Fragenkatalog/Leitfragen zu Prostatakrebs für medizinische Laien in PK-Selbsthilfegruppen Welche Daten brauche ich für meine Überlegungen und bei Gesprächen zur Wahl der für mich richtigen Therapie? Grundlegende Daten: Alter, ggf. Alter der Partnerin (wichtig hinsichtlich der Erwartungen bzgl. der sexuellen Lebensqualität) Miktionsbeschwerden (Blasenentleerung): Nykturie (nächtliches Wasserlassen wie oft) Harnstrahlabschwächung: ja – nein Restharnmenge: Menge in ml Größe/Volumen der Prostata in ml (wird bei Ultraschalluntersuchung gemessen) PSA in ng/ml Gut wäre es, wenn eventuell noch die nachfolgenden weiteren Informationen zur Verfügung stehen würden: Frühere PSA-Werte (Datum und PSA-Wert, um die zeitliche Entwicklung des Tumors besser einschätzen zu können) Zeitintervall der PSA-Wert-Bestimmungen und Anstiegsgeschwindigkeit (um wie viel ng/ml stiegt der PSA-Wert zwischen der vorletzten und der aktuellen Messung an?) fPSA (freies PSA) absolut und in Prozent Wurde Komplexiertes PSA (cPSA) gemessen oder konventionell? Komorbidität (welche anderen Krankheiten sind vorhanden, z.B. Bluthochdruck, Alterszucker....) internistische Befunde dazu Welche Medikamente werden regelmäßig eingenommen? TRUS (transrektaler Ultraschall) MRT (transrektal) eventuell (Computertomogramm) Besonders wichtig: Ergebnis der Biopsie Welche Anzahl von Stanzen enthielten Tumorzellen? Wieviel Prozent Krebs ist in der/n „Stanze/n“ enthalten? Wieviel Prozent in der größten betroffenen Probe? Gleasonscore, bestehend aus Gleason-Wert 1 und Gleason-Wert 2 (z.B. Gleason: 4+3=7 oder 3+4=7 oder 3+3=6) Ergebnis der Zweitbegutachtung (Der Gleason-Score ist so überaus wichtig, dass er deshalb in einer Zweitbeurteilung überprüft werden sollte) Ist der Krebs noch lokal (auf das Organ begrenzt)? Ist das Neurovaskuläre Bündel (NVB) vom Krebs betroffen? Ist der Krebs bereits extrakapsulär? Die Datenlage nach erfolgter Biopsie (BEISPIEL!!!!) könnte dann so aussehen: - 66 Jahre, 20 Jahre jüngere Partnerin - Hypertonus medikamentös eingestellt, mittlere Adipositas BMI 31 - seit ca. 5 Jahren Miktionsbeschwerden, Nykturie 2x - Restharnmenge etwa 40 bis 70 ml - Tastbefund unauffällig - PSA 9,5 ng/ml - TRUS und PE: Prostatavolumen 35 ml, 3 von 8 Stanzen positiv, nur rechts, Gleason 4+3 (neuerdings auch wie viel Prozent des Stanzzylinders bei der Biopsie Tumorgewebe enthielt z.B. 35 Prozent) Jetzt wird zu überlegen sein, welche weiteren Untersuchungen erforderlich werden könnten wie Knochenszintigramm CT MRT (frühestens 3 Wochen nach Biopsie wg. Bluteinlagerungen in der Prostata) USPIO AUG/Ausscheidungsurogramm Sono Nieren eventuell Zweitbegutachtung (Absicherung) des Biopsiebefundes Mittels der Partintabelle wird ermittelt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit einer Organüberschreitung des Tumors sein kann, falls die Biopsie dieses nicht schon hat erkennen lassen. Bitte beachten: Wenn der Tumor auf das Organ beschränkt ist (noch in der Prostata), bestehen i.d.R. gute Prognosen und Heilungsaussichten. Wenn der Tumor die Prostatakapsel bereits durchbrochen hat und in das umliegende Gewebe z.B. in die Samenblasen wächst handelt es sich um ein fortgeschrittenes Stadium mit nur noch bedingten Heilungsaussichten. Wenn der Tumor bereits Tochtergeschwülste gebildet hat, die sich in anderen Organen festgesetzt haben, ist eine Heilung nicht mehr möglich. Und jetzt erst beginnen die Überlegungen, welche Therapie in Frage kommt oder welche noch möglich ist. Im Vordergrund sollte nicht stehen: Was geht noch? sondern Wovon profitiere ich am ehesten, am meisten? Die Entscheidung, welche Therapie gewählt wird, ist dabei nicht die Aufgabe des Arztes. Der Arzt hat eine aufklärende und beratende Funktion. Der Patient selbst muss sich für SEINE Therapie entscheiden. Das