Newsletter „Bedrängte und verfolgte Christen“ – Juli 2014 Verfasser: Pfr. i.R. Ernst Herbert vom Leitungsteam des „Ökumenischen Arbeitskreises Religionsfreiheit“ Neumarkt i.d.OPf. Badstraße 17 b, 92318 Neumarkt – Tel. 09181/254162 [email protected] Christenverfolgung im Islam Quelle: Auszüge aus „Im Namen Allahs? Christenverfolgung im Islam“ von Rita Breuer, Herder-Verlag Das Klima wird rauer – der Islamismus und die Christen Die ältere Generation der Christen in der islamischen Welt weiß von relativ unbeschwerten Zeiten des interreligiösen Miteinanders zu berichten. So war die erste Hälfte des 20. Jhdt. vom Streben nach nationaler Unabhängigkeit und kultureller Autonomie gegenüber dem Westen geprägt, ein Ziel, das Christen und Muslime zusammenschweißte. Noch in den 1960er-/1970er-Jahren spielte die Religion im Alltag keine große Rolle. Die Welle der Re-Islamisierung der islamischen Welt und der erneuten Politisierung der Religion gleicht einem schleichenden Gift für das interreligiöse Klima und wirkt sich erheblich zum Nachteil der Christen aus. Zunehmend werden die Christen mit dem Westen identifiziert. Ein markantes Datum in der Geschichte des Islamismus ist das Jahr 1928 mit der Gründung der Muslimbruderschaft durch Hasan al-Banna. Sie verbreitete sich rasch im ganzen Land und über die Grenzen hinaus und ist heute die wohl größte islamische Organisation weltweit, vielfach vernetzt mit anderen extremistischen Strömungen, aus denen wiederum radikalere und militante Ableger hervorgingen. Ihr Ziel ist die Islamisierung oder auch Re-Islamisierung der Gesellschaft des Nahen und Mittleren Ostens, die auf vielfältige Weise vom wahren Glauben abgekommen sind. Aufgabe des muslimischen Herrschers ist es aus islamistischer Sicht, die Scharia als das von Gott bestimmte islamische Recht umfassend einzusetzen und anzuwenden. Das Wort und Gesetz Gottes – so das Credo der Islamisten – kann nicht durch Wort und Gesetz des Menschen relativiert oder gar außer Kraft gesetzt werden. Das gilt selbstverständlich auch für die untergeordnete Rolle der Christen im muslimisch geprägten Staat. Hätte Gott deren Gleichberechtigung in heutiger Zeit gewollt, so würde dies eindeutig aus dem Koran hervorgehen, der als reines Wort Gottes ewig, unabänderlich und vollkommen ist. Gleichberechtigung nicht-muslimischer Bürger kann es somit, allen Beteuerungen zum Trotz, in einem explizit islamisch geprägten Staatswesen nicht geben. Wo immer die Scharia erheblichen Einfluss auf die Rechtsprechung hat, sind Rechtsbeschränkungen für Nicht-Muslime vorhanden; ein islamisch geprägtes Staatswesen ohne religiöse Diskriminierung hat es noch nie gegeben. So setzen die Islamisten auch in den aktuellen Umbrüchen des Nahen Ostens alles daran, den Einfluss des Islams in künftigen Regierungen zu stärken und ein säkular geprägtes Demokratieverständnis als Teufelswerk des Westens abzuschmettern. Deutlich feindseliger in der Betrachtung der Christen sind die extremistischeren Strömungen des Islamismus, namentlich die Wahhabiten und die Salafiten. Zentral für beide Strömungen sind das wortgetreue Verständnis des Korans und die unbedingte Anwendung der Scharia. In ihrem Streben nach dem reinen Ur-Islam suchen sie, den gelebten Glauben und den Alltag der Muslime von allem zu befreien, was nicht ursprünglich islamisch ist und damit als unislamische Neuerung gilt. Ein grundlegender Respekt gegenüber anderen Religionen und ihren Gläubigen ist dem Wahhabismus wie dem Salafismus fremd und gilt als Verrat am Islam. Bereits jeder Dialog, der ja auf wechselseitiger Achtung fußt, ist im Grunde ein Anerkennen dessen, dass auch der Gegenüber Anteil an der Wahrheit haben könnte. Das aber ist aufgrund der Letztgültigkeit des Islams nicht möglich. Die Verschlechterung von Ansehen und Situation der Christen in der islamischen Welt trat infolge der Attentate des 11. September 2001 ein. Die Kriegserklärung des amerikanischen Präsidenten Georgs Bush gegen den Terror, wurde von vielen Muslimen als Kriegserklärung gegen die islamische Welt verstanden. Die weiteren Geschehnisse in Afghanistan und im Irak scheinen zu bestätigen, dass sich hier Christen ungerechtfertigt in die Belange der Muslime einmischen und diese politisch wie religiös und kulturell dominieren wollen – ein Lieblingsthema des Islamismus. Antichristliche Propaganda muss man in den meisten muslimisch geprägten Ländern nicht mehr hinter vorgehaltener Hand äußern. Sie rechtfertigt die Zielsetzung der Extremisten, die islamische Welt, so weit es geht, von den Christen zu befreien, sei es, indem man sie vertreibt oder sei es, indem man sie zum Islam bekehrt. Im islamistisch-jihadistischen Denken erscheinen alle Nicht-Muslime gleichermaßen als gottlose Feinde des Islams, die es im Diesseits zu bekämpfen gilt und die im Jenseits die ewige Strafe Gottes erwartet. Newsletter „Bedrängte und verfolgte Christen“ – Juli 