Aus dem Universitätsklinikum Münster Klinik und Poliklinik für

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Aus dem Universitätsklinikum Münster
Klinik und Poliklinik für Neurologie
-Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. E. B. Ringelstein-
Untersuchungen zur Temperamentstypologie von Patienten mit idiopathischen
Kopfschmerzen
INAUGURAL – DISSERTATION
zur
Erlangung des doctor medicinae
der Medizinischen Fakultät
der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
vorgelegt von
Heinrichs Anna, geb. Lepp aus Orlowka/Kirgistan
2006
Dekan: Univ.-Prof. Dr. med. H. Jürgens
1. Berichtserstatter: Prof. Dr. med. Dr. phil. S. Evers
2. Berichtserstatterin: PD Dr. med. Dipl.-Psych. I. Gralow
Tag der mündlichen Prüfung: 06.02.2006
Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Fakultät der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster
Aus dem Universitätsklinikum Münster
Klinik und Poliklinik für Neurologie
-Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. E. B. RingelsteinReferent: Prof. Dr. med. Dr. phil. S. Evers
Koreferentin: PD Dr. med. Dipl.-Psych. I. Gralow
ZUSAMMENFASSUNG
Untersuchungen zur Temperamentstypologie von Patienten mit idiopathischen
Kopfschmerzen
Anna Heinrichs, geb. Lepp
Die hier vorgelegte Arbeit geht der Frage nach, ob sich Patienten mit idiopathischen
Kopfschmerzen hinsichtlich einer modernen Temperamentstypologie von einer gesunden
Population unterscheiden. Zu diesem Zweck haben 98 Patienten mit unterschiedlichen
Kopfschmerzerkrankungen im Alter zwischen 15 und 68 Jahren, die psychometrischen
Inventare TEMPS -A-, BDI und IBK ausgefüllt. Zum Vergleich wurden die Ergebnisse des
TEMPS -A- von 37 Patienten mit einer Major Depression und von 130 Personen ohne
Kopfschmerzen und ohne depressive Vorerkrankungen ausgefüllt. Die Diagnosen Migräne
mit bzw. ohne Aura, Clusterkopfschmerzen und Kopfschmerzen vom Spannungstyp wurden
anhand der internationalen Klassifikation von Kopfschmerzerkrankungen von 2003 gestellt.
Das wichtigste Ergebnis dieser Studie ist, dass Migränepatienten ein depressiveres
Temperament nach dem TEMPS -A- aufweisen als eine gesunde Vergleichspopulation.
Außerdem weisen weibliche Patientinnen mit Migräne ein ängstlicheres Temperament als
gesunde Probandinnen oder Patientinnen mit Major Depression auf. Aufgrund des Fehlens
von
signifikanten
Korrelationen
zwischen
der
Erkrankungsdauer
und
anderen
demographischen Größen der Migräneerkrankung und den Werten des TEMPS -A- kann
davon ausgegangen werden, dass das für Migräne spezifische Temperament prämorbid
angelegt und nicht sekundär durch die Erkrankung bedingt ist. Die Temperamentsmuster der
Patienten mit Kopfschmerzen vom Spannungstyp oder mit Clusterkopfschmerz unterscheiden
sich nicht von denen einer gesunden Population.
Tag der mündlichen Prüfung: 06.02.2006
INHALTSVERZEICHNIS
Einseitige Zusammenfassung
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung
1
2. Idiopathische Kopfschmerzen
2.1 Migräne
2.1.1 Klassifikation und Diagnostik
2.1.2 Migräne ohne Aura
2.1.3 Migräne mit Aura
2.1.4 Epidemiologie
2.1.5 Ätiologie und Pathophysiologie
2.1.6 Therapie der Migräne
2.1.7 Komorbiditäten
2.2 Kopfschmerzen vom Spannungstyp
2.2.1 Diagnostische Kriterien
2.2.2 Klinisches Bild
2.2.3 Ätiologische Faktoren
2.2.4 Pathogenese
2.2.5 Therapie
2.3 Clusterkopfschmerzen
2.3.1 Epidemiologie
2.3.2 Verlauf
2.3.3 Pathophysiologie
2.3.4 Therapie
3
3
3
4
4
5
6
8
9
9
10
11
11
12
13
14
15
15
15
16
3. Affektive Störungen
3.1 Major Depression
3.1.1 Merkmale
3.1.2 Inzidenz und Prävalenz
3.1.3 Verlauf
3.2 Dysthyme Störungen
3.2.1 Merkmale
3.2.2 Inzidenz und Prävalenz
3.2.3 Verlauf
3.3 Nicht näher bezeichnete depressive Störung
3.4 Affektive Störung aufgrund eines medizinischen
Krankheitsfaktors
3.5 Substanzinduzierte affektive Störung
3.6 Bipolare Störungen
3.6.1 Epidemiologie
3.6.2 Komorbiditäten
3.6.3 Charakteristika bipolarer affektiver Störungen
3.6.4 Einteilung bipolarer affektiver Störungen
18
18
20
20
20
21
21
21
21
22
22
23
23
23
23
24
24
4. Methodik
27
4.1 Erhebung der Fallgruppe
27
4.2 Erhebung der Kontrollgruppen
27
4.3 Angewendete Fragebögen
27
4.3.1 TEMPS -A- Fragebogen
27
4.3.2 BDI
32
4.3.3 Inventar zur Beeinträchtigung durch Kopfschmerzen 33
4.4 Statistische Verfahren
33
5. Ergebnisse
5.1 Beschreibung der Stichproben
5.1.1 Beschreibung der Fälle
5.1.2 Beschreibung der Kontrollen
5.2 Auswertung der Fragebögen
5.3 Analytische Statistik
5.4 Weitere Korrelationen
5.5 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
35
35
35
37
37
40
41
42
6. Diskussion
6.1 Frühere Untersuchungen und Vergleiche zu dieser Arbeit
6.2 Ausblick
45
45
51
7. Zusammenfassung
52
8. Literaturverzeichnis
54
9.. Lebenslauf
66
10. Danksagung
67
Anhang
Fragebogen 1: Der TEMPS -A- Fragebogen
Fragebogen 2: BDI
Fragebogen 3: IBK
I
I
VI
X
-1-
1. EINLEITUNG
1.1 Fragestellung
Es besteht schon seit vielen Jahren die Hypothese, dass Migränepatienten eine eigene
migränespezifische Persönlichkeit haben. Diese spezifische Persönlichkeit ist seit den
Arbeiten von Touraine und Draper (1934) und Wolff (1937) bis heute Gegenstand
psychologisch-psychiatrischer Studien. In letzter Zeit haben sich besonders Breslau et
al. (1995) und Merikangas et al. (1993, 1997) mit diesem Thema beschäftigt. Die
Beschreibungen der migränetypischen Persönlichkeitszüge sind sehr vielseitig. Wolff
beschrieb Merkmale wie „innerlich unsicher, aggressiv und gespannt, äußerlich
unbeugsam, gewissenhaft, perfektionistisch, kleinlich nachtragend, unzufrieden
ehrgeizig, intolerant“. Die aus Deutschland kommenden Arbeiten von Peters (1977,
1978, 1983) benennen diese Persönlichkeit als „Typus migraenicus“ mit folgenden
Eigenschaften: „sehr empfindsam, ordnungsliebend, konservativ, sparsam, vorsichtig
abwägend, voller Selbstzweifel und Ängste, rastlos aktiv“. Dieses Spektrum
unterscheidet sich sehr stark von der Beschreibung durch Wolff. Eine weitere
Bezeichnung für die Migränepersönlichkeit gebrauchte Tellenbach (1983), er nennt sie
„Typus melancholicus“ und beschreibt sie als das „Festgelegtsein auf Ordentlichkeit,
sichtbar im äußeren Habitus an gepflegter Kleidung und Frisur, im Beruf an
gewissenhafter und solider Leistung im Umgang mit den Mitmenschen an einer
betonten Höflichkeit, verbunden mit dem Bestreben, niemanden etwas schuldig zu
bleiben und Streit unter allen Umständen verhindern“.