ist zugegeben eine schwierige, eine sehr schwierige Aufgabe. Anhand der Diagnosedaten über eine maligne Erkrankung (KREBS!) muss er sich folgerichtig mit dieser, SEINER, Tumorerkrankung auseinandersetzen. Hilfestellungen geben hier unsere Prostatakrebs-Selbsthilfegruppen, engagiert und manchmal auch kritisch bzgl. der vorherigen Aufklärung durch den Arzt. (Teil)Auswahl an Therapiemöglichkeiten. Bitte beim Lesen bedenken: Es gibt keine All-round-Therapie und es gibt bisher keine Liste über alle derzeit möglichen Therapien (ist mir zumindest nicht bekannt): Radikale Prostatektomie (RP), derzeit die Standardtherapie in Deutschland, offen als Bauchschnitt oder Dammschnitt oder minimal-invasiv laparoskopisch (SchlüssellochChirurgie), Nicht-Nerv-erhaltend oder Nerv-erhaltend Externe Strahlentherapie, Bestrahlung der Prostata von aussen (z.B. 3D-Mehrfeld),dabei wird gesundes und krankes Gewebe bestrahlt LDR-Brachytherapie (interstitiell), dauerhafte radioaktive Strahler in der Prostata, geringere Nebenwirkungen an den umliegenden Organen HDR-Brachytherapie (afterloading), radioaktive Strahlen zeitweise in der Prostata Brachytherapie kombiniert mit externer Strahlentherapie (EBRT=external-bodyradiotherapy) antihormonelle Therapie mit dem Ziel, die Testosteronbildung und T-Wirkung zu unterdrücken; kann auch im Anschluß an eine REP oder Strahlentherapie erfolgen. Die Hormontherapie kann intermittierend durchgeführt werden (ein neueres Konzept) oder die dreifache Hormonblockade (DHB) nach Dr. Leibowitz, USA, Hormonbehandlungen verursachen Belastung durch Nebenwirkungen Chemotherapie, spielt als alleinige Therapie eine eher geringe Rolle, und wenn, dann als sogenannten „niedrigdosierte Chemotherapie“ weil Chemotherapeutika vor allem bei Zellen wirksam sind, die sich schnell teilen. Das ist beim PK nicht oder nur selten der Fall. PK wächst langsam. Zu beobachten ist aufgrund neuerer Medikamente eine Zunahme von Kombinationstherapien „Hormontherapie+Chemotherapie“ Es gibt auch neue Überlegungen, wiederum aufgrund neuerer Medikamente, hinsichtlich adjuvanter Chemotherapie. Wait and See (kontrolliertes Abwarten) andere in Erprobung befindliche Therapien (experimentell) wie Hyperthermie (HIFU, d.h. hoch-intensiver-fokussierter-Ultraschall tötet Krebszellen durch Überwärmen ab) oder Kryotherapie (Abtöten von Krebszellen durch Vereisung), Galvanotherapie (ECT – heilen mit elektrischem Strom) als Beispiele ergänzende Therapien zur Stärkung des Immunsystems wie Mistel-, Enzym-, usw. Die Therapie von onkologischen Patienten mit Mistelextrakten galt in den Vereinigten Staaten bislang (Stand 2003) als exotische Übung europäischer Ärzte (Meinung ändert sich derzeit)) Dabei ist nicht nur in den USA das Spektrum ergänzender Therapien weit: Von Haifischknorpel über extreme Diätformen, Vitamine, Soja bis zu volksmedizinischen Einflüssen indianischer, afrikanischer, asiatischer oder südamerikanischer Traditionen reicht der Strauß an Behandlungsangeboten, die häufig mehr als dubios scheinen oder gar sind. Problem ist, dass viele pflanzliche Arzneimittel bei Bezug aus dem Ausland aufgrund dort fehlender Kontrollinstanzen nicht ausreichend auf ihre herstellerische Qualität und ihre arzneiliche Wirksamkeit hin überprüft sind. Aussenseiter-Therapien/-methoden, die manchmal nicht ausreichend genug auf ihre Wirksamkeit hin geprüft sind und/oder als nicht wissenschaftlich abgesichert gelten Das System der Aussenseiter basiert auf folgendem: Patient: „Ich habe Krebs. Gibt es irgendetwas, was ich n o c h tun sollte??“ Die meisten Patienten wollen das wissen, weil sie haben Operationen, Chemo- oder Strahlentherapie hinter sich und fühlen tief drinnen, dass es da vielleicht „mehr“ gibt. Aber die Verunsicherung ist in der Regel groß. Januar 2005 Wolfhard D. Frost