Detektion von menschlichen Immun - zellen in der humanisierten

Werbung
37
Biomedizin
Detektion von menschlichen Immunzellen in der humanisierten Maus
JOHANNA SCHOLBACH 1 , MARGARETHE KÖBERLE 2 , ANJA RODEWOHL 3 ,
FRANZISKA LANGE 2
1 INSTITUT FÜR KLINISCHE IMMUNOLOGIE, UNIVERSITÄT LEIPZIG
2 FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR ZELLTHERAPIE UND IMMUNOLOGIE, LEIPZIG
3 TRANSLATIONSZENTRUM FÜR REGENERATIVE MEDIZIN, UNIVERSITÄT LEIPZIG
Animal models are a useful tool to study pathomechanisms and therapeutic targets in biomedical research. In the last decade the investigation
of different humanized mouse models became important in research. The
existence of human immune cells in immunodeficient mice allows the
bridging between rodent model and human immune system. The method
of choice to characterize these humanized mice is flow cytometry. Here,
we explain facts about human immune cells in mice and show how to
detect them.
DOI: 10.1007/s12268-013-0269-1
© Springer-Verlag 2013
ó Tiermodelle sind seit Jahrzehnten ein
wichtiges Werkzeug der biomedizinischen
Forschung. Zum einen finden Tiermodelle in
der Grundlagenforschung Anwendung, zum
anderen dienen sie auch der Erprobung neuer
Therapeutika und sind hier aus ethischen
Gründen nicht mehr wegzudenken. Durch die
Vielfalt an Inzucht- und Auszuchtstämmen
findet sich bei der Forschung mit Nagetieren
vor allem bei Labormäusen für beinahe jede
Krankheit ein passendes Modell. Nahezu
unendlich erweitert sich dieses Feld durch
die modernen Methoden der Gentechnik, da
heute sowohl Knock-in- als auch Knock-outTiere selbst erzeugt oder kommerziell erworben werden können. Nichtsdestoweniger
kommt es häufig vor, dass sich die im Tiermodell gefundenen Sachverhalte nicht auf die
Situation im Menschen übertragen lassen. So
treten beispielsweise gravierende Nebenwirkungen eines Medikamentes in der klinischen
Testphase auf, obwohl im Tierversuch diese
Nebenwirkungen nicht abzusehen waren [1].
In weniger schweren Fällen gibt es lediglich
einen Unterschied zwischen dem krankheitsverursachenden Pathomechanismus im
Tiermodell und dem tatsächlichen Pathomechanismus im Menschen.
BIOspektrum | 01.13 | 19. Jahrgang
Der Weg zur humanisierten Maus
Aus dem Wunsch, diese Unzulänglichkeiten
zu beheben, ergab sich in den 1980er-Jahren
das Konzept der humanisierten Maus [2]. Bei
diesem Tiermodell steht der Gedanke der
Erschaffung eines humanen Immunsystems
in handlichem Laborformat im Vordergrund.
Um die Voraussetzungen dafür zu schaffen,
war die Züchtung immundefizienter Mäuse
als Ansiedlungsort für die speziesfremden
Zellen vonnöten. Vorangegangen war diesem
Modell eine spontane, zu B- und T-Zell-Defekten führende Mutation in Labormäusen [3]. Es
wurden humane Stammzellen, aber auch Knochenmark, Thymus und embryonales Lebergewebe in Mäuse transplantiert, doch
die Annahme der Transplante erfolgte in
SCID(severe combined immunodeficiency)Mäusen nur unzureichend durch die Funk-
¯ Abb. 1: Charakterisierung von
menschlichen
Immunzellen in der
humanisierten Maus.
A, Der Anteil an
humanem CD45
(huCD45) steigert
sich von Woche 10 zu
Woche 14 und bleibt
dann mit kleinen
Schwankungen bis
zum Ende des Beobachtungszeitraums
konstant. B, Der
Anteil an B-Lymphozyten an huCD45
nimmt von Woche 10
an ab, wohingegen
die T-Lymphozyten
zunehmen.
38
A
W I S S ENS CHAFT · S P E C I A L : D U RCH F L U S S Z Y TO M E T R I E
B
tionalität der Natürlichen Killerzellen (NKZellen) in diesen Modellen. Erfolgreichere
Modelle konnten erst mit der Kreuzung von
SCID- und NOD(non-obese diabetic)-Mäusen
etabliert werden. Sehr gute Ergebnisse in
Bezug auf die Annahme eines humanen
Stammzelltransplantats werden aktuell mit
dem Mausstamm der NOD-scid-Il2rγ0-Linie
erreicht [4]. Die NOD-Mutation führt zu einem
Verlust von NK-Zellen und zu einer verminderten Phagozytoseleistung der Makrophagen. Der IL-2Rγ-Knock-out bezieht sich auf
die γ-Kette des IL-2-Rezeptors, die zur Vermittlung der Zytokinantwort benötigt wird.
Es resultiert eine verminderte Reaktionsmöglichkeit der Maus auf die humanen
Stammzellen. Somit ist eine Transplantatabstoßung unwahrscheinlich. Darüber hinaus
entwickelt sich aus den Stammzellen, die in
der Regel aus Nabelschnurblut gewonnen werden, ein funktionelles menschliches Immunsystem.
