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Wilhelm Grießhaber
“und wir faren in die andere seite” - Der Gebrauch lokaler
Präpositionen durch türkische Grundschüler.*
Abstract
The following paper recounts an examination of the use of local prespositions by Turkish elementary pupils.
First the data and method of analysis are introduced, followed by a functional-pragmatic descriptive model of
the use of local prepositions. Once their function in drawing relationships between propositional contents has
been taken into account, prepositions become the means to completion of a certain linguistic procedure,
which I have termed “relationing procedure”. The analysis of the pupils’ texts begins with a global overview
of the prepositions they used. Then come detailed analyses of various dimensions involved in the relationing
process. Various aspects of the use of prepositions, with the object “roadside” are described in detail, and,
subsequently, the use of prepositions in the context of verbs of transportation and movement are introduced.
In conclusion, the use of prepositions is analyzed contrastivelay in connection with principles of syntactis
structure.
1. Datenbasis und Analysemethoden der Untersuchung
Präpositionen gelten als schwer zu lernender Bereich beim Erwerb einer
zweiten Sprache. Selbst bei so nahe verwandten Sprachen wie Deutsch und
Englisch bereitet die unterschiedliche Systematik des Präpositionsgebrauch
auch fortgeschrittenen Lernern große Probleme. Sogar Muttersprachler können nicht immer auf ihre Kompetenz vertrauen und müssen bei der Wahl der
geeigneten Präposition auf entsprechende Hilfsmittel, z. B. das Lexikon
deutscher Präpositionen, zurückgreifen (Schröder 19902). Doch Zweitspracherwerbsforschung wie Fremd- und Zweitsprachdidaktik haben diesem Bereich
wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
Das Heidelberger Forschungsprojekt “Pidgin-Deutsch spanischer und italienischer Arbeiter in der Bundesrepublik Deutschland” (HPD 1977) analysiert
die mündlichen Interviewdaten auch im Hinblick auf den Präpositionsgebrauch deutschlernender Italiener und Spanier im Vergleich zu
deutschen Muttersprachlern. in den Termini des transformationsgrammatischen Beschreibungsinstrumentariums verläuft die Entwicklung von einer
anfänglich fast 50%igen Tilgungsrate der ersten Erwerbsstufe zu einer sehr
geringen Tilgungsrate der höchsten Erwerbsstufe. Die Lernersprache aller
Entwicklungsstufen weist mehr syntaktische Strukturen auf, die für eine
korrekte deutsche Äußerung die Verwendung einer Präposition erfordern als
die Äußerungen der deutschen Vergleichsgruppe. Im ZISA-Projekt (Clahsen;
Meisel & Pienemann 1983), das den Erwerb der deutschen Syntax durch
Der Gebrauch lokaler Präpositionen durch türkische Grundschüler
Lerner mit italienischer und spanischer Muttersprache untersucht, wird
festgestellt, daß der Zunahme der syntaktischen Komplexität der Lernersprache eine quantitative Erweiterung durch Präpositionalphrasen vorangeht.
Im Rahmen des kognitiven Erklärungsansatzes der Gruppe bedeutet dies, daß
eine Präpositionalphrase die Verarbeitung komplexer Strukturen vorbereitet,
indem zunächst eine leichter zu verarbeitende unspezifizierte Präpositionalphrase hinzugenommen wird. Interessant für die vorliegende Untersuchung
sind Ergebnisse von Pfaff 1984, wonach türkische Deutschlerner im Vergleich zu griechischen häufiger Präfixverben und seltener Präpositionen
verwenden. Die von beiden Gruppen gemachten Fehler unterscheiden sich.
Bruche-Schulz u. a. 1983 erklären den auch von ihnen festgestellten Sachverhalt direkt sprachkontrastiv mit der Tatsache, daß der Präpositionsgebrauch durch die damit verbundene Artikelverwendung auch eine Entscheidung über das Genus des Bezugsobjekts erfordert, was vor dem Hintergrund des genuslosen Türkisch Probleme bereitet. Oomen-Welke 1987
bemerkt bei der Analyse schriftlicher Bildbeschreibungen von türkischen
Grundschülern die häufige Auslassung einer obligatorischen Präposition und
statt dessen den häufigeren Gebrauch von Verben mit Präfix. Apeltauer 1987
kommt bei einem Vorschlag zur Entwicklung von Sprachstandsdiagnoseverfahren zu dem Ergebnis, daß Präpositionen nur bedingt als Sprachstandsindikatoren geeignet sind. Boos-Nünning & Gogolin 1988 kommen bei
der nachträglichen Überprüfung eines standardisierten Sprachstandsdiagnoseverfahrens zu einer negativen Einschätzung der Brauchbarkeit und Zuverlässigkeit des Diagnoseverfahrens. Die nachträgliche wissenschaftliche Auswertung von Tonbandaufnahmen der bestimmungsgemäßen Anwendung des Verfahrens von Lehrkräften in der Schule deckt falsche Bewertungen durch die
Lehrkräfte auf.
Im Unterschied zu den oben vorgestellten Forschungsarbeiten widmet sich die
Untersuchung, über die hier berichtet wird, ausschließlich dem Gebrauch
lokaler Präpositionen. Dazu wurden von Schülern am Ende ihrer Grundschulzeit schriftliche Äußerungen erhoben. In den Jahren 1987 und 1988
wurden jeweils am Ende des Schuljahres in den zwei Parallelklassen einer
Schule mittels einer von Rehbein erstellten Bildvorlage schriftliche Äußerungen in deutscher Sprache elizitiert. Auf der Bildvorlage (s. Anhang) ist die
Busreise einer Kindergruppe zu einer Jugendherberge dargestellt. Dabei muß
der Bus mit Hilfe eines Krans gefährliche Hindernisse überwinden. Die
2
3
Der Gebrauch lokaler Präpositionen durch türkische Grundschüler
Schüler hatten jeweils eine normale Schulstunde für die Erstellung der Texte
zur Verfügung. Außer dem Stichwort “die Jugendherberge” wurden keine
Vorgaben gemacht. Es wurden jeweils alle anwesenden Schülerinnen und
Schüler der Klassen erfaßt. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Zusammensetzung der Klassen nach Muttersprache und Geschlecht.
Klasse
gesamt
TR
SK
GR
D
Klasse 87a
15
12
2
-
Klasse 87b
17
11
4
Klasse 88a
12
8
Klasse 88b
14
gesamt
58
TR: türkisch
M
F
1
11
4
2
-
11
6
-
-
3
1 Indonesisch
6
6
7
2
2
-
2 Albanisch, 1 Arabisch
6
8
38
8
4
4
4
34
24
SK: serbokroatisch
andere
GR: griechisch
D: deutsch
Tabelle 1: Gruppenzusammensetzung nach Sprache und Geschlecht
Durch die Analyse soll zum einen festgestellt werden, ob sich im Gebrauch
der relationierenden Prozedur durch türkische Schüler Unterschiede im
Vergleich zu den übrigen Schülergruppen zeigen. Zum anderen soll festgestellt werden, ob sich im Gebrauch der ‘relationierenden Prozedur’ muttersprachliche Einflüsse zeigen. Ziel der Querschnittstudie ist somit nicht die
Untersuchung einer Erwerbsreihenfolge.
