Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1 2 Der Utilitarismus 2 3.1 Biographie von Peter Singer 5 3.2 Der Präferenzbegriff 6 4 Das ethische Problem der Abtreibung 8 5 Gegenüberstellung 13 6 15 Fazit Einleitung Die Ihnen vorliegende Facharbeit behandelt das Thema Präferenzutilitarismus, der eine konkretisierte beziehungsweise moderne Variante des Utilitarismus darstellst. Begründer und Entwickler des Präferenzutilitarismus ist der australische Philosoph Peter Singer, auf dessen Band „Philosophische Ethik“ ich mich größenteils, vor allem bei der Bearbeitung des Beispiels in Teil 5, berufen werde. Der Grund für die Auswahl dieses Themas, ist mein Interesse an Ethik und an ethischen Problemen allgemein. Es ist interessant zu sehen, wie Philosophen an ethische Fragestellungen herantreten, um eine allgemein gültige Ethik zu entwickeln. Nun hoffe ich ihnen einen Überblick verschaffen zu können, der ihnen das Lesen meiner Facharbeit erleichtern wird: Nach dieser Einleitung folgt eine allgemeine Erläuterung zum Utilitarismus, um ihn dann später genauer vom Präferenzutilitarismus abgrenzen zu können. Die Erläuterung wird so aussehen, dass ich das Ziel des Utilitarismus definiere und darauf folgend das Handlungsprinzip erkläre, das zum Erreichen der Ziele nötig ist. Auf die Anwendung des Handlungsprinzips und eine mögliche Kritik am Utilitarismus werde ich auch eingehen. Als nächstes werde ich genauer auf den Präferenzutilitarismus zu sprechen kommen, und in dem Zusammenhang eine Kurzbiographie von Peter Singer samt seiner Werke anführen. Danach folgt die Abstufung des Präferenzutilitarismus vom allgemeinen Utilitarismus, hierbei möchte ich genauer auf den Präferenzbegriff nach Singer eingehen. Nachdem ich den Präferenzutilitarismus etwas genauer dargestellt habe, folgt ein Beispiel beziehungsweise ein Problemfall, an dem der Präferenzutilitarismus veranschaulicht wird. Der Problemfall soll die Frage beinhalten, ob die Abtreibung eines Fötus moralisch gerechtfertigt ist oder nicht. Ich werde von beiden Seiten (Gegnern und Befürwortern) einige Argumente aufgreiffen, die Singer entkräftet, um dann später seinen, und nach ihm einzig und allein richtigen, Lösungsvorschlag zu erläutern. Ich hoffe nach Beendigung des Problemfalls wird der Präferenzutilitarismus an Klarheit dazu gewinnen. Zum Schluss folgt noch eine kritische Reflexion, in der ich Singers und Kants Ethiken gegenüberstelle. Bei Kants Ethik möchte ich speziell auf den von ihm formulierten Begriff der Würde eingehen, und ihn mit dem Präferenzutilitarismus vergleichen. Sollte dies bewältigt sein, bildet ein Fazit, in dem ich meine eigene Stellungnahme schreibe, das Ende meiner Facharbeit. 1 Der Utilitarismus Im folgenden Teil der Facharbeit versuche ich genauer auf den Begriff des Utilitarismus einzugehen, um dem Leser ein allgemeines Bild zu verschaffen. Der Utilitarismus ist ein eudämonistisches1 Modell, also ein ethisches Konzept, welches das Glück als höchstes Ziel festlegt. Er übernimmt das Lustprinzip aus dem Hedonismus, dessen Bedingung für Glückseeligkeit ein maximaler Lustzustand für den Einzelnen ist. Der Utilitarismus jedoch setzt sich als Ziel, das größtmögliche Glück für die größtmögliche Zahl an Menschen zu erreichen, ist demzufolge also eher sozialethisch. Begründer dieser ethischen Richtung ist Jeremy Bentham, ein englischer Philosoph, der den Utilitarismus systematisierte, um ihn auf jede moralische Fragestellung anwenden zu können. Zu erst einmal stellt sich die Frage, wie genau Glück zu definieren ist. In Benthams Werk „Eine Einführung in die Prinzipien der Moral und der Gesetzgebung“, definiert er Glück als einen Gewinn, Vorteil, Freude oder Gutes. Demzufolge ist eine Handlung moralisch wertvoll, wenn sie das Unheil, Leid, Böse oder Unglück einer Gruppe lindert. Das von Bentham aufgestellte Prinzip der Nützlichkeit (Handlungsprinzip) lautet also: „Handle so, dass die Folgen deiner Handlung den Nutzen beziehungsweise das Glück der, von der Handlung betroffenen, Menschen größtmöglich steigern.