DEUTSCHES ÄRZTEBLATT ÜBERSICHTSAUFSATZ Soorösophagitis: ein häufiges Krankheitsbild — selten diagnostiziert Volker F. Eckardt, Gerd Kanzler und Dieter Willems Gastroenterologische Fachpraxis, Wiesbaden K einesfalls stellen invasive Candida-Infektionen der Speiseröhre eine gastroenterologische Rarität dar, sondern können bei entsprechender Sensitivität des Untersuchers bei 4 bis 8 Prozent aller „Routine-Endoskopien" nachgewiesen werden (1, 2). Obwohl viele dieser Patienten eine verminderte Abwehrlage im Rahmen von Systemerkrankungen aufweisen oder mit Antibiotika und lmmunsuppressiva behandelt werden (Tabelle 1), finden sich Soormykosen der Speiseröhre auch bei sonst gesunden Personen (2-4). Das Krankheitsbild kann völlig asymptomatisch verlaufen oder mit schwerwiegenden Symptomen einhergeben. Am häufigsten werden dabei Dysphagie und Odynophagie (Schmerzen beim Schluckakt) beschrieben. Gelegentlich sind retrosternale Schmerzen, die in den Rücken ausstrahlen, das quälendste und einzige Symptom. Tabelle 1: Faktoren, die die Entstehung einer Soorösophagitis begünstigen Ösophaguserkrankungen Refluxösophagitis Ösophaguskarzinom Achalasie Malignome Leukämie Malignes Lymphom Endokrinologische Erkrankungen Diabetes mellitus Hypothyreose Hypoparathyreoidismus Nebennierenrindeninsuffizienz Nierenversagen AIDS Medikamente Breitspektrum-Antibiotika lmmunsuppressiva Die Soorösophagitis ist kein seltenes Krankheitsbild. Gelegentlich wird sie als Zufallsbefund bei Routineendoskopien entdeckt. Bei der Sicherung der Diagnose ist immer eine konsequente antimykotische Therapie erforderlich, da längerdauernde Erkrankungen zu schwerwiegenden Komplikationen führen können. ösophagitis ist ein aufgerauhtes, zottiges Schleimhautrelief (Abbildung 2), das den gesamten Ösophagus oder nur einzelne Ösophagusregionen betreffen kann (5, 6). Hervorgerufen wird es durch die für das Krankheitsbild charakteristischen Pseudomembranen, die der erodierten und exulzerierten Ösophagusmukosa anhaften. In fortgeschrittenen Stadien entwickeln sich entzündliche Strikturen, die in den meisten Fällen meist im distalen Ösophagus, gelegentlich aber auch isoliert in proximalen Abschnitten zu finden sind (7). Bei der fluoroskopischen Untersuchung können Motilitätsstörungen unterschiedlichen Ausmaßes beobachtet werden. Sie sind jedoch wenig spezifisch und können ebenso wie die übrigen röntgenologischen Kriterien selbst bei schwerster und ausgedehntester Erkrankung vollständig abwesend sein. Untersuchungsbefund Endoskopie und Biopsie sehr wahrscheinlich angesehen Eine invasive Candida-Infektion des oberen Gastrointestinaltrakwerden. Die Abwesenheit dieser tes kann sich bereits in der MundVeränderungen schließt aber die höhle manifestieren. In diesem Diagnose keinesfalls aus, da sich Fall finden sich weißliche Pseudoein Mundhöhleninfekt nur bei einer Minderheit der betroffenen membranen und Plaques, die an Patienten finden läßt. der Zunge, dem weichen Gaumen und der Wangenschleimhaut anhaften (Abbildung 1). Ist ein derarRöntgenologische Befunde tiger Befund bei Patienten, die über retrosternale Schmerzen Das bisher am häufigsten beund Schluckbeschwerden klagen, schriebene radiologische Kriterinachweisbar, dann kann das Vorliegen einer Soorösophagitis als - um für die Diagnose einer Soor330 (60) Heft 6 vom 5. Februar 1986 83. Jahrgang Ausgabe A Während die Inspektion der Mundhöhle und die röntgenologische