In dieser Arbeit soll die Fragestellung, ob Migränepatienten ein migränetypisches
Temperament aufweisen und insbesondere ob sie depressiver sind als Personen ohne
Migräne, zum einen im Vergleich zur Normalpopulation betrachtet werden, zum
anderen werden auch Untergruppen, die nach Geschlecht, Kopfschmerzerkrankung,
Alter oder nach anderen Merkmalen getrennt sind, untersucht.
Die hier vorgestellte Studie ist anhand eines Fragebogens, der Temperament-Skala von
Memphis, Pisa, Paris und San Diego (TEMPS-E) von Akiskal (1999) durchgeführt
-2-
worden. Dieser Fragebogen wurde ins Deutsche übersetzt (unpubliziertes Layout nach
Bloeink et al. 2005).
Frauen und Männer mit den Diagnosen Migräne, Clusterkopfschmerz und Kopfschmerz
vom Spannungstyp nach der Klassifikation der International Headache Society (IHS)
von 2003 (deutsche Übersetzung in: Die Internationale Klassifikation von
Kopfschmerzerkrankungen 2003) wurden aufgefordert, diesen und weitere Fragebögen
auszufüllen.
-3-
2. IDIOPATHISCHE KOPFSCHMERZEN
2.1 Migräne
Bei der Migräne handelt es sich um einen idiopathischen, semiologisch eindeutigen,
anfallsartigen Kopfschmerz, der rezidivierend und meist pulsierend und einseitig auftritt
(sogenannte Hemikranie). Der Kopfschmerz beginnt meist in frühen Morgen- stunden
und dauert bis zu einigen Tagen an. Die Migräne wird oft von vegetativen Symptomen
wie Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Lärmscheu begleitet. In ca. 10% der Fälle geht
einem Migräneanfall eine Aura mit fokalen neurologischen Symptomen voraus.
2.1.1 Klassifikation und Diagnostik
1.1 Migräne ohne Aura
1.2 Migräne mit Aura
1.2.1 Typische Aura mit Migränekopfschmerz
1.2.2 Typische Aura mit Kopfschmerzen, die nicht einer Migräne entsprechen
1.2.3 Typische Aura ohne Kopfschmerz
1.2.4 Familiäre hemiplegische Migräne (FMH)
1.2.5 Sporadische hemiplegische Migräne
1.2.6 Migräne vom Basilaristyp
1.3 Periodische Syndrome in der Kindheit, die im Allgemeinen Vorläufer einer
Migräne sind
1.3.1 Zyklisches Erbrechen
1.3.2 Abdominelle Migräne
1.3.3 Gutartiger paroxysmaler Schwindel in der Kindheit
1.4 Retinale Migräne
1.5
Migränekomplikationen
1.5.1 Chronische Migräne
1.5.2 Status migränosus
1.5.3 Persistierende Aura ohne Hirninfarkt
1.5.4 Migränöser Infarkt
1.5.5 Zerebrale Krampfanfälle, durch Migräne getriggert
1.6 Wahrscheinliche Migräne
1.6.1 Wahrscheinliche Migräne ohne Aura
1.6.2 Wahrscheinliche Migräne mit Aura
1.6.3 Wahrscheinliche chronische Migräne
Tabelle 1: Die Internationale Klassifikation der Kopfschmerzerkrankungen
(Nervenheilkunde 2003); Einteilung der Migräne.
-4-
Die Diagnostik und die Klassifikation der Migräne richten sich nach den Kriterien, die
durch die International Headache Society (IHS) im Jahre 2003 aufgestellt worden sind.
In dieser Klassifikation wird die Migräne in 23 Unterpunkte aufgeschlüsselt (siehe
Tabelle 1) und mit ihren typischen Symptomen und diagnostischen Kriterien vorgestellt.
Im Folgenden werden nur die diagnostischen Kriterien für Migräne mit Aura und
Migräne ohne Aura vorgestellt.
2.1.2 Migräne ohne Aura
Die Migräne ohne Aura wird durch die folgende diagnostische Kriterien, Merkmale und
Symptome beschrieben. Es müssen mindestens fünf Attacken des Kopfschmerzes
durchlebt worden sein, der unbehandelte oder erfolglos behandelte Verlauf hat eine
Dauer von 4 bis 72 Stunden. Wenigstens zwei der nachfolgend angeführten
Kopfschmerzcharakteristika müssen außerdem zutreffen:
•
der Kopfschmerz ist einseitig, wobei ein Wechsel der Seite möglich ist
•
pulsierender Charakter des Schmerzes
•
die Intensität der Kopfschmerzen ist mäßig bis stark, so dass übliche
Tagesaktivitäten eingeschränkt oder unmöglich gemacht werden
•
Verstärkung der Kopfschmerzen durch körperliche Tätigkeiten
Und zusätzlich eine der nachfolgend aufgelisteten Begleiterscheinungen:
•
Übelkeit und/ oder Erbrechen
•
Photophobie und Phonophobie
2.1.3 Migräne mit Aura
Bei der Migräne mit Aura entstehen im zerebralen Kortex oder im Hirnstamm neurologische Symptome, die sich über 5 bis 20 Min. entwickeln. Kopfschmerzen und
vegetative Symptome schließen sich direkt an die Aura an oder folgen ihnen nach einem
Intervall von ca. 1 Stunde. Die Kopfschmerzen dauern im Durchschnitt etwa gleich wie
bei der Migräne ohne Aura, d.h. 4 bis 72 Stunden, können gelegentlich aber auch
-5-
vollständig fehlen. Es müssen mindestens zwei Attacken anamnestisch bestätigt werden,
um die Diagnose Migräne mit Aura stellen zu dürfen. Zu den typischen Symptomen der
Aura gehören: homonyme oder monokulare visuelle Störungen, Sensibilitätsstörungen,
Hemiparesen, Dysphasie, Tinnitus, Vertigo, Bewusstseinsstörungen und viele andere.