2. Die relationierende Prozedur
Für die Analyse der Lerneräußerungen wurde ein Modell entwickelt, mit dem
sich der Gebrauch der Präpositionen im Deutschen und der ihnen entsprechenden Mitteln im Türkischen beschreiben läßt. Bis dato vorliegende sprachwissenschaftliche Beschreibungen erweisen sich demgegenüber für diesen
Zweck als ungeeignet (s. Grießhaber 1999a, §2, §3). So werden etwa in Lehrwerken für Deutsch als Fremdsprache Präpositionen überwiegend unter dem
Gesichtspunkt der Rektion als kasusfordernde Elemente eingeführt. Der Vermittlungsweg geht vom kasusfreien Gebrauch bei Städtenamen über Präpositionen mit nur einem Kasus zu den Präpositionen, die sowohl mit Akkusativ
Der Gebrauch lokaler Präpositionen durch türkische Grundschüler
wie Dativ gebraucht werden. Die Kompatibilität von Bezugsobjekten, Verben
und Präpositionen oder die Bedeutungsnuancen, die sich durch den Gebrauch
verschiedener Präpositionen mit dem gleichen Bezugsobjekt ergeben, werden
kaum behandelt (s. Grießhaber 1981, 1999b; Aksoy; Grießhaber; KolcuZengin & Rehbein 1991 widmen diesem Bereich einen ganzen Abschnitt
ihres zweisprachigen Deutschlehrwerks für türkische Deutschlerner). Gerade
in diesem Bereich liegen jedoch die unmittelbar ins Auge springenden
Probleme deutschlernender Ausländer, wie der Schülertext in (B1) zeigt.
1/
2/
3/
4/
5/
6/
7/
8/
Die Reise nach Jugendherberge
Der Bus fährt in die Jugendherberge.
Das Zug fährt auch zum Jugendherberge.
Das Zug kann nicht mehr weiter, da ist ein Berg beim Schienen.
Das Kran nimt den Zug hoch auf die andere seite.
Die Brücke ist gebrochen.
Der Kran läst den Zug nach unten.
Der Zug fährt weiter und ist schon beim Jugendherberge.
(B1) Textbeispiel (Gür 87a-s)
Der Schüler verwendet für eine zielgerichtete Beziehung zum Bezugsobjekt
Jugendherberge scheinbar willkürlich die Präpositionen nach, in und zu. Andererseits bewältigt er (B1; Zeile 8) komplexe syntaktische Strukturen wie die
Aufspaltung des Verbs weiterfahren in Verb und Präfix und deren korrekte
Stellung im Satz.
Das von Grießhaber 1999a, 1999b in Weiterführung von Grießhaber 1981
und Rehbein 1982 entwickelte Modell zur Beschreibung des Präpositionsgebrauchs stützt sich auf den sprachpsychologischen, semiotischen Sprachbegriff von Bühler 1934 und dessen funktional-pragmatische Weiterentwicklung durch Ehlich 1979, 1986a, 1986b. Bühler ordnet die Präpositionen
im Rahmen seiner Zweifeldertheorie dem Symbolfeld zu. In der Äußerung
‘die Kirche neben dem Pfarrhaus’ dient nach Bühler die Präposition neben
dazu, die Position des einen Dinges (Kirche) in Relation von einem anderen
Ding (Pfarrhaus) aus zu bestimmen (ebd., S. 107). Mit dieser Bestimmung ist
ihre Funktion angesprochen, aber nicht ausreichend getroffen. Denn die
Nennwörter als Mittel des Symbolfeldes fungieren als Symbole für Sachver-
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Der Gebrauch lokaler Präpositionen durch türkische Grundschüler
halte. Dies trifft für Präpositionen so nicht zu, da die Erfassung ihrer relationierenden Leistung eine andere Bestimmung ihres Feldwertes erfordert.
Deshalb ist Ehlichs 1986 Erweiterung und Neufassung der Bühlerschen
Zweifeldertheorie heranzuziehen. Ehlich faßt die Leistung der sprachlichen
Mittel eines Feldes handlungstheoretisch und definiert ihren Gebrauch als
Prozedur. Außerdem erweitert er die Zahl der Prozeduren und Felder. Ehlichs
Vorschlag folgend sind die Präpositionen nicht der nennenden, sondern der
operativen Prozedur zuzuweisen. Die operative Prozedur dient der “Prozessierung des sprachlichen Geschehens selbst” (Ehlich 1986a, 34) und zwar
besonders “im Blick auf die propositionale Dimension” (ebd. 35).
In dieser Sicht sind Präpositionen Mittel zur Prozessierung propositionaler
Gehalte. Speziell die lokal relationierende Prozedur weist den Hörer an, wie
ein zu lokalisierendes Objekt LO in Relation zu einem Bezugsobjekt BO zu
setzen ist (s. Abbildung 1), instruiert ihn gleichzeitig darüber, in welchem
Verhältnis die beiden Objekte zueinander stehen. Dieses Verhältnis wird im
Deutschen durch die Präposition selbst, den von ihr regierten Kasus sowie
eventuell verwendete Verben bestimmt.
Erläuterung: LO: zu lokalisierendes Objekt; BO: Bezugsobjekt
Abbildung 1: Das durch Präpositionen vermittelte Beziehungssystem
Die Relationierung wirkt auf das Bezugsobjekt ein, ist also hinsichtlich LO
und BO richtungsabhängig. Die Relationierung ist nicht auf lokale
Sachverhalte beschränkt, sondern kann sich sowohl auf lokale als auch auf
temporale oder abstrakte Sachverhalte beziehen. Verkürzend wird im folgenden von ‘lokalen’ Präpositionen gesprochen, auch wenn genauer von der
Verwendung einer Präposition in der lokal relationierenden Prozedur
gesprochen werden müßte.
Das In-Beziehung-Setzen propositionaler Gehalte operiert nun nicht unmittelbar auf der wahrnehmbaren Wirklichkeit, sondern auf sprachlich gefaßten
5
Der Gebrauch lokaler Präpositionen durch türkische Grundschüler
Wissenspartikeln über einen Wirklichkeitsausschnitt. Die im Kopf von
Sprecher ( S) und Hörer ( H) im Kontext der jeweiligen gesellschaftlichen
Praxis widergespiegelte Wirklichkeit (P) wird bei der Verbalisierung in
Sprache umgesetzt (p) (s. Abbildung 2).
Abbildung 2: Beziehungen zwischen P und p (Ehlich & Rehbein 1986, 96)
Es existiert also keine direke Beziehung zwischen außersprachlichen Sachverhalten und sprachlichen Äußerungen über die Sachverhalte. In diesem Sinne
vermitteln die Präpositionen keine Relationen zwischen geometrischen Beschreibungen von Objekten, wie dies vielen Ansätzen zugrundeliegt (vgl.
Bierwisch 1988, Klein 1990, Wunderlich 1982, 1990), sondern sprachlich
gefaßte, d. h. auch sprachlich klassifizierte, Repräsentationen () des Wirklichkeitsausschnitts (P).
Die zur Lokalisierung herangezogenen Bezugsobjekte lassen sich in zwei
große Klassen einteilen: diejenigen im ‘Wahrnehmungsraum’ und diejenigen
im ‘Vorstellungsraum’. Die Objekte des Wahrnehmungsraumes werden aufgrund sinnlich wahrnehmbarer Merkmale in vier Klassen flächiger, räumlicher, punktueller und personaler Objekte eingeteilt. Bei flächigen und räumlichen Objekten sind geometrisch beschreibbare Merkmale ausschlaggebend,
bei Raumpunkten und Personen bzw. dem Lebensbereich von Personen treten
weitere Merkmale hinzu. Bei den Bezugsgrößen des Vorstellungsraumes werden folgende Klassen unterschieden: Bezirk, Amt, Aktant und Siedlung. Analog zu den Objekten des Vorstellungsraumes werden die jeweiligen Präpositionen des Vorstellungsraumes verwendet (s. Abbildung 3). Die Symbole
wurden mit Blick auf die Sprachvermittlung entwickelt und werden im Lehrbuch “Deutsch für Türken” von Aksoy; Grießhaber; Kolcu-Zengin & Rehbein
1991 verwendet.