“ Das Prinzip der Nützlichkeit selbst, besteht aus vier weiteren Prinzipien: • Das erste ist das Folgenprinzip. Da der Utilitarismus eine Folgenethik ist, werden die aus einer Handlung vermutlich hervorgehenden Folgen bemessen, und auf das Hervorbringen von Glück bewertet. • Das zweite Prinzip ist das Nutzenprinzip, welches einen Nutzen lediglich für das Erreichen von Glück als solchen definiert. • Das dritte ist das hedonistische Prinzip, es gibt Glück als den höchsten zu erreichenden Wert vor. • Das letzte ableitbare Prinzip, ist das Sozialprinzip. In diesem Punkt unterscheidet sich der Utilitarismus vom Hedonismus, da er konzipiert wurde um das Wohl der Allgemeinheit, und nicht wie im Hedonismus das Wohl des Individuums, zu fördern. Die Herleitung des Prinzips der Nützlichkeit ist nach Bentham antropologisch begründet. In seinem Werk „Eine Einführung in die Prinzipien der Moral und Gesetzgebung“ stellt er die Behauptung auf, die Natur habe dem Menschen den Zwang auferlegt, Freude und Leid in 1 Sammelbegriff für verschiedene Glückseeligkeitslehren 2 jedem Handeln, Sagen und Denken mit einzubeziehen. Das Leugnen dieser Tatsache unterstreiche hingegen ihre Existenz, somit sei es dem Menschen niemals möglich, das Berücksichtigen von Freude und Leid bei einer Handlung auszuschließen. Das Prinzip der Nützlichkeit akzeptiere die Natur und versuche durch Vernunft und Recht zur Glückseeligkeit zu gelangen. Auch zur Anwendung des Prinzips der Nützlichkeit hat sich Bentham Gedanken gemacht, und darauf aufbauend das „hedonistische Kalkül“ entwickelt. Das „hedonistische Kalkül“ basiert auf dem Vorbild der Mathematik und soll dem Anwender eine moralisch wertvolle und gerechte Entscheidungsfindung ermöglichen. Die Anwendung erfolgt auf folgende Weise: Um die Tendenz einer Handlung zu ermitteln, bestimmt man zunächst eine Person die unmittelbar von der, zu erwägenden, Handlung betroffen ist. Nun ermittelt man die erkennbare Freude dieser Person, die in erster Linie aus der Handlung hervorgeht. Danach versucht man das Leid zu bestimmen, welches in erster Linie hervorgebracht wird. Das gleiche Verfahren wendet man auch auf die Freude und das Leid an, welche in zweiter Linie aus der Handlung hervorzugehen scheinen. Ist dies vollbracht, so verrechnet man die entstandene Freude und das entstandene Leid, so dass man am Ende eine Tendenz erhält, die aufzeigt ob aus dieser Handlung für die jeweilige Person Freude oder Leid resultieren. Überwiegt Freude, so ist die Tendenz eine gute, überwiegt jedoch Leid, so ergibt sich eine eher schlechte Tendenz. Dieses Verfahren wendet man nun auf alle Personen an, die durch die Handlung indirekt oder direkt betroffen sind. Am Ende erhält man eine Bilanz der gesamten Betroffenen, so dass man an ihr absehen kann, ob die Handlung moralisch gerechtfertigt ist oder nicht.2 Ein Beispiel soll das hedonistische Kalkül kurz veranschaulichen: Ein Flugzeug mit 100 Passagieren wird entführt und droht einem terroristischen Akt zum Opfer zu fallen und somit zur Lebensbedrohung für eine Vielzahl von Menschen zu werden. Wir sprechen in dem Falle von einer Zahl, die weitaus mehr Menschen umfasst als die Zahl der Passagiere im Flugzeug. Nach dem Utilitarismus und der Anwendung des hedonistischen Kalküls, ist es moralisch gerechtfertigt das Flugzeug abzuschießen, da die Vielzahl der Menschen, die durch den Akt nicht bedroht werden, und überleben, wesentlich größer ist als die Zahl der Menschen im Flugzeug. Durch die Handlung (das Flugzeug abzuschießen) wird das größtmögliche Glück für die größtmögliche Zahl an Menschen erreicht, wodurch nach dem Utilitarismus eine moralisch wertvolle Handlung resultiert. Die Zahl der Opfer (100 Passagiere) wird also im Gegensatz zur Entscheidung des Nichtabschießens möglichst gering gehalten. 2 Quelle: „Eine Einführung in die Prinzipien der Moral und Gesetzgebung“, Kap IV. 3 Nach Bentham könne das hedonistische Kalkül gar nicht in jedem Falle angewendet werden, solle jedoch bei Entscheidungsfindungen stets im Hinterkopf behalten werden. 