"Sex ist keine Wunderwaffe", PROFILE 01-02/2014

Werbung
Szene
Trends
„Sex ist keine
Wunder waffe”
Diplom-Psychologin Ines Imdahl über Macken und Mechanismen in der
Werbung. Imdahl ist Inhaberin des renommierten Kölner rheingold salon,
einem Institut für Beratung, Marktforschung und Tiefenpsychologie.
Frau Imdahl, ,,Sex sells“ war im- Sexualisierte Werbung kommt bei Imdahl: Die Frage nach dem richtigen
mer die schlagkräftigste Losung Konsumentinnen auch nicht im- Typen hält sich seit Jahrzehnten in der
in Werbebotschaften, die Frauen mer positiv an. Geht es um Luxus- Branche. Dabei wird oft viel zu viel Zeit
vermitteln sollen. Warum ist diese produkte in der Werbung, nimmt mit der Suche nach dem passenden ‚Mosimple Masche, selbst wenn es die Ablehnung dagegen aber ab. del‘ verschwendet, und viel zu wenig
um Flachbildschirme oder Früh- Wie erklärt sich dieses Phäno- Wert auf die eigentliche Werbeaussage
gelegt.ungewöhnliche
Denn wie im richtigen Leben finDick Page,
Artistic
Director
stücksmarmelade
geht,
immer
men? von Shiseido, über seine
den einige Menschen blonde, andere wienoch so effizient?
Karriere zu Imdahl:
einem
Künstler.
Es außergewöhnlichen
erklärt sich mit der konkrederum dunkelhaarige Frauen attraktiv,
Imdahl: Die Losung ,,Sex sells“ ist in der ten Betrachtung der Verwendungsmoum nur ein sehr einfaches ‚TypenmerkTat durchsetzungsstark. Die tatsächliche tivationen von vielen Luxusprodukten.
mal‘ aufzugreifen. ‚,Separiert“ man die
Werbewirkung darf differenzierter be- Dessous, Luxuspflege, Parfum, Schmuck
Typusfrage in der Forschung vom Kontrachtet werden. Denn simpel funktio- aber auch ein Großteil der Luxusmode
text, betrachtet also nur den jeweiligen
nieren die Abverkäufe mit sexuellen Bot- sind an bestimmte VerwendungssituaFrauentypus unabhängig von Werbegeschaften sicher nicht. Selbst wenn die tionen geknüpft. Sie gehen zum Beischichte, Setting, Produkt und Marke,
sexuellen Reize für sich genommen in spiel bei der Pflege mit einer besondegehen die Vorlieben entsprechend weit
Erinnerung blieben, gilt das nicht in glei- ren Entspannung einher oder zielen
auseinander. Frauen bewerten ‚Typen‘
cher Weise für das beworbene Produkt. direkt wie zum Beispiel bei teuren Parvor allem dann kritisch, wenn sie die GeAuch wenn Sexualität im Leben von den fums direkt auf die Verführung. Sofern
samtsituation nicht nachvollziehen könmeisten Menschen eine große Rolle also die Erotisierung in der Werbung
nen – und sind umgekehrt nachweislich
spielt, lässt sich nicht alles und jedes in und der tatsächlicher Verwendungszuoffener, sobald sie sich mit bestimmten
der Werbung mit Sex verbinden. Und sammenhang des Produktes übereinVerhaltensweisen ‚identifizieren‘ können.
eben auch nicht verkaufen. Frühstücken stimmen, steigt die Akzeptanz bei den
kann zwar eine erotische Komponente Frauen. Hinzu kommt, dass im Luxus- Die Werbeforschung behauptet,
haben, ebenso das Fernsehen. Die aus- segment für Frauen ohnehin überwie- dass Frauen sich gegen Bilder der
schlaggebenden Motive bei der Wahl ei- gend Produkte beworben werden, die perfekten Überfrauen in der Werner Marmelade oder eines Flachbild- der Verführung dienen. Im Zusam- bung wehren. Wie effizient ist Perschirms sind allerdings andere. Diese gilt menhang mit Luxuskleiderschränken fektionismus in der Werbewirkung?