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Der Gebrauch lokaler Präpositionen durch türkische Grundschüler
Abb. 3: Zusamenfassende Übersicht der Bezugsgrößen und Beziehungen
Ein Beispiel soll die diskuteirten Bestimmungen verdeutlichen: eine ‘Grasfläche’ kann als ‘Weide’ bestimmt werden. Dann wird sie als flächenhaftes
Objekt klassifiziert, für das die Präposition auf bei einer statischen oder zielgerichteten Beziehung anzuwenden ist. Dieselbe ‘Grasfläche’ kann aber auch
als ‘Garten’ aufgefaßt werden, dessen Zaun ihn zu einem umgrenzten Bezirk
macht, mit der entsprechenden Klassifizierung, auf den die Präposition in angewendet wird. Dagegen wird eine ‘Weide’, auch wenn sie durch einen Zaun
umgrenzt ist, als flächenhaftes Objekt mit der Präposition auf klassifiziert.
Die Beispiele zeigen, daß die wahrnehmbare bzw. geometrisch beschreibbare
Gestalt eines Objektes für den Präpositionsgebrauch nicht ausreicht. Umgekehrt wird durch den Gebrauch einer Präposition das Bezugsobjekt (BO)
klassifiziert und als Element einer der oben erwähnten Klassen bestimmt. In
der Äußerung ‘die Kinder spielen auf der Straße’ wird die Straße als flächiges
Objekt klassifiziert, während in der Äußerung ‘das Auto biegt in die Straße
ein’ die Straße als umgrenzter Bezirk klassifiziert wird. In gleicher Weise
bewirkt der unterschiedliche Präpositionsgebrauch des Schülers Gür in (B1)
eine jeweils andere Klassifizierung des BO Jugendherberge (B 2).
nach Jugendherberge
in die Jugendherberge
zum Jugendherberge
Punkt im W-Raum / Siedlung im V-Raum
Raum im W-Raum / Bezirk im V-Raum
Person im W-Raum / Aktant im V-Raum
(B2) BO ‘Jugendherberge’ im Text von (Gür 87a-s)
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Der Gebrauch lokaler Präpositionen durch türkische Grundschüler
Eine weitere Differenzierungsdimension betrifft die Art der Beziehungen zum
Bezugsobjekt. Nach der sprachsystematischen Obligatorik der mit den Präpositionen ausgedrückten Beziehungen lassen sich elementar lokale von komplex lokalen unterscheiden. Die elementar lokalen werden immer ausgedrückt
und betreffen im Deutschen statische, direktive, ursprungsbestimmte und
passage Beziehungen. Die nicht immer obligatorisch ausgedrückten komplex
lokalen Beziehungen unterscheiden sich im Deutschen vor allem nach der
Distanz zum Bezugsobjekt. Insgesamt sind folgende fünf lokal komplexe
Beziehungen zu unterscheiden: Inklusion, Konnex, eine enge und eine offene
Region um das Bezugsobjekt sowie die (weitere) Umgebung um BO (s.
Tabelle 2).
(a)
(b)
(c)
(d)
(e)
Merkmal
Bez.
Relation von LO zu BO
INKLUSION
INK
KNX
ERG
ORG
UMG
ganze oder partielle Umschließung von LO durch BO
KONNEX
ENG. REGION
OFF. REGION
UMGEBUNG
setzt Kontakt von LO und BO voraus
LO ist in einem nahen Bereich bei BO
LO ist in einem unbestimmten Bereich bei BO
LO umschließt ganz oder partiell BO
Tabelle 2: Komplexe lokale Relationen
Der Gebrauch einer lokalen Präposition wirkt demnach zweifach: die
gewählte Präposition klassifiziert das Bezugsobjekt und bestimmt obligatorisch die elementar lokale Beziehung zum BO sowie meist die komplex
lokale Beziehung. Derselbe sinnlich wahrnehmbare Sachverhalt läßt sich auf
verschiedene Art versprachlichen, ohne daß die unterschiedlichen Beziehungen im jeweiligen Fall unmittelbar bemerkbar sind (B 3).
Der Wahrig ist aus dem Regal gefallen.
Der Wahrig ist vom Regal gefallen.
(B 3)
Klassifizierung eines Sachverhalts durch Präpositionen
Die Präposition aus klassifiziert das Regal als räumliches BO, zu dem der
Wahrig vor dem Herausfallen in einem Inklusionsverhältnis stand; von klassifiziert das Regal als erhöht angebrachtes flächenhaftes BO.
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Der Gebrauch lokaler Präpositionen durch türkische Grundschüler
Gegenüber den komplexen Verhältnissen im Deutschen ist die lokal relationierende Prozedur im Türkischen einfacher. Die elementar lokalen Beziehungen werden mit Kasussuffixen (-de/-e/-den) am BO realisiert. Im
Unterschied zu den Präpositionen besitzen die Kasussuffixe keinen eigenen
Bedeutungsanteil. Sie sind rein operativ, während die Präpositionen aufgrund
ihrer Bedeutung, die sich aus ihrer Herkunft aus dem Symbolfeld ergibt,
historisch gesehen eine Feldtransposition durchlaufen haben und paraoperativ
sind (vgl Redder 1990). Eine Klassifikation der BO findet im Türkischen
nicht statt (s. Tabelle 3).
a) ÷ statisch
(b) — zielgerichtet
(c) ˛ ursprungsbestimmt
Evde
oturuyorum.
Eve
gidiyorum.
Evden
geliyorum.
Ev-de
otur-u-yor-um.
Ev-e
gid-i-yor-um.
Ev-den
geliyorum.
Haus-de
wohn-÷Präs-1. PRS SG
Haus-e
geh-÷Präs-1. PRS SG
Haus-den
komm-÷Präs-1. PRS SG
-de hali
Erläuterung:
-e hali
PRS Personalsuffix
-den hali
÷ Füllvokal
Tabelle 3: Elementar lokale Beziehungen im Türkischen (nach Banguolu
1986, 328)
Da die komplex lokale Unterscheidung fehlt, kann (b) im Deutschen mehrere
Bedeutungen haben: ‘Ich gehe ins / ans / zum Haus’; und (c) kann bedeuten:
‘Ich komme aus dem / vom Haus’. Die im Deutschen vom Sprecher obligatorisch mit auszudrückenden Differenzierungen müssen im Türkischen vom
Hörer aus dem Kontext erschlossen werden. Nur wenn es der Sprecher für
erforderlich hält, werden die komplex lokalen Beziehungen ausgedrückt. wie
in der Literatur teilweise angegeben, durch 'unechte' Verhältniswörter
(Tekinay 1984/85, §2.2) oder "secondary postpositions" (Lewis 1988, §VII)
realisiert, sondern durch eine sprachlich präzisere Bestimmung des Bezugsobjekts, auf die dann die elementar-lokale Relationierung mittels Kasussuffix
angewendet wird (s. Johanson 1990). So bedeutet ‘evden’ wörtlich ‘Hausweg’, ohne die im Deutschen obligatorische Unterscheidung nach Inklusion
‘aus dem Haus (heraus)’ oder Konnex ‘vom Haus (her)’. Soll diese Unterscheidung im Türkischen gemacht werden, so kann z. B. für Inklusion das BO
‘Haus’ näher bestimmt werden: ‘evinin içinden’: ‘des Hauses Inneres weg’
(‘aus dem Inneren des Hauses’). Mittels Kasussuffix -den wird die lokal
9
10
Der Gebrauch lokaler Präpositionen durch türkische Grundschüler
relationierende Prozedur auf den komplexen Symbolfeldausdruck ‘evin içi’
angewendet.
