Eosinophilie bei Tropenrückkehrern und Migranten

Werbung
MEDIZIN
ÜBERSICHTSARBEIT
Eosinophilie bei Tropenrückkehrern
und Migranten
Stephan Ehrhardt, Gerd D. Burchard
ZUSAMMENFASSUNG
Einleitung: Eine Eosinophilie bei Tropenrückkehrern wird
häufig durch Wurminfektionen ausgelöst. Sie entsteht vor
allem bei der Gewebswanderung invasiver Larven.
Methode: Übersicht auf der Basis einer Auswertung selektiv recherchierter Literatur in Medline mit den Suchbegriffen „eosinophilia“ und „helminth“
Ergebnisse: Abhängig von der geografischen Anamnese
und der Nahrungsmittelanamnese sind bestimmte Wurminfektionen wahrscheinlicher als andere. Die Autoren empfehlen daher gezielte Untersuchungsprogramme für den
praktisch tätigen Arzt, die sich im Wesentlichen an Leitsymptomen, aber auch an geografischen sowie nahrungsspezifischen Gegebenheiten orientieren. Aufwendige technische Untersuchungen sind nur in Ausnahmefällen angezeigt.
Diskussion: Obgleich die Eosinophilie ohne weitere anamnestische Angaben nur einen geringen positiven prädiktiven Wert für eine Wurminfektion hat, ist sie bei Neuauftreten nach einem Aufenthalt in den Tropen ein deutlicher
Hinweis auf eine Helminthose.
Dtsch Arztebl 2008; 105(46): 801–7
DOI: 10.3238/arztebl.2008.0801
Schlüsselwörter: Eosinophilie, Wurminfektion, Auslandsreise, Migration, Differenzialdiagnose
Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, Hamburg: Dr. med. Ehrhardt
Sektion Infektiologie und Bernhard-Nocht-Klinik für Tropenmedizin,
I. Medizinische Klinik, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg:
Prof. Dr. med. Burchard
⏐ Jg. 105⏐
⏐ Heft 46⏐
⏐ 14. November 2008
Deutsches Ärzteblatt⏐
ie Ursachen einer Eosinophilie sind vielfältig.
Sie umfassen beispielsweise allergische Erkrankungen, Hauterkrankungen, maligne Erkrankungen oder auch die Einnahme von Medikamenten (1).
Folglich ist bei der Abklärung einer Eosinophilie
auch an nicht parasitäre Ursachen zu denken. Bei
einer neu aufgetretenen Eosinophilie nach einem Aufenthalt in den Tropen ist jedoch eine Wurminfektion
(Helminthose) die wahrscheinlichste Ursache. Bis zu
5 % der asymptomatischen Tropenrückkehrer haben
eine abklärungsbedürftige Eosinophilie, zwischen
14 und 48 % der Tropenrückkehrer mit Eosinophilie
leiden unter einer behandlungsbedürftigen Parasitose
(2–6). Bei Immigranten mit Eosinophilie wurden,
abhängig von deren Herkunft, in bis zu 77 % der Fälle
Helminthen gesichert (7, 8). Andererseits sind die
Sensitivität und Spezifität einer Eosinophilie zur Diagnose einer Helminthose niedrig und der positive
prädiktive Wert betrug in manchen Studien lediglich
etwa 10 % (4).
Irrtümlicherweise wird in der Praxis oft ein erhöhter prozentualer Anteil eosinophiler Granulozyten im
Differenzialblutbild als „Eosinophilie“ bezeichnet.
Entscheidend ist aber vielmehr die Zahl eosinophiler
Granulozyten pro μL Blut. Bei gesunden Menschen
sind durchschnittlich weniger als 450 Eosinophile pro
μL Blut vorhanden. Je nach Tageszeit kann dieser
Wert bis zu 40 % in Abhängigkeit vom Kortisolspiegel variieren (9). Auch das Alter des Patienten, der
körperliche Trainingszustand sowie Umweltfaktoren
(insbesondere Allergenexposition) beeinflussen die
Zahl der Eosinophilen im peripheren Blut. Das Ausmaß einer Eosinophilie kann in folgende Kategorien
eingeteilt werden:
leichte Eosinophilie: bis 1 500/μL
mäßige bis starke Eosinophilie > 1 500/μL (nach
[10], modifiziert).
Ein weiterer hilfreicher Laborparameter ist das Gesamt-IgE. Eine Erhöhung der IgE-Konzentration tritt
bei verschiedenen Wurmerkrankungen auf. Es bestehen zwar wechselseitige pathophysiologische Beziehungen zwischen dem IgE und der Eosinophilie, jedoch nur eine geringe Korrelation (11).
Bisher existieren keine Leitlinien zur Abklärung einer Eosinophilie durch den Hausarzt. Ärzte fragen
häufig tropenmedizinische Institute um Rat. Die Autoren empfehlen im Folgenden strukturierte Untersuchungsprogramme, die sich an der geografischen
D
801
MEDIZIN
Abbildung 1:
Subkonjunktivale
Lokalisation
von Loa loa
Anamnese und an Leitsymptomen orientieren. Sie basieren auf epidemiologischen Daten zu importierten
Erkrankungen (12–20), insbesondere auf Surveillance-Daten aus dem GeoSentinel Netzwerk (21–23).
Ökonomisches Vorgehen und eine möglichst geringe
Belastung für den Patienten zählten ebenfalls zu den
Zielen bei der Entwicklung dieser Programme. Die
Autoren schlagen Untersuchungsprogramme für den
„Generalisten“ vor, nicht etwa für den Spezialisten,
bei dem detailliertes Wissen um Übertragungswege
und Manifestationsformen auch sehr seltener tropischer Infektionserkrankungen vorausgesetzt wird. Im
Zweifel muss ein Tropenmediziner eingeschaltet werden, der über Spezialwissen zu Prävalenzen und klinischen Manifestationen seltener tropischer Erkrankungen verfügt.
