5. Externe Effekte

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5. Externe Effekte
Prof. Dr. Christian Holzner
LMU München
WS 2011/2012
5. Externe Effekte und Eigentumsrechte
5.1 Einführung
5.2 Ineffizienz des Marktergebnisses
5.3 Eigentumsrechte und Coase-Theorem
5.4 Weitere Möglichkeiten von Staatseingriffen
Literatur
Giacomo Corneo, Öffentliche Finanzen: Ausgabenpolitik, Mohr
Siebeck, Tübingen, 2003, Kapitel III.
Jean Hindricks und Gareth D. Myles, Intermediate Public
Economics, MIT Press, Cambridge, MA, 2006, Kapitel 7.
Wellisch, Finanzwissenschaft I - Rechtfertigung der
Staatstätigkeit, Vahlen, München, 1999, Kapitel 4. [*]
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5.1. Einführung
Definition: Ein externer Effekt liegt vor, wenn sich die
Konsum- oder Produktionsentscheidung eines
Wirtschaftssubjektes auf den Nutzen anderer
Wirtschaftssubjekte auswirkt.
Allokatives Problem: Wenn das Wirtschaftssubjekt die
Folgen seiner Handlung für andere nicht berücksichtigt und
diese auch nicht in den Marktpreisen reflektiert werden, führt
das (privat optimale) Handeln zu einer kollektiv suboptimalen
Allokation.
⇒ Hauptsätze der Wohlfahrtstheorie gelten nicht mehr; das
kompetitive Gleichgewicht ist nicht mehr paretoeffizient.
- Bei negativen Externalitäten wird zuviel produziert.
- Bei positiven Externalitäten wird zuwenig produziert.
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Nicht alle Auswirkungen, die die Produktion oder der Konsum eines
Wirtschaftssubjektes bei anderen auslöst, führen zu einer
Verzerrung des Marktergebnisses.
Entscheidend ist, ob die Vor- oder Nachteile, die andere
erfahren, im marktlichen Preissystem reflektiert werden.
Man unterscheidet daher oft zwischen:
1. pekuniären Externalitäten und
2. technologischen (echten) Externalitäten.
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Pekuniäre externe Efffekte:
Pekuniäre externe Effekte liegen vor, wenn die Folgen des
eigenen Handelns über den Preismechanismus übertragen
werden.
Diese Effekte verursachen keine allokativen Verzerrungen,
sondern sind eine typische Begleiterscheinung eines
funktionierenden Marktsystems, da alle Wirtschaftssubjekte
ihre Entscheidungen an die veränderten Preise anpassen.
Beispiele 1: Zuwanderung
- Zuwanderer produzieren einen externen Effekt auf die
Einheimischen, da sie deren Löhne senken.
- Durch Zuwanderung steigen die Mieten, was den Nutzen
bisheriger Mieter verringert.
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Beispiel 2: Studiumswahl
Es gebe 100 Studenten, die sich entscheiden müssen, ob sie
Anwalt oder Ökonom werden.
Einkommen von Ökonomen (Anwälten) sinkt (steigt) mit Zahl
der Ökonomen E.
Es werden sich so lange Studenten für den Ökonomen-Job
entscheiden, bis das Einkommen von Anwälten gleich dem von
Ökonomen ist.
Dies ist auch gesellschaftlich effizient, da die Ressource
Arbeitskraft in beiden Berufen denselben Grenzertrag
erwirtschaftet.
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Einkommen
Anwälte
Einkommen
Ökonomen
Anwalt
Ökonom
0
E
100
% Ökonomen
Abbildung 1: Pekuniäre Externalität
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⇒ Da sich dieser externe Effekt bei beiden Beispielen in
Marktpreisen wiederspiegelt, gibt es keine Ineffizienz.
Eine Veränderung der Preise ist ein Zeichen für geänderte
Knappheitsverhältnisse, d.h. der Grenzertrag hat sich geändert.
⇒ Die pekuniäre Externalität führt lediglich zu einer
Umverteilung zwischen den Marktteilnehmern.
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Technologische Externalität
Technologische Externalitäten liegen vor, wenn anderen
Wirtschaftssubjekten ein Vor- oder Nachteil entsteht, ohne
dass dieser dem Verursacher über das Preissystem zugute
kommt oder angelastet wird.
Diese Externalitäten führen zu allokativen Verzerrungen und
können staatliche Korrekturmaßnahmen rechtfertigen.
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Beispiele für (negative) technologische Externalität:
Statusexternalität: Wenn der Nutzen einer Person nicht nur
von der absoluten Höhe des Konsums (z.B. der Größe des
eigenen Autos), sondern von der relativen Höhe im Vergleich
zu anderen Konsumenten (z.B. dem Nachbarn) abhängt,
entsteht eine negative Externalität im Konsum.
Doping im Sport: In einem Sportwettbewerb kann nur einer
gewinnen. Was bewirkt Doping? Wenn ein Sportler dopt,
erhöht er seine eigenen Chancen auf Kosten seiner
Konkurrenten.
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Seien c die Kosten des Dopings,
1 der Payoff des Gewinners, und 0 der des Verlierers.
Tabelle 1: Status-Wettbewerb
kein Doping
Doping
kein Doping
1/2,1/2
1 − c,0
Doping
0,1 − c
1/2 − c,1/2 − c
Für c < 1/2 ist das Nash-Gleichgewicht, dass beide dopen.
Aber dann ist (bei gleichen sonstigen Bedingungen) für jeden
die Gewinnwahrscheinlichkeit 1/2, genau wie wenn keiner dopt.