2014 Verfasser: Pfr. i.R. Ernst Herbert vom Leitungsteam des „Ökumenischen Arbeitskreises Religionsfreiheit“ Neumarkt i.d.OPf. Badstraße 17 b, 92318 Neumarkt – Tel. 09181/254162 [email protected] Christen als Opfer der Islamkritik-Tabus Als „Islamphobie“ wird nicht nur die tumbe Islamfeindschaft rechtspopulistischer Gruppierungen betrachtet, sondern auch jede kritische Betrachtung des Islams in Theorie und Praxis sowie jede sachliche Berichterstattung über Phänomene wie die benachteiligte Stellung der Frau, den Konflikt zwischen Scharia und Menschenrechten oder eben die Diskriminierung von Christen in islamischen Ländern. Die bloße Existenz und Präsenz der christlichen Minderheit (unter zehn Prozent – oft deutlich niedriger) scheint die Islamisten derart in Panik zu versetzen, dass einfach alles als Zündstoff für anti-christliche Propaganda und Aktion herangezogen wird, als gehe es um das Überleben der islamischen Welt. Der wahre Islam, der von den Islamisten beschworen wird, ist in jedem Fall eine Religion des Friedens und der Freiheit, der Gleichberechtigung aller Menschen, der Toleranz und des Pluralismus. Kommt es zu offener Gewalt gegen Kirchen und Christen in der islamischen Welt, wird von vielen Muslimen bei uns laut Empörung und Solidarität bekundet, was auch durchaus ernst gemeint sein mag. Bei der Bekämpfung der Ursachen aber muss man sagen: Fehlanzeige. Dabei ist es keinesfalls islamfeindlich, und schon gar nicht „islamophob“, auf die desolate Situation vieler Christen in der islamischen Welt hinzuweisen, vielmehr ist es christenfeindlich, es nicht zu tun. Solidarität mit den Christen in der islamischen Welt Wenn es um innerreligiöse Solidarität geht, haben uns die Muslime eindeutig etwas voraus. Für sie ist es vollkommen selbstverständlich, dass man sich mit den Glaubensbrüdern und –schwestern in aller Welt zuerst solidarisch zeigt, während sich die orientalischen Christen mit Recht von aller Welt verlassen fühlen. Was sie dringend erwarten, ist die Solidarität der Weltkirche und der Christen im Westen durch Öffentlichkeitsarbeit, materielle Hilfe und Gebet. Das fehlende Eintreten für die Christen wird von den Muslimen als Zeichen der Schwäche verstanden und als Bestätigung dafür, dass die „Westler“ sowieso alle nicht mehr wirklich glauben. In dieser Gemengelage sollte man sich gut überlegen, ob man auf das beherzte Eintreten für die christlichen Minderheiten verzichtet, weil man einfach zu feige ist, die Missstände zu benennen. Doch auch, wenn das Ausmaß der Diskriminierung und Verfolgung von christlichen Minderheiten in muslimisch geprägten Ländern heute etwas stärker im öffentlichen Bewusstsein präsent ist, gibt es nach wie vor eine ausgesprochene Unverhältnismäßigkeit im politischen Engagement für Benachteiligte allgemein und für benachteiligte Christen im Besonderen. Vor allem im liberalen oder auch religionskritischen Milieu gewinnt man bisweilen den Eindruck, es sei peinlich, sich für Christen einzusetzen und sich mit ihnen zu solidarisieren. Dringend geboten ist es, im Dialog mit Regierungen, Verbänden, internationalen Gremien beharrlich die Religionsfreiheit für die religiösen Minderheiten in der islamischen Welt einzufordern, denn in einer globalisierten Welt, in der auf vielen Ebenen längst international und global gedacht und agiert wird, hat das eine eben sehr wohl mit dem anderen zu tun, denn die Freiheit der Religionsausübung hierzulande darf weder relativiert noch geschmälert werden weder für Muslime noch für sonst jemand. In den letzten Jahren hat es einen Bewusstseinswandel in der deutschen politischen Öffentlichkeit gegeben. So hat der Bundestag sich wiederholt in Debatten und aktuellen Stunden mit der Lage der Christen in der Türkei und anderen islamisch geprägten Ländern sowie grundsätzlichen Fragen der Religionsfreiheit befasst. Gerichte haben in mehreren Asylrechtsverfahren die besondere Gefährdung von Christen, insbesondere die von Konvertiten in ihren Heimatländern berücksichtigt und nach Prüfung der Ernsthaftigkeit der Konversion mehrfach zugunsten der Antragsteller entschieden. Die Hetze gegen Christen als Ungläubige und Agenten des Westens, der per se dem Islam feindlich gesonnen sei, greift weit über die extremistischen Kreise hinaus und bereitet den Boden für eine immer christenfeindlichere Haltung in der Bevölkerung. Dass islamistische Parteien und Verbände das Christentum in islamischen Ländern ersticken wollen, steht außer Frage, sei es durch Konversion zum Islam, Vertreibung oder zumindest Unsichtbarmachung in der Öffentlichkeit. Die innerislamischen Ansätze zu einer Modernisierung von Theologie und Gesellschaftslehre können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Mehrheitsmeinung gerade unter den Gelehrten konservativ bis fundamentalistisch ist und moderne Denker häufig bis zur Exkommunikation und strafrechtlichen Verfolgung unterdrückt werden.