2.1.4 Epidemiologie
Wenn alle von der International Headache Society von 1988 geforderten diagnostischen
Kriterien erfüllt werden, ergibt sich eine Prävalenz für Migräne von ca. 10-12%, wobei
ca. 6% aller Männer und 15-18% aller Frauen betroffen sind. Diese Prävalenz steigt um
weitere 16%, wenn alle Kriterien bis auf eins erfüllt sind, die zur Diagnose Migräne
führen (Göbel et al. 1994). Die geschlechtspezifische Verteilung von Männern und
Frauen wird mit 2-3:1 angegeben (Rasmussen 2001). Eine weitere Arbeit, die sich
ebenfalls nach den Kriterien der IHS aus dem Jahre 1988 richtete, ermittelte eine
Lebenszeitprävalenz von 16%, wobei die für Männer mit 8% wesentlich niedriger liegt
als für Frauen mit 25% (Rasmussen et al. 1991).
Die Prävalenz der Migräne nimmt unabhängig vom Geschlecht bis zum mittleren Alter
zu und dann wieder ab. So fanden Lipton et al. (2001), dass die meisten Betroffenen in
der Altersgruppe von 30-39 und 40-49 Jahren waren; 9,7% bzw. 8,1% aller Männer und
27,3% bzw. 26,0% aller Frauen litten unter einer Migräne. Rasmussen (1995) beschrieb
für die Migräne mit Aura eine Lebenszeitprävalenz von 6%.
Nach Göbel et al. (1994) kommt es bei ca. 10% aller Migränepatienten zur Ausbildung
einer Aura. Launer et al. (1999) fanden bei 36% aller Migränepatienten eine Aurasymptomatik; 18% hatten immer und 13% nur gelegentlich eine Aura, 5% entwickelten
eine Aura ohne Kopfschmerzen.
Der Durchschnitt der Kopfschmerzhäufigkeit liegt bei 2,8 Tagen pro Monat (Göbel
1994), die wie folgt verteilt sind: 40% der Betroffenen haben eine Attacke pro Monat,
35% drei und 25% vier oder mehr Attacken monatlich (Lipton und Stewart 1994). Die
Stärke der einzelnen Attacken wird von 60% der Erkrankten als stark und von 36% als
mäßig angegeben.
-6-
Bei Kindern werden Migränekopfschmerzen oft nicht erkannt, weil Kinder
unspezifische Symptome wie Schwindel, Bauchweh, Übelkeit oder allgemeines
Unwohlsein angeben. Jungen weisen in früher Kindheit eine höhere Inzidenz als
Mädchen auf. Typisch ist die Erstmanifestation im jungen Erwachsenenalter. Bei 10,7%
der Frauen mit Migräne tritt diese mit der Menarche auf, mehr als die Hälfte erleiden
die erste Migräneattacke zwischen 10 und 19 Jahren (Granella et al. 1993). Die höchste
Inzidenzrate liegt bei den männlichen Jugendlichen einige Jahre früher. Die
Erstmanifestation liegt hier zwischen 4 und 5 Jahren (Stewart et al. 1991).
Die genetische Komponente lässt sich durch das gehäufte Vorkommen unter
Verwandten und insbesondere bei eineiigen Zwillingen belegen (Russel et al. 1995).
Insgesamt lässt sich im Vergleich verschiedener Familienstudien kein Erbgang
eindeutig identifizieren. Der Anteil genetischer Faktoren an der Ätiologie der Migräne
liegt absolut nur bei ca. 40% bis 50% (Evers et al. 1996). Aber nicht allein die
genetische Disposition ist für die Erkrankung verantwortlich, vielmehr spielen weitere
exogene Faktoren bei der Migräneentstehung eine Rolle. Bis jetzt ist eindeutig nur der
Vererbungsmodus der FHM (familiäre hemiplegische Migräne) geklärt, der ein
autosomal dominanter Erbgang zugrunde liegt.
2.1.5 Ätiologie und Pathophysiologie
Die Ursachen für die Entstehung einer Migräne sind bis heute noch nicht vollkommen
aufgeklärt. Ursächlich ist wahrscheinlich eine genetische Disposition verantwortlich
(siehe auch Kapitel 2.1.4), die dazu führt, dass manche Menschen bei Veränderungen
von Lebensumständen (wie Stress, Lärm, Ärger und Schlafmangel) oder Veränderungen
von Hormonspiegeln (z.B. bei einer Menstruation) mit einer Änderung der inneren
Reaktionsbereitschaft auf externe Triggerfaktoren mit einer Migräne reagieren. Ebenso
können
auch
Entlastungssituationen
nach
Stress,
Alkoholgenuss,
bestimmte
Nahrungsmittel (Käse, Kaffee, Gewürze), Wetteränderungen oder äußere Reize (grelles
Licht, Lichtblitze, Geräusche und Gerüche) Migränekopfschmerzen hervorrufen.
-7-
Pathophysiologisch gibt es noch keinen endgültigen Erklärungsansatz. Die folgende
Darstellung richtet sich nach den Erläuterungen von Diener (1994). Bei einer
Unterteilung der Migräneattacke in zwei Phasen stellt die erste die Auraphase dar. Diese
wird durch visuelle Störungen, Dysästhesien, Sprachstörungen gekennzeichnet. Zur Zeit
können diese Symptome durch zwei Ansätze erklärt werden. Der erste legt eine
„spreading
depression“
als
Ursache
nahe.
Nach
einem
initialen
kurzen
Exzitationsimpuls folgt eine Hemmung der kortikalen Aktivität, dieses wird auch als
ein elektrophysiologisches Phänomen bezeichnet. Der zweite Ansatz spricht von
Durchblutungsveränderungen. Zunächst entsteht eine Minderperfusion, die noch
während der Auraphase in eine Hyperperfusion übergeht. Beide Ansätze sind noch nicht
endgültig bewiesen.
Die zweite Phase, die Kopfschmerzphase, geht mit einer Stimulation der
Trigeminuskerne einher. Diese Stimulation der Kerne führt zur Änderung des
zerebralen Gefäßtonus und fördert die Freisetzung vasoaktiver Substanzen wie
Serotonin, CGRP (Calcitonin gene related peptide) und Substanz P. Nach der
Aktivierung
von
Prostaglandinen
durch
diese
Substanzen
und
nach
der
Mastzelldegranulation folgt eine perivaskuläre aseptische Entzündung der Duraarterien
und dadurch entstehen die Schmerzen. Dem CGRP wird die größte Rolle zugeschrieben
(Edvinsson et al. 1994). Dessen Konzentration ist in der V. jugularis externa sowohl bei
der Migräne ohne Aura als auch bei der Migräne mit Aura deutlich über der Norm.
Durch die erhöhte Sensibilität sensorischer perivaskulärer Fasern kann man den
charakteristischen
pulsierenden
Kopfschmerz
erklären.
Die
unter
normalen
Bedingungen nicht schmerzhaften Gefäßpulsationen werden nun doch in Schmerzreize
umgewandelt. Eine körperliche Belastung, die immer zu einer höheren Pulsfrequenz
und Blutdrucksteigerung führt, begünstigt hiermit die Verstärkung der Kopfschmerzen.
Ein weiterer Ansatzpunkt zeigt, dass bei Migräne mit Aura eine verminderte zentrale
Inhibition vorliegt, die eine erhöhte Erregbarkeit corticaler Neurone zur Folge hat
(Aurora et al. 1999). Die Intensität der Inhibitionsreduktion steigt mit höherer
Attackenfrequenz. Eine weitere Arbeit von Evers et al. (1997) beschäftigte sich mit der
kognitiven Habituation bei verschiedenen Formen des Kopfschmerzes. Hierbei hat sich
gezeigt, dass bei Migräne keine kognitive Habituation während der Messung
-8-
ereigniskorrelierter Potentiale eintritt, wie sie bei gesunden Probanden beobachtet
werden konnte.