Das Nash-Gleichgewicht ist ineffizient.
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Diese Art von Externalität kommt daher, dass die Payoffs vom
Rang abhängen und man seinen eigenen Rang durch
Anstrengung verbessern kann.
Aber die Summe der Ränge ist immer gleich, daher ist
Anstrengung gesellschaftlich ineffizient.
Die Externalität führt dazu, dass alle zu viel Statuskonsum
betreiben.
Weitere Beispiele:
Beförderung, Status-Symbole wie Autos, Wahlkampfspenden,
...
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Beispiel Verkehrsstau:
Es gebe N Pendler, die Bahn oder Auto fahren können. Sei α
der Anteil der Autofahrer.
Bahnfahren dauert TB = 40 min., egal wie viele Pendler Bahn
fahren.
Auto fahren dauert
TA = 20 + 50α
d.h. die Fahrzeit steigt, je größer der Anteil der Autofahrer
(Staukosten).
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Dezentrales Gleichgewicht:
Pendler vergleichen Zeitkosten und fahren Auto, solange
TA ≤ TB . Im Gleichgewicht gilt,
20 + 50α = 40 ⇒ α̂ = 0.4
Effiziente Allokation:
Minimiere gesamte Fahrtzeit:
min αTA + (1 − α)TB
=
α(20 + 50α) + (1 − α)40
FOC
:
20 + 100α − 40 = 0
α
⇒ α∗ = 0.2
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Fahrzeit
Max. Zeitersparnis
40
TA
TB
20
0
0.2
0.4
Abbildung 2: Transportmittelwahl und Staukosten
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Beispiele für (positive) technologische Externalität:
- Silicon-Valley
- Netzwerkeffekte
- Blumen auf dem Balkon
Überlegen Sie, wo hier externe Effekte zu finden sind.
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5.2. Ineffizienz des Marktergebnisses
Beispiel:
Die Ökonomie besteht aus einem Chemieunternehmen, das bei
der Produktion des Gutes x einen Fluss verschmutzt. Je
stärker die Verschmutzung, desto schwieriger wird der
Fischfang eines Fischereiunternehmens.
Private Entscheidung des Chemieunternehmens: Es wird seine
Produktion ausdehnen, solange der Preis p∗ für eine weitere
Outputeinheit über den Grenzkosten der Produktion GKpriv
liegt. Der individuell optimale Output beträgt xpriv .
Daneben treteten aber auch die Kosten der Verschmutzung für
den Fischereibetrieb auf, die allerdings nicht in das Kalkül der
Chemiefirma eingehen. Die externen Nachteile der
Produktionsausdehnung sind durch GS gekennzeichnet.
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p
Gksoz
B
GS
p*
0
A
GKpriv
C
opt
x
priv
x
x
Abbildung 3: Ineffizienz des Marktergebnisses
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Die externen Kosten müssen zu den privaten Grenzkosten
hinzu addiert werden, um die sozialen Grenzkosten (GKsoz ) zu
erhalten. Aus volkswirtschaftlicher Sicht wäre es optimal, nur
xopt als Output in der Chemiefabrik zu produzieren.
Wohlfahrtsverlust:
Ein Vergleich von privat und kollektiv optimalen
Entscheidungen zeigt, dass es zu einem Wohlfahrtsverlust
kommt.
In welchem Umfang?
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Für die folgende Analyse wird die Externalität nicht in Abhängigkeit
des Outputs, sondern als Funktion des Inputs “Umwelt” angesehen.
Die Chemiefirma produziert ihre Outputmenge x (unter
anderem) durch Einleitung verschmutzender Abwässer s in den
Fluss. Der Vorteil der Verschmutzung besteht in einer
Kostensenkung im Vergleich zu einer anderen Entsorgung
giftiger Abwässer.
Der Gewinn der Chemiefirma ist
π x = px x − C(x, s) mit Cx > 0, Cs ≤ 0
(1)
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Individuelle Gewinnmaximierung der Chemiefirma:
Welches Verschmutzungsniveau spriv wird die Chemiefirma
wählen?
∂π x
= −Cs (xpriv ; spriv ) = 0
(2)
∂s
Da der Preis für die Verschmutzung 0 ist, wird die Firma so
lange verschmutzen, bis eine weitere Einheit Verschmutzung
die Kosten der Produktion nicht weiter senkt. Umwelt ist hier
sozusagen ein kostenloser Input für die Chemiefirma.
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Negative Externalität:
Die Kosten des Fischfangs hängen ebenfalls von der
Verschmutzung der Gewässer ab. Je schmutziger der Fluss,
desto teurer wird es, eine bestimmte Menge Fisch y zu fangen.
Der Gewinn des Fischers ergibt sich aus
π y = py y − K(y, s) mit Ky > 0, Ks > 0
(3)
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Kollektive Gewinnmaximierung:
Welches Verschmutzungsniveau würde gewählt, wenn beide
Firmen demselben Unternehmer gehören oder wenn ein
wohlfahrtsmaximierender sozialer Planer entscheidet?
Dazu maximiert man den Gewinn über beide Unternehmen
bezüglich des Verschmutzungsniveaus:
∂π
= −Cs (xopt ; sopt ) − Ks (y opt ; sopt ) = 0
∂s
(4)
Was besagt diese Optimalitätsbedingung?
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Vergleicht man das Ergebnis der individuellen
Gewinnmaximierung mit dem sozial optimalen Ergebnis, sieht
man, dass die individuell rationale Lösung zu einer exzessiven
Verschmutzung der Umwelt führt:
spriv > sopt
(5)
⇒ Im Marktgleichgewicht wird zu viel von dem verschmutzenden
Gut produziert.