Untersuchung des oberen Gastrointestinaltraktes eine Soorösophagitis nur vermuten lassen, erlauben Endoskopie und Biopsie eine Sicherung der Diagnose. Den charakteristischsten Befund stellen dabei weißlich-gelbliche Beläge dar, die eine erodierte und bereits bei geringster Berührung blutende Mukosa bedecken (Abbildung 3). DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Soorösophagitis Abbildung 1: Soorinfektion der Mundhöhle. Der Befund ist durch weißlich-gelbliche Beläge, die an der Zunge anhaften, gekennzeichnet Es muß allerdings darauf hingewiesen werden, daß diese Veränderungen für die Soorösophagitis nicht spezifisch sind und lediglich Ausdruck der Schwere der entzündlichen Veränderungen sein können. Aus diesem Grunde muß in jedem Verdachtsfall eine Diagnosesicherung durch Biopsie oder Bürstenabstriche erfolgen. Der sicherste Nachweis einer invasiven Candida-Infektion des Ösophagus gelingt durch eine Perjodsäu re-Leu kofuchsin-Färbung oder durch Silbernitratfärbungen von mindestens zwei Schleimhautbiopsien. In der leicht durchzuführenden PerjodsäureLeukofuchsin-Färbung-Färbung (PAS) sind die Myzelien als rote Fäden oder Stäbchen zu erkennen (Abbildung 4). Da die Pilzfäden gelegentlich aber durch die Formalinfixation zerstört werden, empfiehlt es sich, gleichzeitig mit der Biopsie Gramfärbungen von Bürstenabstrichen durchzuführen. Bei dieser Methode lassen sich die Myzelien durch ihre intensive grampositive Färbung erkennen (Abbildung 5). Im Gegensatz zur Biopsie beweist aber die Bürstenzytologie nur die Anwesenheit von Myzelien, nicht aber eine invasive Infektion, so daß dieser Befund nur im Zusammenhang mit histologisch erwiesener Entzündung die Diagnose einer invasiven Soorösophagitis untermauert. Abbildung 2: Röntgenbild bei einem Patienten mit Soorösophagitis. Die Pseudomembranen treten als Doppelkontur mit unregelmäßig begrenzter Oberfläche in Erscheinung Abbildung 3: Endoskopischer Aspekt einer Soorösophagitis. In diesem Fall ist der gesamte Ösophagus von weißlich-gelblichen Pseudomembranen, die erodierte Schleimhaut bedecken, ausgekleidet Kulturen und serologische Untersuchungen Kulturen und serologische Tests sind in der Diagnostik einer Soorösophagitis von untergeordneter Bedeutung. Obwohl Kulturen eine Differenzierung einzelner Spezies (C. albicans, C. tropicalis und C. krusei) und eine antibiotische Sensitivitätsbestimmung erlauben, können sie nicht zwischen harmlosen Bewohnern der Mukosa und invasiven Erregern unter- scheiden. Ähnliches gilt für die serologische Bestimmung von Agglutinintitern. Da auch völlig Gesunde Titerhöhen über 1:160 aufweisen können, ist durch ihre Bestimmung keine zuverlässige Aussage über das Vorhandensein eines akuten und invasiven Infektes möglich. Therapie Das Vorhandensein einer Soorösophagitis sollte immer an das Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 6 vom 5. Februar 1986 (61) 331 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Soorösophagitis Abbildung 4: Schleimhautbiopsie bei Soorösophagitis. In der Perjodsäure-Leukofuchsin-Färbung (PAS) lassen sich die Myzelien als rote Fäden und Stäbchen erkennen Vorliegen einer systemischen oder konsumierenden Erkrankung denken lassen und bei ihrem Nachweis zu entsprechenden therapeutischen Konsequenzen führen. Da auch die Verabreichung von Breitbandantibiotika und lmmunsuppressiva für die Entstehung dieser Infektion verantwortlich