Thorsten Frei bleibt gelassen: „Wahlkampf keine Realpolitik“

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NECKARQUELLE EXTRA
Donnerstag, 10. November 2016
Thorsten Frei bleibt gelassen:
„Wahlkampf keine Realpolitik“
Politik Der Republikaner Donald Trump wurde zum 45. Präsidenten der USA gewählt.
Bundestagsabgeordneter Thorsten Frei sieht es gelassen.
S
chwer schockiert sei sie klug ist, mit den gleichen Mitteln
über das Wahlergebnis, zu kämpfen.“
sagt VerteidigungsmiVielleicht ist diese Reaktion
nisterin Ursula von der politischer Akteure auch der
Leyen. Vizekanzler und SPD- Überraschung darüber geschulChef Sigmar Gabriel bezeichnet det, dass der Republikaner DoDonald Trump gar als „Vorreiter nald Trump entgegen aller Progeiner neuen autonosen in der Wahlnacht
ritären und chaudoch noch so deutlich gevinistischen Intergen die eigentlich bis zunationalen“.
Für
letzt als Favoritin gehanThorsten
Frei,
delte Demokratin Hillary
BundestagsabgeClinton gewonnen hat.
Der 70-jährige Trump
ordneter
des
konnte sich mit 289
Wahlkreises
Wahlmännern deutlich
Schwarzwald-Baar
von Clinton mit 218
und Oberes KinWahlen
Wahlmännern absetzen,
zigtal, sind diese
für die Mehrheit in den
Äußerungen absoUSA sind 270 Wahlmänlut fehl am Platz.
ner nötig.
„Ich halte GabÜberraschend kam Trumps
riels Statement für überzogen
und kontraproduktiv“, kommen- Sieg auch für die Weltwirtschaft.
tiert Frei die Äußerung. „Es ist In vielen Ländern gingen die
nicht in Ordnung, sich so abfällig Börsen auf Talfahrt, so auch der
über jemanden zu äußern, der in DAX hierzulande. „Wir wissen ja,
einem anderen Land auf eine de- was Trump im Vorfeld im Wahlmokratische Weise gewählt kampf alles zur US-Wirtschaft
wurde. Und am Ende des Tages gesagt hat. Er hat sich ja sehr krimuss man gleich der eigenen po- tisch zum Freihandel generell
litischen Überzeugung zusam- und zum Transatlantischen Freimenarbeiten, egal, was man da- handelsabkommen geäußert. Ich
von hält. Ich weiß nicht, ob es so befürchte, dass er zum Protektionismus tendiert – das wäre sehr
schlecht für unsere mittelständische Wirtschaft“, zeigt sich Frei
besorgt.
Allerdings sei es insofern interessant, da die Führung der Republikaner hinter dem Vorhaben
des scheidenden US-Präsidenten
Barack Obama stand, den Freihandel durch das Transpazifische
Freihandelsabkommen
(TTP) und das Transatlantische
Freihandelsabkommen (TTIP)
zu stärken. Ausgerechnet der 45.
Präsident der Vereinigten StaaThorsten Frei.
ten Trump ist dagegen ein Geg-
Börse
Wundertüte
Viele der Aussagen von Donald
Trump, die er im Rahmen seines
Wahlkampfes getroffen hat, und
die uns noch in den Ohren klingen, sind populistisch und
höchstwahrscheinlich in der
Umsetzung mehr als ehrgeizig.
Die Aktien-, Devisen- und
Rohstoffmärkte hat der Wahlsieg
des
Republikaners
Donald
Trump gestern kräftig durchgeschüttelt. Und dennoch war der
Schock schneller verdaut als
nach dem Brexit-Votum. Alles
wieder gut?
Jein. Der neue Mann im Weißen Haus sorgt an den Finanzmärkten auch weiter für gehörige
Nervosität. Weil niemand weiß,
was Trump tatsächlich tun wird.
Dieser Regent ist eine Wundertüte.
Man kann nur spekulieren, und
aus diesem Grund gab es gestern
auch Sieger. Mit Trump gewonnen haben Pharma- und Biotechindustrie, weil pharmakritische
Maßnahmen Clintons nicht mehr
zu erwarten sind. Hillary hatte
sich wiederholt über die hohen
Preise für einige Medikamente
beschwert. Dass auch Rüstungsaktien im Kurs stiegen, verwundert auch nicht . . .