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Graphische Darstellung
Die (−Cs )-Kurve misst den Grenzvorteil der Chemiefirma aus
einer weiteren Verschmutzungseinheit.
Die (Ks )-Kurve gibt den Grenznachteil der Fischerei an.
Die Verschmutzung wird ausgedehnt, bis der Grenzvorteil bei
spriv Null wird.
Das soziale Optimum ist erreicht, wenn bei sopt der
Grenzvorteil der Verschmutzung diesem Grenznachteil
entspricht.
Was ist der Wohlfahrtsverlust bei einer Laissez-Faire-Politik?
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GN
GV
-CS
E KS
D
F
0
s
opt
s
priv
s
Abbildung 4: Ineffizienz des Marktergebnisses (alternative Darstellung)
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Andere Interpretation - Lesen der Kurven von rechts nach links:
Eine Reduktion von s entspricht einer Verbesserung der
Umweltqualität. Ausgehend von spriv gibt die (−Cs )-Kurve
an, wie viel die Vermeidung einer marginalen Verschmutzung
die Chemiefirma kostet (Grenzvermeidungskosten).
Die (Ks )-Kurve misst dann entsprechend den Grenzvorteil des
Fischers aus einer marginal saubereren Umwelt.
Die sozial optimale Vermeidung ist erreicht, wenn die
Grenzkosten der Vermeidung dem Grenzvorteil einer höheren
Umweltqualität entsprechen.
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Ergebnis:
Bei technologischen Externalitäten führt die Marktlösung nicht
zu einem pareto-optimalen Ergebnis:
- Bei positiven Externalitäten wird zu wenig und ...
- ... bei negativen zu viel von einer Aktivität ausgeübt.
Individuelle und kollektive Rationalität fallen - wie schon im
Fall der öffentlichen Güter - auseinander.
Hier stellt sich die Frage, wie der Staat die Allokation
verbessern kann.
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Strategien zur Internalisierung:
Definition von Eigentumsrechten (Coase-Theorem)
Internalisierung (im Sinne von Fusionen)
Auflagen, die schädliche Aktivitäten bei negativen externen
Effekten verbieten
Besteuerung der schädlichen Aktivität
Handelbare Zertifikate, deren Besitz die schädigende Aktivität
gestattet
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5.3 Eigentumsrechte und Coase-Theorem
Letztendlich liegt der Grund für das Externalitätenproblem in
fehlenden Eigentumsrechten.
Beispiel nach Ronald Coase:
Rancher und Farmer nutzen dasselbe Land. So lange keine
Eigentumsrechte für das Land festgelegt sind, verursachen
Rinder, die frei herumlaufen, Schaden bei Farmern, weil sie
deren Pflanzungen fressen und niedertrampeln. Definiert man
dagegen durchsetzbare Eigentumsrechte für das Land kann
man einzelne Parzellen verpachten, mit Zäunen versehen und
die Externalität wird eliminiert.
Damit gibt es aber eine scheinbar einfache Lösung:
Lege Eigentumsrechte fest!
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Anwendung auf obiges Beispiel:
Verschmutzender Chemiebetrieb und geschädigter Fischer
Annahmen: keine Informations- oder Transaktionskosten
Fall 1: Eigentumsrecht an der Umwelt bei Fischer
Der Staat gibt alle Eigentumsrechte an dem Fluss (Umwelt)
dem Fischer.
Wenn die Chemiefirma Abwässer in den Fluss einleiten will,
muss sie dem Fischer die Rechte dafür abkaufen.
Ausgangspunkt für die folgenden Überlegungen ist also ein
Verschmutzungsniveau s = 0.
30 / 86
GN
GV
-CS
E KS
A
D
B
0
F
s
opt
s
priv
s
Abbildung 5: Coase-Theorem
31 / 86
Hat der Fischer einen Anreiz, Verschmutzung zuzulassen?
Bis zu welcher Menge sind beiderseitig vorteilhafte Kontrakte
möglich?
Was ist also das gleichgewichtiges Verschmutzungsniveau?
Was ist der Gewinn aus dem Vertrag (im Vergleich zur
Ausgangssituation = Nullverschmutzung)?
⇒ Vergleichen wir die Lösung mit dem sozialen Optimum, so
sehen wir, dass die Definition der Eigentumsrechte und private
Verhandlungen gerade die optimale Allokation herbeiführen.
32 / 86
Fall 2: Eigentumsrecht an der Umwelt bei Chemiefirma
Der Staat gibt nun alle Eigentumsrechte an dem Fluss
(Umwelt) an die Chemiefirma.
Wenn der Fischer einen saubereren Fluss will, muss er die
Chemiefirma für die Reinigung der Abwässer entschädigen.
Ausgangspunkt für die folgenden Überlegungen ist also ein
Verschmutzungsniveau s = spriv .
Das Verschmutzungsniveau, das sich nach
Vertragsverhandlungen ergibt, ist wieder sopt . Warum?
Wie hoch ist der Gewinn?
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Theorem (Coase)
Wenn die Eigentumsrechte für Externalitäten verursachende
Aktivitäten eindeutig definiert sind und keine Transaktionskosten
vorliegen, führen Verhandlungen zu einer effizienten Allokation,
unabhängig von der Verteilung der Eigentumsrechte.
Ronald Coase:
Nobelpreis 1991 ‘for his discovery and clarification of the
significance of transaction costs and property rights for the
institutional structure and functioning of the economy.”
