produziert (Bild 2■). Verfahren zur Rückgewinnung von Lösungsmitteln sind die Adsorption an Aktivkohle und die anschließende Regeneration der Aktivkohle mit Dampf. Übrig bleiben zum Teil stark mit Wasser verdünnte Lösungsmittel, die problematisch zu entsorgen sind und meistens teuer verbrannt werden. Die bessere Methode heißt Recycling. Sulzer Chemtech beschreitet hier den Weg eines kombinierten Prozesses und hat unter anderem eine Anlage an einen führenden Hersteller von Klebebändern in Italien zur Rückgewinnung von Isopropanol (IPA) geliefert. Durch die Regenerierung der Aktivkohle mit Dampf entsteht ein Abwasser mit 20–30% IPA, das mit der SulzerTechnologie aufbereitet werden soll. Der erste Verfahrensschritt besteht in einer Vorreinigung und Aufkonzentration des IPA in einer Destillationskolonne mit einer strukturierten Packung (Mellapak®). Im zweiten Schritt gelangt das dampfförmige Azeotrop, das mit einem IPA-Gehalt von 86% anfällt, in eine Dampfpermeationsanlage, wo eine Aufkonzentrierung auf 99,5% stattfindet (Bild 5■). Das Permeat, das etwas IPA enthält, wird zur Kolonne zurückgeführt, um das IPA möglichst vollständig zurückzugewinnen. Das Resultat: Bei einem Rückgewinnungsgrad von 98% des IPA entfällt jegliche Verbrennung, der Einkauf neuer Lösungsmittel wird auf ein Minimum reduziert, und es wird einleitbares Abwasser produziert. Ω INFO DIRECT Sulzer Chemtech GmbH Membrantechnik Norbert Martin Friedrichsthaler Strasse 19 D-66540 Neunkirchen Deutschland Telefon +49 (0)6821-792 38 Telefax +49 (0)6821-792 50 E-Mail norbert.martin @sulzermembranes.com 5■ Verfahrensfließbild einer Hybridanlage (Destillation und Dampfpermeation). Azeotrope Vakuumbehälter Destillationskolonne Zum Kondensator Modul Kühlsole Einspeisung BIS ZU 98% RÜCKGEWINNUNG Ein weitverbreitetes Anwendungsbeispiel aus der Praxis ist die Lösungsmittelrückgewinnung in Druck- und Beschichtungsprozessen, in denen Lösungsmittel nach wie vor notwendig sind. Gängige Vakuum N2 Wasser Permeat zurück zur Kolonne SULZER TECHNICAL REVIEW 3/98 15