Im Silicon Valley hingegen
stöhnen sie. Trump ist der
fleischgewordene Albtraum der
Tech-Bosse. Ihn ärgern vor allem
die
Steuervermeidungsstrategien der Großunternehmen. Dass
er Unternehmen wie Apple im
Visier hat, die vorrangig in Asien
produzieren lassen, hat der neue
Präsident immer wieder betont.
Auch Amazon, mit dessen Chef
Bezos ihn eine innige Fehde verbindet, dürfte aus diesem Grund
schweren Zeiten entgegengehen.
Ralf Trautwein
ner des Freihandels. Für Frei, der
als Mitglied im Auswärtigen
Ausschuss des Deutschen Bundestages für die CDU-/CSUBundestagsfraktion im Juli an einer mehrtägigen Reise in die USA
teilnahm, und so in Cleveland,
Ohio beim Parteitag der Republikaner der Ernennung Trumps
zum Präsidentschaftskandidaten
beiwohnte, ist dies eine Rechnung mit unbekannter Gleichung: „Ich hatte damals die Ge-
Dr. Andreas Schwab.
legenheit, mit vielen republikanischen Politikern zu sprechen.
Und dort konnte man schon eine
erhebliche
programmatische
Distanz zwischen Trump und der
Partei sehen.“
Die Republikaner hätten zwar
auch die Mehrheit im Repräsentantenhaus und im Senat und
könnten demnach durchregieren, es bleibe aber abzuwarten,
inwiefern sie und ihr Präsident an
einem Strang ziehen. „Hoffen wir
mal, dass er seine Wahlversprechen nicht ein zu eins übernimmt.“ Hier vergleicht Frei
Trump mit Ronald Reagan, dem
40. Präsidenten der USA von 1981
bis 1989. Von Reagan stammte der
Slogan „Let's make America great again“ (Lasst uns Amerika
wieder groß machen), den auch
Trump in seinem Wahlkampf
nutzte. „Reagan kam damals mit
ganz viel Zurückhaltung in das
Amt des US-Präsidenten. Und er
hat seine Herausforderungen
gemeistert. Außerdem kennen
wir ja noch kaum jemanden aus
Trumps zukünftiger Administration, wir können also nur abwarten. Aber Wahlkampf ist das
eine und Realpolitik das andere.“
Hart, schmutzig, perfide
Nach einem harten, schmutzigen
und in Teilen perfiden Wahlkampf in den USA erwartet der
Europaabgeordnete Dr. Andreas
Schwab vom neuen Präsidenten
Donald Trump, dass dieser versucht, eine tiefe Spaltung der Gesellschaft in den USA zu überwinden und das Land zu vereinen.
Der südbadische Europaabgeordnete und Kreisvorsitzende
der CDU im Schwarzwald-BaarKreis mahnt: „Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen
den USA und Europa ist für unseren gemeinsamen Wohlstand
elementar. Wir müssen uns jedoch darauf einstellen, dass der
neue US-Präsident die gewohnten Formen der Zusammenarbeit
verändern wird.“ Das werde die
Europäer vor neue Fragen stellen. Deswegen sei diese Wahl ein
weiterer Grund für noch mehr
Kooperation, beispielsweise im
Bereich der Verteidigung. EUParlamentarier Schwab meint:
Trotz aller Unterschiede in der
EU bleibt deshalb für uns nur eine echte Chance in der Globalisierung: noch besser zusammenarbeiten.“
hqq/rat
Die Fans und Unterstützer des Republikaners Donald Trump haben allen
Grund zur Freude.
Foto: dpa
„Es war ein hässlicher Wahlkampf“
Hochschule Schwenninger Studenten aus aller Welt erleben US-Wahlparty in Stuttgart und fiebern die ganze
Nacht dem Ergebnis entgegen. Dann der Hammer: Trump gewinnt! Von Luca Keller
Schwenningen/Stuttgart.
Das
scheinbar Unvorstellbare ist
Wirklichkeit geworden. Donald
Trump wird 45. Präsident der
Vereinigten Staaten. Schon im
Vorfeld war klar, dass sich die
Präsidentschaftswahl von allen
vorangegangenen Wahlen unterscheidet. Schließlich waren
die letzten Monate gezeichnet
von einem der schmutzigsten und
niveaulosesten Wahlkämpfe in
der Geschichte der USA.
In der Nacht von Dienstag auf
Mittwoch wurde der Nachfolger
von Präsident Barack Obama gewählt. Eine Gruppe internationaler Studenten der HFU Business School in Schwenningen
hatte sich unter der Leitung von
Professorin Nikola Hale (siehe
auch erste Lokalseite) auf den
Weg nach Stuttgart gemacht, um
an einer vom Deutsch-Amerikanischen-Zentrum (DAZ), der
Landeszentrale für politische
Bildung
Baden-Württemberg,
sowie von der IHK Stuttgart organisierten Wahlveranstaltung
teilzunehmen.