Die wichtigsten Helminthosen sind – inklusive Klinik, Diagnostik und Therapie – in der eTabelle zusammengestellt.
Systematische Evidenzrecherche
Diagnostik und Behandlung von Tropenerkrankungen
sollte evidenzbasiert sein. Allerdings gibt es zu vielen
tropenmedizinischen Fragestellungen keine ausreichend kontrollierten Studien. Liegen Untersuchungen
vor, so sind diese oft in Entwicklungsländern durch-
geführt worden und im Ergebnis nicht auf Deutschland übertragbar. Zudem werden viele parasitäre Erkrankungen selten in Industrienationen importiert, sodass ausreichende Fallzahlen nicht zustande kommen.
Folglich ist es schwierig, Methoden zur Interpretation
und Bewertung der Evidenzstärke anzugeben. Auch
die Publikationen der Cochrane Collaboration sind
kaum hilfreich. Denn ihre Arbeiten decken aus oben
genannten Gründen nur kleine Teilbereiche der Tropenmedizin ab und die Fragestellungen sind in der
Regel auf Entwicklungsländer zugeschnitten. Es verwundert somit nicht, dass es international kaum
Leitlinien gibt. Auch in Deutschland existieren keine Leitlinien zur Abklärung einer Eosinophilie bei
Tropenrückkehrern und Migranten. Die vorliegende
Arbeit beruht demnach auf Expertenmeinung und wurde
im informellen Konsens erarbeitet. Recherchiert wurde anhand der Datenbank Medline mittels der Suchbegriffe „eosinophilia“ und „helminth“ für den Zeitraum
1983 bis 2008.
Diagnostische Strategien
Da Infektionen durch Helminthen ernste gesundheitliche Schäden nach sich ziehen können und eine Eosinophilie auch Hinweis auf verschiedene maligne
Krankheiten sein kann, ist eine rasche und effiziente
Abklärung unerlässlich. Während die Behandlung
von Wurmerkrankungen in den meisten Fällen einfach, kostengünstig und sicher ist, ist eine unstrukturierte Abklärung einer Eosinophilie oft zeitintensiv,
teuer und belastend für den Patienten. Bei negativen
Testergebnissen und fortgesetztem Verdacht auf Helminthose sollte man einen Tropenmediziner hinzuziehen.
Anamnese
Die geografische Anamnese ist besonders wichtig. Einige Helminthen kommen weltweit vor, andere nur in
umschriebenen geografischen Gebieten. Loa loa (Abbildung 1) findet man beispielsweise nur in Zentralund Westafrika, Spulwürmer sind dagegen auf der
ganzen Welt verbreitet. Bei Reisenden, die aus Gegenden mit Bilharziose zurückkehren, muss der Kontakt
TABELLE 1
Durch Nahrungsmittel übertragene Helminthen (e20–e22)
802
Nahrungsmittel
Erreger
Fisch, wenn roh oder ungenügend erhitzt
Anisakis und Pseudoterranova, Clonorchis sinensis, Opisthorchis,
Diphyllobothrium latum
Schweinefleisch
Taenia solium
Rindfleisch
Taenia saginata
Wasserkresse, Wasserspinat u. a.
Fasciola
Schalen- und Krustentiere
Paragonimus
Fisch, Frösche, Schlangen, Haustiere mit Fisch gefüttert
Gnathostoma
Schwein, Wildschwein, Bär, Pferd, Walross u. a.
Trichinella
⏐ Jg. 105⏐
⏐ Heft 46⏐
⏐ 14. November 2008
Deutsches Ärzteblatt⏐
MEDIZIN
TABELLE 2
Abklärung einer asymptomatischen Eosinophilie
Eosinophile pro µl Blut
Empfohlenes Screeningprogramm
Besonderheiten
1 500
3 × Stuhluntersuchung auf Wurmeier,
wenn negativ: Strongyloides- und SchistosomenAntikörper im Serum (wenn Patient aus Bilharziosegebiet;
siehe Kasten 1)
bei negativen Ergebnissen:
Kontrolle nach 3 Monaten
> 1 500
3 × Stuhluntersuchung auf Wurmeier
1 × Stuhluntersuchung nach Baermann auf
Strongyloides-stercoralis-Larven
Strongyloides-, Schistosomen- (wenn Patient aus
Bilharziosegebiet; siehe Kasten 1),
Fasciola- (wenn Patient nicht aus Bilharziosegebiet)
und Zystizerken-Antikörper im Serum
EKG, Röntgen-Thorax, Abdomensonografie
wenn Patient aus Afrika südlich der Sahara:
zusätzlich Filarien-Antikörper im Serum
bei negativen Ergebnissen:
Überweisung an Tropenmediziner
zu natürlichen Süßgewässern gesondert abgefragt werden. Außerdem kann eine Nahrungsmittelanamnese
wertvolle Hinweise auf die Art einer Wurminfektion
geben. So werden Leberegel meist durch den Verzehr
von Wasserpflanzen wie Wasserkresse übertragen,
Lungenegel durch Süßwasserkrabben und der Heringswurm durch rohen Seefisch (Tabelle 1).
Abbildung 2:
Larven von
Strongyloides
stercoralis im
Dünndarm
Labordiagnostik
Neben der Quantifizierung der Eosinophilie im Differenzialblutbild stehen der direkte Parasitennachweis
sowie die Immundiagnostik im Vordergrund. Wünschenswert ist der direkte Nachweis von adulten Würmern, Larven im Blut oder Wurmeiern im Stuhl. Denn
dies ist ein eindeutiges Ergebnis und bedarf nicht der
Interpretation, wie zum Beispiel bei immundiagnostischen Verfahren. Bei Infektionen mit adulten Würmern oder mit Wurmlarven, die im Gewebe lokalisiert
sind, ist ein Direktnachweis jedoch oft nicht möglich.