Eine vollständige Erklärung der Ätiologie und der Pathophysiologie erfordert noch
weitere Studien.
2.1.6 Therapie der Migräne
Grundlage für die Therapie der Migräne sind die Richtlinien der Deutschen Migräneund Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) aus dem Jahre 1997 und Ergänzungen dazu aus
den Empfehlungen des Jahres 2000 (Diener et al. 2000).
Therapie des akuten Anfalls
Der Patient sollte sich im akuten Anfall vor Reizen (laute Geräusche, helles Licht)
schützen, z.B. durch den Aufenthalt in einem abgedunkelten und ruhigen Raum. Die
medikamentöse Therapie besteht erstens in der Behandlung der Übelkeit und des
Erbrechens und zweitens in der Therapie des Schmerzes, die dadurch erst ermöglicht
wird.
Durch Dopaminantagonisten wie Metoclopramid oder Domperidon kann man sowohl
die Übelkeit als auch den Kopfschmerz (durch die antiphlogistische Komponente)
gleichzeitig behandeln. Zusätzlich können Acetylsalicylsäure, Ibuprofen oder
Paracetamol, auch Metamizol, Naproxen oder Diclofenac gegeben werden. Eine
Ergänzung dieser Medikamente stellen Triptane dar.
Prophylaktische Therapie
Eine Prophylaxe wird bei den Patienten durchgeführt, die mehr als drei
Migräneattacken pro Monat erleiden, wenn die Akuttherapie nicht anschlägt oder nicht
tolerable Nebenwirkungen hat. Beim guten Therapieerfolg kann die Anfallshäufigkeit,
-dauer und -intensität sogar um mehr als 50% gesenkt werden. Zu den Substanzen
gehören: Beta-Blocker (Propranolol, Metoprolol), Calciumantagonisten (Flunarizin),
Valproinsäure, nichtsteroidale Antiphlogistika (Naproxen, ASS), Serotoninantagonisten
(Pizotifen, Methysergid, Lisurid, Magnesium). Zur Ergänzung der medikamentösen
-9-
Prophylaxe haben sich ein geregelter Schlaf-Wach-Rhythmus, sportliche Betätigung
und Stressbewältigungs-Training und Gefäßfeedback als wirksam gezeigt.
2.1.7 Komorbiditäten
Bei Patienten, die an chronischen Schmerzkrankheiten leiden, muss mit einer breiten
Komorbidität gerechnet werden. So führen chronische Schmerzerkrankungen bei über
50% der Betroffenen zu depressiven Störungen und Angstkrankheiten. Es ist auch das
Umgekehrte
Schmerzen
bekannt, dass bei Patienten mit psychischen Erkrankungen häufig
vorhanden
sind.
Ca.
10%
der
Schmerzpatienten
haben
einen
Substanzmissbrauch, bei bis zu 60% werden psychische Auffälligkeiten gefunden. Die
psychischen Störungen stellen eine Krankheitskonsequenz der Schmerzerkrankung dar,
sie äußert sich in einer Depression, einer Zwangserkrankung, einer Angststörung und in
sozialen Dysfunktionen. Bei Patienten mit einem Substanzmissbrauch steht der Abusus
von Medikamenten in führender Position.
Migräne und Kopfschmerz vom Spannungstyp kommen oft zusammen vor. Diese
Patienten zeigen verschiedene Kombinationsformen beider Kopfschmerztypen. Die
einen haben eine typische Migräne mit mäßigen Anteilen von Kopfschmerzen vom
Spannungstyp, andere dagegen gleichverteiltes Auftreten der Kopfschmerzarten, bei der
dritten Gruppe überwiegt der Kopfschmerz vom Spannungstyp. Das Spektrum reicht bis
zum separaten Auftreten des jeweiligen Kopfschmerzes.
2.2 Kopfschmerzen vom Spannungstyp
Diese Kopfschmerzart (im Folgenden auch Spannungskopfschmerz genannt) wird durch
wiederkehrende Episoden des Schmerzes charakterisiert. Der Schmerz kann Minuten
oder Tage dauern. Typische Charakteristika sind drückender oder ziehender Schmerz
leichter bis mäßiger Stärke und beidseitige Lokalisation. Bei körperlicher Anstrengung
verstärkt sich der Kopfschmerz nicht. Er geht nicht mit einer Übelkeit einher, Licht- und
- 10 -
Geräuschüberempfindlichkeit können aber auftreten. Im Folgenden wird der
Spannungsschmerz nach den alten Kriterien der IHS aus dem Jahre 1988 erläutert.
2.2.1 Diagnostische Kriterien
Die Kopfschmerztage beschränken sich auf höchstens 180 pro Jahr und weniger als 15
pro Monat. Die Dauer einer Kopfschmerzepisode beträgt 30 Minuten bis 7 Tage. Die
Schmerzqualität ist schon oben beschrieben worden, die körperliche Aktivität wird
behindert, aber nicht un-möglich gemacht. Eine neurologische oder andere körperliche
Erkrankung muss ausgeschlossen werden. Komorbiditäten bestehen mit Stress, Angst
und Depression. Man unterteilt die Kopfschmerzen vom Spannungstyp in drei Gruppen:
1. Episodischer Kopfschmerz vom Spannungstyp:
a. Mit erhöhter Schmerzempfindlichkeit perikranialer Muskeln. Die
Schmerzempfindlichkeit
oder
vermehrte
EMG
-
Aktivität
von
Kopfmuskeln ist bei diesem Typ erhöht. Die Empfindlichkeit für
Schmerz wird durch Palpation oder mit einem Druckalgometer
nachgewiesen.
b. Ohne erhöhte Schmerzempfindlichkeit perikranialer Muskeln. Die
Spannung und Schmerzempfindlichkeit der Muskulatur sind normal.
2. Chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp:
a. Mit erhöhter Schmerzempfindlichkeit perikranialer Muskeln.
b. Ohne erhöhte Schmerzempfindlichkeit perikranialer Muskeln.
Bei diesem Kopfschmerztyp hat der Patient an mindestens 15 Tagen pro
Monat und im Zeitraum von 6 Monaten Kopfschmerzen. Der
Schmerzcharakter ist wie oben beschrieben. Zusätzlich kann auch
Übelkeit, aber ohne Erbrechen auftreten.
3. Kopfschmerz vom Spannungstyp, der die Kriterien nicht komplett erfüllt. Bei
dieser Form fehlt meist nur eins der gesamten Kriterien.
- 11 -
2.2.2 Klinisches Bild
Der Schmerz ist typischerweise bilateral lokalisiert, kann aber auch einseitig liegen.
Sehr oft findet man ihn im Nackenbereich, im Gesicht oder in der Kieferregion. Die
durchschnittliche Schmerzintensität liegt auf einer Skala zwischen 1 und 7 bei 4,4 für
episodischen und bei 4,8 für chronischen Kopfschmerz unabhängig vom Geschlecht und
Alter. Das Symptom Erbrechen schließt die Diagnose Spannungskopfschmerz aus.
