Was ist antike Rechtsgeschichte und womit beschäftigt sie sich?

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Rechtsgeschichte
Von Dr. Balbina Bäbler Nesselrath
Inhaltsverzeichnis
• 1 Was ist antike Rechtsgeschichte und womit beschäftigt
sie sich?
• 2 Literaturhinweise
• 3 Wichtige Sammelwerke / Abkürzungen
• 4 Links
Was ist antike Rechtsgeschichte und womit beschäftigt sie sich?
Die antike Rechtsgeschichte steht zwischen Altertums- und Rechtswissenschaften; ihre Quellen und
Methoden sind die der Alten Geschichte und der klassischen Philologie. Meist wird sie an juristischen
Fakultäten gelehrt, da die europäische Rechtswissenschaft aus der Exegese der Texte des justinianischen
Corpus Iuris Civilis hervorging, aus dem vor allem Elemente der allgemeinen Rechtslehre und die meisten
Institutionen des justinianischen Privatrechts direkt rezipiert wurden, während der Gegenwartsbezug des
justinianischen Staats-, Straf- und Prozessrechts geringer ist.
In der antiken griechischen Welt gab es aufgrund der unterschiedlichen Strukturen und Entwicklungen der
politischen Gemeinwesen kein einheitliches Recht, aber allgemeine Ähnlichkeiten der Rechtsauffassungen
hinsichtlich Ehe, Familie, Eigentum und Gerichten sowie der Unterscheidung von Freien und Sklaven.
Anders als in Rom gab es auch keine Bezeichnung für ?Recht? im heutigen Sinn; nomoi bedeutet die
gesamte Rechtsordnung, also auch die Verfassung, während Dike zuerst die Göttin der Gerechtigkeit
bezeichnet, später dann für Anklage und Prozess gebraucht wird.
Erste Hinweise auf Streitschlichtung durch Adelige (anstelle von Selbsthilfe) gibt es bereits in den
homerischen Epen. Die griechische Kolonisation und die Polisbildung (8.-6. Jh. v. Chr.) führte zur
Notwendigkeit von Kodifikationen und schriftlicher Festlegung von Verfahrens−normen, auch gegen die
Willkür der Adelsrichter (Drakon, erster athenischer Gesetzgeber 621/0 v. Chr.; Reformen des Solon, 594/3
v. Chr.).
Das attische Recht, das sich in Verbindung mit der in der griechischen Welt einzigartigen athenischen
Demokratie entwickelte, war außerordentlich differenziert und verfügte über ein ausgeklügeltes
Anklagesystem (dikai und graphai), zahlreiche Gerichte (Dikasterien), die aus bis zu 500 Laienrichtern
bestanden, einem komplizierten Gesetzgebungsverfahren (nomo−thesía) sowie einer ständigen Überprüfung
der Rechtskonformität der Gesetze (graphè para−nómon). In den Gerichtsverfahren spielte die Rhetorik eine
entscheidende Rolle; vielleicht entwickelte sich deshalb keine Systematisierung und juristische
Fachwissenschaft. Eine bleibende griechische Leistung ist aber die Rechtsphilosophie, die sich mit Fragen
nach der Gerechtigkeit befasst, und die durch Cicero auch im römischen Denken rezipiert wurde, wo sie aber
Teil der Staatsphilosophie wurde. Der Attische Seebund des 5. Jh.s v. Chr. unterwarf zeitweilig auch andere
Städte unter die Gerichtsbarkeit Athens. Im Hellenismus war zwar theoretisch der jeweilige König die
Rechtsquelle; es bestanden aber unterschiedliche Rechtssysteme (einheimische und die der griechischen
Zuwanderer) nebeneinander.
In Rom bedeutete ius ?gerechtes Handeln?, was ursprünglich eng an rituelle Handlungen gebunden (was z.
B. im Tötungsrecht des pater familias über seine Familie fortbestand), aber vom fas, dem göttlichen Recht,
getrennt war. Im Lauf der Zeit wurden in das ius Gesetze, vor allem das Zwölftafelgesetz (entstanden
vermutlich um 450 v. Chr. als Kompromiss im Ständekampf zwischen Patriziern und Plebejern) ? von Livius
3,34,6 als ?Quelle allen öffentlichen und privaten Rechts? bezeichnet ? und magistratische sowie kaiserliche
Rechtsfortbildungen einbezogen.
Inhaltsverzeichnis
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Rechtsgeschichte
Das römische Zivilrecht, das am Anfang nur auf die in einem Stadtstaat wohnenden freien Personen
zugeschnitten war, musste sich mit der Ausdehnung des Imperiums notwendigerweise weiterentwickeln, z.
B. für den Verkehr mit Fremden und Bundes−genossen. Zum ius civilie traten nun das von den
Gerichtsmagistraten, dem Stadtprätor (praetor urbanus) und dem Fremdenprätor (praetor peregrinus)
geschaffene Amtsrecht (ius honoranum) und das Völkerrecht (ius gentium) hinzu. Hingegen musste das
Strafrecht nicht ausgeweitet werden, da in den Provinzen formal das Kriegsrecht weiter bestand.