Anders ausgedrückt:
Effizienzthese: Bilaterale Verhandlungen führen bei
durchsetzbaren Eigentumsrechten zu einer effizienten
Internalisierung externer Effekte.
Invarianzthese: Die resultierende Allokation ist stets dieselbe
- unabhängig davon, wer die Eigentumsrechte hat.
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Einige Probleme des Coase-Theorems
1. Transaktionskosten
Transaktionskosten für die Verhandlungen und die
Durchsetzung der Verträge sind normalerweise nicht Null, vor
allem wenn viele beteiligt sind.
Z.B. ein Autofahrer, der die Luft verschmutzt, müsste mit
allen potentiell Betroffenen verhandeln.
Statt vieler bilateraler Verhandlungen kann dann z.B. eine
zentrale Lösung über den Staat billiger sein.
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2. Einkommenseffekte
Nur bei quasilinearen Präferenzen treten keine
Einkommenseffekte auf.
Im Allgemeinen beeinflusst die Zuteilung die Einkommensverteilung und damit auch das Verhandlungsergebnis.
Gibt man z.B. dem Haushalt das Eigentumsrecht, ist er
reicher, als wenn die Chemiefirma das Eigentumsrecht erhält.
Der Einkommenseffekt wird bewirken, dass seine Nachfrage
nach sauberer Umwelt steigt.
Die resultierende Allokation ist immer noch effizient, aber
nicht mehr invariant.
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3. Marktmacht
Gibt man einer Institution (z.B. dem Fischer) das
Eigentumsrecht, hat er das alleinige Recht, Lizenzen für
Verschmutzung zu verkaufen. Falls es mehrere Nachfrager
(Chemiefirmen) gibt, ist er Monopolist für solche Lizenzen.
Werden die Lizenzen zu einem einheitlichen Preis gehandelt
(und nicht über bilaterale Verhandlungen mit möglicher
Preisdiskriminierung), tritt die Ineffizienz eines Monopols auf:
Die Lizenzmenge wird verknappt, um den Preis hoch halten zu
können. Effizienz- wie Invarianzthese gelten hier nicht mehr.
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Zeichnen Sie in der nachfolgenden Graphik für diesen Fall
(Fischer = Monopolist) die Grenzerlöskurve für
Verschmutzungslizenzen ein. Warum wählt der Fischer ein so
niedriges Niveau?
Überlegen Sie, welche Allokation bei der Zuweisung aller
Eigentumsrechte an die Chemiefirmen resultieren würde, wenn
der Fischer der einzige Nachfrager nach sauberer Umwelt ist
(Monopson).
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GN
GV
A
E KS
-CS
G
H
D
I
GE
B
0
F
s
mon
s
opt
s
priv
s
Abbildung 6: Coase-Theorem mit Marktmacht
39 / 86
4. Öffentliche Güter
Der wohl wichtigste Einwand gegen die Coase’sche Lösung ist,
dass bei vielen Externalitäten zugleich ein öffentlichesGuts-Problem vorliegt.
Zwar ist die Einleitung von Abwässern für die Chemiefirma ein
typisches privates Gut.
Ein sauberer Fluss ist jedoch ein öffentliches Gut.
⇒ Selbst wenn man die Eigentumsrechte an der Umwelt definiert,
ergibt sich das Problem die wahre GZB der Individuen für
einen sauberen Fluss zu bestimmen. Da die Bereitstellung
nicht von den Individuen sondern der Chemiefirma fianziert
wird, habe diese einen Anreiz zum Übertreigen, d.h. sie würden
s = 0 durchsetzen wollen (Trittbrettfahrer-Problem).
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Exkurs: Externe Kosten: Globale Erwärmung
Umweltverschmutzung:
- Die Fabrik, die Schadstoffe in ein Gewässer einleitet, oder der
Autofahrer, der Abgase in die Luft bläst, nutzen die Umwelt
als Aufnahmemedium.
- Die Qualität der Umwelt verschlechtert sich und mindert den
Nutzen derer, die von einer hohen Qualität der Umwelt
profitieren (gute Luft zum Atmen, sauberes Trinkwasser,
schönes Badegewässer ...).
- Da jeder einzelne Verschmutzer diese Nachteile in seinem
Kalkül nicht berücksichtigt, wird die Umwelt übernutzt - die
Qualität der Umwelt ist zu gering.
41 / 86
Quelle: Robert A. Rohde
Abbildung 7: Rapider Anstieg der CO2-Konzentration
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Abbildung 8: Starke Korrelation von CO2 und der globalen
Durchnittstemperatur
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Zunahme der Treibhausgase (insb. CO2 ) in der Atmosphäre
führt zu globaler Erwärmung.
Nach dem (Nicholas) Stern-Report könnte sich die
Konzentration bis 2035 gegenüber vor der industriellen
Revolution verdoppeln und bis 2100 fast vervierfachen.
Als Folge würde die Erdtemperatur bis 2035 um 2◦ und bis
2100 um bis zu 5◦ ansteigen.
Schmelzen von Polkappen und Gletschern würde Meeresspiegel
um über einen Meter anheben.
44 / 86
Nahrung: starke Gefährdung in warmen Regionen (z.B. Sahel)
wg. Trockenheit; kurzfristig leicht positive Effekte in kälteren
Regionen.
Wasser: Trockenheit in einigen Regionen,
Überschwemmungen in anderen.
Ökosysteme: Irreversible Schäden der Korallenriffe und
Regenwälder. 20-50% aller lebenden Arten könnten aussterben.
Wetter: Zunahme von Hurrikanen etc.