3. Der Präpositionsgebrauch im Überblick
Zunächst werden die von den Schülern in den Texten gebrauchten Präpositionen global betrachtet. Die Verwendungsrichtigkeit bleibt dabei unberücksichtigt. Nach Tabelle 4 weist die Verwendung von Präpositionen durch
türkische Schüler zwei Besonderheiten auf: einen hohen Anteil von zu (rund
doppelt so häufig pro Schüler) und einen geringen Anteil von in (rund halb so
häufig pro Schüler).
vor
zu
MW
-
-
19
52
4.33
3
2
-
11
35
3.18
-
2
-
2
12
36
4.50
-
-
5
1
1
11
29
4.14
29
-
9
13
3
3
53
152
4.00
.05
.76
-
.23
.34
.07
1
-
7
-
-
3
-
2
5
29
7.25
1
2
1
7
-
-
2
-
1
1
16
3.50
8
2
-
2
7
-
2
4
-
5
7
39
4.86
4
1
1
-
-
5
1
1
2
1
1
4
21
5.25
8
18
5
3
3
26
1
3
11
1
9
17
105
5.25
übr. MW
.40
.90
.25
.15
.15
1.3
.05
.15
.55
.05
.45
.85
13
41
9
11
5
55
1
12
24
4
12
70
257
4.43
Gruppe
an
auf
aus
bei
durch
in
TR 87a
2
14
-
2
-
7
-
5
3
TR 87b
1
3
1
3
-
7
-
4
TR 88a
1
4
2
1
-
12
-
TR 88b
1
2
1
2
2
3
TR 5
23
4
8
2
.13
.60
.10
.21
D alle
2
8
1
GR alle
-
1
SK alle
2
sonst
übr TR MW
mit nach
über von
.07 1.39
MW: durchschnittliche Verwendung pro Schüler
Tabelle 4: Globale Verwendungshäufigkeit der Präpositionen
Der relativ geringe Anteil der Präposition in kontrastiert mit den deutschen
Schülern in den vorliegenden Texten und mit den Ergebnissen von Mikosch
(1987, 122). In Mikoschs Untersuchung mündlicher süddeutscher Dialekt-
Der Gebrauch lokaler Präpositionen durch türkische Grundschüler
äußerungen liegt in mit 27,7% relativem Anteil weit vor der nächsten Präposition von (10,3%); zu liegt dagegen mit 7,7% erst auf dem 6. Platz. Auch bei
der muttersprachlich deutschen Vergleichsgruppe des Heidelberger Forschungsprojekts liegt in mit 22% an der Spitze, vor bei mit 14%. Bei den
spanischen und italienischen Deutschlernern liegt in ebenfalls an der Spitze,
und zwar mit abnehmender Häufigkeit von den Lernern mit geringen
Deutschkenntnissen in Gruppe I mit 54% auf 28% zu den fortgeschrittensten
Lernern der Gruppe IV mit 28%. Dagegen liegt in den hier untersuchten
Texten zu bei allen türkischen Lernern an der Spitze, Lediglich in Gruppe 88a
wird in genau so häufig verwendet wie zu. Pfaff 1984 gibt zwar keine Zahlen
für zu, doch zeigen die von ihr veröffentlichten Beispiele, daß die Werte für
in bei türkischen Lernern deutlich unter denen griechischer Lerner (TR 11,
GR 22) liegen. Die erhobenen Daten und die Forschungslage ergeben also,
daß die relativ geringe Verwendung von in durch türkische Schüler sich
sowohl vom muttersprachlich deutschen Gebrauch unterscheidet als auch
vom lernersprachlichen Gebrauch von Lernern mit spanischer, italienischer
oder griechischer Muttersprache.
4. Der Präpositionsgebrauch im Zusammenhang mit Bezugsobjekten
Das BO ‘(Straßen-)Seite’ spielt in der Bildvorlage eine wichtige Rolle. Auf
den Bildern 7 und 8 ist das BO ‘(Straßen-)Seite’ der rechts hinter dem Graben
gelegene Zielpunkt des Bustransportes durch den Kran, auf Bild 6 möglicherweise auch die Fläche hinter dem schwarzen Haufen. In jedem Fall fährt
der Bus nach seinem Transport durch die Luft auf Bild 9 (in der Volrage ohne
Nummer) wieder auf der Erde weiter. Nach der bildlichen Vorlage bedeuten
die oben vorgestellten Wörter ‘Straße’ und ‘(Straßen-)Seite’ in bezug auf den
Bustransport zwar mehr oder weniger dieselbe Stelle, doch liegt beiden
Wörtern eine sprachlich bedingte unterschiedliche Klassifikation zugrunde.
Im folgenden wird nun diskutiert, welche Probleme sich bei der Verwendung
‘(Straßen-)Seite’ als BO ergeben, bevor alle Verwendungen aufgelistet und
die Präpositionswahl für dieses BO diskutiert wird.
Das erste Problem bei der Versprachlichung der Bildvorlage liegt darin, daß
bei einer engen Interpretation der Bildvorlage das Aufsetzen des Busses auf
die Straße nicht dargestellt ist. Auf Bild 8 hängt der Bus noch am Kranhaken
11
Der Gebrauch lokaler Präpositionen durch türkische Grundschüler
über der Straße, während er sich auf Bild 9 schon auf der Straße befindet und
offensichtlich nach rechts fährt. Das bildlich nicht dargestellte dazwischenliegende Aufsetzen des Busses ist aus dem Wissen um derartige Transporte zu
erschließen und wird von der Mehrzahl der Schüler versprachlicht. Allerdings
stehen die den Schülern gegebene Anweisung zum Schreiben einer Geschichte und die Aufforderung zur genauen Beschreibung des Ortes und der
Aktion in einem Spannungsverhältnis.
Obwohl das Wort ‘(Straßen-)Seite’ zum alltäglichen Sprachgebrauch der
Kinder zählen dürfte, zeigen sich in den Texten Probleme bei der richtigen
Kategorisierung der Zielregion. Zum einen kann sich Seite im Zusammenhang mit der Präpositionswahl sowohl auf ein dreidimensionales als auch ein
zweidimensionales Objekt beziehen (z. B. Wahrig 1980, 3386). Zum anderen
ist eine Entscheidung darüber erforderlich, ob die Grenze selbst oder der
hinter ihr liegende Bereich als Bezug dient. In den schriftlichen Texten finden
sich im Zusammenhang mit dem BO ‘(Straßen-)Seite’ die in (B4)
aufgelisteten Präpositionen.
(a)
(b)
(c)
(d)
(e)
(f)
auf die andere (Straßen-)Seite gehen/bringen
zur anderen (Straßen-)Seite gehen/bringen
an die andere (Straßen-)Seite gehen/bringen
in die andere (Straßen-)Seite gehen/bringen
nach die andere (Straßen-)Seite gehen/bringen
über die andere (Straßen-)Seite fahren
(B 4)
Präpositionen für das Bezugsobjekt ‘(Straßen-)Seite’ im Corpus
Die elementar-direktiven Beziehungen unterscheiden sich in den komplexen
Relationen zum BO und sind deshalb für den dargestellten Sachverhalt in
unterschiedlichem Maße akzeptabel. Mit auf (a) wird ein Konnex zum Ziel
hergestellt, so daß sich der bewegende Aktant anschließend im Zielbereich
aufhält. In der Bildvorlage ist diese konnektive Beziehung dargestellt. Mit zu
(b) wird das Ziel der Bewegung als offene Region bestimmt, d. h. es wird
strenggenommen nur die Bewegung in Richtung auf die andere Straßenseite
verbalisiert, ohne daß über das Erreichen oder Eindringen in das Ziel etwas
ausgesagt wird. Die Verwendung von zu liegt also in einem Toleranzbereich,
der den dargestellten Sachverhalt nicht genau trifft. Die Verwendung von an
12
Der Gebrauch lokaler Präpositionen durch türkische Grundschüler
(c) ist schließlich auch möglich, meint jedoch eine Bewegung an die Grenze,
ohne Eintritt in den Raum hinter der Grenze. Deshalb ist angesichts der Bildvorlage der Gebrauch von an in diesem Zusammenhang auszuschließen. Die
Verwendung von in (d) ist inkorrekt, weil der Bus bei der dargestellten Handlung nicht in die Straße als umgrenzten Bereich einbiegt, sondern vom Kran
von oben auf die Straße herabgelassen wird. Die Verwendung der Präposition
nach (e) scheidet aufgrund ihrer Unverträglichkeit mit solchen Objekten aus.