Es ist dann notwendig auf die Antikörperdiagnostik
zurückzugreifen. Dabei muss man beachten, dass
Kreuzreaktionen innerhalb der drei Gruppen der
Bandwürmer (Zestoden), Rundwürmer (Nematoden)
und Saugwürmer (Trematoden) häufig sind. Bei Migranten und Reisenden, die sich oft in tropischen Gebieten aufhalten, ist die Möglichkeit einer Seronarbe
in Betracht zu ziehen. Molekularbiologische Techniken, insbesondere die Polymerasekettenreaktion
(PCR), werden künftig die Diagnostik von Tropenerkrankungen vereinfachen und die Spezifität erhöhen.
So wird derzeit eine PCR zum Nachweis einer Bilharziose entwickelt.
Asymptomatische Eosinophilie
KASTEN 1
Übersicht über Bilharziosegebiete*
In folgenden Regionen der Erde ist die Bilharziose
endemisch:
Afrika, östliches Brasilien, Venezuela, Jemen,
Saudi-Arabien, Oman, Irak, Syrien, Iran, China, Laos,
Kambodscha, Philippinen, Sulawesi
*seltener auch in anderen Ländern (e2, e23)
Abbildung 3:
Computertomografie. Läsionen der
Leber bei Infektion
mit Leberegeln (Fasciola hepatica)
Tritt eine asymptomatische Eosinophilie nach einer
Tropenreise neu auf, sollte man zunächst parasitäre
Erkrankungen ausschließen, selbst wenn der Patient
allergisch veranlagt ist. In Tabelle 2 ist dazu ein strukturiertes Untersuchungsprogramm gezeigt. Danach
empfiehlt sich, zunächst den Stuhl dreimal auf Wurmeier zu untersuchen, und zwar an drei aufeinanderfolgenden Tagen. Wenn die Überprüfung des Stuhls ne⏐ Jg. 105⏐
⏐ Heft 46⏐
⏐ 14. November 2008
Deutsches Ärzteblatt⏐
803
MEDIZIN
TABELLE 3
Abklärung einer Eosinophilie mit Fieber
Herkunft
(vergl. Kasten 1)
Empfohlenes Screeningprogramm
Besonderheiten
aus Bilharziosegebiet
3 × Stuhluntersuchung auf Wurmeier
Schistosomen-Antikörper im Serum
EKG, Röntgen-Thorax, Abdomensonografie
wenn negativ: Untersuchungen wie bei Eosinophilie
und Fieber nicht aus Bilharziosegebiet (s. u.)
bei akuter Bilharziose (Katayama-Syndrom)
evtl. noch keine Eier im Stuhl oder Urin,
ggf. erneute Diagnostik nach 4 Wochen
bei negativen Ergebnissen:
Überweisung an Tropenmediziner
nicht aus Bilharziosegebiet
3 × Stuhluntersuchung auf Wurmeier
1 × Stuhluntersuchung nach Baermann auf
Strongyloides-stercoralis-Larven
Strongyloides-, Trichinella-, Toxocara- und FasciolaAntikörper im Serum
EKG, Röntgen-Thorax, Abdomensonografie
bei negativen Ergebnissen:
Überweisung an Tropenmediziner
gativ ausfällt, sollten Untersuchungen auf Strongyloides stercoralis veranlasst werden. Dieser Zwergfadenwurm kommt weltweit in warmen Ländern vor (e1).
Die Larven schlüpfen in der Regel schon im Darm, daher sind die Eier in der normalen Stuhluntersuchung
nicht nachweisbar (Abbildung 2). Der Ausschluss einer Strongyloidiasis ist wichtig, weil es durch interne
und durch externe Autoinfektion zu einer chronisch
persistierenden Erkrankung kommen kann. Zudem ist
es möglich, dass sich bei Immunsuppression ein bedrohliches Hyperinfektionssyndrom ausbildet. Ferner
sollte man nach Antikörpern gegen Schistosomen
fahnden, wenn der Patient in einem Bilharziosegebiet
war (Kasten 1) und die Stuhlproben negative Ergebnisse liefern.
Eine starke Eosinophilie (> 1500/μL Blut) lässt
sich durch einen Nachweis von Wurmeiern im Stuhl
oft nicht ausreichend erklären. Daher sollten immer
sofort zusätzliche Antikörpertests auf einen Zestoden
(Bandwurm), einen Trematoden (Saugwurm) und einen Nematoden (Rundwurm) erfolgen. Wegen der
Kreuzreaktionen innerhalb dieser Gruppen ist ein po-
sitiver Antikörpertest dann Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen, die sich aus geografischer und
Nahrungsmittelanamnese ergeben. Eine RöntgenThorax-Untersuchung in zwei Ebenen dient zum Ausschluss eosinophiler pulmonaler Infiltrate, die bei der
Larvenwanderung diverser Helminthen (häufig: Spulwurm, Hakenwurm oder Zwergfadenwurm) entstehen
können. Eine Bildgebung des Oberbauches (Sonografie oder CT; Abbildung 3) kann Leberläsionen zeigen,
die den Verdacht auf eine Infektion mit Leberegeln erhärten. Außerdem müssen im EKG unspezifische Endomyokardschäden ausgeschlossen werden, die sich
durch Degranulationsprodukte eosinophiler Granulozyten entwickeln können. Findet man keinen Hinweis
auf die Genese der Eosinophilie, so ist eine Abklärung
durch einen Spezialisten erforderlich.
