Szene Trends „Sex ist keine Wunder waffe” Diplom-Psychologin Ines Imdahl über Macken und Mechanismen in der Werbung. Imdahl ist Inhaberin des renommierten Kölner rheingold salon, einem Institut für Beratung, Marktforschung und Tiefenpsychologie. Frau Imdahl, ,,Sex sells“ war im- Sexualisierte Werbung kommt bei Imdahl: Die Frage nach dem richtigen mer die schlagkräftigste Losung Konsumentinnen auch nicht im- Typen hält sich seit Jahrzehnten in der in Werbebotschaften, die Frauen mer positiv an. Geht es um Luxus- Branche. Dabei wird oft viel zu viel Zeit vermitteln sollen. Warum ist diese produkte in der Werbung, nimmt mit der Suche nach dem passenden ‚Mosimple Masche, selbst wenn es die Ablehnung dagegen aber ab. del‘ verschwendet, und viel zu wenig um Flachbildschirme oder Früh- Wie erklärt sich dieses Phäno- Wert auf die eigentliche Werbeaussage gelegt.ungewöhnliche Denn wie im richtigen Leben finDick Page, Artistic Director stücksmarmelade geht, immer men? von Shiseido, über seine den einige Menschen blonde, andere wienoch so effizient? Karriere zu Imdahl: einem Künstler. Es außergewöhnlichen erklärt sich mit der konkrederum dunkelhaarige Frauen attraktiv, Imdahl: Die Losung ,,Sex sells“ ist in der ten Betrachtung der Verwendungsmoum nur ein sehr einfaches ‚TypenmerkTat durchsetzungsstark. Die tatsächliche tivationen von vielen Luxusprodukten. mal‘ aufzugreifen. ‚,Separiert“ man die Werbewirkung darf differenzierter be- Dessous, Luxuspflege, Parfum, Schmuck Typusfrage in der Forschung vom Kontrachtet werden. Denn simpel funktio- aber auch ein Großteil der Luxusmode text, betrachtet also nur den jeweiligen nieren die Abverkäufe mit sexuellen Bot- sind an bestimmte VerwendungssituaFrauentypus unabhängig von Werbegeschaften sicher nicht. Selbst wenn die tionen geknüpft. Sie gehen zum Beischichte, Setting, Produkt und Marke, sexuellen Reize für sich genommen in spiel bei der Pflege mit einer besondegehen die Vorlieben entsprechend weit Erinnerung blieben, gilt das nicht in glei- ren Entspannung einher oder zielen auseinander. Frauen bewerten ‚Typen‘ cher Weise für das beworbene Produkt. direkt wie zum Beispiel bei teuren Parvor allem dann kritisch, wenn sie die GeAuch wenn Sexualität im Leben von den fums direkt auf die Verführung. Sofern samtsituation nicht nachvollziehen könmeisten Menschen eine große Rolle also die Erotisierung in der Werbung nen – und sind umgekehrt nachweislich spielt, lässt sich nicht alles und jedes in und der tatsächlicher Verwendungszuoffener, sobald sie sich mit bestimmten der Werbung mit Sex verbinden. Und sammenhang des Produktes übereinVerhaltensweisen ‚identifizieren‘ können. eben auch nicht verkaufen. Frühstücken stimmen, steigt die Akzeptanz bei den kann zwar eine erotische Komponente Frauen. Hinzu kommt, dass im Luxus- Die Werbeforschung behauptet, haben, ebenso das Fernsehen. Die aus- segment für Frauen ohnehin überwie- dass Frauen sich gegen Bilder der schlaggebenden Motive bei der Wahl ei- gend Produkte beworben werden, die perfekten Überfrauen in der Werner Marmelade oder eines Flachbild- der Verführung dienen. Im Zusam- bung wehren. Wie effizient ist Perschirms sind allerdings andere. Diese gilt menhang mit Luxuskleiderschränken fektionismus in der Werbewirkung? es mit der Werbebotschaft anzusprechen beispielsweise ist die Akzeptanz von Imdahl: Er ist überstrapaziert und in die und die Marke