Da der Bus nicht selbst über die Straße fährt, scheidet auch über (f) aus.
Die relative Verwendungsfrequenz pro Schüler liegt in den Gruppen der
türkischen (TR) und nichttürkischen (TR) Schülern für das BO ‘(Straßen–)Seite’ ungefähr gleich hoch (TR 0,63, TR 0,7). Die folgenden Listen
enthalten in (B5) enthalten alle Verwendungen von (Straßen-)Seite als BO
durch die türkischen Schüler (B5) und die nichttürkischen Schüler (B6). In
den Beispielen sind die Präpositionen fett markiert. Da das jeweils
verwendete Verb die Beziehungen von LO zu BO stark mitbestimmt, werden
in den Beispielen die Verben unterstrichen (die Verhältnisse werden in §5
näher untersucht).
Cei
Cei
Dni
Eme
Füz
Gül
Gür
Hac
Hae
Hlm
Kml
Kml
Lle
Mft
Msa
Msa
Mua
Mua
Mut
Nil
Rmz
Slk
Tak
5
6
5
4
7
5
5
7
11
14
7
9
4
8
14
20
8
9
11
8
8
7
5
Ein keikrahn holt das Bus auf der andere seite weil der Straße zebrochen ist.
Dan kommt der Bus an der andere seite.
Er hopte den Bus zun ander=ren Straßen seite.
Der Krahn hebt das Bus hoch und auf die andere seite und dann über die Brücke
Dann bringt er ihn zur anderen seite.
Auf der andere Seite war eine Brücke gebrochen.
Das Kran nimt den Zug hoch auf die andere seite.
und schon ist der Kran da und brachte den Bus zur anderen strasen seite.
der Kahm legte an einen anderen seite.
er hobb denn Bus hoh und Trug es auf die andre seite
und wir faren in die andere seite
der hat uns in die andere seite gebrongen
Der kran zieht das Bus nach oben, und legt den Bus in das andere Seite.
Der Kran hebt den Bus hoch und lehgt den Bus zum andeseite.
"Wir müßen sie leider mit dem Kran über die andere Straßenseite Fahren'"
Der Kranfahrer schwengt den Bus zur anderen Straßenseite
Gerade volten sie den Bus nach andere seide schdellen. Da bricht die Brücke.
Und den Bus schdellen sie den nach andere.
Der Kran tragt das Bus ruder an die andre seite.
der Kran nimt den Bus hoch und tragt ihn zur andere seite
der kran hept den Bus und legt auf einen andern seite
Dann hat der Kran den Bus auf die andere seite gebraht.
Der Kran hebt den Bus hoch, und trägt ihn zur anderen Seite.
13
Der Gebrauch lokaler Präpositionen durch türkische Grundschüler
Isk
7
Neben den SandBerg war auch eine Keikran und bringte den buß zum andere seite.
Die ersten drei Buchstaben der Zeile geben die Sprechersigle.
Die Ziffer nach der Sprechersigle gibt die Satznummer im betreffenden Text an.
(B5) BO ‘(Straßen-)Seite’, türkische Schüler
Ana
Clm
Ftm
Ftm
Jta
7
11
5
8
6
Krs
Mak
Mrk
Nad
Ple
7
9
8
7
5
Sta
5
Tho
Zor
8
2
Zor
4
Dann bringt er ihn zur anderen seite.
Auf der anderen Seite gibt ein Bauarbeiter zeichen an den Kran=führer.
er schiebt ihn an die seite
der Kran schiebt ihn an die Seiten Straße
da kam aufeinmal ein Kran und hebte das Auto hoch und brachte es auf der anderen
seite.
Der Kran bringt den Bus in die Andre seite
dan dragte der kran den Bus auf die andre seite
Auf der anderen seite ein Mann der den Krahn Dirigirt
Der kran wollte es auf die andre seite tun.
Und der Kran hebt den Bus auf die andere seite weil da was kaputt von der einen
seite der Straße.
Ein Kran der auf der anderen Seite des Berges war hob den Bus hoch und drehte
sich
Der Kran kan und tragte den Bus auf der anden strasenseite.
Der Bus möcht mit der Klasse im Jugendherber Ferien machen aber sie komme nicht
an weil sie auf der anderen straßen seit sind.
Als sie angehalten haben hat der Kran sie hohgehoben und auf der anderen seite
wider runtergelasen
Die ersten drei Buchstaben der Zeile geben die Sprechersigle.
Die Ziffer nach der Sprechersigle gibt die Satznummer im betreffenden Text an.
(B6) BO ‘(Straßen-)Seite’, nichttürkische Schüler
Die folgende Tabelle 5 faßt sämtliche Verwendungsweisen im Corpus von
‘(Straßen–)Seite’ als BO einer Präpositionalphrase zusammen. Gliederungskriterien sind die Präposition, die elementar lokale Beziehung, die
verwendeten Verben und die Verbsemantik, die Kasusmarkierung am BO
sowie die komplexen lokalen Beziehungen. Gleiche Präpositionen in unterschiedlichen Verwendungszusammenhängen sind in Gruppen aufgeteilt und
jeweils mit tiefgestellten Indices markiert. Aufs steht demnach in einer
elementar-statischen Beziehung zu BO, aufd in einer elementar-direktiven
Beziehung zu BO.
14
15
Der Gebrauch lokaler Präpositionen durch türkische Grundschüler
TR
# # ST ZI
Verb
V-S Akk Dat KNX ER
an
an
aufs
aufd
aufd
in
in
nach
über
zu
2
legen, tragen
kommen
2
2
1
8
–>
=
–>
21 3
=
1
1 1
5
1
holen
heben, nehmen, tragen, legen, bringen
fahren
bringen, legen
stellen
fahren
heben, bringen, legen, schwenken, stellen, tragen
schieben
TR
an
aufs
aufd
aufd
in
zu
2
9 5
5 2
3
1
1
Erklärung:
ST
ZI
#
(sein), sein
tragen
heben, tragen, tun
bringen
bringen
statisch
zielgerichtet
–>
Kasus z. T. unklar
=
Anzahl der Verwendungen
transport
bewegung
statisch
KNX Konnex
ER enge Region um BO
Tabelle 5: Präpositions- und Verbgebrauch beim BO '(Straßen-)Seite' nach
(B5) und (B6)
Wie Tabelle 5 zeigt, verwenden die Schüler ‘(Straßen-)Seite’ als BO in 30 der
insgesamt 38 Äußerungen im Zusammenhang mit dem Transport des Busses.
Innerhalb der Gruppe der türkischen Schüler liegt diese Verwendung höher
als bei den übrigen (TR 87,5%, TR 64%).
Darüber hinaus zeigen sich zwischen beiden Gruppen deutliche Unterschiede
im Gebrauch der lokal relationierenden Prozedur (Abbildung 4). Aus den
16
Der Gebrauch lokaler Präpositionen durch türkische Grundschüler
Listen in (B5) und (B6) ergibt sich, daß türkische Schüler in
Übereinstimmung mit den in Abschnitt 3 gegebenen globalen Verwendungszahlen auch beim BO ‘(Straßen-)Seite’ deutlich häufiger die Präposition
zu (TR 33%, TR 7%) und erheblich seltener die Präposition auf (TR 29%,
TR 71%) verwenden. Bei den direktiven Verwendungen fällt der häufigere
falsche Dativgebrauch der nichttürkischen Schüler auf (TR 4%, TR 14%),
während der Akkusativgebrauch beider Gruppen ähnlich hoch liegt.