Fieber
Bei Patienten mit Eosinophilie und Fieber ist die geografische Anamnese besonders wichtig (Kasten 1 und
Tabelle 3). Die häufigste Fieberursache bei Reiserückkehrern aus Bilharziosegebieten, die sich mit
TABELLE 4
Abklärung einer Eosinophilie mit Hautschwellungen
804
Art der Hautschwellung
Empfohlenes Screeningprogramm
Besonderheiten
periorbitales Ödem
Blutfiltration auf Trichinenlarven
Trichinella-Antikörper im Serum
bei negativen Ergebnissen:
Überweisung an Tropenmediziner
Urtikaria
3 × Stuhluntersuchung auf Wurmeier,
1 × Stuhluntersuchung nach Baermann auf
Strongyloides-stercoralis-Larven,
Strongyloides-Antikörper im Serum,
Schistosomen-Antikörper im Serum
(wenn Patient aus Bilharziosegebiet; siehe Kasten 1)
bei Patienten aus Afrika südlich der Sahara
zusätzlich: Filarien-Antikörper im Serum
bei negativen Ergebnissen:
Überweisung an Tropenmediziner
subkutane Schwellungen,
ggf. wandernd
3 × Stuhluntersuchung auf Wurmeier
1 × Stuhluntersuchung nach Baermann auf
Strongyloides-stercoralis-Larven
Strongyloides-, Gnasthostoma-, Filarien- und
Paragonimus-Antikörper im Serum
bei Patienten aus Zentralafrika:
3 × Blutuntersuchung auf Mikrofilarien im
Blut (Untersuchungszeitpunkt gegen
12 Uhr mittags)
bei negativen Ergebnissen:
Überweisung an Tropenmediziner
⏐ Jg. 105⏐
⏐ Heft 46⏐
⏐ 14. November 2008
Deutsches Ärzteblatt⏐
MEDIZIN
TABELLE 5
Abklärung einer Eosinophilie mit Abdominalschmerzen
Empfohlenes Screeningprogramm
Besonderheiten
3 × Stuhluntersuchung auf Wurmeier
1 × Stuhluntersuchung nach Baermann auf
Strongyloides-stercoralis-Larven
Strongyloides-, Fasciola-, Toxocara-Antikörper im Serum
Anisakis-Antikörper im Serum (bei entsprechender
Nahrungsmittelanamnese; siehe Tabelle 1)
EKG, Röntgen-Thorax, Abdomensonografie
bei negativen Ergebnissen: Überweisung an Tropenmediziner
einer Eosinophilie präsentieren, ist das KatayamaSyndrom (e2, e3). Ungefähr 14 bis 90 Tage nach Erstkontakt mit Schistosomen kommt es bei dieser akuten
Form der Bilharziose zu einem Krankheitsbild mit
nächtlichem Fieber, Husten, Myalgien, Kopfschmerzen und Abdominalschmerzen, das sich als Reaktion
auf die heranreifenden Würmer entwickelt. Daraus
folgt, dass in dieser Phase der Infektion meistens noch
keine Eier im Urin (bei der Blasenbilharziose) beziehungsweise im Stuhl (bei der Darmbilharziose) ausgeschieden werden. Auch die Antiköperdiagnostik kann
zunächst noch negativ ausfallen. In einem solchen
Fall sollte der Patient nach etwa vier Wochen nachuntersucht werden, bei schweren Verläufen wird ein engerer Turnus empfohlen. Wenn dann Eier gefunden
werden, kann anhand der Ei-Morphologie die Schistosomenart festgestellt und somit gezielt behandelt werden.
Bei Patienten, die sich nicht in einem Bilharziosegebiet aufgehalten haben, ist eine Infektion mit Fasciola spp. (Leberegel) eine mögliche Ursache für eine
Eosinophilie mit subfertilen Temperaturen (e4). Man
findet bei diesen Patienten intrahepatische Raumforderungen in der Bildgebung und einen positiven
Antikörpertest. Für die weitere Versorgung sollte der
Patient dann an einen Spezialisten überwiesen werden.
Hautschwellungen
Das periorbitale Ödem ist bei entsprechender Anamnese – zum Beispiel nach dem Verzehr von unzureichend gegartem Schweine- oder Wildschweinfleisch
– (Tabelle 1) typisch für die Trichinose (e5). Es sollte
eine Filtration des Blutes auf Trichinenlarven veranlasst werden, auch ein entsprechender serologischer
Suchtest steht zur Verfügung (Tabelle 4).
Bei Urtikaria muss hingegen zunächst ein Katayama-Syndrom in Betracht gezogen werden. Wechselnde subkutane Schwellungen kommen bei der
Gnathostomiasis vor (e6) und auch bei der Loiasis
(Calabar-Schwellung). Patienten, die aus Zentralund Westafrika stammen, können daher umgehend
auf Loa loa untersucht werden (e7). Jüngste Daten
aus dem GeoSentinel Surveillance-Netzwerk zeigen,
dass Filarien – also zum Beispiel Loa loa – auch bei
kurzen Reisen in Endemiegebiete übertragen werden
können (22).
⏐ Jg. 105⏐
⏐ Heft 46⏐
⏐ 14. November 2008
Deutsches Ärzteblatt⏐
Abdominalschmerzen
Abdominalschmerz in Zusammenhang mit einer Eosinophilie spricht für eine akute Erkrankung (Tabelle 5).