es mit der Werbebotschaft anzusprechen beispielsweise ist die Akzeptanz von
Imdahl: Er ist überstrapaziert und in die
und die Marke innerhalb der relevanten erotischer Werbung sehr gering, wie
damit verbundene Botschaft oftmals
Verwendungs- und Entscheidungsmotive wir aus eigenen Studien wissen.
emotionslos. Dabei muss man aber zwimit einem uniquen Versprechen zu posiFrauentypen, die in der Werbung schen Aussehen und Verhaltensweisen
tionieren. ‚Sex‘ ist dabei genauso wenig
allen gefallen sollen, gefallen meist unterscheiden. Frauen in der Kosmetikeine Wunderwaffe wie der immer wieder
niemandem. Welcher Typ ist denn branche dürfen durchaus nahezu perfekt
eingeforderte ‚Witz‘ in der Werbung.
sein, denn das Äußerliche ist ja nicht selgefragt?
ten das Ergebnis des beworbenen Pro-
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duktes. Ein kleiner Makel allerdings lässt
sie viel sympathischer wirken. Bei Gesichtspflege bedarf es keiner perfekten
Zähne und auch keiner perfekten Figur.
Überhaupt haben gerade hier eher ,,Typen“, wie lange Jahre in Isabella-Rosselini-Kampagnen, das Genre als als glattgeschliffene Photoshop-Models geprägt.
Werbeunternehmen suchen immer
noch Frauentypen, die sich als
Werbetypus im Allgemeinen oder
für Spezialbereiche eignen. Sugge-
riert dabei nicht zu sehr der (weibliche) Botschafter seine Botschaft
statt das Produkt.
Imdahl: Der Werbebotschafter steht genau dann im Mittelpunkt, wenn beworbenes Produkt und Markenimage nicht
zum Testimonial passen. Menschen haben ebenfalls Markenpersönlichkeiten,
die ein Produkt ergänzen und weiterentwickeln müssen. Dann arbeitet der Botschafter auch für das Produkt. Oftmals
wird diese Passung im Vorfeld aber nicht
geprüft, sondern einfach jemand Bekanntes gewählt, der auch für viele andere Produkte arbeitet in der Hoffnung,
das ‚Bekanntheit zu Bekanntheit‘ führt.
Ein prominenter Botschafter ist umgekehrt übrigens ebenfalls gut beraten
nicht jeden Werbeauftrag anzunehmen,
sondern zu prüfen, ob das Produkt auch
sein Image positiv beeinflusst.
Werbewirkungsanalysen Ihres Hauses zeigen, dass es bei der Wahrnehmung von Frauen wie Männern
in der Werbung auf den Gesamtzusammenhang ankommt. Was bedeutet das für die Werbung in der
Konsequenz?
Imdahl: Das bedeutet vor allem, dass sich
zunächst die Frage nach der Werbebotschaft gestellt werden muss. Wie soll das
Produkt die Marke positioniert werden?
Welche Story oder welches Bild kann das
wirklich vermitteln? Erst danach sollte die
Frage kommen, welche Frau oder welcher
Mann, diese Botschaft noch verstärken
oder untermauern kann. Ganz gleich, ob
es sich dabei um ein prominentes Gesicht
handelt oder nicht. Oftmals wird sich
aber für ein Testimonial entschieden, weil
es generell bekannt und sympathisch ist.
Die Frage nach dem Zusammenhang
wird gar nicht berücksichtigt. Übrigens
auch in einem Großteil der Werbewirkungsforschung nicht. Auch hier werden
oft nur ‚Einzelfaktoren‘ abgefragt. Die
Gesamtwirkung, das Ganze ist aber mehr
als die Summe seiner Teile.
Was sucht der Verbraucher in der
Werbung vordergründig: Identifikationssituationen oder Identifikationsfiguren?
Imdahl: Seit mehreren Jahren investieren
wir viel Zeit in die Erforschung des Verfassungsmarketing, da sich herausgestellt
hat, da Typen in der Werbung nur
schwerlich der Identifikation dienen und
die Suche nach allgemein attraktiven
Männer- oder Frauentypen eben scheitert. Der Kontext schlägt also den Typus,
aber Indentifikationssituationen schaffen Identifikationssfiguren.
Das Interview führte
Christof Theis
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