Heureka 2016 Modul 1: Athen – Wie eine Stadt zu einer Grossstadt wurde Dr. Franziska Egli __________________________________________________________________________________________ ATHEN – WIE EINE STADT ZU EINER GROSSSTADT WURDE I II III IV V VI VII VIII IX X XI XII XIII I Begriffe Zeittafel 4 Stadtmythen Erste grosse Panathenäen 566/5 v. Chr. Explosionsartige Entwicklung „grossstädtischer“ Monumente Übersicht über die Herrscher im 6. Jh. v. Chr. Demokratische Verfassung Politische und kulturelle Orte der frühen Demokratie Perserkriege Perikles Parthenon Bibliographie Lernziele Begriffe Grossstadt Metropole Weltstadt ab 100'000 Einwohnern zentraler Ort mit grossem räumlichem Versorgungs-, Einzugs-, Zuständigkeits- oder Kontrollbereich wirtschaftlich oder kulturell internationale absolute Bedeutung in der Antike: Polis Bürgergemeinschaft, öffentliche städtische Orte, Siedlungskern mit Umland nicht über Territorium oder Einwohnerzahl definiert → WIE EINE LÄNDLICHE POLIS ZU EINER METROPOLE WURDE Thukydides 1.10 (Übersetzung G. Landmann) Denn wenn Sparta verödete und nur die Tempel und Grundmauern der Bauten blieben, würden gewiss die Späteren nach Verlauf langer Zeit voller Unglauben seine Macht im Vergleich zu seinem Ruhm bezweifeln – und doch haben die Spartaner vom Peloponnes zwei Fünftel zu eigen und sind die Vormacht des Ganzen und noch vieler Verbündeten ausserhalb; aber da sie nicht in einer Stadt beisammen wohnen und keine kostbaren Tempel und Bauten haben, sondern nach altgriechischem Brauch dorfweise siedeln, so könnte Sparta eher armselig wirken. Wenn es aber Athen ebenso ginge, so würde seine Macht nach der sichtbaren Erscheinung der Stadt doppelt so hoch geschätzt werden, als sie ist. 1 Heureka 2016 Modul 1: Athen – Wie eine Stadt zu einer Grossstadt wurde Dr. Franziska Egli __________________________________________________________________________________________ II Zeittafel 566/5 v. Chr. nach 560 546 514 510 508–490 Politische Ereignisse erste Panathenäen Tod Solons Peisistratos und seine Söhne Hippias und Hipparchos etablieren sich als Tyrannen Hipparchos von Harmodios und Aristogeiton ermordet Sturz der Tyrannis Kleisthenes Reformen 490 Sieg gegen die Perser bei Marathon unter Miltiades 480 Sieg der Perser bei den Thermopylen Eroberung der Akropolis Sieg des Themistokles gegen die Perserflotte bei Salamis Sieg gegen das persische Landheer bei Plataiai Gründung delisch-attischer Seebund 479 478 472 462/1 454 450 447–438 (432) 431–404 429 Moschophoros-Statue (lebensgross) in dieser Zeit: „Blaubarttempel“ erste Bauten auf späterer Agora Westrampe Akropolis erster Monumentalaltar für Athene Kolossaltempel für Zeus Olympios ca. 500: Pnyx erstes Dionysostheater Agora mit Bouleuterion (Rathaus) und Stoa des Archon Basileus neuer Tempel: Archaios Neos Bautätigkeit für älteren Parthenon (unvollendet) Älteres Propylon (unvollendet) Preisgabe der Akropolis, Zerstörung durch Perser → Begraben der Statuen: „Perserschutt“ Perser des Aischylos aufgeführt, Perikles als Chorege erster Sieg des Tragikers Sophokles Bau der Stoa poikile mit Schlachtbild von Marathon 468 466 Bauten, Kultur Sieg Kimons gegen die Perser in Kleinasien, totale Vernichtung Entmachtung des Areopags unter Ephialtes und Perikles (demokratische Kräfte) Ermordung des Ephialtes, Perikles übernimmt Führung Niederlage des Seebunds im Nildelta letzte Kampagne des Seebunds unter Kimon Schatz des Seebunds nach Athen Bau des Parthenons Peloponnesischer Krieg zwischen Athen und Sparta, Niederlage Athens Tod des Perikles durch Pest 2 Heureka 2016 Modul 1: Athen – Wie eine Stadt zu einer Grossstadt wurde Dr. Franziska Egli __________________________________________________________________________________________ III 4 Stadtmythen – Die Geburt Athenes aus dem Kopf des Zeus: Weisheit – Gigantomachie: