129 Multipler Sulfatasedefekt Eine seltene autosomal-rezessive lysosomale Speicherkrankheit mit der klinisch variablen Symptomatik von 8 differenten Krankheitsbildern mit Sulfatasedefekt. Hauptauffälligkeiten 1. Im Vordergrund steht die Symptomenkombination der metachromatischen Leukodystrophie mit den Mukopolysaccharidosen: rasche neurologische Verschlechterung, milde Spastik bis Tetraplegie, Optikusatrophie, beginnende Schwerhörigkeit im späten Säuglingsalter, Entwicklungsverzögerung. – Unvollständige Ellenbogenstreckung, Makrozephalie, verbreiterte große Hirnventrikel bis zum Hydrozephalus, faziale Dysmorphie, Nabelhernien. 2. Skelett: Große breite Daumen und Großzehen. Radiologisch Dysostosis multiplex und Chondrodysplasia punctata nachweisbar. 3. Haut: Ichthyosis. Hirsutismus. Gingivahypertrophie. 4. Labor: Verstärkte Ausscheidung von Mukopolysachariden und Sulfatiden im Urin. Fehlender Nachweis von Arylsulfatase A, B und C. Erhöhter Liquorproteingehalt. Abnorme Leukozytengranulation. Verlauf, Prognose Klinisch im Vordergrund steht das Bild einer späten infantilen metachromatischen Leukodystrophie: Entwicklungsverzögerung bereits in der ersten Hälfte des 1. Lebensjahres. Bald darauf neurologischer Abbau. Ernährungsprobleme bis zur gastrischen Sonde im 3. Lebensjahr. Entwicklung apnoischer Zustände mit wiederholten stationären Intensivmaßnahmen. Krämpfe. Optikusatrophie. Gangstörungen. Generalisierte Ichthyosis. Kornealtrübung möglich. Tod im 4. Lebensjahr. Ältester Patient 9½ Jahre bei Publikation. Differenzialdiagnose 8 bekannte lysosomale Speicherkrankheiten mit isoliertem Sulfatasemangel: MPS II (125) – MPS IIIA (126) – MPS IIIB (126) – MPS IV (127) – MPS VI (128) – Chondrodysplasia punctata, X-gebunden-rezessiv (324) – X-gebundene Ichthyosis – Metachromatische Leukodystrophie. RubinsteinTaybi-Syndrom (31). Therapie Ergänzende Befunde Ernährungsprobleme von Anfang an. Aspirationspneumonien. Krämpfe. Hämophagozytotisches Syndrom. Manifestation Im ersten Lebenshalbjahr. Ätiologie Autosomal-rezessive Vererbung. Genlocus: 3p26. Mutationen im SUMF1-Gen. 23 differente Mutationen. Symptomatische Kriseninterventionen. Entwicklung gentherapeutischer Langzeitstrategien. Zu den Abbildungen Abb. 1–3: 5 Wochen alt, weiblich, fazial dysmorph: Hypertelorismus, flache breite Nasenwurzel, Epicanthus medialis beidseitig, lange Wimpern, schmale Lippen, Helixdysplasie, mit fleischigen Lobulae; kurzer Hals, gedrungener Thorax, Streckhemmung der Kniegelenke, Hüftdysplasie beidseitig. Literatur Pathogenese Eine klinische Symptomenkombination von 8 unterschiedlichen Krankheitsbildern mit Sulfatasedefekt (s. Differenzialdiagnose). MIM-Nummer Häufigkeit 272200. Befunde von weniger als 30 Patienten publiziert. Prävalenz: Kleiner als 1 auf 1 000 000 Geburten. 360 Mancini GMS et al. Pitfalls in the diagnosis of multiple sulfatase deficiency. Neuropediatrics 2000; 32: 38–40. – Diez-Roux G, Ballabio A. Sulfatases and human disease. Annu Rev Genomics Hum Genet 2005; 6: 355–79. – Díaz-Font A et al. Clinical and mutational characterization of three patients with multiple sulfatase deficiency: report of a new splicing mutation. Mol Genet Metab 2005; 86: 206–11. – Santos RP, Hoo JJ. Difficulty in recognizing multiple sulfatase deficiency in an infant. Pediatrics 2006; 117: 955–8. – Zafeiriou DI et al. Serial magnetic resonance imaging and neurophysiological studies in multiple sulphatase deficiency. Eur J Paediatr Neurol 2008; 12: 190–4. Tafel 129 Multipler Sulfatasedefekt 1 2 3 361