Das Aufspüren der menschlichen
Zellen
Die Funktionalität dieses Immunsystems
kann mit verschiedenen Möglichkeiten verifiziert werden. Im Vordergrund steht in unserer Arbeitsgruppe die durchflusszytometrische Analyse von verschiedenen Organen der
Tiere. Häufig untersucht werden Blut, Milz
und Knochenmark der Tiere, aber auch ande-
C
re hämatopoetische Organe [5]. Man macht
sich in diesem Fall die Expression unterschiedlicher Oberflächenantigene der einzelnen immunologischen Subpopulationen
zunutze. Es gibt für viele bekannte Zellpopulationen einen solchen spezifischen Marker. B-Lymphozyten lassen sich beispielsweise
durch CD19, T-Lymphozyten durch CD3 und
Monozyten durch CD14 charakterisieren. Ist
eine eindeutige Zuordnung von Zellpopulation zu Oberflächenmarker nicht möglich,
kann auch durch die Kombination verschiedener Marker auf eine bestimmte Subpopulation geschlossen werden. Eine solche Kombination wird zur Identifizierung von Granulozyten verwendet. Man macht sich hier zum
einen das Vorhandensein von CD16, zum
anderen aber das Fehlen von CD56 zunutze.
Hinzu kommen morphologische Eigenschaften der Granulozyten. Es ist auch möglich,
über indirekte Kombinationen auf Zellpopulationen zu schließen. Diese Kombinationen
können sehr weit gefächert sein, wie es bei
der Charakterisierung von dendritischen Zellen der Fall ist. Dort werden zuerst über einen
Lineage-Marker alle Zellen der Hauptpopulationen der hämatopoetischen Zelllinie ausgeschlossen. Es handelt sich bei diesem Marker um eine fixe Kombination, die unter anderem B-Zellen, T-Zellen und Granulozyten
detektiert. Alle Zellen, die auf den Marker
positiv reagieren, werden nicht weiter aus-
¯ Abb. 2: Durchflusszytometrische Untersuchung von Immunzellpopulationen in der humanisierten Maus und im
Menschen. A, Vorwärts/Seitwärtsstreuung
unter Ausschluss von
Zelltrümmern (Lifegate)
eines gesunden Menschen und im Vergleich
dazu einer humanisierten Maus. Nur die Lymphozytenpopulation
lässt sich morphologisch
abgrenzen. B, relativer
Anteil muriner und
humaner Leukozyten
einer humanisierten
Maus, darunter Anteil
von B- und T-Zellen an
Leukozyten. C, Veränderung der B- und T-Zellverteilung bei der Graftversus-Host-Disease
(GvHD) zugunsten der TZellen.
gewertet. Dann wird über den HLA-DR-Marker
die verbleibende Population eingegrenzt. Alle
HLA-DR-positiven Zellen werden über einen
spezifischen dendritischen Zellmarker (CD11c
bzw. CD123) als dendritische Zellen erkannt.
Diese Vorgehensweise wird notwendig, sobald
mehrere unterschiedliche Zellpopulationen
gleiche Marker exprimieren. Durch unterschiedlichste Kombinationen und die Möglichkeit, sowohl die positive als auch die negative Expression der Oberflächenmarker zu
bewerten, können simultan zahlreiche Zellpopulationen in einer Probe detektiert werden. Speziell in der humanisierten Maus
gestaltet sich das Aufspüren der einzelnen
Subpopulationen als schwierig. Zumal sich
die menschlichen Immunzellen nach der
intrahepatischen Transplantation von CD34+Zellen in neugeborene, präkonditionierte Tiere nur langsam entwickeln. Der Anteil der
humanen Leukozyten, die im FACS mit dem
Pan-Leukozytenmarker CD45 angefärbt werden, steigert sich über die Zeit und bleibt dann
in einem Bereich. Die humanen Leukozyten
setzen sich nach ca. zehn Wochen aus einem
hohen Anteil von B-Zellen und einem geringen Anteil von T-Zellen zusammen. Andere
Zellpopulationen wie Monozyten oder NKZellen sind nur zu einem geringen Anteil vorhanden (Abb. 1). Dieses Verhältnis ändert
sich mit dem Alter der Tiere. Der B-Zell-Anteil
sinkt kontinuierlich, während die T-Zell-Popu-
BIOspektrum | 01.13 | 19. Jahrgang
40
W I S S ENS CHAFT · S P E C I A L : D U RCH F L U S S Z Y TO M E T R I E
lation an Größe gewinnt. Zusätzlich treten
vermehrt Monozyten und NK-Zellen in
Erscheinung. Auch das Vorhandensein von
plasmazytoiden dendritischen Zellen und
myeloiden dendritischen Zellen variiert mit
dem Alter. Ein Zustand, der sich in humanisierten Mäusen zum Teil einstellen kann, ist
die Graft-versus-Host-Disease (GvHD), die vor
allem durch das massive Auftreten von humanen T-Lymphozyten und den Verlust von murinen Leukozyten gekennzeichnet ist (Abb. 2).