TR
TR
7%
25%
13%
7%
4%
4%
an
auf s
33%
21%
14%
auf d Dat
21%
36%
auf d Akk
zu
14%
übrige
Erklärung: aufs: elementar-statische, aufd: elementar-direktive Relation
Abbildung 4:Gebrauchsstruktur der Präpositionen beim BO '(Straßen-)Seite'
Insgesamt ist bei den türkischen Schülern seltener eine elementar-statische
Beziehung zum BO ‘(Straßen-)Seite’ festzustellen (TR 4%, TR 35%). Die
türkischen Schüler konzeptualisieren also bei dem BO ‘(Straßen-)Seite’
deutlich häufiger die Bewegung auf den Zielpunkt hin bzw. das Erreichen des
Zielpunktes. Dieses Ergebnis wird auch durch die Analyse des Transportverbs
bringen gestützt. Türkische Schüler verbalisieren in 70% der Verwendung des
Transportverbs ‘bringen’ die Erreichung des Zielortes, während dieser Anteil
bei den nichttürkischen Schülern nur bei 37.5% liegt.
Gleichzeitig liegt bei den türkischen Schülern die Fehlerquote bei der Wahl
der richtigen Präposition erheblich über der der übrigen Schüler. Auch bei der
an der sprachlichen Oberfläche sichtbaren Kasusmarkierung weisen die
türkischen Schüler übrigens eine deutlich höhere Fehlerquote auf.
Die im Detail am Beispiel des Bezugsobjekts ‘(Straßen-)Seite’ vorgestellten
Gebrauchsweisen zeigen sich im wesentlichen auch bei den anderen untersuchten Bezugsobjekten ‘Jugendherberge’, ‘Berg’ und ‘Straße’.
Der Gebrauch lokaler Präpositionen durch türkische Grundschüler
Das Wort ‘Straße’ wirft als BO besondere Probleme auf: ‘Straße’ kann als
flächenhaftes Objekt klassifiziert werden, auf dem sich etwas abspielt, oder
als räumliches Objekt, in dem sich etwas abspielt oder in das man eindringt/einbiegt. Eine Detailanalyse ergibt eine wesentlich höhere Gebrauchsfrequenz des Wortes bei den türkischen Schülern (TR .53, TR .25), verbunden mit einer geringeren Gebrauchssicherheit. Insbesondere kategorisieren sie das BO ‘Straße’ häufiger - und zwar inkorrekt - als räumliche
Bezugsgröße. Wie auch beim BO ‘Berg’ zeigen sich Probleme bei der Verbalisierung einer zielerreichenden Bewegung.
‘Jugendherberge’ ist entsprechend der Bildvorlage in beiden Sprachgruppen
das am meisten verwendete BO. Die korrekte morphologische Markierung
des BOs liegt bei nichttürkischen Schülern etwa rund zweieinhalb mal höher
als bei den türkischen. Auch bei ‘Jugenherberge’ zeigen sich die allgemeinen
Tendenzen für zu, das türkische Schüler anderthalb mal so häufig und in, das
sie deutlich seltener verwenden. Die Analyse ausgewählter Sätze führt zu dem
Schluß, daß viele Schüler mit Wort und Begriff ‘Jugendherberge’ nicht
vertraut waren. Einige interpretieren das Wort vom Stamm ‘Berge’ her statt
von ‘beherbergen’ und gestalten die Geschichte entsprechend, andere konzeptualisieren ‘Jugendherberge’ als ‘Ortschaft’.
Beim BO ‘Berg’ liegt bei einigen türkischen Schülern eine idiosynkratische
Interpretation der Bildvorlage vor. Sie nehmen die Staubwolken hinter den
Rädern des Busses als Berge wahr, durch die der Bus fährt. Ihre Interpretation
belegt die der Verbalisierung zugrundeliegende aktive mentale Kategorisierungstätigkeit. Dabei können Wissensbereiche aktiviert werden, die üblicherweise nicht mit den dargestellten Sachverhalten in Verbindung gebracht
werden (s. Rehbein 1982). Schwierigkeiten bereitet den türkischen Schülern
die Verbalisierung der Annäherung an das Hindernis, das die Busfahrt
unterbricht. Sie verwenden dafür unter anderem die nicht geeignete Präposition in und häufiger den falschen Kasus.
5. Der Präpositionsgebrauch im Zusammenhang mit Verben
Aus der in §2 vorgestellten relationierenden Prozedur folgt, daß die Verben
17
Der Gebrauch lokaler Präpositionen durch türkische Grundschüler
18
einen eigenen Anteil bei der Bestimmung der durch die Präpositionen vermittelten Beziehungen zum Bezugsobjekt beisteuern. Bestimmte Handlungen
und Vorgänge, die durch das Verb ausgedrückt werden, klassifizieren die
beteiligten Objekte in bestimmter Weise. Deshalb hängt der passende
Präpositionsgebrauch auch von den verwendeten Verben ab. Im folgenden
werden einige Aspekte des Verbgebrauchs im Zusammenhang mit der lokal
relationierenden Prozedur vorgestetllt.
Die Analyse des Verbgebrauchs beschränkt sich auf Transport- und Bewegungsverben. Untersuchungen zum Deutschgebrauch türkischer Deutschlerner zeigen eine (relativ) häufige Auslassung von Präpositionen und eine
(relativ) häufige Verwendung präfigierter Verben (Bruche-Schulz u.a. 1983,
Apeltauer 1987 und Oomen-Welke 1987). Wie aus Abbildung 5 hervorgeht,
weisen türkische Schüler eine deutlich höhere Fehlerquote bei den verwendeten Transport- und Bewegungsverben als die übrigen Schüler auf, der
Anteil der normgerecht verwendeten Verben liegt mit 44,2% um ein Drittel
unter dem der übrigen Schüler (65,5%). Auffällig ist vor allem der hohe
Anteil falsch gewählter Präpositionen. Die falsche Präpositionswahl ist die
häufigste Fehlerart der türkischen Schüler. Bei den übrigen Schülern liegt die
falsche Kasuswahl an der Spitze. Der Anteil fehlender Präpositionen liegt in
beiden Gruppen geringer, wobei die türkischen Schüler dennoch doppelt so
häufig die Präposition auslassen.
TR
TR
14%
27%
44%
17%
20%
8%
66%
falsche Präposition
kas falscher Kasus
Ø
fehlende Präposition
korrekter Gebrauch
Prozentangaben in den Abbildungen sind auf ganze Zahlen auf- bzw. abgerundet
Abbildung 5: Verwendungsrichtigkeit der Transport- und Bewegungsverben
Im Gebrauch der untersuchten Bewegungsverben fahren, gehen und kommen
zeigen sich deutliche Unterschiede in der Kombination von LO und Verb. Die
19
Der Gebrauch lokaler Präpositionen durch türkische Grundschüler
türkischen Schüler verwenden deutlich häufiger das LO ‘Bus’ mit dem Verb
fahren. Sie orientieren sich stärker an den äußerlich wahrnehmbaren Sachverhalten, d. h. am Bus und nicht an den Insassen als den handelnden Aktanten.
Dieselbe Tendenz zeigt sich beim Bewegungsverb gehen. Bei beiden Verben
sind in den Texten türkischer Schüler fehlende Präpositionen in obligatorischen Kontexten festzustellen (B7).
11/
Jetzt geht der Bus Ø Jugendherberg allein.
