Skript Neuropathologie MSG

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Institut für Neuropathologie
Script Modellstudiengang Humanmedizin Block Wachstum und Differenzierung
SoSe 2006
Liebe Studierende,
im vorliegenden Script werden die Fälle in einer kurzen und schematischen Form vorgestellt,
die mit dem Kursleiter und den weiteren Lehrenden für den Neuropathologie-Anteil
ausgewählt wurden. Die Techniken und Färbungen sind Ihnen bereits aus den vorherigen
MSG-Blöcken bekannt. Der Fall 3 (Muskeldystrophie Typ DUCHENNE) wird nur kurz
demonstriert, weil die Präparate hierzu bereits im MSG Block Bewegungsapparat ausführlich
besprochen worden sind.
Wir werden diese Fälle vor Kursbeginn verteilen, und danach wieder einsammeln müssen.
Zum Kurs sehen wir uns wie im Stundenplan vorgesehen am Mittwoch morgen in der
Uniklinik, Erdgeschoß, Flur 42, Räume K15-18.
Viel Spaß bei der Vorbereitung!
Mit freundlichen Grüßen,
Bernd Sellhaus, Neuropathologie Aachen
Liste der histologischen Kurspräparate
1. Medulloblastom (WHO-Grad IV)
2. Pilocytisches Astrocytom (WHO-Grad I)
3. Muskeldystrophie Typ DUCHENNE
4. Juve nile Glykogenose Typ II (Saure-Maltase-Mangel)
5. Juvenile Metachromatische Leukodystrophie
6. Riesenaxonneuropathie
1. MEDULLOBLASTOM (WHO-GRAD IV)
Kurspräparat Nr. 36: Primärtumor. Paraffinschnitt, Färbung: HE (Fall E13965/80)
und
Kurspräparat Nr. 37: Metastase (bei der selben Patientin) Paraffinschnitt, Färbung:
HE (N70/81)
Definition: Maligner, invasiv wachsender zerebellär lokalisierter neuroepithelialer
Tumor unreifer, medulloblastenähnlicher Zellen. Bevorzugte Manifestation im
Kindesalter, häufige Metastasierung auf dem Liquorweg.
Pathogenese: Medulloblastome werden zu den "primitiven", hochmalignen
neuroektodermalen Tumoren ("PNET") gerechnet. Umweltfaktoren, die die
Erkrankung begünstigen, konnten bisher nicht gesichert werden. Experimentell
können derartige Tumoren bei Hamstern oder Ratten perinatal durch intrazerebrale
Injektion von JC-Virus bzw. SV40-Viren induziert werden. Bei menschlichen PNET
sind diese Viren hingegen nicht gehäuft zu finden. Dagegen sind Medulloblatome
und auch andere PNET bei familiären Tumor-Erkrankungen beschrieben worden.
Dazu rechnen z. B. Fälle mit Verlust des Tumorsuppressorgens TP53 durch
Keimbahnmutationen (Li-Fraumeni-Syndrom).
Klinik: Medulloblastome gehören bei Kindern zu den häufigsten Tumoren. Die
meisten Tumoren manifestieren sich vor dem 16. Lebensjahr. Die Lokalisation
besteht zumeist im Kleinhirnwurmbereich, seltener in den Kleinhirnhemisphären. Die
Tumoren können in den vierten Ventrikel hineinragen. Prognostisch hat sich die
Überlebenszeit in den letzten Jahren durch postoperative kraniospinale Bestrahlung
und Chemotherapie von einem Jahr auf 5 (55 - 90 %) - 10 Jahre (40 - 21 %) und
länger erhöht. Allerdings haben nur 27 % der Kinder nach der Behandlung keine
neurologischen Ausfälle.
Kursfall: 17-jähriges Mädchen mit Hirndrucksymptomatik (Kopfschmerzen,
Erbrechen). Operative Entfernung eines Tumores im Bereich des IV. Ventrikels.
Anschließende Bestrahlung (Herddosis: 50 Gy). Ein Jahr später klagte sie über
zunehmende Schmerzen und Paresen in beiden Beinen; es entwickelte sich ein
Querschnittssyndrom mit Blaseninkontinenz. Jetzt fand sich ein pflaumengroßer
Tumor im Lumbosakralraum vorwiegend epidural. Er konnte operativ nicht vollständig
entfernt werden und mußte daher mit hohen Dosen Methotrexat behandelt werden.