4 Biographie von Peter Singer Peter Singer, mit gebürtigem Namen Peter Albrecht David Singer, wurde am 06. Juli 1946 in Melbourne, Australien, geboren. Seine Eltern waren gebürtige Wiener Juden, und mussten Österreich im Jahre 1938, aufgrund des Holocaust, verlassen. Sein Studium legte er an der Universität von Melbourne sowie an der Universität von Oxford ab. Im Jahre 1968 heiratete er seine heutige Frau Renata Diamond, mit der er heute drei Töchter hat. Als wesentliche Institutionen, an denen Peter Singer unterrichtete, sind vor allem die Universitäten von New York sowie Oxford zu nennen. Heute ist er als Professor tätig, und lehrt an der Princeton Universität sowie der Monash Universität in Melbourne. An der Monash Universität ist er der stellvertretender Direktor des Institutes für Ethik sowie auch Direktor des Centers für menschliche Bioethik. Peter Singer versuchte sich auch als Politiker, indem er 1996 für die Grüne Partei um einen Platz im australischen Senat kandidierte, was jedoch fehlschlug. Die Grüne Partei (The Greens) behandelt politische Themen wie Umweltprobleme und soziale Fragen, und setzt sich für die Friedenbewegung ein. Internationale Präsenz erreichte Peter Singer vor allem durch sein, im Jahre 1975 erschienenes, Buch „Tierbefreiung“ (Animal Liberation). Singer gilt aufgrund dieses Werkes als Begründer der modernen Tierethik. Es beschreibt die Fatalität des Menschen, sich über Tiere zu stellen, und somit eine Ausbeutung und Diskriminierung zu rechtfertigen. Singer behauptet, dass „die Zugerhörigkeit zu einer Spezies bei der Frage des moralischen Unrechts Leid zuzufügen oder zu töten keine Relevanz besitzt“3. Da ein Tier, ebenso wie ein Mensch, die Eigenschaft besitzt Leid zu empfinden, sei es also moralisches verwerflich ein jenes auszubeuten oder zu diskriminieren. Singer misst Tieren mit seinem Werk also ein hohes Maß an Rechten bei. Ein weiteres, im Grunde sein wichtigstes, Werk heißt „Praktische Ethik“ (Practical Ethics). In ihm entwickelt Singer den auf dem Utilitarismus aufbauenden Präferenzutilitarismus. Wie im vorherigen Kapitel beschrieben, stellt das Ziel im Utilitarismus die Vermehrung des Glücks für die größtmögliche Zahl an Menschen dar. Singer modifiziert diesen Ansatz und definiert als Ziel die größtmögliche Förderung der Interessen (Präferenzen) aller Beteiligten. Vorrangig ist zudem nicht die Vermehrung von Glück, sondern die Linderung von Leid. Den von Singer erstellten Präferenzbegriff versuche ich Ihnen im darauf folgenden Kapitel näher zu bringen, um die wesentlichen Unterschiede zum Utilitarismus erkennbar zu machen. 3 Aus dem Werk „Animal Liberation“ 5 Der Präferenzbegriff Der Begriff der Präferenz (Interesse), ist das wesentliche Merkmal, welches den Präferenzutilitarismus vom allgemeinen Utilitarismus unterscheidet. Zunächst sollte man den von Singer erstellten Personenbegriff näher erläutern: Singer sieht den Menschen als ein Wesen, welches in ständiger Bewusstheit seiner selbst lebt, sowie empfindungsfähig ist und ein Interesse im Bezug auf eine zukünftige Sache besitzt. Die Eigenschaft Glück und Leid zu empfinden, spielt hierbei eine sehr wichtige Rolle. Denn besitzt ein Wesen diese Eigenschaft nicht, so wird ihm die Grundvoraussetzung genommen, Interessen überhaupt zu entwickeln. Das Ziel des Präferenzutilitarismus ist es also, anders als im Utilitarismus, eine Handlung so zu formulieren, dass die Präferenzen aller Beteiligten mit den Folgen der Handlung zusammenfallen. Sollte dies nicht der Fall sein, also werden Interessen anderer Wesen bei der eigenen Handlung missachtet oder verletzt, so ist die Handlung moralisch unvertretbar. Das Schlimmste wäre in diesem Falle eine Person zu töten, da man nach Singer mit ihr alle zuvor entstandenen bedeutsamen Interessen vernichtet. Ein mögliches Interesse wäre hier zum Beispiel der Wunsch zu leben. Auch spräche die Verletzung der Entscheidungsfreiheit, also der Autonomie, dagegen, eine Person zu töten. Indem man eine Person tötet, die nicht vor hat zu sterben, handle man ihrer Autonomie gegenüber respektlos.4 Nun wäre interessant zu klären, welche Wesen nach Singer überhaupt Präferenzen, also Interessen, besitzen. Dafür möchte ich zuerst ein Zitat seitens Singer anführen: „Damit ist die Grenze der Empfindungsfähigkeit die einzig vertretbare Grenzlinie für unsere Anteilnahme an den Interessen anderer.“5 Wie oben erwähnt spielt also die Eigenschaft Leid und Glück zu empfinden eine wesentliche Rolle, ja, sie ist so zu sagen die Trennlinie für das Bestimmen einer Gruppe von Wesen, dessen Interessen berücksichtigt werden sollten. Singer unterteilt menschliche Wesen in zwei Gruppen: Zum einen geistig voll entwickelte Menschen, die die Eigenschaft besitzen Leid und Glück zu empfinden und zudem ein kontinuierliches Identitätsbewusstsein besitzen. Und zum anderen nichtmenschliche Wesen, zu denen Singer auch geistig Behinderte und Säuglinge zählt. Diese Wesen haben kein Identitätsbewusstsein und somit auch nicht die 4 Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Singer 5 Aus dem Werk „Praktische Ethik“ 6 Präferenz ihr Dasein am Leben zu erhalten. „Tötet man eine Schnecke oder einen 24 Stunden alten Säugling, so vereiltet man keine Wünsche dieser Art, weil Schnecken und Säuglinge unfähig sind, solche Wünsche zu haben.