Anders als in Griechenland gab es in Rom schon früh (seit dem 2. Jh. v. Chr.) ein Fachjuristentum; die
Rechtsgelehrten berieten die Prätoren, schrieben Kommentare zu Gesetzen und übten eine Art
?Gutachtertätigkeit? aus (responsa, ?Antworten?, d. h. auf juristische Streitfragen). Berühmte Juristen waren
etwa M. Manilius (Konsul 149 v. Chr.), M. Iunius Brutus (Prätor 140 v. Chr.), P. Mucius Scaevola (Konsul
133 v. Chr.).
Im 2. Jh. n. Chr. erreichte die juristische Argumentation ihre höchste Blüte; seit dem 3. Jh. n. Chr. wurde das
Vorhandene in Kommentaren, Responsa-Sammlungen, Digesta (Sammlungen von Entscheidungen), oder
Anleitungen (Institutiones, Regulae, Sententiae) gesammelt für den Gebrauch in den Rechtsschulen, deren
berühmteste sich seit dem 3. Jh. n. Chr. vor allem im Osten (Alexandria, Antiochia, Athen, Berytos,
Konstantinopel) befanden. Ein Teil dieser Literatur ist in den Schriften des Codex Iuris Civilis erhalten,
dessen Kodifikation von Kaiser Justinian (527-563 n. Chr.) in Auftrag gegeben und unter Leitung seines
?Justizministers? Tribonian 530-534 angefertigt wurde und der auch Novellen Justinians und seiner ersten
beiden Nachfolger und die zeitgenössische Kommentare des 6. und beginnenden 7. Jh.s enthält.
Die Anfänge des Faches Rechtsgeschichte gehen auf die humanistische Jurisprudenz zurück, die begann, die
römische Rechts- und Verfassungsgeschichte als Antiquitates Iuris Romani von der dogmatischen
Behandlung des geltenden ius commune zu sondern. Leibniz unterschied als erster ?innere? und ?äußere?
Rechtsgeschichte, d. h. die Geschichte der römischen Institutionen, Rechtssätze und Dogmen einerseits und
der geschichtlichen Zustände und Ereignisse, welche die antike römische Rechtsordnung begründet haben,
andererseits (G. W. Leibniz, Nova methodus discendae docendaeque jurisprudentiae ex certis principiis,
Frankfurt 1667). Erste geschlossene Epochenbilder der antiken römischen Rechtsentwicklung beschrieb
Gustav Hugo, Geschichte des römischen Rechts (Berlin 1790). Th. Mommsen gab das Corpus Iuris Civilis
und den Codex Theodosianus (die Sammlung der Gesetze seit 312 n. Chr. durch Theodosius II.) heraus.
Literaturhinweise
• F. Ebel / G. Thielmann, Rechtsgeschichte: von der römischen Antike bis zur Neuzeit (Heidelberg
2003)
• W. Eder, Recht, in: H. Sonnabend (Hrsg.), Mensch und Landschaft in der Antike. Lexikon der
Historischen Geographie (Stuttgart 2006) 411-415
• D. Flach (Hrsg., Übers. Komm.), Das Zwölftafelgesetz. Leges XII Tabularum (Darmstadt 2004)
• L. Gernet, Droit et société dans la Grèce ancienne (Paris 1955 / 1964)
• A. R. W. Harrison, The Law of Athens (Oxford, Bd. 1, 1968; Bd. 2, 1971
• LAW 3 s.v . Recht (H. J. Wolf, Griechisches Recht, 2516-2530; Ptolemäisches Recht, 2530-2532;
Th. Mayer-Maly, Römisches Recht, 2532-2554; H. Le Bonniec, Strafrecht, 2554-2561).
• F. Wieacker, Römische Rechtsgeschichte. 1: Einleitung, Quellenkunde, Frühzeit und Republik (HdA
X 3.1.1, München 1988)
• J. G. Wolf (Hg.), Römische Rechtsgeschichte. 2: Die Jurisprudenz bis zum Ausgang der Antike im
weströmischen Reich und die oströmische Rechtswissenschaft bis zur justinianischen Gesetzgebung.
Ein Fragment aus dem Nachlass von F. Wieacker, (HdA X 3.1.2, München 2006)
Was ist antike Rechtsgeschichte und womit beschäftigt sie sich?
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Rechtsgeschichte
Wichtige Sammelwerke / Abkürzungen
• Cod. Iust.: Corpus Juris Civilis, Codex Iustinianus (Krueger 1900)
• Cod. Theod.: Codex Theodosianus
• FIRA: S. Riccobono / J. Baviera (Hrsgg.), Fontes iuris Romani anteiustiniani, 3 Bde., 21968
• FirBruns: K. G. Bruns / Th. Mommsen / O Gradewitz (Hrsgg.) Fontes iuris Romani antiqui 71909,
Ndr. 1969
• Mommsen, Staatsrecht: Th. Mommsen, Römisches Staatsrecht, 3 Bde., Bd. 1; 31887; Bd. 2f.:
1887f.
• Mommsen, Strafrecht: Th. Mommsen, Römisches Strafrecht, 1899, Ndr. 1955
• ZRG: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Romanistische Abteilung
Links
• Universität Bologna; Digitalisierte Version des Corpus Iuris Civilis
• Universität Glasgow; Informationen über das römische Recht; Projekte, Literatur, Materialien
• Codex Iustinianus
• Knappe Informationen zum römischen Recht; weiterführende Links
• Universität Grenoble; ?The Roman Law Library?
Wichtige Sammelwerke / Abkürzungen
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