STALLBAU Laufflächen: Halb Gummi – halb Beton Gummibeläge sind beliebt, aber teuer. Deshalb legen viele Landwirte nur Teilflächen mit Gummi aus. Wo die Beläge Sinn machen, zeigt Uwe Eilers, Bildungs- und Wissenszentrum Aulendorf. In den meisten Untersuchungen gingen mechanisch bedingte Klauenerkrankungen, wie z. B. Sohlengeschwüre, Weiße-Linie-Defekte, reheassoziierte Symptome, Quetschungen oder Blutungen zurück. K Klauengesundheit nicht unbedingt verbessert aum ein Thema wird beim Stallbau derzeit so kontrovers diskutiert wie der Bodenbelag. Ob Spaltenboden oder planbefestigt, ob Gummi oder Beton, die Ansichten darüber, welcher Belag der richtige ist, gehen weit auseinander. Seit gut fünf Jahren werden verstärkt Gummiauflagen auf Laufflächen in Milchviehställen eingebaut. Auslöser für den Boom waren Forschungsergebnisse, die eine deutliche Verbesserung der Klauengesundheit und des Verhaltens der Kühe durch die weichen Laufflächen festgestellt haben. Doch welche Vor- und Nachteile zeigen die gummierten Böden nach mehreren Jahren Einsatz in der Praxis? Gummiauflagen verbessern die Mobilität Einen positiven Einfluss haben die Gummiauflagen auf das Verhalten der Tiere. So haben Kühe in gummierten Ställen eine größere Schrittlänge und eine höhere Laufgeschwindigkeit im Vergleich zu harten Laufflächen. Insbesondere Hindernisse und schwierige Passagen (z. B. Rinnen, enge Kurven) werden zügiger überwunden. Die verbesserte Mobilität führt auch zu einer besseren Brunsterkennung. Die Aufreitvorgänge nehmen bei weichen Laufflächen gegenüber Beton deutlich zu. Im Versuch sprangen die Kühe fast fünfmal häufiger auf (Übersicht 1). Aber nicht nur das, auch die eigene Körperpflege wird von Kühen auf Gummiböden viel häufiger durchgeführt als auf Beton- oder Asphaltböden. Dazu gehört z. B. das Ablecken von hinteren Körperteilen mit der Zunge. Widersprüchliche Aussagen gibt es dagegen bei der Klauengesundheit. R22 top agrar 12/2008 Übersicht 1: Anzahl der Aufsprünge 120 Anzahl Aufsprünge 100 80 60 40 20 0 Beton Gummi-Matten Quelle: Bendel (2005) Brünstige Kühe zeigen auf Gummiauflagen deutlich mehr Brunstsymptome. In einer Vergleichsprüfung der DLG von vier verschiedenen Gummibelägen wurde neun Monate nach Einbau eine Reduktion der mechanisch bedingten Klauenbefunde zwischen 33 und 81 % erhoben. Allerdings berichten Betriebsleiter und Wissenschaftler auch vom vermehrten Auftreten von Weiße-Linie-Defekten bei Kühen auf Gummibelägen. Grund dafür könnte sein, dass die Klauen auf weichen Laufflächen einen deutlichen Tragrand mit ausgeprägter Hohlkehlung der Sohle ausbilden. Die Sohle wird zwar dadurch entlastet, der Tragrand könnte aber verstärkt mechanischen Beanspruchungen ausgesetzt sein, wenn die Klauenpflege nicht entsprechend angepasst wird. Auf Gummi treten die Kühe sicherer auf, so dass sich typische Verhaltensweisen wie das kaudale Lecken wiederfinden lassen. Fotos: Eilers (2), Einhoff (3), Reubold (2), privat Übersicht 2: Unterschiede beim Klauenwachstum Der Untergrund für die Gummiböden muss absolut eben sein, um Pfützen wie +5,4 mm/Monat, brutto brutto +5,4 mm/Monat, im Bild zu vermeiden. +7,5 mm/Monat, brutto brutto +7,5 mm/Monat, +1,2 mm/Monat, netto +1,2 mm/Monat, netto +2,4 mm/Monat, netto +2,4 mm/Monat, netto Bei den infektiösen Klauenerkrankungen lässt sich