Die episodischen Kopfschmerzen dauern im Mittel 14,3 Stunden, bei Frauen etwas
länger als bei Männern, und im Alter länger als bei den bis 29jährigen. Der episodische
Kopfschmerz vom Spannungstyp tritt bei 54% der Betroffenen zur bestimmten
Tageszeit auf (Göbel 1994). Die Peaks sind zwischen 6 und 9 und zwischen 18 und 24
Uhr. Jahreszeit und Wochentage zeigen keine sichere Anfallshäufung. Im Mittel tritt der
episodische Kopfschmerz im 28. Lebensjahr auf, der chronische nicht vor dem 10.
Lebensjahr, allgemein sind bis zum 25. Lebensjahr 66% der Betroffenen an dieser
Kopfschmerzform erkrankt.
2.2.3 Ätiologische Faktoren
In meisten Fällen ist trotz eingehender körperlicher Untersuchung keine Ursache
feststellbar. Bei manchen Patienten stehen oromandibuläre Dysfunktionen, z.B.
Kiefergeräusche bei Bewegung des Kauapparates, Zähneknirschen, Kieferblockade,
Kaumuskulaturschmerz und unglatte Kieferbewegung im Vordergrund. Psychosozialer
Stress (z.B. in der Partnerschaft, im Beruf, Lebensumstände, Finanzen, Gesetzeskonflikte, körperliche Erkrankungen), Angst (z.B. Existenzängste, Leistungsangst) und
Depressionen machen zusammen ein Drittel der Ursachen aus. Weitere Faktoren sind
alleinige Vorstellung, muskulärer Stress und Medikamentenmissbrauch. Die Krankheitsvorstellung tritt auch bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen und einer
schizophrener Störung auf. Den muskulären Stress können ungünstige Körperposition,
Mangel an Ruhe und Schlaf so wie übermäßige Sportaktivität herbeiführen. Beim
Missbrauch von Medikamenten werden meist Aspirin, Paracetamol, Opioide und
Beruhigungsmittel vom Benzodiazepintyp eingenommen. Der überwiegende Teil der
- 12 -
Patienten leidet an mehreren Kopfschmerzerkrankungen gleichzeitig, was zu einem
Therapieproblem führt.
2.2.4 Pathogenese
1. Muskelschmerz und Kopfschmerz können durch erhöhte Muskelspannung entstehen.
Außerdem können folgende Bedingungen zu Schmerzen führen, ohne dass strukturelle
Läsionen nachweisbar sind:
a. fehlerhafte Interpretation der Reize wie Druck oder Verspannung im Gehirn
b. Ausbreitung des Schmerzes in ungeschädigte Körperregionen und übermäßige
Erregbarkeit der Nervenfasern
c. falsche Steuerung des Reizeinganges im Gehirn
2. Biochemische Untersuchungen: Niedrige Serotoninkonzentration (durch erniedrigte
Bildung oder zu starken Verbrauch des Transmitters) findet sich nur bei männlichen
Kopfschmerzpatienten. Die Monoaminooxidase ist ebenfalls nur bei Männern
erniedrigt. Bei Frauen mit dem Kopfschmerz vom Spannungstyp besteht ein Hinweis,
dass
der
Melatoninspiegel
im
Blut
in
der
Nacht
herabgesetzt
ist.
Die
Dopaminausscheidung ist reduziert, auch die zirkadiane Rhythmik der Ausscheidung
der Metaboliten von Noradrenalin, Adrenalin und Dopamin ist zwischen Nacht und Tag
aufgehoben.
3. Ohne Erfolg sind Untersuchungen
a. des intrazerebralen Blutflusses,
b. genetischer Ursachen und
c. mit psychologischen Theorien (Emotionen, Kognition, Stress)
geblieben. Bis heute ist noch keine allgemeine und akzeptable Erklärung für die
Entstehung des Spannungskopfschmerzes gefunden worden.
- 13 -
2.2.5 Therapie
Für den episodischen und den chronischen Spannungskopfschmerz gilt gleichermaßen,
dass auf analgetische Medikamente verzichtet werden sollte und nichtmedikamentöse
Maßnahmen ergriffen werden. Voraussetzung für eine gute Therapie ist das Führen
eines Kopfschmerztagebuches, danach folgt eine individuelle Beratung.
Nichtmedikamentöse Therapie für den episodischen Spannungskopfschmerz
Die ätiologischen Faktoren (muskulärer Stress, psychogene Störungen, oromandibuläre
Dysfunktion) müssen zuerst ausgeschaltet werden. Zur symptomatischen Therapie
eignen sich:
1. Entspannung in Form von Bädern, Massagen an Stirn, Schläfe und Rücken,
Bestrahlungen, Fangopackungen
2. aktive Bewegungsübungen, Krankengymnastik, Spaziergänge, Schwimmen,
sowie Streck- und Dehnübungen
3. Entspannungsmaßnahmen: Wärmeanwendungen, autogenes Training, Yoga,
Schlafen, Stressmeidung und Bettruhe
4. Veränderung der Lebensgewohnheiten: Verzicht auf Kaffee, Nikotin, geregelter
und gleichmäßiger Tagesablauf, ausgeglichenes Privatleben.
Nichtmedikamentöse Therapie der chronischen Spannungskopfschmerzen
Auch hier müssen die Triggerfaktoren ausgeschaltet werden. Eine regelmäßige
Einnahme von Schmerzmitteln ist verboten.
Medikamentöse Therapie
Bei episodischen Spannungskopfschmerzen werden bevorzugt ätherische Öle, z.B.
Pfefferminzöl 10% 3 x im Abstand von 15 Min. auf die Stirn und Schläfe aufgetragen.
Als Analgetika kann man ASS (500-1000 mg als Tabl.) oder Paracetamol (500-1000 mg
als Tabl.) einnehmen.
Bei chronischen Spannungskopfschmerzen werden auch ätherische Öle angewendet.
Zur Prophylaxe kann man trizyklische Antidepressiva nehmen:
•
Amitriptylin
- 14 -
•
Doxepin
•
Imipramin
•
Nortriptylin
•
Desipramin
Nach Möglichkeit müssen nichtsteroidale Antirheumatika gemieden werden, weil diese
zur Verfestigung und Zunahme der Kopfschmerzproblematik führen. Zu diesen
Substanzen gehören Ibuprofen, Naproxen, Aspirin (Metamizol hat eine viel größere
analgetische Wirkung als ASS und Paracetamol, dagegen aber eine seltene
unerwünschte Wirkung, die toxische Agranulozytose). Sie können Nebenwirkungen in
Form von Übelkeit, Bauchschmerzen, Blutungen, Allergien und
Thrombozyten-
aggregationshemmung verursachen.
2.3 Clusterkopfschmerzen
Dieses Syndrom ist durch eindeutige, einseitige Schmerzen charakterisiert. Der
Schmerz kann orbital, supraorbital und/oder temporal lokalisiert sein, weniger häufig
findet man ihn hinter dem Ohr, im Wangen- oder Nasenbereich. Gewöhnlich tritt der
Kopfschmerz akut auf, dauert etwa 15 bis 180 Minuten und ist extrem stark. Die
Häufigkeit der Attacken variiert zwischen einer Attacke in 2 Tagen und 8 Attacken pro
Tag.