Bei Infektionen mit Leberegeln (zum Beispiel Fasciola) leiden die Betroffenen unter dauernden oder auch
intervallartig auftretenden Schmerzen. Bauchschmerzen und erhöhte Laborwerte für Transaminasen können ein Hinweis für eine Toxocariasis sein (e8). Bei
der Anisakiasis (hervorgerufen vorwiegend durch den
Heringswurm Anisakis spp. und den Kabeljauwurm
Pseudoterranova spp.) können ein akutes Krankheitsbild bis zum akuten Abdomen oder eine chronische
Gastroenteritis mit rezidivierenden Bauchschmerzen
auftreten (e9). Solche Erkrankungen werden aber weniger aus den Tropen, als aus Holland, Japan und von
den amerikanischen Küsten berichtet. Diese Würmer
werden durch den Verzehr von rohem oder unzureichend erhitztem Fisch übertragen (Tabelle 1). Eine
KASTEN 2
Abklärung einer Eosinophilie
mit erhöhten Konzentrationen
von Transaminasen
3 × Stuhluntersuchung auf Wurmeier
Stuhluntersuchung nach Baermann auf Strongyloidesstercoralis-Larven
Strongyloides-, Fasciola- und Toxocara-Antikörper im
Serum
KASTEN 3
Abklärung einer Eosinophilie
und Diarrhö
3 × Stuhluntersuchung auf Wurmeier
1 × Stuhluntersuchung nach Baermann auf
Strongyloides-stercoralis-Larven
Strongyloides-Antikörper im Serum
Trichinella-Antikörper im Serum (bei entsprechender
Anamnese; siehe Tabelle 1)
805
MEDIZIN
TABELLE 6
Abklärung einer Eosinophilie mit pulmonalen Infiltraten
Empfohlenes Screeningprogramm
Besonderheiten
3 × Stuhluntersuchung auf Wurmeier (bei negativem Befund:
Wiederholung der Stuhluntersuchung nach 4 Wochen)
1 × Stuhluntersuchung nach Baermann auf
Strongyloides-stercoralis-Larven (bei negativem Befund:
Wiederholung der Stuhluntersuchung nach 4 Wochen)
Strongyloides-, Toxocara- und Paragonimus-Antikörper im Serum
zystische Struktur in der Bildgebung: Echinococcus-Antikörper
im Serum; wenn positiv Überweisung in spezialisiertes Zentrum;
Patient vom indischen Subkontinent: Verdacht auf tropische
pulmonale Eosinophilie: Überweisung an Tropenmediziner
Sonografie sollte bei Eosinophilie und Abdominalschmerzen immer erfolgen, um zum Beispiel eventuelle Leberläsionen zu finden. Auch seltene Ursachen,
wie ein in den Gallengang eingewanderter Spulwurm
(Ascaris lumbricoides), können im Ultraschall auffallen.
Bei Eosinophilie nach Tropenaufenthalt sollten immer
Wurmerkrankungen in Betracht gezogen werden.
Bei Infektion mit Darmwürmern findet man im Allgemeinen eine vergleichsweise niedrige Eosinophilie.
Erhöhte Konzentrationen von
Transaminasen
Bei hoher Eosinophilie muss besonders an Gewebswürmer gedacht werden.
Eine Toxocariasis kann zu erhöhten Konzentrationen
von Transaminasen führen (Kasten 2). Infektionen mit
dem Hundespulwurm (Toxocara canis) sind weltweit
häufig, werden jedoch nur selten symptomatisch.
Bei Migranten aus den Tropen und Subtropen mit Eosinophilie muss immer eine Strongyloidiasis ausgeschlossen
werden.
Diarrhö
Eine Diarrhö nach einem Tropenaufenthalt kommt
häufig vor, allerdings sind Helminthen nur selten die
Ursache einer akuten Reisediarrhö (e10). Ist die Diarrhö mit einer Eosinophilie verbunden, so muss die
übliche Abklärung erweitert werden. Neben der obligaten Untersuchung auf Strongyloidiasis, sollte auch
das Frühstadium einer Trichinose erwogen werden
(Kasten 3).
Pulmonale Infiltrate
Wurmlarven, die die Lunge passieren, verursachen
flüchtige pulmonale Infiltrate (e11,e12). Bei entsprechendem Verdacht ist eine Stuhluntersuchung etwa 4
bis 6 Wochen nach vermuteter Infektion zu veranlassen (Tabelle 6). Eine Echinokokkose kann sich durch
pulmonale, eventuell gekammerte Zysten im Röntgen-Thorax oder im CT-Thorax manifestieren, ein
Antikörpertest erhärtet die Diagnose (e13). Importierte Infektionen mit Lungenegeln (Paragonimus) wurden nur in wenigen Einzelfällen bei Migranten beschrieben. Die Wurmzyste mit perizystischer Infiltration erscheint dabei in der Röntgenübersicht als
flächige Verschattung und im CT als Ringstruktur. Die
Diagnose wird bestätigt durch Ei-Nachweis in Sputum und Stuhl und durch spezifische Antikörper im
Serum (e14). Bei Immigranten aus Süd- und Südostasien mit asthmatischen Beschwerden, pulmonalen
Infiltraten und hoher Eosinophilie liegt in sehr seltenen
Fällen die sogenannte tropische pulmonale Eosinophilie, eine besondere Verlaufsform der lymphatischen Filariasis, vor. Diese Patienten sollten zum Spezialisten überwiesen werden (e15).
806
Klinische Kernaussagen
Bei Fieber und starker Eosinophilie nach Aufenthalt
in einem Bilharziosegebiet sollte immer ein KatayamaSyndrom erwogen werden.
Die Autoren danken Prof. Dr. Dr. Büttner, Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, Hamburg, für die kritische Durchsicht des Manuskripts und für die
Überlassung der Abbildungen.
Interessenkonflikt
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien
des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
Manuskriptdaten
eingereicht: 29. 1. 2008, revidierte Fassung angenommen: 30. 6. 2008
LITERATUR
1. Rothenberg ME: Eosinophilia. N Engl J Med. 1998; 338:
1592–600.
2. Whitty CJM, Mabey DC, Armstrong M, Wright SG, Chiodini PL:
Presentation and outcome of 1107 cases of schistosomiasis from
Africa diagnosed in a non-endemic country. Trans R Soc Trop Med
Hyg 2000; 94: 531–4.
3. Harries AD, Fryatt R, Walker J, Chiodini PL, Bryceson AD: Schistosomiasis in expatriates returning to Britain from the tropics. Lancet 1986; 11: 86–8.
4. Libman MD, MacLean JD, Gyorkos TW: Screening for schistosomiasis, filariasis, and strongyloidiasis among expatriates returning
from the tropics. Clin Infect Dis 1993; 17: 353–9.
5. Weller PF: Eosinophilia in travellers. Med Clin North Am 1992; 76:
1413–32.
6. Harries AD, Myers B, Bhattacharrya D: Eosinophilia in Caucasians
returning from the tropics. Trans R Soc Trop Med Hyg 1986; 80:
327–8.