“ Es gibt jedoch durchaus Tiere, die ihrer eigenen Identität bewusst sind, Leid und Glück empfinden, sowie die Präferenz besitzen am Leben zu bleiben. Das Leben solcher Tiere habe nach Singer also viel mehr Wert, als das wertlose Leben eines geistig Behinderten, der keinerlei Präferenzen besitzt. Jedoch grenzt Singer den Begriff des Interesses ganz klar vom Begriff des Bedürfnisses ab. Ein Fisch, der am Angelhacken hängt, besitzt das Bedürfnis diesen Zustand zu ändern. Sollte dies in Kraft treten, ist er sich aber über den vorherigen und gegenwärtigen Zustand nicht im Klaren, er besitzt kein Bewusstsein. Nach Singer liegt in diesem Fall kein Interesse sondern lediglich ein Bedürfnis vor. Ein Interesse liegt dann vor, wenn man zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Ziel formuliert, also ein Interesse entwickelt, und im Laufe der Zeit auf die Verwirklichung hinarbeitet. Die Person ist sich hierbei ständig bewusst, ob das gewünschte Ziel bereits in Kraft trat oder eben nicht. 7 Das ethische Problem der Abtreibung Schon seit langer Zeit stellt das Thema Abtreibung ein ethisches Problem dar. Peter Singer versucht dieses Problem in seinem Werk „Praktische Ethik“ zu erörtern, und eine zutreffende Antwort im Rahmen einer nicht-religiösen Ethik zu geben. Zu dieser Antwort gelangt er, indem er die Argumente seitens der Konservativen und Liberalen aufführt und gleichzeitig entkräftet. Die Konservativen bilden hierbei die Abtreibungsgegner und die Liberalen, welche für die Freiheit und das Recht des Einzelnen plädieren, die Befürworter. Zu Anfang formuliert Singer eine Prämisse6, die gleichzeitig das stichhaltigste Argument der Konservativen darstellt. Auf ihr baut er die gesamte Argumentation auf: Erste Prämisse: Es ist unrecht, ein unschuldiges menschliches Wesen zu töten. Zweite Prämisse: Ein menschlicher Fötus ist ein unschuldiges menschliches Wesen. Schlussfolgerung: Daher ist es unrecht, einen menschlichen Fötus zu töten.7 Die Antwort der Liberalen besteht nun darin, die zweite Prämisse anzufechten, also die Aussage, der Fötus sei ein menschliches Wesen, anzuzweifeln um Abtreibung zu legitimieren. Nun ist wichtig zu klären, wann menschliches Wesen überhaupt beginnt. Die Konservativen vertreten den Standpunkt, der Prozess vom befruchteten Ei zum Kind sei ein kontinuierlicher Prozess, der keinerlei Zäsur8 beinhalte. Aufgabe der Liberalen ist es nun, moralisch relevante Trennlinien zwischen Neugeborenem und Fötus aufzuzeigen. Folgende wären da zu nennen: Geburt, Lebensfähigkeit, Bewegung des Fötus, Einsetzen des Bewusstseins. Die Geburt ist augenscheinlich die offensichtlichste Trennlinie zwischen Neugeborenem und Fötus. Im Grunde verständlich, man tut sich leichter damit einen Fötus, den man nie gesehen hat, zu töten, als einen Menschen, den man in seiner Existenz wahrnimmt. Die Konservativen jedoch entgegnen mit dem Argument, auch ein Fötus sei wie ein Baby ein Wesen, welches einen Bewusstseinsgrad sowie die Fähigkeit Schmerz zu empfinden, besitze. Ganz unabhängig davon, ob es sich nun innerhalb oder außerhalb des Mutterleibs befindet. Auch Singer schließt sich dieser Meinung an. Ein Frühgeborenes sei weniger entwickelt als ein 6 Prämisse heißt in der Logik eine Voraussetzung oder Annahme. Sie ist eine Annahme aus der eine logische Schlussfolgerung gezogen wird. 7 Aus „Praktische Ethik“ Seite 180 8 Ein allgemein gedanklicher Einschnitt 8 Fötus kurz vor der Entbindung, demzufolge sei es paradox, den Fötus töten zu dürfen und das Frühgeborene aufgrund der Tatsache, dass es bereits entbunden wurde, nicht. Die zweite Trennlinie stellt die Lebensfähigkeit des Fötus dar. Hiermit ist der Zeitpunkt gemeint, ab dem der Fötus außerhalb des Mutterleibes überleben könnte, also ein potentielles Leben besitzt. Singer entkräftet dieses Argument, indem er sagt, dass der Moment in dem der Fötus außerhalb des Mutterleibes überlebensfähig ist, je nach dem Stand der Technik variiert. Vor dreißig Jahren beispielsweise, sei ein mehr als zwei Monate zu früh geborenes Kind kaum überlebensfähig. Heute jedoch zeigen