Anschließend blieb die Patientin, abgesehen von leichten Paresen, relativ
beschwerdefrei.
Mikroskopisch:
Nr. 36: Teils alveolär, teils solide wachsender Tumor mit zahlreichen frischen und
älteren Blutungen. Die Tumorzellen sind undifferenziert mit "rübenförmigen" Kernen.
Mitosen finden sich vereinzelt. Die Kern-Plasma-Relation ist zugunsten der Kerne
verschoben. Vereinzelt sieht man Pseudorosetten (=Tumorzellgruppen um ein
"imaginäres" Zentrum). Am Rand ist regressiv verändertes Kleinhirngewebe sichtbar.
Nr. 37: Zellreiche, undifferenzierte Metastase des oben beschriebenen Tumors.
Ausgedehnte frische Nekrosen und Zeichen älterer Blutungen (braunes
Hämosiderinpigment) kommen vor.
2. PILOZYTISCHES ASTROZYTOM (WHO-GRAD I)
Kurspräparat Nr. 50
Paraffinschnitt, Färbung: HE (N 5822/85)
Definition: Zumeist umschriebene, nur langsam wachsende oft zystisch aufgebaute
astrozytäre Geschwulst. Der Tumor tritt zumeist bei Kindern und jungen
Erwachsenen auf.
Pathogenese: Begünstigende Umweltfaktoren sind nicht bekannt. Mutationen im
Tumorsuppressorgen TP53 spielen wahrscheinlich keine Rolle. Bei der
Neurofibromatose Typ 1 (NF 1) tritt der Tumor gehäuft auf.
Klinik: Lange Anamnese, in der Regel kein Rezidiv nach Op. Nur ausnahmsweise
können die Tumoren entarten. Lokalisation: jeweils in den Mittellinienstrukturen,
bevorzugt im Kleinhirn, aber auch im Großhirn, Rückenmark und im Tractus und
Fasciculus opticus.
Kursfall: 19-jähriger Patient mit zerebellärer Symptomatik (Ataxie)
Makroskopisch: unscharf begrenzter, grau-rötlicher, weicher Tumor
Mikroskopisch: Tumorinfiltriertes Kleinhirn mit Meningen. Länglich-ovale Tumorzellen
mit schmalen oder breiteren Zytoplasmafortsätzen. Die verbreiterten Zellfortsätze
bilden oft wurmförmige, seltener abgerundete, plumpe, eosinophile Gebilde:
ROSENTHALsche Fasern, die aus dicht gelagerten (intermediären) Gliafilamenten
und amorphen (aB Crystallin-enthaltenden) Substanzen bestehen. Kleine
Pseudozysten, Blutungen unterschiedlichen Alters. Bezirke mit zahlreichen, z. T.
ektatischen Gefäßen und mit hyalinisierten Gefäßwänden.
3. MUSKELDYSTROPHIE Typ DUCHENNE
Kurspräparat Nr. 27
Semidünnschnitt: Paraphenylendiamin (SG 1/82)
Definition: Genetisch determinierte Erkrankung mit progressivem, primär myogenem
Muskelschwund
Pathogenese: X-chromosomal rezessiver Erbgang. Die Mutation (Deletion) liegt
innerhalb des größten bekannten Gens des Menschen, des Dystrophin-Gens, auf
dem kurzen Arm des X-Chromosoms (xp 2.1); sowohl bei der Muskeldystrophie vom
Typ DUCHENNE als auch bei der milderen Muskeldystrophie vom Typ BECKER.
Klinik: Häufigkeit: 1:4.000. Nach der zystischen Fibrose häufigste Erbkrankheit mit
progredientem malignen Verlauf im Kindesalter. Krankheitsbeginn im 3. - 7.
Lebensjahr. Beginnend im Beckengürtel, später auf Schultergürtel und andere
Muskeln übergreifend. Tod bis zum 20. Lebensjahr infolge pulmonaler oder kardialer
Komplikationen. Hypotonie der Muskulatur. Kinder stützen sich beim Aufrichten an
den eigenen Beinen ab (GOWERS-Zeichen). Hyperlordose, Creatinkinase (CK) im
Serum
erhöht.
EMG-Veränderungen
und
evtl.
pathologisches
EKG.
Pseudohypertrophie der Waden, Scapulae alatae, Paresen. Verminderte Intelligenz
(IQ durchschnittlich 85).