Zusätzliche Symptome können ein gerötetes und tränendes Auge, angeschwollene Nase
oder Schnupfen sein. Manchmal geht dem Anfall vermehrter Speichelfluss oder wiederholtes Husten einher. Möglich ist auch ein komplettes oder inkomplettes HornerSyndrom.
Die Attacken treten in Serien auf, die Wochen bis Monate dauern können. Anschließend
folgt eine kopfschmerzfreie Zeit für einige Monate bis mehrere Jahre.
Die Schmerzattacken treten häufig nachts auf und wecken den Patienten, oder sie treten
frühmorgens auf, noch bevor man richtig wach geworden ist. Tagsüber fallen sie in die
Ruhepausen und bei Erschöpfung, äußerst selten in den Aktivitätsphasen, aber fast
konstant beim Alkoholgenuss.
- 15 -
2.3.1 Epidemiologie
Die Prävalenz liegt bei 4 bis 10 Patienten auf 10.000 Menschen. Diese primäre
Kopfschmerzerkrankung kommt bei Männern häufiger vor als bei Frauen (Inzidenz für
Männer 15,6/100.000 und für Frauen 4,0/100.000), und das Erkrankungsalter ist bei den
Männern früher als bei den Frauen (40-49 Lebensjahr versus 60-69 Lebensjahr). Bei
Kindern ist der Clusterkopfschmerz sehr selten. Eine familiäre Häufung ist nicht
nachgewiesen worden.
2.3.2 Verlauf
Die Schmerzattacken verlaufen in einer ganz bestimmten Reihenfolge. Über einige
Wochen treten regelmäßig aufeinanderfolgend Attacken auf, danach kommt ein
monate- bis jahrelanges beschwerdefreies Intervall. Die meisten Patienten erleiden in
der Clusterperiode 2 Attacken pro Tag, mehr als 3-4 Kopfschmerzattacken täglich sind
selten. Bevorzugte Uhrzeiten sind in der Nacht zwischen 1 und 2, am Tag zwischen 13
und 15 und abends um 21 Uhr. Die Clusterphase variiert von Patient zu Patient. Oft sind
es 1-2 Phasen in einem Jahr. In den Monaten Februar und September besteht eine
Häufung.
Während der Kopfschmerzen werden die Patienten körperlich aktiv, sie stehen vom Bett
auf, gehen unruhig umher, schlagen mit der Faust auf den Tisch usw.
Der Alkoholgenuss stellt den bekanntesten Auslösefaktor dar. Andere Substanzen wie
Nitroglycerin und Histamin können eine Attacke triggern.
2.3.3 Pathophysiologie
Man vermutet, dass für die Schmerzentstehung der Sinus cavernosus verantwortlich ist.
Beim MRT während einer Clusterkopfschmerzattacke ist die Kontrastmittelaufnahme in
den Bereichen des Sinus cavernosus und der Vena ophthalmica superior verstärkt, was
für eine Entzündung typisch ist. Im Blut und Liquor werden zum Zeitpunkt des
Kopfschmerzes erhöhte Entzündungsparameter gemessen. Zeichen einer Vaskulitis
- 16 -
können auch durch eine Phlebographie belegt werden. Die Gründe hierfür sind noch
nicht geklärt. Eine Ursache der entzündlichen Vorgänge liegt wahrscheinlich im
Hypothalamus, der beim Clusterkopfschmerz funktionell und morphologisch verändert
ist. Durch die Entzündung, Gefäßdilatation und Gefäßwandödem kann der venöse
Abfluss behindert und die sympathischen, parasympathischen und sensorischen
Nervenfasern komprimiert werden. Es kommt zu folgenden Symptomen: Schmerz,
Tränenfluss,
orbitale
Pupillenreaktionen.
Vasokonstriktoren
wie
Sumatriptan,
Ergotalkaloide oder Sauerstoffinhalation führen zur schnellen Linderung, eine
prophylaktische Gabe von Kortikosteroiden ist schnell wirksam. Die Wirksamkeit der
letzten Substanz liegt in der Entzündungshemmung.
2.3.4 Therapie
Bei diesem idiopathischen Kopfschmerz sind nichtmedikamentöse Therapiemaßnahmen
wie Biofeedback, Massagen, Manualtherapien, Akupunktur usw. sinnlos. In der Clusterperiode ist es sinnvoll, eine prophylaktische Therapie einzuleiten. Hier wird nach
episodischen oder chronischen Clusterkopfschmerzen getrennt.
Prophylaxe beim episodischen Clusterkopfschmerz
Hier steht eine Reihe von Medikamenten zur Verfügung.
1. Ergotamintartrat (2 x 1,5 – 2 mg rektal) wirkt auf 5-HT- Rezeptoren sowie
auf adrenerge und dopaminerge Rezeptoren. Diese Substanz ist ein Mutterkornalkaloid, führt zur Konstriktion großer Hirngefäße und hemmt die
Freisetzung
von
proinflammatorischer
Neuropeptide.
Die
meisten
unerwünschten Wirkungen sind Übelkeit und Erbrechen.
2. Methysergid (3 x 1 – 2 mg) darf nur maximal 3 Monate gegeben werden,
weil bei einer längeren Therapie retroperitoneale und subendokardiale
Fibrosen beobachtet wurden.
3. Pizotifen (3 x 0,5 – 1 mg) ist ein Serotoninantagonist. Durch seine anticholinergen Nebenwirkungen (Mundtrockenheit und Gewichtszunahme)
wird die Verträglichkeit eingeengt.
- 17 -
4. Calciumantagonisten wie Verapamil (240 – 360 mg) führen zur Verbesserung der Kopfschmerzparameter.
5. Lithiumcarbonat wird bevorzugt bei älteren Patienten eingesetzt. Wegen
der engen therapeutischen Breite erfordert die Gabe des Medikaments
ständige Konzentrationskontrollen im Blut. Die Wirkungsweise in der
Therapie des Clusterkopfschmerzes ist unklar.
6. Prednisolon (Decortin 2 x 50 mg) für drei Tage, dann schrittweise
Reduktion.
7. Valproinsäure (als Antiepileptikum bekannt; der prophylaktische Effekt
ist nicht geklärt).
Prophylaxe bei chronischen Clusterkopfschmerzen
Hier werden die Medikamente nach der Langzeitverträglichkeit ausgewählt. Ergotamin,
Methysergid und Pizotifen scheiden somit aus. Arzneimittel der ersten Wahl stellen
Lithium und Verapamil dar.
Therapie der akuten Clusterkopfschmerzattacke
Eine Sauerstoffgabe von 7 l/min über 15 Min., Sumatriptan 6 mg s.c. oder
Ergotamintartrat 0,45 mg als Dosieraerosol stellen die wichtigsten Therapeutika in einer
akuten Clusterkopfschmerzattacke dar. Übliche Analgetika aus Opioid- oder
Nichtopioidgruppen sind wirkungslos.
Operative Maßnahmen
Operative Eingriffe werden nur auf extreme Ausnahmesituationen beschränkt.