7. Pardo J, Carranza C, Muro A et al.: Helminth-related eosinophilia
in African immigrants, Gran Canaria. Emerg Infect Dis 2006; 12:
1587–9.
⏐ Jg. 105⏐
⏐ Heft 46⏐
⏐ 14. November 2008
Deutsches Ärzteblatt⏐
MEDIZIN
8. Seybold LM, Christiansen D, Barnett ED: Diagnostic evaluation of
newly arrived asymptomatic refugees with eosinophilia. Clin Inf
Dis 2006; 42: 363–7.
9. Nutman TB: Evaluation and differential diagnosis of marked, persistent eosinophilia. Immunol Allergy Clin North Am 2007; 27:
529–49.
10. Brigden ML: A practical workup for eosinophilia. Postgrad Med
1999; 105: 193–210.
11. Löscher T: Fortschritte in der Immundiagnostik und Chemotherapie der Wurminfektionen. Internist 1983; 24: 610–18.
12. Wolfe MS: Eosinophilia in the returning traveller. Med Clin North
Am 1999; 83: 1019–32.
13. Whetham J, Day JN, Armstrong M, Chiodini PL, Whitty CJM:
Investigation of tropical eosinophilia; assessing a strategy based
on geographical area. J Infect 2003; 46: 180–5.
14. Ansart S, Perez L, Vergely O, Danis M, Bricaire F, Caumes E:
Illnesses in travelers returning from the tropics: a prospective
study of 622 patients. J Travel Med 2005; 12: 312–8.
15. Boggild AK, Yohanna S, Keystone JS, Kain KC: Prospective analysis of parasitic infections in Canadian travelers and immigrants. J
Travel Med 2006; 13: 138–44.
16. O'Brien DP, Leder K, Matchett E, Brown GV, Torresi J: Illness in returned travelers and immigrants/refugees: the 6-year experience
of two Australian infectious diseases units. J Travel Med 2006;
13: 138–44.
17. Toovey S, Moerman F, van Gompel A: Special infectious disease
risks of expatriates and long-term travelers in tropical countries.
Part II: Infections other than malaria. J Travel Med 2007; 14:
50–60.
18. Löscher T, Saathoff E: Eosinophilia during intestinal infection. Best
Pract Res Clin Gastroenterol 2008; 22: 511–36.
19. Meltzer E, Percik R, Shatzkes J, Sidi Y, Schwartz E: Eosinophilia
among returning travelers. A practical approach. Am J Trop Med
Hyg 2008; 78: 702–709.
20. Jelinek T: European Network on Imported Infectious Disease Surveillance. Imported schistosomiasis in Europe: preliminary data
for 2007 from TropNetEurop. Euro Surveill 2008 Feb 14;13. pii:
8038.
21. Freedman DO, Weld LH, Kozarsky PE, Fisk T, Robins R, von Sonnenburg F, Keystone JS, Pandey P, Cetron MS: GeoSentinel Surveillance Network. Spectrum of disease and relation to place of
exposure among ill returned travelers. N Engl J Med 2006; 354:
119–30.
⏐ Jg. 105⏐
⏐ Heft 46⏐
⏐ 14. November 2008
Deutsches Ärzteblatt⏐
22. Leder K, Tong S, Weld L, Kain KC, Wilder-Smith A, von Sonnenburg F, Black J, Brown GV, Torresi J: GeoSentinel Surveillance
Network. Illness in travelers visiting friends and relatives: a review
of the GeoSentinel Surveillance Network. Clin Infect Dis 2006;
43: 1185–93.
23. Lipner EM, Law MA, Barnett E et al. for the GeoSentinel Surveillance Network: Filariasis in Travelers Presenting to the GeoSentinel Surveillance Network. PLoS Negl Trop Dis 2007; 1: e88.
Anschrift für die Verfasser
Prof. Dr. med. Gerd D. Burchard
Sektion Infektiologie und Bernhard-Nocht-Klinik für
Tropenmedizin, I. Medizinische Klinik,
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Martinistraße 52, 20246 Hamburg
E-Mail: [email protected]
SUMMARY
Eosinophilia in Returning Travellers and Migrants
Introduction: Eosinophilia in travelers returning from tropical countries
is often caused by helminths. The high eosinophil counts arise particularly from tissue migration of invasive larvae.
Methods: Review of literature selected by means of a Medline search
using the MeSH terms "eosinophilia" and "helminth."
Results: The patient's geographic and alimentary history may suggest
infection with particular parasitic worms. A targeted diagnostic approach is suggested. The physician should concentrate on the principal signs and be guided by the geographic and alimentary history.
Elaborate diagnostic measures are seldom indicated.
Discussion: Although eosinophilia alone has low positive predictive
value for a worm infection, it points clearly to helminthosis if the patient has recently returned from the tropics and the eosinophilia is
new.
Dtsch Arztebl 2008; 105(46): 801–7
DOI: 10.3238/arztebl.2008.0801
Key words: eosinophilia, helminth infection, foreign travel, migration,
differential diagnosis
@
Mit „e“ gekennzeichnete Literatur:
www.aerzteblatt.de/lit4608
eTabelle:
www.aerzteblatt.de/artikel08m801
The English version of this article is available online:
www.aerzteblatt-international.de
807
MEDIZIN
ÜBERSICHTSARBEIT
Eosinophilie bei Tropenrückkehrern
und Migranten
Stephan Ehrhardt, Gerd D. Burchard
eLITERATUR
e1. Greiner K, Bettencourt J, Semolic C. Strongyloidiasis: a review and
update by case example. Clin Lab Sci 2008; 21: 82–8.
e2. Gryseels B, Polman K, Clerinx J, Kestens L: Human schistosomiasis. Lancet. 2006; 368: 1106–18.
e3. Ross AG, Vickers D, Olds GR, Shah SM, McManus DP: Katayama
syndrome. Lancet Infect Dis 2007; 7: 218–24.
e4. Garcia HH, Moro PL, Schantz PM: Zoonotic helminth infections of
humans: echinococcosis, cysticercosis and fascioliasis. Curr Opin
Infect Dis 2007; 20: 489–94.