Biochemie: Bei DUCHENNE-Fällen, die schon im Alter von etwa 11 Jahren an den
Rollstuhl gebunden sind, ist Dystrophin in einer Menge von weniger als 3 % vom
Normalwert
nachweisbar,
bei
schwerer
BECKER-Dystrophie
mit
Rollstuhlabhängigkeit im Alter von 13 - 20 Jahren 3 % - 10 % Dystrophin und bei
mäßiggradig ausgeprägten bis milden Fällen (Rollstuhlabhängigkeit jenseits des 20.
Lebensjahres) 20 % Dystrophin oder mehr. Bei BECKER-Dystrophie hä ufiger
abnorme Größe des Dystrophins.
Kursfall: Im Alter von 18 Jahren verstorbener Patient, seit sieben Jahren erkrankt mit
typischer Symptomatik (siehe oben)
Makroskopisch: Präparat aus dem M. gastrocnemius, etwas heller als normal.
Mikroskopisch: Muskelfaserkaliber 10 - 80 µm (normal: 40 - 60 µm), also
Faseratrophie und -hypertrophie. Akut nekrotische, hyaline Muskelfasern, z. T.
herdförmig gehäuft, und regenerierende Fasern mit zentralständigen Kernen.
Myophagien mit Ansammlungen von Makrophagen und Satellitenzellen an der Stelle
degenerierter Muskelfasern. Deutliche Vermehrung des interstitiellen Bindegewebes.
4. JUVENILE GLYKOGENOSE TYP II (Saure-Maltase-Mangel)
Kurspräparate
Nr. 25 (Färbung: PAS) und
Nr. 39 (Semidünnschnitt: Paraphenylendiamin)
(Fall B 121-6, -2, -12)
Definition und Pathogenese:
Glykogenosen (Typ I – VII) sind seltene, autosomal-rezessiv erbliche, lysosomale
Stoffwechselkrankheiten aufgrund eines mehr oder weniger stark ausgeprägten
Enzymdefektes, im vorliegenden Fall eines Mangels an saurer Maltase (vgl. infantiler
Typ des Saure-Maltase-Mangels = POMPEsche Krankheit).
Klinik:
Die klinische Symptomatik ist abhängig vom Schweregrad des Enzymmangels.
-Schwere Form:
Generalisiert, befällt außer der Skelettmuskulatur auch Leber, Herz, Nieren und in
erheblich geringerem Maße das periphere und zentrale Nervensystem.
-Leichte Form:
Muskelhypotonie und -schwäche bevorzugt der proximalen Muskeln.
Mikroskopisch:
Quergeschnittene, glykogengefüllte, PAS-positive, nach präparativ bedingter
Extraktion des Glykogens evtl. vakuolisierte, teilweise atrophische, teilweise
hypertrophische Muskelfasern. Das Glykogen liegt teils diffus (homogen), teils
membrangebunden (in sog. autophagischen Vakuolen, die von Lysosomen
abstammen) im Sarkoplasma. (Das Präparat ist von frischen, exzisionstraumatisch
bedingten Hämorrhagien durchsetzt.) Nach der Paraphenylendiaminfärbung
erscheinen die Glykogenablagerungen als osmiophile, d. h. schillerndbraunschwarze, oder blaß-graue, relativ homogene Ablagerungen zwischen den
Myofibrillen und subsarkolemmal.
5. JUVENILE METACHROMATISCHE LEUKODYSTROPHIE
Kurspräparat Nr. 8
Färbung: Toluidinblau (Fall N 6913-14 und N 53304)
Definition:
Die metachromatische Leukodystrophie ist eine seltene angeborene, autosomal
rezessiv erbliche Stoffwechselkrankheit, die auf einem Mangel an Arylsulfatase
beruht und zur Schädigung der weißen Substanz („Leukodystrophie“) des ZNS sowie
der SCHWANN-Zellen und Markscheiden des peripheren Nervensystems führt.
Pathogenese:
Die
metachromatische
Leukodystrophie
gilt
als
Musterbeispiel
einer
Entmarkungskrankheit (Häufigkeit: 1 auf 4000 Geburten). Erkrankt sind die
Markscheiden sowohl der peripheren Nerven als auch des ZNS. Der ArylsulfataseMangel führt dabei zur pathologischen Speicherung von Cerebrosidsulfat in den
Myelin-bildenden Zellen des ZNS und PNS und zu deren Schädigung.