Stern-Report: Kosten könnten sich auf Gegenwartswert von 7
Billionen Dollar belaufen (“größte Externalität aller Zeiten”).
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Wenn der Temperaturanstieg auf ca. 2,5 Grad beschränkt werden
soll, bedeutet das Folgendes:
Unter Berücksichtigung der projizierten Entwicklung von
Weltbevölkerung und wirtschaftlichem Wachstum müssen die
durchschnittlichen pro-Kopf Emissionen in der zweiten Hälfte
des Jahrhunderts von ca. 7 Tonnen CO2 pro Jahr auf ca. 1
Tonne reduziert werden.
Das entspricht dem heutigen Durchschnitt von Indien oder den
Emissionen, die bei einem einfachen Flug von Europa an die
Ostküste der USA entstehen.
Für viele Industrieländer würde das eine starke Verringerung
bedeuten (USA emittieren z.B. heute ca. 21 Tonnen).
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Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/File:CO2_per_capita_per_country.png#file
Abbildung 9: CO2 pro Kopf pro Jahr (Daten 2006/2007)
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5.4. Weitere Möglichkeiten von Staatseingriffen
Betrachten wir im Folgenden Umwelt als öffentliches Gut.
Das entscheidende Politikproblem der Externalität besteht nun
darin,
1 die Emissionen auf das effiziente Niveau zu reduzieren und
2 diese Reduktion effizient auf die Schädiger aufzuteilen.
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Ad 1: Effizientes Niveau der Emissionen
Wie bis jetzt unterstellt, sind nicht nur zwei Parteien betroffen.
Gleichzeitig muss berücksichtigt werden, dass Umwelt ein
öffentliches Gut ist, während die Verschmutzung weiterhin als
privates Gut angesehen werden kann.
Um diese Situation, die auch bei vielen anderen wirtschaftspolitisch wichtigen Externalitätenproblemen relevant ist, zu
erfassen, müssen wir das Grundmodell entsprechend erweitern.
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Die nachfolgende Graphik zeigt dies:
Das Bild oben rechts ist bereits bekannt: In Abhängigkeit der
Emissionsmenge s geben die beiden Kurven den Grenzvorteil
und den Grenznachteil der Verschmutzung an.
Die Neuerung besteht darin, dass diese Kurven sich sowohl auf
Emittenten- wie auch Geschädigtenseite nun aus den Vor- und
Nachteilen mehrerer Personen zusammensetzen.
- Die Grenzvorteilskurve ergibt sich, indem man die individuellen
Nachfragen der einzelnen Verschmutzer horizontal aggregiert,
⇒ s ist für jeden Emittenten ein privates Gut.
- Die Grenznachteilskurve erhält man, indem man für jede
Verschmutzungsmenge s die individuellen Grenznachteile
aufsummiert,
⇒ s ist für die Geschädigten ein öffentliches “Schlecht”.
50 / 86
GV
GN
GV
GV
E
GV
GN
D
GV1
0
s
0
GV2
s
0
sopt
F
s
spriv
GN
GN2
s
0
GN
GN1
0
s
Abbildung 10: Umwelt als öffentliches Gut
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Samuelson-Regel:
Die optimale Verschmutzungsmenge ist erreicht, wenn die
Summe der Grenznachteile dem Grenzvorteil der letzten
Verschmutzungseinheit entspricht:
X
GN = GV
Noch deutlicher wird die Samuelson-Regel, wenn wir die
Graphik von rechts nach links lesen: Im Optimum gilt, dass die
Summe der GZB für eine Verbesserung der Umwelt den GK
der Emissionsvermeidung entspricht.
⇒ Um das effiziente Niveau der Umweltverschmutzung zu
bestimmen, muss der Staat also die individuellen
Grenznachteilskurven ermitteln. Diese Problematik bei der
Bereitstellung öffentlicher Güter haben wir bereits in Kapitel 4
kennengelernt.
52 / 86
Ad 2: Effiziente Aufteilung der Emissionen
Der Staat kennt jetzt die optimale Verschmutzungsmenge sopt .
In der nachfolgenden Graphik sind die Grenzvorteilskurven der
Verschmutzung für beide Emittenten abgetragen, wobei die
Gesamtmenge der Emissionen auf sopt fixiert ist.
Somit muss nur noch die Aufteilung dieser Emissionsmenge
auf die beiden Unternehmen untersuchen werden.
Die optimale Aufteilung ist in Punkt C erreicht. Warum?
Wie ist diese Aufteilung zu erreichen?
53 / 86
GV
A
H
GV2
GV1
C
B
0
D
s1
s2
I
sopt
Abbildung 11: Optimale Aufteilung der Verschmutzung
54 / 86
A: Internalisierung
Externe Effekte sind – per Definition – extern für den
Entscheidungsträger.
Wenn Entscheidungsträger und Geschädigter die selbe Person
sind, werden externe Effekte internalisiert.
Bsp.: Chemiefirma verschmutzt Fluss und schädigt so einen
Fischereibetrieb.
Wenn die beiden Firmen fusionieren, wird von dem fusionierten
Unternehmen die effiziente Allokation gewählt.
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Eine der beiden Firmen könnte die andere aufkaufen: Da der
gesamte Gewinn höher als die Summe der einzelnen Gewinne
ist, gibt es Handelsgewinne.
Probleme:
- Bei Verschmutzung unter Produzenten könnte ein Monopol
entstehen: keine effiziente Allokation.
- Bei externen Effekten unter Haushalten ist Fusion evtl. aus
anderen Gründen nicht erwünscht oder machbar.
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B: Auflagenlösung
Firmen werden maximale Emissionsmengen vorgegeben.