e5. Pozio E, Gomez Morales MA, Dupouy-Camet J: Clinical aspects,
diagnosis and treatment of trichinellosis. Expert Rev Anti Infect Ther
2003; 1: 471–82.
e6. Clément-Rigolet MC, Danis M, Caumes E: La gnathostomose, une
maladie exotique de plus en plus souvent importée dans les pays
occidentaux. Presse Med 2004; 33: 1527–32.
e7. Boussinesq M: Loiasis. Ann Trop Med Parasitol 2006; 100:
715–31.
e8. Despommier D: Toxocariasis: clinical aspects, epidemiology, medical ecology, and molecular aspects. Clin Microbiol Rev 2003; 16:
265–72.
e9. Seitz HM: Die Anisakidose (Heringswurmkrankheit). Dtsch Arztebl
1990; 87(41): A 3116–20.
e10. Genta RM: Diarrhea in helminthic infections. Clin Infect Dis
1993;16 Suppl 2: S122–9.
e11. Chitkara RK, Krishna G: Parasitic pulmonary eosinophilia. Semin
Respir Crit Care Med 2006; 27: 171–84.
e12. Vijayan VK: How to diagnose and manage common parasitic pneumonias. Curr Opin Pulm Med 2007; 13: 218–24.
e13. Gottstein B, Reichen J: Hydatid lung disease (echinococcosis/hydatidosis).Clin Chest Med 2002; 23: 397–408.
⏐ Jg. 105⏐
⏐ Heft 46⏐
⏐ 14. November 2008
Deutsches Ärzteblatt⏐
e14. Kagawa F: Pulmonary paragonimiasis. Semin Respir Infect 1997;
12: 149–58.
e15. Vijayan VK:Tropical pulmonary eosinophilia: pathogenesis, diagnosis and management.Curr Opin Pulm Med 2007; 13: 428–33.
e16. Bethony J, Brooker S, Albonico M et al.: Soil-transmitted helminth
infections: ascariasis, trichuriasis, and hookworm. Lancet 2006;
367: 1521–32.
e17. Reddy M, Gill SS, Kalkar SR, Wu W, Anderson PJ, Rochon PA: Oral
drug therapy for multiple neglected tropical diseases: a systematic
review. JAMA 2007; 298: 1911–24.
e18. Craig P, Ito A: Intestinal cestodes. Curr Opin Infect Dis 2007; 20:
524–32.
e19. Keiser J, Utzinger J: Efficacy of current drugs against soil-transmitted helminth infections: systematic review and meta-analysis. JAMA 2008; 299: 1937–48.
e20. Bruckner DA: Helminthic food-borne infections. Clin Lab Med
1999; 19: 639–60.
e21. Fried B, Graczyk TK, Tamang L: Food-borne intestinal trematodiases in humans. Parasitol Res 2004; 93: 159–70.
e22. Macpherson CN, Gottstein B, Geerts S: Parasitic food-borne and
water-borne zoonoses. Rev Sci Tech 2000; 19: 240–58.
e23. Steinmann P, Keiser J, Bos R, Tanner M, Utzinger J: Schistosomiasis and water resources development: systematic review, metaanalysis, and estimates of people at risk. Lancet Infect Dis 2006; 6:
411–25.
1
MEDIZIN
eTABELLE
Klinik, Diagnose und Therapie wichtiger Wurmerkrankungen (e16–e19)
Erreger
Eosinophilenzahl*1
Klinik
Diagnostik
Therapie
Adulte Nematoden (Rundwürmer) im Darm
Ascaris lumbricoides
(Spulwurm)
Larvenwanderung verursacht pulmonale Symptome,
selten Ileus, Leberabszesse, Verschlussikterus
während der Larvenwanderung stark erhöht,
später leicht erhöht oder normal
Ei-Nachweis im Stuhl
Mebendazol:
2 x 100 mg/d für 3 Tage
Ancylostoma, Necator
(Hakenwurm)
Larvenwanderung verursacht pulmonale Symptome,
abdominale Beschwerden, ggf. (Eisenmangel-)Anämie
während der Larvenwanderung stark erhöht,
später leicht erhöht oder normal
Ei-Nachweis im Stuhl
Mebendazol:
2 x 100 mg/d für 3 Tage
Strongyloides stercoralis
(Zwergfadenwurm)
Larvenwanderung verursacht pulmonale Symptome,
abdominale Beschwerden, schwere Verläufe bei
Immundefekt
initial stark erhöht, später
mäßig bis leicht erhöht, bei
Immundefekt evtl. normal (!)
Nachweis der Larven im Stuhl
(z.B. Baermann-Test)
oder Duodenalsekret
Albendazol 2 x 400 mg/d oder
Ivermectin*2: 1 x 200 μg/kg für 1–2 Tage,
Wiederholung nach 2 Wochen
Trichuris trichiura
(Peitschenwurm)
selten Rektumprolaps
leicht erhöht bis normal
Ei-Nachweis im Stuhl
Mebendazol:
2 x 100 mg/d für 3 Tage
Enterobius vermicularis
(Madenwurm)
perianaler Juckreiz, selten Vaginitis, Appendizitis
leicht erhöht bis normal
Ei-Nachweis im perianalen
Abklatschpräparat
Mebendazol: 1 x 100 mg,
Wiederholung nach 2 und 4 Wochen
Trichostrongylus spp.