Sind die humanen Zellen
funktionstüchtig?
Um zu verifizieren, ob es sich bei den vorhandenen humanen Zellen tatsächlich um
funktionelle Zellen handelt, können verschiedene Parameter bestimmt werden. Hierbei lässt sich beispielsweise die Expression
von Oberflächenmarkern im Durchflusszytometer bestimmen. Präsentieren bestimmte
Zellen diese Marker als Antwort auf einen
immunstimulatorischen Reiz, geht man davon
aus, dass diese Zelle ein bestimmtes funktionales Stadium erreicht hat. Zur Betrachtung
dieses Aspekts haben wir die Oberflächenmarker HLA-DR und CD80/CD86 auf Antigen-präsentierenden Zellen bestimmt. Auch
die Aktivierung von B- und T-Zellen kann
mittels CD25 erkannt werden. Eine weitere
Möglichkeit stellt das Messen der Produktion
von Antikörpern wie IgM und IgG, als Nachweis für die Funktionalität von B-Zellen, dar.
Um letztendlich die Interaktion der verschiedenen Zellpopulationen beurteilen zu können, kommt die Messung einzelner Zytokine
infrage.
Welche Möglichkeiten eröffnet die
humanisierte Maus?
Je nach Zeitpunkt nach der Transplantation
findet man Unterschiede in der zellulären
Zusammensetzung des humanen Immun-
systems. Diese spielen eine wichtige Rolle für
die erfolgreiche Etablierung diverser Krankheitsmodelle in den humanisierten Tieren. Je
nachdem, durch welchen Zelltyp die Erkrankung hauptsächlich vermittelt wird, oder ob
sich die Immunreaktion innerhalb der Krankheit vor allem im adaptiven oder angeborenen Immunsystem abspielt, kommen unterschiedliche Zeitpunkte für die Induktion des
Modells nach der Transplantation infrage. Tiere werden also in unterschiedlichen Altersstufen für bestimmte Krankheitsbilder nutzbar. So nimmt man an, dass eine durch die
angeborene Abwehr vermittelte Immunantwort auch schon kurze Zeit nach der Transplantation der Stammzellen möglich ist. Möchte man jedoch komplexere, adaptiv vermittelte
Krankheitsbilder etablieren, so bedarf es
einer längeren Verweildauer der Stammzellen im Tier. So eröffnet die humanisierte Maus
ein breites Forschungsspektrum und kann
zum einen für die Forschung maligner Tumorerkrankungen, Infektionen durch HIV [6]
oder Dengue-Virus, aber auch zum Erkenntnisgewinn in Krankheitsbildern wie einer
Sepsis beitragen. Auch wenn die Etablierung
des Modells eine umfangreiche und von verschiedenen Variablen abhängige Prozedur
darstellt, bietet sie eine ausgezeichnete Möglichkeit, einen Schritt näher an die Erforschung menschlicher Krankheitsprozesse
heranzutreten, und wird durch ihren Einsatz
in verschiedenen Themengebieten Licht ins
Dunkel bringen.
ó
Literatur
[1] Suntharalingam G, Perry MR, Ward S et al. (2006)
Cytokine storm in a phase 1 trial of the anti-CD28 monoclonal
antibody TGN1412. N Engl J Med 355:1018–1028
[2] McCune JM, Namikawa R, Kaneshima H et al. (1988) The
SCID-hu mouse: murine model for the analysis of human
hematolymphoid differentiation and function.
Science 241:1632–1639
[3] Bosma GC, Custer RP, Bosma MJ (1983) A severe combined immunodeficiency mutation in the mouse.
Nature 301:527–530
[4] Ishikawa F, Yasukawa M, Lyons B et al. (2005)
Development of functional human blood and immune systems
in NOD/SCID/IL2 receptor {gamma} chain(null) mice.
Blood 106:1565–1573
[5] Scholbach J, Schulz A, Westphal F et al. (2012)
Comparison of hematopoietic stem cells derived from fresh
and cryopreserved whole cord blood in the generation of
humanized mice. PLoS One 7:e46772
[6] Chargui J, Dye D, Blomberg J et al. (1995) The humanized
severe combined immunodeficient mouse as a model for primary human humoral response against HIV1 peptides. J
Immunol Methods 181:91–100
Korrespondenzadresse:
Margarethe Köberle
Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und
Immunologie
Johannisallee 30
D-04103 Leipzig
Tel.: 0341-9725-821
[email protected]
AUTORINNEN
Franziska Lange, Johanna Scholbach,
Anja Rodewohl und Margarethe Köberle
(v. l. n. r.)
Die Arbeitsgruppenleiterin Dr. Franziska Lange,
die Doktorandin Johanna Scholbach sowie die
wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Anja
Rodewohl und Margarethe Köberle arbeiten
seit 2010 am Projekt „humanisierte Maus“ des
Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie, Leipzig. Im Vordergrund stehen die Charakterisierung des Mausmodells sowie die wissenschaftliche Nutzung im Krankheitsmodell.
BIOspektrum | 01.13 | 19. Jahrgang
Herunterladen