insgesamt keine Verbesserung feststellen. Eher im Gegenteil, viele Praktiker kämpfen mit einer Zunahme von Ballenfäule oder der Mortellaro‘schen Krankheit. Hier dürften aber nicht nur der Laufflächenbelag, sondern auch das Laufflächenmanagement eine Rolle spielen. Das Einsinken der Klauen in den Gummibelag könnte die Erkrankungen begünstigen, da die Sohle verstärkt mit Nässe und Schmutz in Berührung kommt. Durch die Haltung von Rindern auf Gummilaufflächen verschiebt sich nicht nur das Krankheitsbild der Klauen, es kommt auch zu deutlichen Veränderun- 49° +5,8 +5,7 +5,8 +5,7+4,3 49° +4,3 Gummimatte Gummimatte 62° +1,3 +1,4 +0,9 +1,3 +0,9+1,4 62° Beton Beton Die Klauenform auf den gummierten Laufflächen verändert sich. Der Abrieb ist geringer und das Nettowachstum nimmt zu. Zeichnung: Thiemeyer gen im Klauenwachstum. Das zeigt ein Versuch der Lehr- und Versuchsanstalt Aulendorf (Übersicht 2). Durch den mangelnden Abrieb war das Nettowachstum (Differenz aus Bruttowachstum und Abrieb) der Klauen in der Versuchsgruppe um 1,2 mm/Monat stärker als bei den Tieren der Kontrollgruppe mit Betonboden. Bei Klauen auf Gummibelägen wird die Dorsalwand länger und der Dorsalwandwinkel flacher. Durch diese Verän- top agrar 12/2008 R 23 STALLBAU Beton-Klauen: Sie sind sehr flach abgelaufen ohne eine deutlich Hohlkehlung. Gummi-Klaue: Der Tragrand ist stärker ausgebildet, die Kehlung dadurch auch. derungen werden Fehlbelastungen der Klaue begünstigt und bei Bedarf muss die Klauenpflege häufiger durchgeführt werden. In extremen Fällen ist eine Klauenpflege alle drei Monate notwendig. verschenkt. Daher ist es wichtig, zwischen den Stallbereichen zu unterscheiden, in denen ein Gummiüberzug in Frage kommt: ■ Der Fressgang kann Probleme bereiten, da sich die Aktivität (inkl. Brunstgeschehen) der Tiere dorthin verlagert und je nach Liegeplatzangebot und -qualität sich die Tiere dort verstärkt ablegen. Dadurch werden Kühe, insbesondere die rangniedrigen Färsen, vom Fressen abgehalten. Eine ruhige und ungestörte Futteraufnahme würde behindert. ■ Ist der Fressplatz gegenüber dem Laufbereich angehoben, kommt eine Gummiauflage eher in Betracht. Durch Gummi in Teilbereichen Um das verstärkte Klauenwachstum mit seinen negativen Folgen in den Griff zu bekommen, aber auch um Investitionskosten zu sparen, wird vermehrt über eine Teilbereichsbelegung von Laufflächen einer Stallanlage nachgedacht. In einigen Untersuchungen wurde bereits festgestellt, dass wir durch eine Kombination von weichen und harten Laufflächen das Klauenwachstum tatsächlich regulieren können (Übersicht 3). So sorgt z. B. eine Kombination aus Gummiauflage am Fressgang und Gussasphalt auf den Laufflächen für einen ausreichenden Klauenabrieb, gleichzeitig können die Vorteile des Gummibodens genutzt werden. Nicht für alle Teilbereiche im Stall ist der Einsatz von Gummibelägen sinnvoll. Für die Ausstattung eignen sich insbesondere Stellen an denen die Tiere untereinander verstärkt in Kontakt geraten und voreinander ausweichen müssen sowie schwierige Passagen (z. B. Stufen, Gänge mit Ecken). Wo macht Gummi Sinn? Wird beispielsweise ein Gang der Länge nach nur zur Hälfte mit einem Gummibelag ausgestattet, schränkt dies die Aktionsfläche für die Tiere ein. Denn die Kühe bewegen sich bevorzugt auf der weichen Fläche. So würden