Der Kampf der Götter gegen die Giganten (Riesen, Kinder Gaias): Götter siegen: Dominanz der olympischen Götter über Kosmos – Der Wettkampf zwischen Athene und Poseidon: Athene siegt mit Olivenbaum – Der Urkönig Erechthonios / Erechtheus, von Athene aufgezogen, installiert Xoanon (hölzernes Kultbild Athenes) auf Akropolis Übersicht über die wichtigsten Funktionen / Statuen Athenes auf der Akropolis: Xoanon (Olivenholzstatue, Athene Promachos: Athetragbar) der Athene Polias ne als Kämpferin in An(Schutzgottheit der Stadt): griffshaltung wichtigste religiöse Statue Kassandra sucht Schutz vor Aias in Troja beim hölzernen Xoanon Athenes (Palladion) Panathenäenvase Athene Parthenos: Gold-/ Elfenbeinstatue im Parthenon: Schatz kleine Nachbildung IV Erste grosse Panathenäen 566/5 v. Chr. – Prozession über die Panathenäenstrasse zur Akropolis: Teilnahme der ganzen Stadt – Peplos (Gewand): Übergabe an Athenepriesterin für Athene Polias (Stadtbeschützerin), Bekleidung des Xoanon – Grosses Opfer (Hekatombe) und Fest – Sport- und Musikwettkämpfe – Militärparade V Explosionsartige Entwicklung „grossstädtischer“ Monumente – erste lebensgrosse Marmorstatue (sog. Moschophoros) – erste Darstellung der Gigantomachie – Athene Nike Heiligtum – Westrampe – erster Monumentalaltar für Athene Polias – archaischer „Blaubarttempel“ – Massive Zunahme der Weihgaben: Korai (Frauenstatuen) 3 Heureka 2016 Modul 1: Athen – Wie eine Stadt zu einer Grossstadt wurde Dr. Franziska Egli __________________________________________________________________________________________ VI Übersicht über die Herrscher im 6. Jh. v. Chr. – 594 v. Chr. Solon: Schuldtilgung, Agrarreform, Verfassung → Timokratie – 546 v. Chr. Peisistratos: Tyrann – 527 v. Chr. Hippias (Sohn des Peisistratos): Tyrann – 514 v. Chr. Attentat: Harmodios und Aristogeiton töten Hipparchos, den Bruder des Hippias – 510 v. Chr. Hippias wird vertrieben, Ende der Tyrannis – 508 v. Chr. Kleisthenes: Reform: Demen, Territorialzonen, Phylen Die Stadt unter der Tyrannis: Thukydides 6.54 (Übersetzung G. Landmann) Wie er (Hipparchos) ja überhaupt in seiner Herrschaft die Menge nicht bedrückte und Ärgernis vermied; weit mehr als andere Tyrannen pflegten diese (Peisistratos und seine Söhne) Rechttun und Vernunft; sie erhoben von den Athenern nicht mehr als ein Zwanzigstel der Einkünfte, um damit ihre Stadt prächtig auszubauen, die Kriege zu bestreiten und an den Festtagen zu opfern. Im übrigen lebte die Stadt selbst nach den geltenden Gesetzen, nur sorgten sie dafür, dass immer einer von ihnen in den Jahresämtern war. VII Demokratische Verfassung VIII – – – – – Politische und kulturelle Orte der frühen Demokratie Dionysostheater Agora mit Stoa des Archon Basileus und Bouleuterion (Rathaus) Pnyx für Volksversammlungen Archaios neos: Tempel für Athene Polias Akropolis: Zunahme der Weihgeschenke auch von Nicht-Aristokraten 4 Heureka 2016 Modul 1: Athen – Wie eine Stadt zu einer Grossstadt wurde Dr. Franziska Egli __________________________________________________________________________________________ IX Perserkriege (Übersicht siehe Zeittafel S. 2) 1 Orakel der Pythia: (Herodot 7.141, Übersetzung nach T. Braun) „Pallas (Athene) gelingt es nicht, den olympischen Zeus zu erweichen, wie sie sich auch aufs Bitten verlegt und auf listige Künste. Dir aber gebe ich mein Wort und du kannst dich darauf verlassen: Jenes ganze Gebiet dort zwischen dem Felsen des Kekrops (Akropolis) und Kithairons göttlicher Schlucht (bei Theben, NW von Athen) wird dem Feind zur Beute. Unüberwindlich jedoch macht Zeus die hölzerne Mauer Tritogeneias (Athenes) allein zum Schutz für dich und die Deinen. Darum zieh dich zurück und erwarte den feindlichen Angriff jener Scharen zu Fuss und zu Ross nur nicht auf dem Lande. Wende den Rücken ihm zu, einst wirst du von vorn ihm begegnen. Göttliches Salamis du, du mordest die Kinder der Frauen, sei es, wenn man die Halmfrucht sät, sei’s wenn man sie einbringt.