innerhalb der relevanten erotischer Werbung sehr gering, wie damit verbundene Botschaft oftmals Verwendungs- und Entscheidungsmotive wir aus eigenen Studien wissen. emotionslos. Dabei muss man aber zwimit einem uniquen Versprechen zu posiFrauentypen, die in der Werbung schen Aussehen und Verhaltensweisen tionieren. ‚Sex‘ ist dabei genauso wenig allen gefallen sollen, gefallen meist unterscheiden. Frauen in der Kosmetikeine Wunderwaffe wie der immer wieder niemandem. Welcher Typ ist denn branche dürfen durchaus nahezu perfekt eingeforderte ‚Witz‘ in der Werbung. sein, denn das Äußerliche ist ja nicht selgefragt? ten das Ergebnis des beworbenen Pro- 50 PROFILE 01- 02/2014 duktes. Ein kleiner Makel allerdings lässt sie viel sympathischer wirken. Bei Gesichtspflege bedarf es keiner perfekten Zähne und auch keiner perfekten Figur. Überhaupt haben gerade hier eher ,,Typen“, wie lange Jahre in Isabella-Rosselini-Kampagnen, das Genre als als glattgeschliffene Photoshop-Models geprägt. Werbeunternehmen suchen immer noch Frauentypen, die sich als Werbetypus im Allgemeinen oder für Spezialbereiche eignen. Sugge- riert dabei nicht zu sehr der (weibliche) Botschafter seine Botschaft statt das Produkt. Imdahl: Der Werbebotschafter steht genau dann im Mittelpunkt, wenn beworbenes Produkt und Markenimage nicht zum Testimonial passen. Menschen haben ebenfalls Markenpersönlichkeiten, die ein Produkt ergänzen und weiterentwickeln müssen. Dann arbeitet der Botschafter auch für das Produkt. Oftmals wird diese Passung im Vorfeld aber nicht geprüft, sondern einfach jemand Bekanntes gewählt, der auch für viele andere Produkte arbeitet in der Hoffnung, das ‚Bekanntheit zu Bekanntheit‘ führt. Ein prominenter Botschafter ist umgekehrt übrigens ebenfalls gut beraten nicht jeden Werbeauftrag anzunehmen, sondern zu prüfen, ob das Produkt auch sein Image positiv beeinflusst. Werbewirkungsanalysen Ihres Hauses zeigen, dass es bei der Wahrnehmung von Frauen wie Männern in der Werbung auf den Gesamtzusammenhang ankommt. Was bedeutet das für die Werbung in der Konsequenz? Imdahl: Das bedeutet vor allem, dass sich zunächst die Frage nach der Werbebotschaft gestellt werden muss. Wie soll das Produkt die Marke positioniert werden? Welche Story oder welches Bild kann das wirklich vermitteln? Erst danach sollte die Frage kommen, welche Frau oder welcher Mann, diese Botschaft noch verstärken oder untermauern kann. Ganz gleich, ob es sich dabei um ein prominentes Gesicht handelt oder nicht. Oftmals wird sich aber für ein Testimonial entschieden, weil es generell bekannt und sympathisch ist. Die Frage nach dem Zusammenhang wird gar nicht berücksichtigt. Übrigens auch in einem Großteil der Werbewirkungsforschung nicht. Auch hier werden oft nur ‚Einzelfaktoren‘ abgefragt. Die Gesamtwirkung, das Ganze ist aber mehr als die Summe seiner Teile. Was sucht der Verbraucher in der Werbung vordergründig: Identifikationssituationen oder Identifikationsfiguren? Imdahl: Seit mehreren Jahren investieren wir viel Zeit in die Erforschung des Verfassungsmarketing, da sich herausgestellt hat, da Typen in der Werbung nur schwerlich der Identifikation dienen und die Suche nach allgemein attraktiven Männer- oder Frauentypen eben scheitert. Der Kontext schlägt also den Typus, aber Indentifikationssituationen schaffen Identifikationssfiguren. Das Interview führte Christof Theis PROFILE 01- 02/2014 51