Menschen auf der ganzen Welt
saßen vor ihren Fernsehern und
konnten kaum glauben, was sich
vor ihren Augen abspielte.
So erging es auch den internationalen Studenten aus Schwenningen.
Neben unterschiedlichen Debatten rund um die Wahl und einem Gast-Auftritt von Mirko
Drotschmann, bekannt von YouTube als ,,MrWissen2go“, wurden alle Live-Ergebnisse aus dem
US-Fernsehen auf großen Leinwänden übertragen. Die Besucher hatten die Möglichkeit, diverse T-Shirts, Taschen oder
Buttons mit ihren Lieblingskan- nete kaum jemand mit dem Siedidaten zu kaufen. Natürlich gab ger Trump.
es auch typisch ameriNikola Hale, die seit
1995 an der Fakultät
kanisches Essen für die
Wirtschaft lehrt und
Besucher.
unter anderem zusätzSchon seit vielen
lich für die RegionalkoJahren organisiert die
ordination für Nordaus Philadelphia stamamerika zuständig ist,
mende Professorin Nibezeichnet diese Wahl
kola Hale bei US-Präsials die „wahrscheinlich
dentschaftswahlen zuCampus
sammen mit ihren Stuwichtigsten“ in ihrem
denten die Fahrt nach
Leben. Laut Hale seien
& Co
Stuttgart.
,,die USA nicht mehr die
So wie viele andere
Vereinigten
Staaten
interessierte Zuschauer fieberte von Amerika, sondern nur noch
auch die Schwenninger Delega- die „Staaten von Amerika“. Nie
tion die ganze Nacht dem Wahl- zuvor habe es Präsidentschaftsergebnis entgegen. Dabei rech- kandidaten gegeben, die das Land
so gespalten haben. Professorin
Hale zufolge resultiere diese
Spaltung aus dem ,,hässlichen
und hasserfüllten“ Wahlkampf
im Laufe des Jahres. ,,Egal wer
von beiden gewinnt – das Land
verliert“, so Hale kurz vor den
ersten Wahlergebnissen von der
Ostküste.
Ihre Einschätzung: „Beide
Kandidaten haben Fehler gemacht. Dennoch sollte Clinton
alleine schon auf Grund ihrer Erfahrung gegen Trump gewinnen
können.“ Trotzdem seien da viele Menschen in den USA, die
Trump wählen, da er für eine
Veränderung in der Politik steht.
Studentin A. L. Van Buren aus
Zünftig mit kleinen Sternenbannern ausgerüstet verfolgten Schwenninger Studenten in Stuttgart den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl.
Foto: Luca Keller
New Mexico, sie studiert in
Schwenningen
International
Business Management, empfand
dabei schon die gesamte Wahlkampfperiode als „einfach nur
„verrückt“.
Weiße Arbeiter in Angst
Dennoch sei der Erfolg Trumps
für sie keine Überraschung. Ihrer
Meinung nach ist ,,die weiße
amerikanische Arbeiterschicht
verängstigt von der Vorstellung,
die Kontrolle über das Land verloren zu haben und glaubt, diese
durch Trump wieder zu erlangen.“ Trump gebe diesen Menschen eine Stimme.
Für chinesische Gaststudenten wie Shijie Fan ist die Wahl in
den USA „eine seltsame Sache.“
Grundsätzlich sei sie aber dagegen, dass Trump Präsident der
Vereinigten Staaten wird. Zusammen mit Shijie hatten die
Studenten auch die Möglichkeit,
einen Einblick in die chinesische
Berichterstattung über ihr chinesisches Whatsapp am Smartphone zu erhalten.
Je mehr Wahlergebnisse die
deutsch-amerikanischen
Zuschauer in Stuttgart erreichten,
desto angespannter wurde die
Stimmung im Raum. Die wenigsten hatten im Vorfeld damit gerechnet, dass Trump mit einer so
deutlichen Mehrheit ins Weiße
Haus einziehen wird. Doch
Trump lehrte in dieser Nacht alle, dass es auch anders laufen
kann. Mit dem Sieg in Florida sicherte sich der Republikaner
schon früh einen der wichtigsten
sogenannten
,,Swing-States“.
Relativ bald wurde deutlich, dass
Trump uneinholbar vorne lag.
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