Wie wirkt diese Politikmaßnahme?
Betrachten wir den einfachen Fall, dass jede der beiden Firmen
genau die Hälfte der gesamten Emissionsmenge nutzen darf.
Diese Auflage ist somit unabhängig von den Kosten, die die
Einhaltung dieser Standards bei den einzelnen Firmen
verursacht.
57 / 86
GV
A
H
GV1
GV2
C E
F
B
0
D G
s1
s2
I
opt
s
Auflagenlösung:
s1=s2=1/2 sopt
Abbildung 12: Auflagen
58 / 86
Im Vergleich zur optimalen Aufteilung entstehen bei dieser
Politik exzessive Kosten. Wie hoch sind die exzessiven Kosten?
Wer gewinnt und wer verliert gegenüber einer optimalen
Politik?
⇒ Um eine effiziente Lösung zu erreichen, müsste man die
Vorteilskurven jedes Unternehmens kennen und für jeden
Emittenten individuelle Emissionsstandards festlegen - ein
praktisch undurchführbares Unterfangen.
59 / 86
C: Besteuerung
Eine alternative Politik besteht in einer Besteuerung der
Emissionen (Pigou-Steuer).
Der Staat legt einen Steuersatz t fest, der auf jede
Emissionseinheit erhoben wird.
Produzenten produzieren nun gemäß (vgl. (1))
px = Cx + t
(6)
Dadurch wird ein Preis für die knappe Ressource Umwelt
eingeführt und der externe Effekt internalisiert.
60 / 86
Die Unternehmen können selbst entscheiden, ob sie eine
Emissionseinheit vermeiden wollen oder lieber weiter emittieren
(und dafür die Steuer zahlen).
Die Unternehmen werden so lange verschmutzen, wie die
Grenzvorteile einer Emission (gesparte Vermeidungskosten)
größer sind als die Grenzkosten der Emission (Steuer).
Was ist die Verschmutzungsmenge und die Steuerzahlung von
Unternehmen 1 und 2?
61 / 86
GV
A
H
GV2
GV1
C
Pigousteuer t
J
B
0
K
D
s1
s2
I
opt
s
Abbildung 13: Pigou-Steuer
62 / 86
Vorteile der Steuerlösung
Der Staat erhält ein Steueraufkommen in Höhe von ...
Die Grenzvorteile der Unternehmen (bzw. ihre Grenzkosten der
Vermeidung) gleichen sich an.
Dazu muss der Staat die Verläufe der individuellen
Grenzvorteilskurven gar nicht kennen.
Selbst wenn der Staat ein falsches Niveau für die Pigousteuer
wählt, so dass das Ziel der gesamten Emission verfehlt wird,
gleichen sich die Grenzvorteile der Unternehmen noch an.
Will der Staat das richtige Niveau der Emissionen erreichen,
kann er iterativ die Pigousteuer anpassen.
63 / 86
Implikation:
Dieses Resultat impliziert auch, dass man die Steuersätze bei der
Pigousteuer nicht differenzieren sollte, da man sonst die effiziente
Angleichung der Grenzvorteile verhindert.
Bemessungsgrundlage:
Um die steuerliche Belastung der Unternehmen zu mindern, kann
man auch die Bemessungsgrundlage der Steuer verkleinern, ohne
die Anreizwirkung zu eliminieren.
Wie?
⇒ Wichtig ist nur, dass der Steuerpreis an der Grenze wirksam
wird.
64 / 86
GV
A
H
GV1
GV2
J L
Pigousteuer t
B
0
M
s
C
D
s1
s2
N
K
P
s
I
s
opt
Abbildung 14: Pigou-Steuer mit verringerter Bemessungsgrundlage
65 / 86
Einwand: Totalbedingung verletzt
Eine Pigousteuer garantiert zwar, dass die
Marginalbedingungen erfüllt sind, jedoch nicht
notwendigerweise auch, dass die Totalbedingung
gesamtwirtschaftlicher Effizienz eingehalten wird.
Die Pigousteuer kann zu ineffizientem Marktaustritt führen.
Wir betrachten dazu ein Unternehmen,
- das Mengenanpasser ist,
- mit jeder Einheit Output auch Emissionen produziert, die
steigende Grenzumweltschäden hervorrufen,
- mit steigenden Grenzkosten produziert (d.h. es gibt echte
Gewinne) und
- Fixkosten F C zur Produktion aufwenden muss.
66 / 86
p
GKsoz=GKpriv+GS
B
priv
GK +t
p* E
A
GKpriv
C
D
F
0
x
opt
priv
x
x
Abbildung 15: Pigou-Steuer (Einwand)
67 / 86
Damit in der Ausgangslage (ohne Pigousteuer) produziert
wird, muss die Produzentenrente (ECO) die Fixkosten F C
übersteigen.
Unter Effizienzaspekten ist es sinnvoll zu produzieren, wenn die
“gesamtgesellschaftliche” Produzentenrente EAO (Wert des
Outputs abzüglich der variablen Kosten und externen Effekte)
die Fixkosten übersteigt (EAO > F C).
Durch die Implementierung der Pigousteuer wird jedoch nur
produziert, falls EAF > F C.
Unternehmen mit Fixkosten EAF < F C < EAO werden
durch die Pigousteuer aus dem Markt gedrängt, obwohl die
Produktion gesamtgesellschaftlich lohnend wäre.
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D: Zertifikate
Das Problem der Pigousteuer besteht darin, dass man die
Grenzvorteilskurven der Unternehmen nicht genau kennt, und
daher nicht sicherstellen kann, dass die gewünschte
Emissionsmenge auch erreicht wird.