“ 2 Sturm der Akropolis (Herodot 8.53, Übersetzung nach T. Braun) Endlich aber bot sich den Barbaren dann doch ein Weg, ihren Zweck zu erreichen. Auch nach dem Orakel sollte ja in Attika auf dem Lande den Persern alles in die Hände fallen. Vorn an der Burg hinter dem Tor und dem Weg nach oben an einer Stelle, die unbewacht war, weil man glaubte, dass dort kein Mensch hinaufkommen könnte, beim Tempel der Aglauros, der Tochter des Kekrops, kletterten Leute hinauf, obgleich sie so steil war. Als die Athener sie hier oben auf der Burg erblickten, stürzten sich einige von der Mauer und kamen um, andere aber flüchteten sich in das Allerheiligste des Tempels. Die Perser aber, welche heraufgekommen waren, wandten sich zuerst zum Tor, und nachdem sie das geöffnet hatten, erschlugen sie die Flüchtlinge. Nachdem sie alle umgebracht hatten, plünderten sie den Tempel und steckten die ganze Burg in Brand. 3 Übersicht über die Folgejahre – Begraben der Statuen: „Perserschutt“, keine neuen Grossbauten auf Akropolis (Eid) – Rückzug Spartas, Athen allein an der Macht – Erweiterung der Grossen Panathenäen: Schiff auf Rädern mit grossem Peplos (Segel) – „Lange Mauern“ des Themistokles: Sicherung des Zugangs zum Meer – Staatenbündnis: Attisch-delischer Seebund, Leitung Athens, Sitz in Delos – Entwicklung von freiwilligem Staatenbund zu imperialistischem Machtinstrument Athens, Geld nach Athen verschoben – Ostrakismos (Verbannung) des Themistokles X Perikles – Stärkung der Demokratie: Entmachtung des Areopags, Erleichterung der Zulassung zu Ämtern – 15x in Folge Strategenamt – Unaufgeräumte Akropolis als Mahnmal, 30 Jahre lang nur kleine Reparaturen an Mauern und neue Statuen – Bronzeathene, riesig, schaut gegen Salamis – Bauprogramm des Perikles betrifft ganze Akropolis, hier nur Parthenon berücksichtigt → Kultur: Sieg über Perser prägt alles 5 Heureka 2016 Modul 1: Athen – Wie eine Stadt zu einer Grossstadt wurde Dr. Franziska Egli __________________________________________________________________________________________ Aischylos, Perser V. 230–289 Die persische Königin Atossa (Gattin des verstorbenen Dareios und Mutter des Xerxes) wird von Träumen geplagt und sorgt sich um das persische Heer und Xerxes, die schon lange abwesend sind. Der Chor rät ihr zu opfern, was sie tun will. Über Athen möchte sie mehr wissen: ATOSSA „Wo auf Erden, sagt man, liegt Athen?“ ___________________________________________________________________________ 6 Heureka 2016 Modul 1: Athen – Wie eine Stadt zu einer Grossstadt wurde Dr. Franziska Egli __________________________________________________________________________________________ Durchführung der Tragödienwettkämpfe Ort: Dionysostheater in Athen Vor dem Fest: – Archon wählt aus den Bewerbern drei Dichter und Choregen aus. – Chorege besetzt den Chor. – Chor und Chorege werden den Dichtern zugelost. – Phylen deponieren Namen der Wettkampfrichter in Hydrien (grossen Gefässen) auf Akropolis (10 Richter). Festablauf: – Proagon: Werbung für Stücke in der Stadt (quasi „Trailers“) – Pompe (Umzug): Dionysosstatue wird durch die Stadt zum Heiligtum an der Akropolis getragen – Auslosung der Preisrichter (Archon lost aus den 10 in den Hydrien 5 aus) – Dithyrambenwettkämpfe (Dithyrambos = Kultlied für Dionysos) – 3 Tage lang: pro Tag 3 Tragödien (Trilogie) und 1 Satyrspiel – 1 Tag: 5 Komödien – Siegerehrung Nach dem Fest: – Volksversammlung: Evaluation – event. Errichtung eines Siegesdenkmals durch den Choregen 7 Heureka 2016 Modul 1: Athen – Wie eine Stadt zu einer Grossstadt wurde Dr. Franziska Egli __________________________________________________________________________________________ XI Parthenon 447 Baubeginn, 438 