sein kann, ist ein Absetzen dieser Medikamente zu erwägen. Gleichzeitig muß aber auch eine antimykotische Therapie eingeleitet werden, die am besten in einer zehntägigen Verabreichung von Abbildung 5: Bürstenabstrich von der Ösophagusmukosa bei einem Patienten mit Soorösophagitis. In der Gramfärbung sind die Myzelien als dunkelblaue Fäden erkennbar (4) Sheft, D. J.; Shrago, G.: Esophageal monoliasis. The spectrum of the disease. JAMA 213 (1970) 1859-1862 — (5) Mathieson, R.; Dutta, S. K.: Candida esophagitis. Dig. Dis. Sci. 28 (1983) 365-370 — (6) Ginsburg, C. H.; Braden, G. L.; Tauber, A. 1.; Trier, J. S.: Oral clotrimazol in the treatment of esophageal candidiasis. Am. J. Med. 71 (1981) 891-895 — (7) Ag ha, F. P.: Candidiasis-induced esophageal strictures. Gastrointest. Rad iol. 9 (1984) 283-286 — (8) Fazio, R. A.; Wickremesinghe, P. C.; Arsura, E. L.: Ketoconazole treatment of candida esophagitis — a prospective study of 12 cases. Am. J. Gastroenterol. 78 (1983) 261-265. Nystatin Suspension (zum Beispiel 250 000 E Moronal® sechsmal täglich) besteht. In schweren Fällen oder bei Nichtansprechen auf die Nystatin-Therapie kommt die Gabe von Ketoconazol (Nizoral®) in einer Dosis von 200 Milligramm täglich für die Dauer von zwei Wochen in Betracht (8). Literatur (1) Scott, B. B.; Jenkins, D.: Gastro-oesophageal candidiasis. Gut 23 (1982) 137-139 — (2) Kodsi, B. E.; Wickremesinghe, P. C.; Kozinn, P. J.; Iswara, K.; Goldberg, P. K.: Candida esophagitis. A prospective study of 27 cases. Gastroenterology 71 (1976) 715-719 — (3) Sherlock, P.; Goldstein, M. J.; Eras, P.: Esophageal monoliasis. Mod. Treat 7 (1970) 1250-1260 — Anschrift der Verfasser: Prof. Dr. med. Volker F. Eckardt Dr. med. Gerd Kanzler und Dr. med. Dieter Willems Dotzheimer Straße 14-18 6200 Wiesbaden intragastrische pH analysiert. Magaidrat und Aluminium-Magnesium-Hydroxid erwiesen sich als gleich wirksam. Tabletten und Gel waren bezüglich pH-Aktivität im Nüchternzustand wirksamer als postprandial. Tabletten hatten postprandial keinen meßbaren Effekt auf das Magen-pH und erwiesen sich der Gel-Form als unterlegen. 2. Die geprüften Antazidatabletten sind nur nüchtern wirksam, während die flüssigen Formen postprandial auch noch eine leichte Anhebung des pH-Wertes bewirken. FÜR SIE GELESEN Antazida-Gel oder Tabletten? Antazida sind kostengünstige und wirksame Ulkustherapeutika. Obwohl schon seit Jahrzehnten im Gebrauch, wird immer noch kontrovers diskutiert, ob sie in Tablettenform die gleiche Säurebindungskapazität aufweisen wie in flüssiger Form. In einer randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie wurde deshalb bei neun gesunden Probanden der Effekt von zwei AluminiumMagnesium-Antazida je in flüssiger und tablettierter Form auf das nüchterne und das postprandiale 332 Die Autoren kommen in ihrer Doppelblindstudie zu folgenden Schlußfolgerungen: 1. Antazida sind bezüglich pH vor dem Essen wirksamer als eine Stunde danach. (62) Heft 6 vom 5. Februar 1986 83. Jahrgang Ausgabe A . 3. Die gegenwärtige Praxis, Antazida in konventioneller Dosierung eine Stunde postprandial zu verordnen, muß in Frage gestellt werden. Schulthess, H. K.; Häcki, W. H.: Antazida-Gel oder Tabletten. Eine placebokontrollierte, randomisierte Doppelblindstudie. Schweiz. med. Wschr. 115 61985) 1016-1019 Abteilung für Gastroenterologie der Medizinischen Klinik, Universitätsspital Zürich, CH-8091 Zürich