Dieses Problem lässt sich vermeiden und gleichzeitig der Vorteil
der Pigousteuer - die effiziente Aufteilung der Emissionen beibehalten, wenn man die Zertifikatslösung wählt.
Idee: Der Staat gibt Zertifikate aus, d.h. die gesamte
Verschmutzungsmenge wird als Zertifikate verbrieft, die den
Unternehmen, die ein solches Zertifikat besitzen, eine
bestimmte Emissionsmenge pro Zeiteinheit gestattet.
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Da der Staat die Zahl der Zertifikate unmittelbar bestimmen
kann, kann er auch sicherstellen, dass die optimale
Emissionsmenge sopt eingehalten wird.
Die Zertifikate werden auf einem Markt gehandelt.
Unternehmen, die mehr als die zugeteilte Menge emittieren
möchten, müssen Zeritfikate kaufen, umgekehrt können solche,
die wenig verschmutzen, Zertifikate verkaufen
⇒ Es bildet sich ein Knappheitspreis.
Zudem werden die Unternehmen mit den geringsten Kosten
am meisten vermeiden:
⇒ Gesamte Vermeidungskosten werden minimiert.
Bsp. Emissionshandel für CO2 . Firmen, die mehr als ihnen
zugeteilt verschmutzen wollen, müssen an einer Börse Rechte
hinzukaufen.
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Quelle: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (2009)
Abbildung 16: Emissionshandelssysteme
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Die Aufteilung der Emissionen auf die Unternehmen ergibt sich
also aus dem Handel mit den Zertifikaten zwischen den
Unternehmen.
Nehmen wir zunächst an, dass der Staat die Zertifikate an die
beiden Unternehmen verschenkt. Wie die Anfangsausstattung
mit Zertifikaten aussieht, ist wegen des Invarianzergebnisses
des Coase-Theorems irrelevant.
Jedes Unternehmen wird Zertifikate zukaufen, so lange der
Grenzvorteil der Emission größer als der Zertifikatspreis ist,
und im umgekehrten Fall Zertifikate verkaufen.
Der Gleichgewichtspreis pendelt sich so ein, dass weder
Überschussangebot noch -nachfrage herrscht und damit die
Grenzvorteile der Verschmutzung über alle Emittenten
angeglichen werden.
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Die Vorteile der Zertifikatslösung liegen also darin, dass
- der Staat die Emissionsmenge genau steuern kann und,
- eine effiziente Verteilung der Emissionen gewährleistet wird.
Wenn der Staat darüber hinaus Aufkommen erzielen will, kann
er die Anfangsausstattung mit Lizenzen auch verkaufen oder
versteigern, statt sie zu verschenken. Er muss lediglich
sicherstellen, dass der geforderte Preis nicht über dem
Gleichgewichtspreis liegt.
⇒ Äquivalenz von Preis- und Mengensteuerung bei Sicherheit
über den Verlauf von Grenzvorteil und Grenznachteil der
Emissionen (vollkommenen Informationen)
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Vergleich von Steuer- und Zertifikatslösung bei Unsicherheit:
Bei der Einführung der Zertifikate wurde argumentiert, dass
sich aufgrund von Informationsdefiziten des Staates mit der
Steuerlösung das “gewünschte” Niveau der Emissionen nicht
sicherstellen lässt.
Das Argument greift etwas kurz, da bei Unsicherheit über den
Verlauf von Grenzvorteil und Grenznachteil der Emissionen
auch das “gewünschte”, d.h. optimale, Niveau der Emissionen
von der unvollständigen Information betroffen ist.
Im Folgenden untersuchen wir daher die Wahl der
Politikinstrumente - Zertifikate versus Steuern - bei
Unsicherheit über den Verlauf der Grenzvorteile und
Grenznachteile der Emissionen. Von der Aufteilung der
Emissionsreduktion auf die Emittenten abstrahieren wir, da
beide Verfahren zu einer kostenminimalen Allokation führen.
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Fall 1: Unsicherheit über die Grenznachteile
(Grenzumweltschäden)
Der Staat kennt zwar die Grenzvorteile der Emittenten, nicht
aber die Grenznachteile der Geschädigten.
Die Grenznachteilskurve kann die beiden Ausprägungen GN −
und GN + haben.
Im Mittel erwartet die Politik die Grenznachteile GN e .
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Gegeben diese Erwartung würde die Politik bei der
Steuerlösung den Steuersatz te und bei der Zertifikatslösung
die Emissionsmenge se wählen.
Hat sich ex post z.B. die Grenznachteilskurve GN + realisiert,
wäre bei der Pigoulösung der Steuersatz t+ optimal gewesen,
bei der Zertifikatslösung die Emissionsmenge s+ .
Bei beiden Politiken entsteht derselbe Wohlfahrtsverlust
(ABC).
Ergebnis: Bei Unsicherheit über die Grenznachteilskurven der
Emission spielt es keine Rolle, ob man Steuer- oder
Zertifikatslösung wählt.
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GN
GV
GN+
GV
GN e
A
t+
te
0
GN-
B
C
s+ se
s
Abbildung 17: Unsicherheit (I)
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Fall 2: Unsicherheit über die Grenzvorteile der Emission
Der Staat kennt nun die Grenzvorteile der Emittenten nicht.
Die Grenzvorteilskurve kann die beiden Ausprägungen GV −
und GV + haben.
Im Mittel erwartet die Politik die Grenzvorteile GV e .