Neuerdings werden mit der Neurostimulation des Hypothalamus Erfolge beim
therapieresistenten Clusterkopfschmerz erzielt, hierbei handelt es sich aber noch um
eine experimentelle Methode.
- 18 -
3. Affektive Störungen
Affektive Störungen sind psychische Störungen, die sich durch Veränderungen der
Stimmungslage auszeichnen, sie werden unterteilt in manische und depressive
Störungen, bipolare Störungen und zwei Ätiologie-orientierte Störungen: Affektive
Störungen aufgrund eines medizinischen Krankheitsfaktors und substanzinduzierte
affektive Störungen. Da es in dieser Studie um den Zusammenhang zwischen Migräne
und Depression geht, werden nur die depressiven Störungen (Diagnostisches Manual
DSMIV 1996) und die bipolaren Störungen erläutert (Walden et al. 2000). Zu den
Depressiven Störungen gehören:
1. Major Depression
2. Dysthyme Störungen
3. Nicht näher bezeichnete depressive Störung
3.1 Major Depression
Das Hauptmerkmal der Major Depression ist der kurze Verlauf mit einer oder mehreren
Episoden einer Depression ohne manische, gemischte oder hypomane Episoden in der
Anamnese. Diese Form der Depression wird in Schweregrade (leicht, mittelschwer,
schwer ohne/mit psychotischen Merkmalen, teilremittiert, vollremittiert), nach
psychischen Symptomen und den Remissionsgrad eingeteilt; sie kann chronisch
verlaufen und mit katatonen, melancholischen, atypischen Merkmalen einhergehen oder
postpartal beginnen.
Episode einer Major Depression
Das wesentliche Merkmal ist eine mindestens zweiwöchige und beinahe tägliche
Zeitspanne mit depressiver Stimmung oder Verlust des Interesses oder der Freude an
fast allen Aktivitäten. Bei Kindern ist der Affekt häufig reizbar und nicht traurig.
Zusätzlich müssen mindestens 2 Kriterien aus der folgenden Gruppe bestehen:
•
Appetit- oder Gewichtsveränderungen
•
Veränderter Schlaf und psychomotorische Aktivität
- 19 -
•
Energiemangel
•
Gefühle von Wertlosigkeit und Schuld
•
Denkschwierigkeiten, herabgesetzte Konzentration und Entscheidungsfindung oder wiederkehrende Gedanken an den Tod oder Suizidabsichten
•
Suizidpläne oder -versuche
Die Stimmung wird durch Bertoffene als depressiv, traurig, hoffnungslos und niedergeschlagen beschrieben. Die depressive Verstimmung kann am Gesichtsausdruck und
am Verhalten abgelesen werden. Zusätzlich besteht oft Neigung zum Weinen,
Reizbarkeit, Schwermut, zwanghaftes Grübeln, Angst, übertriebene Besorgnis über die
körperliche
Gesundheit
und
Klagen
über
Schmerzen
(Kopf-,
Gelenk-,
Bauchschmerzen). Nicht selten treten Eheprobleme, berufliche Probleme, Missbrauch
von Alkohol, bei Kindern Trennungsangst und vermehrte Inanspruchnahme ärztlicher
Dienste auf.
Laborbefunde
•
bei ca. 40-60% ambulanter und 90% stationärer Patienten mit einer Episode
einer Major Depression treten Auffälligkeiten im Schlaf – EEG. Folgende
Befunde können erhoben werden: verlängerte Schlaflatenz, häufiges
Erwachen und Früherwachen, Non-REM-Schlaf der Stadien 3 und 4
(Tiefschlaf) ist reduziert, verkürzte Non-REM-Periodendauer, die Anzahl
der Augenbewegungen ist erhöht.
•
Neurotransmitterkonzentrationen: Noradrenalin, Serotonin, Acetylcholin,
Dopamin und Gamma-Aminobuttersäure werden im Blut, Liquor und Urin
bestimmt.
•
Untersuchungen von Lymphozytenrezeptoren
•
Dexamethason-Supressionstest
•
evozierte Potenziale und Wach- EEG.
Alle diese Untersuchungen haben Abweichungen zu Normalpersonen gezeigt.
- 20 -
3.1.1 Merkmale
Die Major Depression geht mit einer hohen Mortalitätsrate einher, ca. 15% der
Betroffenen sterben durch Suizid. Bei allgemeinmedizinischen Patienten leiden
diejenigen mit Major Depression häufiger unter Schmerzen, körperlichen Erkrankungen
und reduzierter sozialer und beruflicher Leistungsfähigkeit. Bei bestimmten
körperlichen Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Myokardinfarkt, Malignome,
Schlaganfall entwickelt sich bei 20-25% der Betroffenen im Verlauf der Erkrankung
eine Major Depression. In diesen Fällen wird die Therapie des medizinischen
Krankheitsfaktors kompliziert und die Prognose deutlich ungünstiger.
3.1.2 Inzidenz und Prävalenz
Bei jugendlichen und erwachsenen Frauen ist die Major Depression zweimal häufiger
als bei Männern gleicher Altersgruppe. Vor der Pubertät ist die Erkrankungshäufigkeit
gleich verteilt. Die höchste Erkrankungsrate liegt in der Gruppe der 25-44-jährigen, die
niedrigste bei über 65-jährigen. Das Lebenszeitrisiko in der Normalpopulation laut
vieler Studien wird für Frauen mit 10-25% und für Männer mit 5-12% angegeben. Die
Prävalenzraten scheinen keine Korrelation mit ethnischer Gruppe, Bildungsgrad,
Einkommen oder Familienstand zu zeigen. Bei biologischen Verwandten ersten Grades
tritt die Major Depression 1,5-3 mal häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung
(Manual Psychischer Störungen DSM-IV).
3.1.3 Verlauf
Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei Mitte 20. Einzelne Patienten haben
vereinzelte Episoden mit jahrelangen symptomfreien Intervallen, bei anderen treten die
Episoden gehäuft auf. Ca. 50-60% der Patienten mit einer Episode werden chronisch;
das Risiko hierfür steigt dann nach jeder weiterer Episode erst auf 70%, dann auf 90%.
Zwei Drittel remittieren vollständig, ein Drittel nur teilweise oder gar nicht. Die
- 21 -
Auslöser einer Episode sind häufig psychosoziale Belastungsfaktoren wie Tod einer
geliebten Person, Scheidung oder Alkoholabhängigkeit.
3.2 Dysthyme Störungen
3.2.1 Merkmale
Hauptmerkmal der dysthymen Störung ist eine chronische depressive Verstimmung die
für die meiste Zeit des Tages und an mehr als der Hälfte der Tage besteht und über
mindestens zwei Jahre hinweg andauert. Die Stimmung wird durch Betroffene als
traurig und niedergeschlagen beschrieben, weitere Symptome sind Appetitmangel oder
vermehrtes Essen, Schlaflosigkeit oder gesteigertes Schlafbedürfnis, Erschöpfbarkeit,
Gefühl der Hoffnungslosigkeit, Interesselosigkeit und selbstkritische Einstellung.
3.2.2 Inzidenz und Prävalenz
Bei Kindern tritt die Dysthyme Störung bei beiden Geschlechtern gleich häufig auf und
führt häufig zum Nachlassen der schulischen Leistungen und der sozialen Kontakte.