Einweihung, Schlussarbeiten bis 432 v. Chr. 1 Bildprogramm 8 Heureka 2016 Modul 1: Athen – Wie eine Stadt zu einer Grossstadt wurde Dr. Franziska Egli __________________________________________________________________________________________ Metopen: Kampf der Zivilisation gegen „barbarische“ Mächte Athener – Amazonen Griechen – Trojaner Götter – Giganten Lapithen – Zentauren Giebel: mythologische Schlüsselszenen Geburt Athenes Wettstreit zwischen Athene und Poseidon Fries: Selbstdarstellung der Athenischen Bürger Panathenäenprozession mit Peplosübergabe als zentrale Szene 2 Dorische Tempel Kapitell: Abakus Echinus Anuli Metopen-Triglyphen-Fries Kapitell keineBasis! Kanneluren DorischeOrdnung 3 Funktion des Parthenons – keine Priesterin, kein Altar, keine kultischen Handlungen für Athene Parthenos – stattdessen Schatzhaus: Zentralbank Athens – Tempel ist Weihgabe der Demokratie an Athene – Symbol für Macht und Stärke des athenischen Volkes 9 Heureka 2016 Modul 1: Athen – Wie eine Stadt zu einer Grossstadt wurde Dr. Franziska Egli __________________________________________________________________________________________ 4 Thukydides 2.41: Rede des Perikles für die Gefallenen (Übersetzung nach G. Landmann) Zusammenfassend sage ich, dass unsere ganze Stadt die Bildungsstätte für Griechenland sei, und im Bezug auf jeden Einzelnen, dass, wie mich dünkt, derselbe Mensch bei uns wohl auf vielfältigste Art und Weise, mit Anstand und am flexibelsten sich unabhängig halten kann. Dass dies nicht Prunk mit Worten für den Augenblick ist, sondern die Wahrheit der Dinge, das zeigt gerade die Macht unseres Staates, die wir mit diesen Eigenschaften erworben haben. Unsere Stadt ist die einzige heute, die stärker als ihr Ruf in eine Auseinandersetzung geht; nur sie erregt im Feind, der angegriffen hat, keine Bitterkeit – was für ein Gegner ihm so übel mitspiele – und auch im Untertan keine Unzufriedenheit, dass er keinen würdigen Herrn hätte. Und mit sichtbaren Zeichen üben wir wahrlich keine unbezeugte Macht, den Heutigen und den Künftigen zur Bewunderung, und brauchen keinen Homer mehr als Sänger unseres Lobes, noch wer sonst mit schönen Worten für den Augenblick entzückt – in der Wirklichkeit hält dann aber der Schein der Wahrheit nicht stand –, sondern zu jedem Meer und Land erzwangen wir uns durch unseren Wagemut den Zugang, und überall leben mit unseren Gründungen Denkmäler unserer Erfolge und Misserfolge auf alle Zeit. Bedeutung der Bildung in Athen Jeder kann sich nach seinen Talenten verschieden verwirklichen: Freiheit des Einzelnen, Flexibilität und Intelligenz als athenische Charakteristika Anstand: Zivilisation, kein Barbarentum daraus resultiert die Macht Athens Baudenkmäler! XII Bibliographie Eleftheratu S. (Hg.), acropolis museum. guide, Athens 2014. Hurwit J.M., The Athenian Acropolis. History, mythology, and archeology from the neolithic era to the present, Cambridge 1999. Jenkins I., Die Parthenonskulpturen im Britischen Museum, Darmstadt 2008. Zimmer F., Eule J.C., Maischberger M. (Hgg.), Die griechische Klassik. Idee oder Wirklichkeit, Mainz 2002. XIII Lernziele Modul 1 Die Studierenden können die Entwicklung der Akropolis von den ersten grossen Panathenäen im Jahr 566/5 v. Chr. bis zur Mitte des 5. Jh. v. Chr. in den Grundzügen beschreiben. Sie kennen die wichtigsten historischen Ereignisse, die diese 100 Jahre prägten, und ihre Relevanz für die Entwicklung Athens zur Grossstadt (Solon, Tyrannis des Peisistratos und seiner Söhne, Reformen des Kleisthenes, Perserkriege, demokratische Verfassung unter Perikles). Die Studierenden können anhand des Bildprogramms des Parthenons, den kulturellen Einrichtungen (Dionysostheater, Tragödienaufführungen) und den politisch wichtigen Orten der Demokratie (Agora, Pnyx) zeigen, wie Athen im 5. Jh. als Metropole auftritt. 10