Klinik:
Die neurologischen Symptome setzen während der Markreifung, also im Säuglingsoder im frühen Kindesalter, ein. Die Kinder bleiben in Ihrer geistigen und motorischen
Entwicklung stehen. Danach bildet sich eine typische Trias aus:
-doppelseitige spastische Lähmung,
-doppelseitige Optikusatrophie mit Blindheit sowie
-Demenz.
Des weiteren Befall peripherer Nerven mit periodisch auftretenden heftigen
Schmerzen. Die Prognose ist infaust. In der Regel führt die Krankheit innerhalb
weniger Jahre (gelegentlich aber bis zu ca. 17 Jahren) zum Tode.
Kursfall:
10-jähriges Mädchen mit zunehmenden psychischen und motorischen
Entwicklungsstörungen (u.a. Ga ngstörungen und Störungen der Augenmotilität,
Nystagmus).
Makroskopisch:
Unauffälliger N. suralis
Mikroskopisch:
Histopathologisch ist die Krankheit durch eine Anhäufung granulären
Speichermateriales charakterisiert, das sich aufgrund des Enzymdefektes nicht
abbauen läßt und mit basischen Anilinfarbstoffen, die blau sind, bräunlich-rötlich färbt
("Metachromasie"). Im Zytoplasma zahlreicher SCHWANNscher Zellen ist nach der
Toluidinblau-Färbung ein (statt bläulich) metachromatisch bräunlich-rötlich gefärbtes
Material abgelagert. Neben normal strukturierten Nervenfasern finden sich einzelne
hypomyelinisierte bzw. disproportioniert in Relation zum Axonkaliber zu dünn
myelinisierte Fasern mit relativ großen Axonen. Perivaskulär kommen Makrophagen
mit metachromatischen Substanzen vor. Elektronenmikroskopisch kann man
gelegentlich die pathognostischen Speicherkörper sowie sog. Tuffsteinkörper im
Zytoplasma der SCHWANNschen Zellen und Makrophagen nachweisen.
Gespeichert werden Sulfatester der Cerebroside. Es resultiert eine progressive
segmentale Demyelinisation mit späterer sekundärer Degeneration von Axonen. Die
Nervenzellen selbst speichern nur wenig Cerebrosidsulfat.
6. RIESENAXONNEUROPATHIE
Kurspräparat Nr. 56
Semidünnschnitt: Toluidinblau
Definition: Durch Neurofilamentanhäufungen in Axonen und durch Vermehrungen
intermediärer Filamente auch in anderen Körperzellen gekennzeichnete seltene
Krankheit.
Pathogenese: Die Riesenaxonneuropathie wird autosomal-rezessiv vererbt. Das
verantwortliche Gen wurde auf Chromosom 16q24 lokalisiert. Es liegt ein Defekt vor
in der Organisation von Intermediärfilamenten, insbesondere der Quervernetzung der
Neurofilamente untereinander und mit Mikrotubuli.
Klinik: Die seltene Erkrankung wurde chronische-langsam fortschreitende periphere
Neuropathie mit zusätzlicher zentraler Beteiligung beschrieben. Zu den zentralen
Störungen gehören eine Optikusatrophie, abnorme Augenbewegungen, Nystagmus
und Pyramidenzeichen. Weiterhin charakteristisch ist eine Beteiligung der Haare.
Diese sind oft verfilzte und gewunden.
Kursfall: Ein Mädchen im Alter von knapp 5 Jahren wurde zur Abklärung einer
Muskelschwäche stationär aufgenommen. Der Befund ergab neben einer
Muskelschwäche eine Areflexie ein Nystagmus und eine leichte Lernbehinderung.
Die Patientin hatte „gekräuseltes“ Haar.
Makroskopisch: Unauffälliger N. suralis
Mikroskopisch: In der Biopsie des N. suralis finden sich neben normal großen
Axonen einzelne enorm vergrößerte Axone, die der Erkrankung ihren Namen gaben.
Die Auftreibungen lassen sich elektronenmikroskopisch auf massenhaft vermehrte,
dicht liegende Neurofilamente zurückführen. Die Markscheiden sind sekundär
verändert. Im Endoneurium kommen auffällige Fibroblasten vor, und es besteht ein
endoneurales Ödem.
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