(B7)
Fehlende Präposition (Cel 87b-s)
Beim Bewegungsverb kommen (z.B. ankommen) ist bemerkenswert, daß die
türkischen Schüler das präfigierte Verb ohne Fehler mit Präpositionen
benutzen und bei finitem Verb das Präfix separat an der richtigen Stelle
plazieren.
Auch bei den untersuchten Transportverben bringen, legen, stellen und tragen
zeigen sich die auch bei den BOs ‘Straße’ und ‘(Straßen-)Seite’ festgestellten
Unsicherheiten. In Tabelle 6 ist die Gebrauchsrichtigkeit der Transportverben
nach folgenden Gruppierungsgesichtspunkten dargestellt: () Gebrauch des
Verbs ohne Präposition, () Gebrauch des Verbs ohne Präposition in obligatorischen Kontexten, (c) Gebrauch einer falschen Präposition, (d) Verwendung der richtigen Präposition und () Prozent der richtig gebrauchten
Verben, die eine Präposition erfordern.
TR
bringen
legen
stellen
tragen
4
2
3
1
1
-
-
1
4
2
1
3
1
2
1
-
2
2
-
3
2
1
30
20
0
25
14
12
3
7
TR
bringen
legen
stellen
tragen
1
-
-
-
-
2
-
-
2
1
4
4
50
80
8
1
5
Der Gebrauch lokaler Präpositionen durch türkische Grundschüler
Erklärung: ohne Präposition
im Zusammenhang der Äußerung fehlende Präposition
falsche Präp - fehlende Kas-Mark.
richtige Präp - fehlende Kas-Mark.
falsche Präp - falsche Kas-Mark.
richtige Präp - falsche Kas-Mark.
falsche Präp - richtige Kas-Mark.
richtige Präp - richtige Kas-Mark.
Prozent der richtig verwendeten Präpositionen, die eine Präposition erfordern
Tabelle 6: Gebrauchsrichtigkeit der Transportverben
Tabelle 6 belegt die deutlich geringere Verwendungsrichtigkeit der Transportverben mit Präpositionen bei türkischen Schülern. Während türkische Schüler
die lokal relationierende Prozedur höchstens zu 30% korrekt verwenden, sinkt
dieser Wert bei den übrigen nicht unter 50% und erreicht sogar 80%. Vor
allem enthalten ihre Texte weder ausgelassene obligatorische Präpositionen
noch falsch gewählte. Dagegen ist etwa jede zweite der von den türkischen
Schülern verwendete Präposition falsch.
6. Nachbildung türkischer Strukturen mit deutschen Mitteln
Zum Schluß wird der oben erwähnten Beobachtung nachgegangen, daß türkische Schüler häufiger Präfixverben und seltener Präpositionen benutzen.
Diese Beobachtung wird durch die globale Verwendung der Präfixverben im
Corpus nicht gestützt. In den untersuchten Texten zeigen sich nur geringe
Unterschiede im Gebrauch der Präfixverben: TR 37.8%, TR 35.5%.
Dagegen verwenden die türkischen Schüler weniger Präpositionen als die
übrigen: 41.6%, TR 50.9%. Eine detaillierte Überprüfung der Bewegungsverben fahren, gehen und kommen ergibt jedoch einen interessanten Zusammenhang zwischen dem Gebrauch von Präfixverben und Präpositionen:
türkische Schüler verwenden deutlich häufiger Präfixverben ohne Präposition
(s. Tabelle 7 Spalte ). D. h., der Anteil der ohne Präposition gebrauchten
Präfixverben liegt höher. Im Vergleich mit den übrigen Schülern kann dies
bei der ähnlich hohen Verwendung von Präfixverben allgemein als Tendenz
türkischer Schüler beschrieben werden, statt einfacher Verben mit Präposition
präpositionslos gebrauchte Präfixverben zu verwenden.
20
21
Der Gebrauch lokaler Präpositionen durch türkische Grundschüler
TR
Verb ges.
(a)
fahren
(c)
gehen
kommen
| Verb ges.
mit Präfix~
|
57
45
36
30
6
|
34
25
16
11
5
.94
.78
.15
|
.80
.55
.25
1.70 1.25
17
17
14
12
2
|
5
5
5
3
2
.44
.44
.36
.31
.05
|
.25
.25
.25
.15
.10
30
15
23
19
4
|
17
12
19
9
10
.78
.39
.60
.50
.10
|
.85
.60
.95
.45
.50
Erklärung:
mit Präfix~
1.50 1.18
(b)
TR
|
unpräfigiertes Verb gesamt
Präfix-Verb gesamt
Präfix-Verb ohne Präposition
unpräfigiertes Verb mit Präposition
Präfix-Verb mit Präposition
Tabelle 7: Bewegungsverben nach Präfix und Präpositionsgebrauch
Diese Tendenz wird deutlich in Abbildung 5 erkennbar, in der die Unterschiede in Prozentwerte umgerechnet und grafisch dargestellt wurden. Bei
den türkischen Schülern liegt der Anteil der ohne Präposition benutzten
Präfixverben für alle drei Verben jeweils über 80%; dagegen liegt der Anteil
präpositionslos gebrauchter Präfixverben bei den nichttürkischen Schülern
zwischen 48% und 69%.
90
TR
80
TR
70
60
50
0
fahren
gehen
kommen
Abbildung 5: relativer Anteil von Präfixverben ohne Präposition (in Prozent)
Beim präfigierten Verb ~kommen ist diese Tendenz deutlich zu sehen. Besonders bei den Bildern 9 und 10, auf denen die Ankunft des Busses bei der
Jugendherberge dargestellt ist, wird es mit Präfix verwendet. Die türkischen
Der Gebrauch lokaler Präpositionen durch türkische Grundschüler
Schüler verwenden ~kommen ausnahmslos mit dem Präfix an~, die übrigen
auch mit heraus~ und entgegen~. Doch während bei türkischen Schülern bei
diesen Bildern das Verhältnis von präfigiertem Verb mit Präposition zu
präfigiertem Verb ohne Präposition 2 : 13 beträgt, liegt dieses Verhältnis für
die übrigen Schülern bei 5 : 8. Diese Werte belegen eindrucksvoll die Tendenz türkischer Schüler zum ersatzweisen Gebrauch präfigierter Verben
ohne Präposition anstelle präfigierter Verben mit Präposition.
Die Erklärung dieser Tendenz ist in den unterschiedlichen Syntaxstrukturen
der beiden Sprachen zu suchen. Im Türkischen steht das Finitum im allgemeinen am Satzende, während es im deutschen Hauptsatz an zweiter
Stelle steht. In einer gewissen Parallele zum Türkischen steht bei den
deutschen Präfixverben das trennbare Präfix immer am Satzende, entweder
allein oder zusammen mit dem infiniten Verbteil. Das an letzter Stelle
stehende Präfix trägt nun die entscheidende Information über die Bedeutung
des Prädikats. Bei präpositionalen Ausdrücken wird diese Informationseinheit noch einmal aufgespalten, und zwar in die vor dem Bezugsobjekt
stehende Präposition und in das am Ende stehende Präfix. Im Türkischen
dagegen bildet das Bezugsobjekt mit dem folgenden Kasussuffix eine
Einheit, auf die ein verbaler Ausdruck folgen kann. Der präpositionslose
Gebrauch von Präfixverben bewirkt nun folgendes: Das die Beziehung näher
bestimmende Präfix rückt bei finitem Vollverb allein (bei finitem Hilfsverb
zusammen mit dem Stamm) an die letzte Position und nimmt damit den
Platz ein, den die entsprechenden Einheiten im Türkischen belegen (s.