Gegeben diese Erwartung würde die Politik bei der
Steuerlösung den Steuersatz te und bei der Zertifikatslösung
die Emissionsmenge se wählen.
Hat sich ex post z.B. die Grenzvorteilskurve GV + eingestellt,
wäre bei der Pigoulösung der Steuersatz t+ optimal gewesen,
bei der Zertifikatslösung die Emissionsmenge s+ .
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Bei der Steuerlösung verliert man durch die zu niedrige
Ökosteuer ABC an Renten.
Bei der Zertifikatslösung verliert man durch die zu niedrige
Lizenzmenge DAE an Renten.
Ob die Fläche ABC größer als die Fläche DAE ist - d.h. ob
die Steuerlösung der Zertifikatslösung unterlegen ist - hängt
von den Steigungen der beiden Kurven ab.
Die Zertifikatslösung ist der Steuerlösung überlegen, wenn die
Grenzvorteilskurve flacher verläuft als die Grenznachteilskurve
(und umgekehrt).
Überprüfen Sie die These anhand der Extremfälle horizontaler
bzw. vertikaler Grenznachteilskurven.
⇒ Bei Unsicherheit über die Grenzvorteilskurven der Emission
hängt die Wahl des besten Politikinstruments von den
Steigungen der Grenzvorteils- und Grenznachteilskurven ab.
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GN
GV
GN
GV+
GV e
t+
te
0
GV_
D B
A
E
C
se s+
s
Abbildung 18: Unsicherheit (II)
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Fazit zum Vergleich von Steuer- und Zertifikatslösung bei
Unsicherheit
Nach der Analyse oben wäre eine Preissteuerung in der Klimapolitik
tatsächlich vorteilhafter. Der Grund dafür ist, dass
die Grenzvermeidungskosten (Grenzvorteil aus Emission) relativ
steil verlaufen, weil es schnell sehr teuer wird, Emissionen zu
vermeiden aufgrund technologischer Restriktionen.
die Grenznachteilskurve (Grenzschadenskurve) relativ flach
verläuft, weil der Umweltschaden aus CO2-Emissionen
praktisch kaum von den Emissionen in dieser Periode (flow)
abhängt, sondern vom Bestand an CO2 in der Atmosphäre, der
sich allerdings über viele Perioden hinweg aufbaut. Deshalb ist
der zusätzlich Grenzschaden aus der Emission in einer Periode
relativ gering.
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Daneben gibt es eine Reihe von weiteren Vorteilen einer
Preissteuerung:
1 Durch die Verknappung der Emissionsmengen kann es bei
übermäßigem Wachstum zu Engpässen kommen - im
extremsten Fall müsste man dann sehr hohe Preise für die
Emissionszertifikate bezahlen oder die Produktion in den
letzten Tagen oder Wochen einer Handelsperiode ganz
einstellen.
2 Diese Verknappung kann zu hoher Preisvolatilität führen, was
sich negativ auf das Investitionsverhalten der Unternehmen
auswirken kann. Eine Steuer hingegen ist auch über mehrere
Perioden hinweg relativ konstant und gibt den Unternehmen
damit Planungssicherheit. Zudem ist die Nachfrage nach
fossilen Rohstoffen in der kurzen Frist inelastisch.
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3 Die Einnahmen aus der Steuer könnte man verwenden, um
andere verzerrende Steuern zu senken (Doppelte Dividende).
Dies gilt allerdings auch für die Auktionierung von Lizenzen.
4 Man muss keine Basisperiode festlegen - jeder zahlt einfach für
die von ihm verursachten Emissionen. Das ist einfacher, als
wenn es zum Konflikt darüber kommt, wie denn die Zertifikate
anfänglich verteilt werden sollen. Es findet keine willkürliche
Bevor- oder Benachteiligung statt.
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5 Preissteuerung ist weniger anfällig für Korruption, da es nicht
zu Rent-Seeking um die knappe Ressource kommt wie bei
einer Mengensteuerung (im Falle von Grandfathering).
6 Man hat auf internationaler Ebene mehr Erfahrungen mit dem
Umgang von Preisinstrumenten (z.B. Zöllen), während es für
Mengeninstrumente weniger Beispiele gibt, bei denen eine
internationale Koordinierung erfolgt ist.
7 Es kann zu Marktmacht kommen, wenn ein Produzent
übermäßig viele Zertifikate kauft und damit den Preis in die
Höhe treibt. Bei Preissteuerung ist dies ausgeschlossen.
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Politisch wird jedoch ausschließlich eine Mengensteuerung
diskutiert
(siehe UN-Klimakonferenz (Weltklimakonferenz) 7.-18.12.2009
Kopenhagen - http://en.cop15.dk/)
Was sind die Gründe dafür?
1 Technischer Grund:
Bei nicht-konvexen Vermeidungskosten ist Mengensteuerung
besser (Entscheidung zwischen herkömmlicher
verschmutzender Technologie oder verschmutzungsfreier
Technologie für einen fixen Betrag).
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2 Praktischer Grund:
Die Menge kann genau gesteuert werden. Momentan wird
diskutiert eine “global carbon bank” einzurichten, die bis 2100
eine bestimmte Menge an CO2-Zertifikaten zur Verfügung
gestellt bekommt und diese dann verwaltet. Diese Menge wird
so festgelegt, dass das Zwei-Grad-Ziel nicht gefährdet ist.
3 Politökonomischer Grund:
Durch die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten in den ersten
Handelsperioden (Grandfathering) wird die politische
Akzeptanz erhöht, da den meisten Unternehmen dann keine
zusätzlichen Kosten entstehen (je nach Verteilungsverfahren).
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