Fälle, dass selbst Kinder nach einer fünfeinhalb monatigen Schwangerschaft zum Leben gebracht werden können. Dies würde bedeuten, das Abtreiben eines sechs Monate alten Fötus wäre vor 30 Jahren kein Unrecht gewesen, heute jedoch schon. Auch spielen verschiedene Orte eine wichtige Rolle bei der Lebensfähigkeit des Fötus. Eine Mutter, die ihren 7 Monate alten Fötus in New York oder London gebärt, hat gute Chancen, dass ihr Kind gesund zur Welt kommt. Die Chancen würden sich jedoch bei der identischen Mutter und dem identischen Fötus in einem Entwicklungsland verschlechtern. Die Geburtsstätte aber ändert nichts an der Beschaffenheit des Fötus, womit diese Trennlinie nicht hinreichend sei. Als weitere moralische Trennlinie wurde die Bewegung des Fötus im Bauch der Mutter genannt. Singer erklärt diesen ersten Moment der Bewegung jedoch als unwichtig, da er lediglich der erste Moment ist, in dem die Mutter eine Bewegung des Fötus wahrnimmt. Es sei wissenschaftlich bewiesen, dass Föten bereits 6 Wochen nach Befruchtung der Eizelle Bewegungen tätigen, die Mutter diese aber nicht wahrnehmen könne. Demnach könne die physische Bewegung eines Fötus nicht für die Entscheidung auf Leben oder nicht Leben herangezogen werden. Die vierte und letzte Trennlinie stellt das Bewusstsein des Fötus dar. Konservative versuchen mit dem „stummen Schrei“ während der Abtreibung für Mitleid bei Außenstehenden zu sorgen. Liberale hingegen sprechen Föten eine Bewusstseinsfähigkeit komplett ab. Singer sieht dies als gefährlich an, haben Forschungen doch erwiesen, dass Föten nach kurzer Zeit Gehirnaktivitäten und die Fähigkeit der Bewegung besitzen. Zusammenfassend sei zu sagen, dass der Versuch der Liberalen, eine moralisch entscheidende Trennlinie zwischen dem Neugeborenem und dem Fötus im Bezug auf das Lebensrecht zu ziehen, gescheitert ist. Nun gibt es auch Liberale, die die Prämisse, der Fötus sei ein menschliches Wesen, nicht anfechten, im Gegenzug aber die Schlussfolgerung anzweifeln. Aus diesem Lager der 9 Liberalen gehen drei Argumente hervor, die eine Abtreibung rechtfertigen sollen, ohne jedoch anzuzweifeln, der Fötus sei ein unschuldiges menschliches Wesen. Ich werde nun eines dieser drei Argumente aufgreifen und erläutern. Der Inhalt des Arguments entspringt der Frauenemanzipation und beruft sich auf das Recht jeder Frau, zu entscheiden, was mit ihrem Körper geschieht. Um diesen Sachverhalt zu veranschaulichen, hat die amerikanische Philosophin Judith Jarvis Thomson ein Gedankenexperiment erstellt: Stelle dir vor, du wachst eines morgens in einem Krankenbett auf, und bist an einen Mann im Bett gegenüber angeschlossen. Es stellt sich heraus, dass der Mann ein weltberühmter Geiger ist, der an einen Blutkreislauf mit der gleichen Blutgruppe angeschlossen sein muss. Die gleiche Blutgruppe hast du, woraufhin du von Musikliebhabern gekidnappt wurdest, welche die Operation veranlasst haben. Eine Chance auf Genesung besteht nur dann, wenn du 9 Monate mit ihm verbunden bleibst. Sobald du dich von den Schläuchen abkoppelst, wird der Geiger sterben. Thomson ist nun der Annahme, dass du nicht verpflichtet bist, dem Geiger deinen Blutkreislauf für 9 Monate zur Verfügung zu stellen. Natürlich wäre es ausgesprochen freundlich wenn du es tätest, ein Unterlassen sei aber nicht als moralisch verwerflich einzustufen. Mit diesem Gedankenexperiment versucht Thomson auf eine Schwangerschaft, die speziell durch Vergewaltigung hervorgerufen wurde, zu verweisen. Dem Geiger wird in dem Falle nicht die Eigenschaft, ein menschliches Wesen zu sein, abgesprochen. Hinzu kommt, dass er ein Recht auf Leben hat. Diese Tatsache rechtfertige aber nicht die Benutzung eines anderen Körpers zur Erhaltung der eigenen Existenz. Gegner der Abtreibung könnten sagen, dass eine schwangere Frau nicht 9 Monate im Bett liegen müsse. Auch ist die Freigabe zur Adoption des Neugeborenen psychisch belastender als die Abtrennung vom Geiger nach dessen Genesung. Aus Sicht der Konservativen, würden beide Punkte jedoch eine Abtreibung nicht rechtfertigen. Da der Fötus aber, ebenso wie der Geiger, ein menschliches Wesen ist, sollte eine Abtreibung gleichzusetzen sein mit der Abkopplung des Geigers, und somit moralisch legitim sein. Das Gedankenexperiment lässt sich noch weiter, über den Fall einer Vergewaltigung hinaus, ausweiten. Angenommen man geht ins Krankenhaus