Matthias Birnstiel Modul Sinnesorgane Medizinisch wissenschaftlicher Lehrgang CHRISANA Wissenschaftliche Lehrmittel, Medien, Aus- und Weiterbildung Inhaltsverzeichnis des Moduls Sinnesorgane • Geschmacksorgan • Geschmacksknospen • Geschmacksempfindung • Die Geschmacksqualitäten • Geruchsorgan • Riechschleimhaut • Statoakustischer Apparat • Äusseres Ohr • Mittelohr • Innenohr • Vestibuläres System • Gesichtssinn • Topographie des Auges • Augenhäute • Optische Medien • Hilfseinrichtungen des Auges • Bindehaut • Tränenapparat • Physiologie des Sehens • Bildentstehung auf der Netzhaut • Anpassungsvorgänge in der Netzhaut • Das nervale System des Auges / Sehbahn Auszug aus dem Modul Sinnesorgan Mittelohr Der Raum zwischen dem Trommelfell und dem Innenohr wird Mittelohr bzw. Paukenhöhle (Cavitas tympanica) genannt und ist ein Raum von etwa 2- 5 mm Breite und 5- 15 mm Höhe. In ihm befinden sich die drei Ohrknöchelchen (Abb. 11): • Hammer (Malleus); mit der Mitte des Trommelfells verwachsen, • Amboss (Incus), • Steigbügel (Stapes). Die Gehörknöchelchen übertragen den Schall mechanisch vom Trommelfell zum Innenohr. Mittelohr und Innenohr sind durch Öffnungen (Fenestrae) verbunden: • ovales Fenster1 (Fenestra ovalis; Abb. 815 und 1316 ), • rundes Fenster2 (Fenestra choleae) Der Steigbügel überträgt den Schall auf das ovale Fenster. Zwischen Mittelohr und Rachenraum besteht eine Verbindung: die Ohrtrompete (Eustachische Röhre3 oder Tuba auditoria; Abb. 813 ). Sie stellt den Druckausgleich auf beiden Seiten des Trommelfells her (Ohrtrompete öffnet sich beim Schlucken). Bei fehlendem Druckausgleich kommt es zu einem unangenehmen Gefühl und Ab1 Ambosskörper nehmen der 2 Amboss (Incus) Hörfähigkeit. 1 3 Steigbügel (Stapes) 4 Steigbügelköpfchen Der fehlende 9 (Caput stapedis) 2 Druckausgleich 5 linsenförmiger Fortsatz 6 Hammer (Malleus) ist häufig durch 8 3 7 Hammergriff eine Schleim4 6 (Manubrium mallei) hautschwellung 8 Hammerhals 5 9 Hammerkopf 7 des Rachens und/oder der Eustachische Tube (Tubenkatarrh4) verursacht. Ein Druckausgleich ist dann oft durch Schlucken oder Druckerhöhung im Rachen (Nase zuhalten und pressen) möglich. Bei raschen Druckdifferenzen im Flugzeug kann man den Druckausgleich durch Schlucken beschleunigen (Die Stewardess hilft mit Bonbons). 1Als Fenestra ovalis oder ovales Fenster bezeichnet man die in etwa ovale Öffnung in der dem Labyrinth zugewandten Wand der Paukenhöhle. Durch die Schwingungen der Fußplatte in der Fenestra ovalis werden die auf das Trommelfell autreffenden Schallwellen in das Innenohr weitergeleitet und dabei fast 30mal verstärkt. 2Das Fenestra cochleae oder runde Fenster ist eine kleine, runde, mit einer Schleimhautmembran verschlossene Knochenöffnung, die das Mittelohr mit dem Innenohr verbindet. Das rundes Fenster dient dem Schwingungsausgleich. Die Energie der hier aus dem Innenohr einlaufenden Schallwellen wird an das Mittelohr abgegeben 3Die Estachsche Röhre oder Tuba auditiva ist eine etwa 30 bis 35 mm lange Röhre, über die die Paukenhöhle (Cavum tympani) des Mittelohrs mit dem Nasenrachenraum verbunden ist. Sie verläuft von ihrer Einmündung im Mesotympanon schräg nach vorne und unten zum Nasenrachenraum und ist mit respiratorischem Epithel (Flimmerepithel) ausgekleidet. 4Der Tubenmittelohrkatarrh ist eine Funktionsstörung der Ohrtrompete (Tuba auditiva), die zu einem Verschluss derselben führt. Der Tubenmittelohrkatarrh führt zu einer serösen oder mukösen Ergussbildung in der Paukenhöhle (Seromukotympanon). Das Trommelfell bleibt in den meisten Fällen intakt, es bestehen also keine Infektionszeichen. Abb. 11: Gehörknöchelchen Bildquelle: Taschenatlas der Anatomie, Sinnesorgane, Thieme Verlag, 2003 Anmerkung Das knöcherne Dach der Paukenhöhle und der Boden können sehr dünn sein, so dass bei einer Mittelohreiterung die Infektion durchtreten kann. Durch das Dach kann die Infektion auf Hirnhaut und Gehirn übergreifen (Hirnhautentzündung) oder durch den Boden auf die innere Jugularisvene (Jugularisthrombose). Tränenapparat Über dem seitlichen Lidwinkel liegt die Tränendrüse5 (Glandula lacrimalis; Abb. 271 ). Die Absonderung von Tränenflüssigkeit erfolgt unter dem Einfluss des Parasympathikus. Der Sympathikus hemmt die Tränensekretion. Die zahlreichen kleinen Ausführungsgänge sondern die Tränenflüssigkeit ab, welche die Vorderflächen des Augapfels ständig feucht hält. Durch den Lidschlag wird die Tränenflüssigkeit über der Hornhaut verteilt. Die Tränenflüssigkeit sammelt sich im inneren Augenwinkel an den Innenflächen beider Lider. Dort befinden sich zwei kleine Öffnungen, die Tränenpünktchen6 (Punctum lacrimale; Abb. 276 ), die in die Tränenkanälchen7 (Canaliculus lacrimalis; Abb. 277 ) führen. Diese zuerst auf- bzw. absteigend, biegen annähernd rechtwinklig um, vereinigen sich und münden in den Tränensack8 (Saccus lacrimalis; Abb. 278 ), von dem der Tränennasengang9 (Ductus nasolacrimalis; Abb. 279 ) in den unteren Nasengang führt. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Tränendrüse Pars orbitalis der Tränendrüse Pars palpebralis der Tränendrüse Oberlidheber derbe Bindegewebsplatte 1 des oberen Augenlides 11 kleine Öffnung Tränenkanälchen Tränensack Tränennasengang derbe Bindegewebsplatte des unteren Augenlides (Tarsus inferior) 11 Seitliches Augenlidband Abb. 27: Tränen- und Schutzapparat des Auges 2 3 4 5 7 6 8 10 9 5Die Tränendrüse (Glandula lacrimalis) ist ein Teil des Tränenapparats (Apparatus lacrimalis) und produziert die Tränenflüssigkeit 6 Die beiden am inneren Augenwinkel gelegenen Tränenpünktchen sind die als kleine dunkle Einziehungen erkennbaren Einmündungsstellen des oberen und unteren Tränenkanälchens 7 Die beiden Tränenkanälchen sind ein Teil des Tränenapparats (Apparatus lacrimalis). Sie stellen den Beginn der ableitenden Tränenwege dar, die als physiologischer Abfluss für die Tränenflüssigkeit aus dem Auge dienen 8Der Tränensack (Saccus lacrimalis) ist Teil des Tränenapparats (Apparatus lacrimalis), der zu den ableitenden Tränenwegen gehört und der Zwischenspeicherung der Tränenflüssigkeit dient. Die in der Alltagssprache als „Tränensäcke“ bezeichnete Schwellung im Bereich des Unterlids hat mit dem eigentlichen Tränensack nichts zu tun. Diese kosmetischen «Tränensäcke» entstehen durch eine Lidschwellung (Ödem) oder eine Erschlaffung des Bindegewebes im Bereich des Unterlids. 9Der Tränennasengang (Ductus nasolacrimalis) ist ein Teil des Tränenapparats und gehört zu den ableitenden Tränenwegen. Der Tränennasengang hat eine Länge von 20-25 mm und verbindet den Tränensack mit dem unteren Nasengang. Seine Aufgabe ist die Ableitung der Tränenflüssigkeit in die Nase. Der Tränennasengang liegt im Canalis nasolacrimalis und mündet unterhalb der unteren Nasenmuschel über die Hasner-Klappe in die Nasenhaupthöhle. Bildentstehung auf der Netzhaut Die Lichtstrahlen durchdringen die Hornhaut und treten dann in die vordere Augenkammer ein. Sie ist bekanntlich mit einer klaren Flüssigkeit, dem Kammerwasser 10(Humor aquosus), gefüllt. Das Licht passiert nun die von der Regenbogenhaut gebildete Pupille. Nach Durchtritt durch die Pupillenöffnung (Abb. 291 ) fällt das Licht auf die Linse (Abb. 292 ). Anschliessend durchdringt der Lichtstrahl die zähflüssige Substanz des Glaskörpers und trifft auf die Netzhautauskleidung des Auges (Abb. 293), in der die lichtempfindlichen Rezeptoren (Abb. 295,6 ) liegen. 4 Lederhaut Aderhaut Glaskörper 1. Neuron 3 5 Siehe auch Abb. 30 6 Bildquelle: Eigenes Bild Information 7 Weg des Lichtes Pupillenöffnung Linse Netzhautauskleidung Pigmentepithel Zapfen Stäbchen Axone der retinalen Ganglienzellen Information 1 2 3 4 5 6 7 3. Neuron 2. Neuron Weg des Lichtes Glaskörper Schnitt durch das Auge und Ausschnittsvergrösserung der Netzhaut. Netzhaut 2 1 Abb. 29: 1. Neuron (Photorezeptoren) 2. Neuron (Bipolarzellen) 3. Neuron (retinal Ganglienzelle) Interpretation der Abb 29: Schnitt durch das Auge und Ausschnittsvergrösserung der Netzhaut. Lichtmuster erreichen durch die brechenden Medien des vorderen Abschnittes und durch den Glaskörper die Netzhaut (links). Im Ausschnitt (Mitte) ist die Lage der Netzhaut vor der Aderhaut und Lederhaut schematisch dargestellt. Rechts ist ein Schnitt durch die typische Wirbeltiernetzhaut gezeigt. Der Bildentwurf auf der Netzhaut erfolgt durch die Brechungseigenschaften von Hornhaut, Kammerwasser, Linse und Glaskörper. Diese Strukturen werden daher als dioptrischer Apparat zusammengefasst. Seine Funktion entspricht derjenigen des Linsensystems bei einerm Fotoapparat. Das durch den dioptrischen Apparat erzeugte Bild auf der Netzhaut ist verkleinert und steht auf dem Kopf (siehe auch unter 5.2.2). 10 Kammerwasser ist die von den Epithelzellen des Corpus ciliare sezernierte seröse Flüssigkeit im Bereich der Augenkammern. Über sie werden die bradytrophen Gewebe des Auges (Kornea, Linse, etc.) versorgt. Das Kammerwasser wird über die Venen des Schlemm-Kanals (Sinus venosus sclerae), welcher sich im Angulus iridocornealis befindet wieder aus den Augenkammern abgeleitet.