breit angelegte Gänge künstlich schmaler gemacht und ursprünglich bereit gestellter Platz R24 top agrar 12/2008 Standpunkt Die Klauen sinken im Gummi ein. Die Sohle wird schneller nass. „Bessere Brunst, aber mehr Klauenprobleme“ „Laufflächen aufzug berichten. So haben rauen oder Gummidie Infektionen mit der boden verlegen? Mortellaro’schen KrankDas war für uns die heit spürbar zugenomFrage. Unser planmen, obwohl fast jede befestigter Boden war Stunde der Faltschieber einfach spiegelglatt“, läuft. „Aber die Feuchsagt Josef Schmeing aus tigkeit bleibt, und bietet dem westfälischen gerade bakteriellen ErAhaus. Um seinen 80 krankungen am KlauenKühen viel Laufkomfort rand ideale Bedingunzu bieten, hat er sich vor gen“, erläuter Schmeing. fünf Jahren für den EinSo versucht der BeJosef Schmeing bau von Gummibelägen triebsleiter mit regelmäentschieden. ßigen Klauen- und KalkSchmeing hat den gesamten Lauf- bädern das Problem in den Griff zu bestall mit Gummi auslegen lassen. Vor al- kommen. lem die Bewegung der Tiere und das Nachteil ist aus Sicht des MilcherzeuBrunstverhalten haben sich deutlich gers auch, dass die Klauen fast keinem verbessert. „Unsere Kühe zeigen auf Abrieb unterliegen. So werden die Klauden Gummimatten die Brunst viel kla- en jetzt viermal pro Jahr geschnitten. rer. Die Trittsicherheit ist einfach gröFür Schmeing steht damit fest, dass ßer“, so der Betriebsleiter. Verschleiß er bei einer Erweiterung des Stalles zeigen die Matten nach fünf Jahren Ein- nicht mehr alle Laufflächen mit Gummi satz kaum. auslegt. Und gerade im LaufgangbeDoch der Milcherzeuger kann auch reich will er auf Spaltenboden setzen, von Problemen mit dem Gummiüber- um die Klauen trockener zu halten. die bauliche Trennung zum Laufbereich wird der Komfort beim Fressen gesteigert. Eine Erhöhung der Futteraufnahme ist zu erwarten. ■ In Laufgängen/Treibgängen ohne Zusatzfunktion kann eher auf Gummi verzichtet werden, so würde ein ausreichender Klauenabrieb gewährleistet. ■ Quergänge sollten mit Gummi belegt werden, da hier oft Engpässe entstehen und die Tiere verstärkt voreinander ausweichen müssen, insbesondere wenn Tränken oder Putzbürsten installiert sind. Bei planbefestigten Böden befinden sich in den Übergängen Stufen, die Hindernisse für die Tiere darstellen. Verletzungsrisiken würden gemindert und stressfreies Ausweichen ermöglicht. ■ Im Melkstand ist eine sichere weiche Standfläche wichtig, um möglichst stress- Übersicht 3: Klauenwachstum bei unterschiedlicher Bodengestaltung 6 5 mm pro Monat Bruttowachstum Abrieb Nettowachstum 4 Durch eine Kombination von Bereichen mit und ohne Gummi lässt sich das Nettowachstum der Klaue begrenzen. 3 2 1 0 -1 SpaltenPlan, Spaltenboden Gummiauflage, boden mit Fressstände Gummiohne Gummi auflage Quelle: Telezhenko (2007) Plan, Plan, Asphalt, Asphalt Fressstände mit Gummiauflage Grafiken: Orb top agrar 12/2008 R 25 STALLBAU Fazit Für die Verlegung der Gummibeläge auf Spalten werden Keile aus Kunststoff verwendet. Bei der Wahl des Laufflächenprofils hat sich das Grip-Profil bewährt. Beim Kauf beachten! Wenn Sie sich für den Kauf von Gummimatten für die Laufflächen entscheiden, sollten Sie folgende Punkte beachten: ■ Verformbarkeit: Die Klaue sollte 3 bis 4 mm einsinken, um eine gute Trittsicherheit zu erreichen. Das wird am besten durch