um eine Freundin zu besuchen, und drückt im Lift versehentlich den falschen Knopf. Diese Abteilung jedoch, wird nur von Menschen aufgesucht, die anderen Menschen mit einer Bluttransfusion das Leben retten wollen. Ein Ärzteteam geht davon aus, dass du so ein Freiwilliger bist, und betäubt dich mit einer Spritze um mit der Operation zu beginnen. Auch in diesem Fall ist eine neun monatige Hilfe ein sehr großes Opfer, welches nach Thomson trotz Unwissenheit und Nachlässigkeit, nicht geleistet werden muss. Indem man das ursprüngliche Gedankenexperiment etwas 10 modifiziert, lässt es sich nicht bloß auf Vergewaltigungsopfer sondern auf eine Vielzahl von Frauen anwenden. Thomson versucht mit ihrem Beispiel, das Recht jedes Einzelnen auf freie Handlung ohne die Berücksichtigung der Konsequenzen, zu sichern. Singer hält Thomsons Argument für stichhaltig, sofern die ihr zugrunde liegende Rechtstheorie9 stichhaltig ist. Sollte dies nicht der Fall sein, ist auch das Argument nicht stichhaltig. Nach Singer haben es die Liberalen nicht geschafft eine Trennlinie zwischen Neugeborenem und Fötus zu markieren, einzig und allein Thomsons Argument sei als stichhaltig einzustufen sofern man die Rechtstheorie für stichhaltig erklärt. Der Versuch, eine Abtreibung zu legitimieren, ohne dabei die zweite Prämisse anzufechten, schlug also fehl. Nur weil es den Liberalen durch ihre Ansätze nicht gelang, die Argumentation der Konservativen zu entkräften, sollte man trotzdem vorsichtig damit sein, die Argumentation der Konservativen für einwandfrei stichhaltig zu erklären. Singer setzt bei seiner Argumentation an einem ganz anderen Punkt an. Wie zuvor beschrieben, gibt es zwei Teile von Liberalen: Der eine Teil akzeptiert die erste Prämisse, verneint aber die zweite. Der zweite Teil akzeptiert beide Prämissen, bezweifelt aber die Schlussfolgerung. Singer im Gegenzug stellt die erste Prämisse, es ist unrecht ein unschuldiges menschliches Wesen zu töten, in Frage. Seiner Meinung nach sei der Begriff „menschlich“ zu weitreichend, man könne ihm zwei Bedeutungen geben. Zum einen die Bedeutung „Mitglied der Spezies Homo sapiens“, und zum anderen die Bedeutung „Person“. Nehme man nun „menschlich“ gleichbedeutend mit dem Begriff „Person“, so sei die zweite Prämisse falsch, da niemand behaupten könne, der Fötus sei rational und selbstbewusst. Verwende man nun „menschlich“ gleichbedeutend mit „Mitglied der Spezies Homo sapiens“, so habe die Verteidigung des Lebens keine moralische Relevanz. Die Zugehörigkeit zu der Spezies Homo sapiens hat nach Singer keinerlei Bedeutung, bei der Frage ob Töten unrecht ist. Singer erreicht hiermit eine Wende in der Abtreibungsdiskussion, da der Fötus nun als das angesehen werden kann, was er ist. Da die Tatsache, dass der Fötus zu Spezies Homo sapiens gehört unerheblich ist, kann man ihn nun mit anderen Wesen, die ähnliche Eigenschaften haben, aber nicht zu Spezies Homo sapiens gehören, vergleichen. Ein Kalb ein Schwein, sogar ein Huhn, haben im Hinblick auf Selbstbewusstsein, Bewusstsein, Autonomie sowie Lust und Schmerzempfinden gegenüber dem Fötus einen weiten Vorsprung. Warum sollte also die Rassenzugehörigkeit des Fötus ein Privileg für die Sicherung der Existenz darstellen, während Kälber, Schweine 9 Als Rechtstheorie wird der Versuch bezeichnet, das Recht in seinen ganzen Erscheinungsformen systematisch zu beobachten und daraus nachprüfbare Erkenntnisse zu gewinnen. 11 und Hühner trotz der Weiterentwicklung dieses Privileg nicht genießen dürfen. Folgendes Zitat von Singer soll die Thematik auf den Punkt bringen: „Ich schlage daher vor, dem Leben eines Fötus keinen größeren Wert zuzubilligen als dem Leben eines nichtmenschlichen Lebewesens auf einer ähnlichen Stufe der Rationalität, des Selbstbewusstseins, der Bewusstheit, der Empfindungsfähigkeit usw. Da kein Fötus eine Person ist, hat kein Fötus denselben Anspruch auf Leben wie eine Person.