Tabelle 8). Türkische Schüler benutzen somit im Vergleich zu den übrigen
Schülern Präfixverben statt verbaler Ausdrücke mit Präposition und bilden
damit muttersprachliche Strukturierungsprinzipien mit Mitteln des Deutschen nach (zu ähnlichen Prozessen s. Rehbein & Grießhaber 1996).
(1)
(2)
(3)
(4)
Deutsch
LO
(Verb)
P
BO (Verb)
(mit Präp.)
Der Bus
ist
bei
der Jugendherberge
angekommen.
(mit Präp.)
Der Bus
kommt
bei
der Jugendherberge
an.
(ohne Präp.)
Der Bus
ist
(ohne Präp.)
Der Bus
kommt
Türkisch
LO
angekommen.
an.
BO-Suffix
(Verb)
22
Der Gebrauch lokaler Präpositionen durch türkische Grundschüler
(1)
(2)
(3)
(4)
Otobüs
yurd-a
vard.
Otobüs
yurd-a
geliyor.
Otobüs
vard.
Otobüs
geliyor.
Tabelle 8: Syntaktische Strukturen im Deutschen und Türkischen
7. Ausblick
Die empirische Analyse zeigt deutliche Unterschiede zwischen den türkischen und übrigen Schülern. Die im Beschreibungsmodell (§2) aufgezeigte
obligatorische Klassifikation der Bezugsobjekte im Deutschen verursacht
deutschlernenden Türken Probleme. Die Analyse der Texte ergibt, wie am
Beispiel des BO ‘(Straßen-)Seite’ ausgeführt, Schwierigkeiten bei der Wahl
der richtigen Präposition. Auf der Basis weiterer Analysen ist allgemein
festzustellen, daß die Einordnung solcher Bezugsobjekte Lernern Probleme
bereitet, die über die sinnlich wahrnehmbaren Merkmale hinaus durch
weitere konventionell festgelegte Merkmale bestimmt sind. Das BO
‘Jugendherberge’ zeigt die Probleme mit unbekannten Ausdrücken, bei
denen Assoziationen zu einer falschen Zerlegung und damit auch Klassifikation führen. Darüber hinaus zeigt sich an diesem BO der Einfluß des
Genus auf den richtigen Gebrauch der relationierenden Prozedur.
Auch die von den Verben ausgehende Analyse des Präpositionsgebrauchs
bestätigt spezifische Probleme türkischer Deutschlerner. Schwierigkeiten bereiten die im Türkischen systematisch anders ausgedrückten komplexlokalen Beziehungen. Dies wird an der stärker zielorientierten Verbalisierung türkischer Schüler gegenüber einer stärker wegorientierten der
übrigen Schüler deutlich. Bei der Verbalisierung einer Annäherung und
Erreichung eines Ziels sind Probleme bei der richtigen Wahl von Präposition
und Kasus festzustellen. Die prozedural orientierte Analyse kann damit den
vermeintlichen Widerspruch zwischen allgemein hohem Sprachniveau
(sichtbar an der Beherrschung der Verben mit trennbarem Präfix) und der
scheinbar willkürlichen Präpositionsverwendung auflösen.
Interessante Ergebnisse zeigt die Analyse des Gebrauchs der Präfixverben.
23
Der Gebrauch lokaler Präpositionen durch türkische Grundschüler
Sie unterstreicht die kritische Aufarbeitung der Kontrastivhypothese, wonach
die Gleichsetzung von Strukturverschiedenheit mit Lernschwierigkeit zu
differenzieren ist. Entgegen der im Rahmen der Kontrastivhypothese
prognostizierbaren geringeren und häufiger fehlerhaften Verwendung der
strukturell fremden Klammerkonstruktion ist ein etwa gleich hoher Gebrauch
bei ausgesprochen geringer Fehlerzahl in der Syntax von Stamm und Präfix
festzustellen. Allerdings zeigt die geringere Verwendung von Präfixverben
mit Präposition einen tieferliegenden Einfluß des Türkischen. Sie ist
erklärbar als Nachbildung türkischer syntaktischer Verhältnisse mit den
Mitteln des Deutschen. Speziell in diesem Bereich verspricht der funktional
pragmatische Ansatz weitere Erkenntnisse zum Gebrauch und der Aneignung sprachlicher Mittel (s. z.B. Rehbein 1992).
* Für anregende Diskussionen und Hinweise bei Vorträgen in Saarbrücken (Arbeitsgruppe “Grammatik und mentale Prozesse” bei der Jahrestagung der DGfS), Dortmund
(Kolloquium “Funktionale Pragmatik”), Berlin (Kolloquium an der Akademie der
Sprachwissenschaften “Kindliche Kommunikation”) und Hamburg (Kolloquium
“Deutsch als Fremdsprache und Pragmatik”) möchte ich mich bedanken. Mein besonderer Dank gilt K. Meng, A. Redder und J. Rehbein für ihre unterstützende Kritik.
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26
Der Gebrauch lokaler Präpositionen durch türkische Grundschüler
Wilhelm Grießhaber geb. 1947, Studium der Informatik in Bonn, der
Sprachlehrforschung, Germanistik und Romanistik in Bochum. War DAAD
Lektor an der Universität Belgrad (Jugoslawien), Hochschulassistent an der
Universität Hamburg; seit 1993 Professor für Sprachlehrforschung am
Sprachenzentrum der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Arbeiten
zur Pragmatik, zum Zweitspracherwerb und zur Zweitsprachvermittlung
sowie
zur
Computergestützten
(Fremd-)Sprachvermittlung
und
Sprachanalyse. Arbeiten: Authentisches und zitierendes Handeln (2 Bände)
(1987) Tübingen: Narr; Die relationierende Prozedur. Zu Grammatik und
Pragmatik lokaler Präpositionen und ihrer Verwendung durch türkische
Deutschlerner. (1999) Münster u. New York: Waxmann
27
Der Gebrauch lokaler Präpositionen durch türkische Grundschüler
Abstract
Der Beitrag behandelt die Verwendung lokaler Präpositionen des Deutschen durch
türkische Grundschüler. Dazu werden zunächst die Datenbasis und die Analysemethoden
vorgestellt. anschließend wird ein funktional-pragmatisches Beschreibungsmodell der
Verwendung lokaler deutscher Präpositionen und den ihnen entsprechenden türkischen
Kasussufixen vorgestellt. Die Präpositionen werden nach ihrer Leistung, propositionale
Gehalte zueinander in Beziehung zu setzen, als Mittel einer sprachlichen Prozedur
bestimmt, die ‘relationierende’ Prozedur genannt wird. Am Beginn der Analyse der
Schülertexte wird ein Gesamtüberblick über die Verwendung der Präpositionen durch
türkische und nichttürkische Schüler gegeben. In den sich anschließenden Detailanalysen
wird zunächst die Verwendung mit dem Bezugsobjekt ‘(Straßen-)Seite’ detailliert
beschrieben. Anschließend wird das Zusammenspiel mit Transport- und
Bewegungsverben vorgestellt. Den Abschluß bilden sprachkontrastive Analysen zur
Präpositionsverwendung im Zusammenspiel syntaktischer Strukturierungsprinzipien.
The following paper recounts an examination of the use of local prespositions by Turkish
elementary pupils. First the data and method of analysis are introduced, followed by a
functional-pragmatic descriptive model of the use of local prepositions. Once their
function in drawing relationships between propositional contents has been taken into
account, prepositions become the means to completion of a certain linguistic procedure,
which I have termed “relationing procedure”. The analysis of the pupils’ texts begins with
a global overview of the prepositions they used. Then come detailed analyses of various
dimensions involved in the relationing process. Various aspects of the use of prepositions,
with the object “roadside” are described in detail, and, subsequently, the use of
prepositions in the context of verbs of transportation and movement are introduced. In
conclusion, the use of prepositions is analyzed contrastivelay in connection with
principles of syntactis structure.
1996-2005
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