ein Noppenprofil an der Unterseite erreicht. ■ Vor dem Verlegen der Gummiböden müssen Sie dafür sorgen, dass keine Absätze, Überstände und Wellen im Untergrund auftreten. Ein absolut ebener Untergrund aus Beton ist notwendig. ■ Die Laufflächen müssen sich selbst gut reinigen und leicht zu säubern sein mit Hilfe einer stationären Schieberanlage oder einem Spaltenschieber. ■ Die Tiere sollten sich nicht am Befestigungsmaterial verletzen können. Gerade Spaltengummiböden sollten mit Kunststoff- oder Gummikeilen befestigt werden. ■ Die Gummibeläge sollten einfach verlegbar sein. In der Praxis hat sich der Einsatz von Puzzle-Ware bewährt. Die Bahnenware neigt eher zu Wellenbildung und kann nachträglich zu Problemen führen. ■ Die Beläge sollten in jedem Fall befahrbar sein. R26 top agrar 12/2008 ■ Sollten Sie die Gummiauflagen selber montieren, achten Sie auf eine ausführliche Montageanleitung. Bei den Belägen für Spaltenböden müssen die Schlitze passgenau liegen. ■ Die Haltbarkeit sollte 10 Jahre nicht unterschreiten (Garantiedauer). Grundsätzlich können sämtliche DLG-geprüften Produkte mit Prüfbericht als geeignet bezeichnet werden. Hier werden die Böden auf Trittsicherheit, sichere Bewegung der Tiere und Materialeigenschaften geprüft. Standpunkt frei melken zu können. Die Tiere müssen hier häufig enge Wendungen machen. ■ Der Warteraum sollte ebenfalls mit Gummi ausgelegt werden, da Tiere auf engem Raum zusammengetrieben werden. Verletzungsrisiken und Stress würden gemindert und ein Ausweichen ermöglicht. Die Gummiauflagen machen die Kühe mobiler. Denn die Klauengesundheit verbessert sich nicht unbedingt. Sie ist abhängig von der Ausgangssituation hinsichtlich Lauffläche und Klauengesundheitsstatus im jeweiligen Betrieb. Die Ausstattung von Teilbereichen kann das Nettowachstum der Klauen begrenzen und ist damit eine praxisnahe Lösung, um die Vorteile von hartem Beton- bzw. Asphaltboden mit dem weichen Gummiboden zu verbinden. Bei einer Teilbelegung kommen aber nicht alle Stallbereiche infrage. Das Angebot an Gummibelägen wächst rasant. Einen Überblick finden Sie auf unserer Homepage in der Rubrik Leserservice-Rind. Dort können Sie Hersteller, Maße und Preise der Gummibeläge abrufen. www.topagrar.com „Gummi auf Teilflächen ist ideal“ Für KlauenpfleLandwirte ist aus ger Tilman Schmid Schmid’s Sicht sicheraus Langenau in lich, dass sich die KlauBaden-Württemenpflege intensiviert: berg ist die Kombi„Gerade in Betrieben, nation aus einer die fast alles mit Gummi harten Lauffläche ausgelegt haben, müssen und einer Fläche mit wir deutlich häufiger zur Gummiüberzug ideal für Klauenpflege – mindesdie Klaue: „So hat die tens dreimal im Jahr.“ Klaue ausreichend AbWenn nicht rechtzeirieb und gleichzeitig tig geschnitten wird, verkönnen die Vorteile eischiebt sich der KlauenTilman Schmid nes weichen Untergrunwinkel und die Klaue des für das Lauf- und kippt nach hinten. Ohne Brunstverhalten genutzt werden.“ rechtzeitiges Schneiden sind die ProbIn seinem Kundenkreis haben inzwi- leme dann größer. Fütterungsbedingte schen rund 60 Betriebe gummierte oder genetische Klauenprobleme lassen Laufflächen. Die meisten mussten ihre sich aber auch nicht mit einen GummiBöden sanieren und haben dann auf boden lösen, gibt der Klauenexperte zu Gummi gesetzt. Ein Nachteil für die Bedenken.