Diarrhö, Bauchschmerzen
leicht erhöht bis normal
Ei-Nachweis im Stuhl
Mebendazol:
2 x 100 mg/d für 3 Tage
Onchocerca volvulus
Dermatitis, subkutane Knoten, Augenbeteiligung
meist erhöht
Nachweis der adulten Würmer in den
Hautknoten (evtl. mit Ultraschall) oder
der Mikrofilarien in der Haut (skin-snip)
Ivermectin*2: 150 μg/kg,
evtl. zusätzlich Doxycyclin*2:
100 mg/d für 6 Wochen
Loa loa
Hautschwellungen,
subkonjunktivale Wurmwanderung
oft stark erhöht
Nachweis der Mikrofilarien im Blut
Diethylcarbamazin*2
Vorsicht bei hohen Mikrofilarien-Zahlen
Wuchereria bancrofti,
Brugia malayi
Lymphgefäßobstruktion bis zur
Elephantiasis, Lymphadenitis, Lymphangitis
in frühen Stadien
Nachweis der Mikrofilarien im Blut
Diethylcarbamazin*2
Anisakis spp.
Bauchschmerzen
leicht bis mäßig erhöht
klinisch und serologisch
endoskopisch, evtl. chirurgisch
Toxocara spp.
(viscerale Larva migrans)
Allgemeinsymptomatik, evtl. neurologische Herdzeichen, Augensymptomatik
mäßig bis stark erhöht
klinisch und serologisch
Albendazol 2 x 400 mg/d
über 2–4 Wochen
Gnathostoma spp.
subkutanes oder viszerales
Larva-migrans-Syndrom
mäßig bis stark erhöht
klinisch und serologisch
Albendazol 2 x 400 mg/d über
3 Wochen
evtl. auch operative Entfernung
Trichinella spp.
(Trichinose)
abdominale Beschwerden, Myalgien,
periorbitales Ödem, evtl. neurologische
Herdzeichen
mäßig bis stark erhöht
klinisch, Blutuntersuchung auf
Larven, serologisch
Mebendazol: 2 x 200 mg/d
für 2 Wochen oder Albendazol:
400 mg/d über 2 Wochen
evtl. zusätzlich Corticosteroide
Taenia saginata
(Rinderbandwurm)
abdominale Beschwerden
normal bis leicht erhöht
Nachweis der Proglottiden
im Stuhl
Niclosamid: 1 x 2 g oder
Praziquantel: 1 x 10 mg/kg
Taenia solium
(Schweinebandwurm)
abdominale Beschwerden
normal bis leicht erhöht
Nachweis der Proglottiden
im Stuhl
Niclosamid: 1 x 2 g oder
Praziquantel: 1 x 10 mg/kg
Diphyllobothrium latum
(Fischbandwurm)
evtl. megaloblastäre Anämie mit Glossitis
normal bis leicht erhöht
Ei-Nachweis im Stuhl
Niclosamid: 1 x 2 g oder
Praziquantel: 1 x 25 mg/kg
Hymenolepsis nana
(Zwergbandwurm)
abdominale Beschwerden, Diarrhö
normal bis leicht erhöht
Ei-Nachweis im Stuhl
Praziquantel: 1 x 25 mg/kg
Taenia solium
(Zystizerkose)
neurologische Herdzeichen, subkutane Knoten
normal bis leicht erhöht
Bildgebung, Immundiagnostik
Albendazol: 15 mg/kg/d
für 30 Tage
Echinococcus granulosus
und E. multilocularis
intrahepatische Zysten
normal bis leicht erhöht
Bildgebung, Immundiagnostik
Albendazol: 15 mg/kg/d
für 30 Tage, oft mehrere
Zyklen erforderlich
Schistosoma haematobium
initial evtl. Fieber („Katayamafieber“),
Dysurie, Hämaturie, Hydronephrose
bei Katayamafieber stark erhöht,
später leicht erhöht
Ei-Nachweis im Urin oder
in Rektumbiopsien
Praziquantel: 40 mg/kg/d
für 3 Tage
Schistosoma mansoni,
S. japonicum,
S. intercalatum
initial evtl. Fieber („Katayamafieber“),
abdominale Beschwerden, blutiger
Stuhl, evtl. Leberfibrose
bei Katayamafieber stark erhöht,
später leicht erhöht
Ei-Nachweis im Stuhl oder in
Kolonbiopsien
Praziquantel: 40–60 mg/kg/d
für 3 Tage
Fasciolepsis buski
(großer Darmegel)
unspezifische Symptome
normal bis leicht erhöht
Ei-Nachweis im Stuhl
Praziquantel: 1 x 15 mg/kg
Fasciola spp.
(großer Leberegel)
Hepatomegalie (oft schmerzhaft),
Leberabzesse, Gallengangsymptome
bei früher Infektion stark erhöht,
später leicht erhöht
Ei-Nachweis im Stuhl und
Duodenalsekret, adulter Wurm
im Ultraschall
Triclabendazol*2: 1 x 10 mg/kg
bei schweren Infektionen bis 20 mg/kg
Clonorchis und
Opisthorchis spp.
(chinesischerund Katzenleberegel)
Gallengangssymptome, pyrogene Cholangitis,
Cholangiokarzinom
bei früher Infektion stark erhöht,
später leicht erhöht
Ei-Nachweis im Stuhl und
Duodenalsekret
Praziquantel: 3 x 25 mg/kg/d
für 2 Tage
Paragonimus spp.
(Lungenegel)
chronischer Husten, Thoraxschmerzen, Hämoptysen
oder bräunlich tingiertes Sputum
bei früher Infektion stark erhöht,
später normal
Ei-Nachweis im Stuhl und Sputum,
Röntgen
Praziquantel: 3 x 25 mg/kg/d
für 2 Tage
Adulte Nematoden (Rundwürmer) im Gewebe
Nematodenlarven
Zestoden (Bandwürmer) im Darm
Bandwurmlarven im Gewebe
Trematoden (Egel, Saugwürmer)
*1, Ausmaß der Eosinophilie eingeteilt nach Brigden (10; modifiziert): leichte Eosinophilie, 1 500/μL, mäßige bis starke Eosinophilie > 1 500/μL
*2, Off-label-use, nur nach Rücksprache mit Tropenmediziner
⏐ Jg. 105⏐
⏐ Heft 46⏐
⏐ 14. November 2008
Deutsches Ärzteblatt⏐
1
Herunterladen