“10 Man könne also keinen Schwangerschaftsabbruch verurteilen, und gleichzeitig das Töten anderer Lebewesen, mit noch höherer Entwicklung, dulden. Singers Ansatz klingt zwar anfangs sehr unhuman, gewinnt aber nach längerem Nachdenken an Plausibilität hinzu. Es stellt seine grundlegende Argumentation zur Befürwortung der Abtreibung dar. Dennoch solle eine Abtreibung möglichst schmerzfrei für den Fötus enden. Singer lehnt die heutigen Methoden, Salzsäure in die Fruchtblase zu spritzen, ab, da der Fötus ein Recht auf Leidensminderung habe. 10 Aus „Praktische Ethik“ Seite 197 12 Gegenüberstellung In der folgenden Gegenüberstellung möchte ich die Position Singers, mit der Kants, unter Berücksichtigung des von Kant definierten Begriffs der Menschenwürde, vergleichen. Kant spricht jedem menschlichen Wesen, aufgrund seiner Autonomie, Würde zu. Nach Kant besteht die Autonomie darin, die Freiheit zu haben, sich dem höchsten Prinzip, dem kategorischen Imperativ, unterzuordnen. Der kategorische Imperativ ist ein Prüfverfahren, mit dem sich eine moralische Handlung sicherstellen lässt. Nachdem man seine, der Handlung zugrunde liegenden, Maxime11 festsetzt, stehen einem 2 Prüfverfahren bevor: Zuerst stellt man sich die Frage, ob sich die eigenen Maxime als allgemeines Gesetz denken lassen. Der Ausgang dieses Prüfverfahrens wird allein durch die Logik beschränkt. Sollten die Maxime diesem Prüfverfahren standgehalten haben, folgt noch ein letztes. Man fragt sich, ob man es wollen kann, dass die eigenen Maxime als allgemeingültiges Gesetz geltend werden. Fällt die Antwort positiv aus, so ist die Handlung moralisch wertvoll. Nach Kant ist die Verwendung des kategorischen Imperativs a priori, also in unserem Verstand verankert. Eben diese Verpflichtung gegenüber dem kategorischen Imperativ, macht den Menschen, nach Kant, zu einem autonomen Wesen. Für Kant ist jedes menschliche Wesen autonom, er macht keine Unterscheidung nach Intellekt, Charakter, Eigenschaften oder Fähigkeiten. Genau hierin besteht der grundlegende Unterschied zum Präferenzutilitarismus. Peter Singer spricht nur Menschen, die der Kategorie „Person“ beiwohnen, Autonomie zu. Eine Person ist nach Singer ein Wesen, dass sich seiner Selbst ständig bewusst ist (Identitätsbewusstsein), die Eigenschaft besitzt Leid und Freude zu empfinden, sowie die Anlagen besitzt Interessen (Präferenzen) zu formulieren. Säuglinge oder geistig behinderte Menschen besitzen diese Anlagen nicht, was für Singer eine Verminderung des menschlichen Werts zur Folge hat. Singer bewertet menschliche Wesen nach ihren moralisch relevanten Eigenschaften wie Rationalität, Selbstbewusstsein, Bewusstsein, Autonomie sowie Lust und Schmerzempfindung. Für Kant spielen diese Eigenschaften keine Rolle, für ihn besitzt das menschliche Wesen von Natur aus Würde, sie wohnt ihm so zu sagen inne. Singer hingegen lehnt den Speziesismus12 komplett ab. Nach ihm rechtfertige die Tatsache, zur Spezies Homo sapiens zu gehören kein Recht auf Leben und somit auch keine Würde. 11 Subjektiver Handlungsgrundsatz für verschiedene Fälle eines Lebensbereiches. 12 Der Begriff Speziesismus versucht die Ungleichbehandlung von Lebewesen aufgrund ihrer Art sprachlich fassbar zu machen, da eine derartige Ungleichbehandlung im Alltag oft eine unbewusste Selbstverständlichkeit bleibt. 13 Auch misst Kant der Achtung vor dem Anderen sowie der Anerkenntnis seines Rechts, zu existieren, einen hohen Stellenwert bei. Dies tut der Utilitarismus, und auch speziell der Präferenzutilitarismus, nicht. Bei der Tötung eines Säuglings oder eines behinderten Menschen, wird das Recht auf Existenz nicht berücksichtigt. Dennoch ist es nach Singer, aufgrund der nicht vorliegenden Präferenzen, moralisch akzeptabel. Im Falle des Utilitarismus wird das Wohl von Minderheiten geopfert um das Wohl der Allgemeinheit zu fördern. Dies entspräche nicht Kants Bild von moralischem Handeln. Nach Anwendung des kategorischen Imperativs müsse man zu der Antwort kommen, dass man das Töten einer, beziehungsweise mehrerer Minderheiten, zum Wohle der Allgemeinheit, nicht wollen könne. Für Kant ist es wichtig, im Bezug auf die Würde, dass der Mensch ausschließlich als Zweck und niemals als Mittel gesehen wird. Der Mensch ist so zu sagen ein Zweck an sich, da jeder Mensch einen für ihn eigenen Zweck verfolgt. Benutze ich einen Menschen zur Verwirklichung meiner Ziele, beispielsweise einen Mechaniker für die Reparatur meines Autos, so verfolgt die betroffene Person auch ein Ziel mit ihrer Handlung (in diesem Falle Profit). Der Mensch wird insofern nicht zum Mittel gemacht. Die von Kant erstellte „Menschheitsformel“ in seinem Werk „Metaphysik der Sitten“ lautet folgendermaßen: „Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als auch in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest.“ Der Mensch soll also in seinem Handeln immer berücksichtigen, andere Personen niemals ausschließlich zum Mittel zu machen, da man auch selber niemals nur als Mittel behandelt werden möchte. Ein Beispiel hierfür wäre Diebstahl, Betrug oder Unterdrückung. Diesen Aspekt berücksichtigt der Utilitarismus und der Präferenzutilitarismus nicht. Menschen werden zu Mitteln gemacht, indem man absieht, ob ihre Handlungen der Allgemeinheit dienen beziehungsweise die Präferenzen der Beteiligten fördern. Der letzte Unterschied zwischen Kants und Singers Ethik ist folgender: Kant führt die These an, dass jeder Mensch von Natur aus mit einem Überlebenswillen ausgestattet ist, was es zu einem Unrecht macht, einen Menschen zu töten. Diesen Überlebenswillen sieht Singer jedoch nicht. Ein geistig Behinderter kann nach Singer nicht das Recht auf Überleben haben, wenn er nicht im Stande ist, jenen Wunsch zu formulieren. Er habe also keinerlei Präferenzen im Bezug aufs Überleben, womit sein Recht auf Überleben entfällt. Wie man sieht gibt es im Hinblick auf die Würde einige Unterschiede in den Ethiken von Kant und Singer, meine persönliche Sichtweise versuche ich nun im abschließenden Fazit darzulegen. 14 Fazit Zugegebenermaßen wirken einige Aspekte in Peter Singers Ethik beim ersten Lesen sehr unhuman und abschreckend, doch sollte man sein Werk damit nicht abstempeln und bei Seite legen, sondern einen Blick „hinter die Kulissen“ wagen. Seine Kritiker vergleichen Singers Ethik mit dem Euthanasieprogramm zur Zeit des Holocaust und stellen ihn als einen Unmensch dar, doch das wäre meiner Meinung nach vorschnell geurteilt. Wenn Singer behauptet, ein Kalb oder ein Schwein habe im Bezug auf Rationalität, Selbstbewusstsein, Bewusstsein, Autonomie sowie Lust und Schmerzempfindung einen großen Vorsprung vor einem Fötus oder einem geistig Behinderten, so ist dies eine Tatsache, die sich nur schwer widerlegen lässt. Es ist auch der Punkt, an dem ihn seine Kritiker gerne missverstehen. Singers Intention ist es nämlich nicht, die Rechte eines Behinderten oder eines Fötus zu schmälern, sondern die Rechte der Tiere zu steigern. Er möchte den Status eines Menschen nicht auf den eines Huhns runterstufen, sondern den Status eines Huhns auf den eines Menschen aufwerten. Singer lehnt den Speziesismus komplett ab, also die Bevorzugung eines Wesens aufgrund ihrer Spezies. Für ihn ist es nicht rechtens, ein Kalb, welches mehr moralisch relevante Eigenschaften als ein Fötus besitzt, zu töten, den Fötus aber hingegen, aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Spezies Homo sapiens, am Leben zu lassen. Er setzt den Spziesismus mit dem Rassismus gleich, was ich voll und ganz nachvollziehen kann. Wenn es keine Bevorzugung von Rassen innerhalb der Menschheit geben darf, beispielsweise unter hell und dunkelhäutigen Menschen, so sollte dies auch in der Beziehung zwischen Mensch und Tier keinen Einklang finden. Mensch und Tier sind beides Wesen, die eine Schmerz und Lustempfindung sowie eine Präferenz in Bezug auf die Erhaltung ihrer Existenz besitzen. Wieso sollte diese Präferenz bei Tieren einen geminderten Wert haben? Kurz gesagt: Wer es ablehnt Menschen zu töten, der solle auch keine Tiere töten, da die Tötung der einen Spezies, jedoch nicht der anderen, keiner Rechtfertigung obliegt. Berücksichtigt man diese Punkte in seiner Meinungsbildung, so sollte man zu dem Schluss kommen, dass Peter Singer keineswegs ein mit den Nazis gleichzusetzender Unmensch ist, sondern vielmehr ein Tierschützer, der die Tierethik auf ein neues Level gebracht hat. Natürlicherweise hat mich das Buch nicht zu einem Veganer gemacht, jedoch finde ich Singers Ansatz, ein Wesen nach seinen Präferenzen zu bewerten, sehr interessant. Einen Kritikpunkt gibt es aber dennoch. Zwar stellt, nach Singer, die Sicherung der eigenen Existenz die höchste Präferenz dar, doch es ist nicht klar wie Präferenzen allgemein zu 15 bewerten sind. Nicht alle Präferenzen können die gleiche Relevanz besitzen, somit ist nicht festgelegt, welche Präferenzen eher berücksichtigt werden sollten als andere. Abschließend kann ich Singers Werk „Praktische Ethik“ nur empfehlen, und bitte den Leser objektiv und ohne die falsche Annahme, Singer sei ein Unmensch, an die Sache ranzugehen. Das Lesen und Verstehen bedarf einiger Zeit, die sich jeder zur Urteilsbildung nehmen sollte. 16