Diese Kinder sind schlecht gelaunt, pessimistisch, weisen geringe soziale Fertigkeiten
auf und haben ein niedriges Selbstwertgefühl. Bei Erwachsenen ist die Erkrankung bei
Frauen dreimal häufiger als bei Männern. Die Lebenszeitprävalenz liegt bei ca. 6%.
3.2.3 Verlauf
Oft ist der Beginn der Dysthymen Störung früh (d.h. in der Kindheit, Adoleszenz oder
im frühen Erwachsenenalter) und schleichend. Dann nimmt sie meistens auch einen
chronischen Verlauf an. Der Erkrankungsbeginn nach dem 21. Lebensjahr wird als
später Beginn bezeichnet.
- 22 -
3.3 Nicht näher bezeichnete depressive Störung
Unter diese Kategorie fallen alle Störungen mit depressiver Symptomatik, die nicht die
Kriterien einer Major Depression, der dysthymen Störung, einer Anpassungsstörung
mit depressiver Stimmung oder Anpassungsstörung mit gemischter Angst und
depressiver Störung erfüllen. Einige Beispiele hierfür sind:
1. Prämenstruelle dysphorische Störung. Die Symptome treten in der letzten Woche
der Lutealphase auf und sind: vermehrte Ängstlichkeit, deutliche Stimmungsschwankungen, vermindertes Interesse an Aktivitäten und deutliche depressive
Verstimmung.
2. Leichte depressive Störung, die mindestens 2 Wochen dauert, erfüllt aber nicht
alle Kriterien einer Major Depression.
3. Rezidivierende kurze depressive Störung dauert zwischen 2 Tagen und 2
Wochen, die über ein Jahr und monatlich auftritt.
3.4 Affektive Störung aufgrund eines medizinischen Krankheitsfaktors
Durch einen medizinischen Krankheitsfaktor kann auch eine ausgeprägte und
anhaltende Stimmungsveränderung hervorgerufen werden. Die affektive Störung kann
sich in depressiver Stimmung, deutlich reduziertes Interesse oder Freude oder in
gehobener und reizbarer Verstimmung äußern. Für die klinische Diagnose ist es
wichtig, dass die Symptomatik zu Leiden oder zu Beeinträchtigungen im sozialen,
beruflichen oder anderen Funktionsbereichen führt.
Die Geschlechtsverteilung ist hier im Gegensatz zur Major Depression gleich verteilt,
die Suizidrate ist erhöht und hängt von dem jeweiligen medizinischen Krankheitsfaktor
ab. Das höchste Suizidrisiko ist bei chronischen, unheilbaren und schmerzhaften
Zuständen
(Malignome,
Rückenmarksverletzungen,
Ulcus
pepticum,
Chorea
Huntington, AIDS, SHT...) gegeben.
Die Angaben zur Prävalenz beschränken sich auf die depressiven Erscheinungsformen.
Bei ca. 25-40% der neurologischer Erkrankungen (einschließlich Morbus Alzheimer,
- 23 -
Morbus Huntington, multiple Sklerose, Schlaganfall, Morbus Parkinson) tritt im
Verlauf eine depressive Störung auf.
3.5 Substanzinduzierte Affektive Störung
Diese Störungen treten nach Gebrauch von Drogen, Medikamenten, somatischen
antidepressiven Behandlungen oder nach Exposition gegenüber Toxinen auf. Die
Symptome können während der Intoxikation oder als Entzugssymptomatik auftreten. Zu
den diagnostischen Kriterien gehört die Anamnese, eine körperliche Untersuchung oder
Laborbefunde (Einstichstellen, Drogenkonzentration, Medikamentenanamnese).
3.6 Bipolare Störungen
Bipolare Störungen sind durch das mindestens einmalige Auftreten einer manischen
oder hypomanen Stimmungslage nach DSM-IV definiert.
3.6.1 Epidemiologie
Die Lebensprävalenzrate liegt für bipolare Störungen bei 0,3-1,5% (Weissman et al.
1996). Der Großteil der Patienten erleidet zuerst die depressive Phase. Die erste Periode
tritt bei 75% der Patienten bis zum 25. Lebensjahr auf. Die Geschlechtsverteilung ist
etwa 1:1, außer bei rapid cycling (Erklärung siehe unter 3.6.4.), dort sind Frauen
zweimal häufiger betroffen als Männer.
3.6.2 Komorbiditäten
An erster Stelle stehen andere psychiatrische Störungen wie soziale Phobien, Panik- und
Angststörungen mit 39%; 22% haben zusätzlich somatische Beschwerden, 33% leiden
- 24 -
an Alkohol- und Drogenmissbrauch. 25-50% aller bipolar Erkrankten (Strakowski et al.
1996) unternehmen mindestens einen Suizidversuch im Laufe der Erkrankung, und
diesen meist kurz nach der Diagnosestellung (2-5 Jahre).
3.6.3 Charakteristika bipolarer affektiver Störungen
Manische und hypomane Episoden charakterisieren bipolare Erkrankungen. Manien
treten episodenhaft auf, die Stimmung ist situationsinadäquat gehoben, der Antrieb ist
gesteigert.
Größenideen,
starker
Rededrang,
Ideenflucht
und
vermindertes
Schlafbedürfnis prägen das Leben dieser Personen. Zusätzlich können sie auch reizbar
sein. Hier beginnt der Bereich der Mischzustände (Kraepelin 1915), die die Symptome
der Manie und Depression vereinen.
Nach DSM-IV müssen mindestens einmalig eine manische Episode (Bipolar I) oder
rezidivierend Depressionen mit Hypomanien (Bipolar II) auftreten, um die Diagnose zu
stellen. Darüber hinaus kommen Randformen vor, z.B. die zyklothyme Störung, das
hyperthyme Temperament und rezidivierende Depressionen ohne Hypomanie, aber mit
hyperthymem Temperament (Bipolar IV).
Beim hyperthymen Temperament ist die Persönlichkeit stark extrovertiert und expansiv.
Bei der zyklothymen Störung handelt es sich um chronisch fluktuierende Phasen
leichter affektiver Herabgestimmtheit und Phasen mit hypomanen Symptomen.
Die Bipolar-III-Störung wird durch eine Depression mit einer Antidepressivaassoziierten Hypomanie definiert (Einteilung der Verlaufsprototypen bipolarer
Störungen nach Akiskal et al. 2000).
3.6.4 Einteilung bipolarer affektiver Störungen
Manien
Manische Patienten sind durch eine gehobene Stimmung, Distanz- und Kritiklosigkeit
gekennzeichnet. Ihr Antrieb ist gesteigert und enthemmt. Das Schlafbedürfnis und ihr
Appetit sind stark reduziert, das sexuelle Interesse ist dagegen stark gesteigert. Denk-
- 25 -
störungen wie Ideenflucht, Größenwahn und Selbstüberschätzung sind häufig
vorhanden.
Hypomanien
Die Patienten mit Bipolar II- Störungen leiden an rezidivierenden Depressionen mit
Hypomanien. Die Hypomanien werden besonders im Anschluss an eine Depression als
normales „Wiederaufleben“ interpretiert. Hypomanien sind mildere Formen der Manien
mit zumeist kürzerer Dauer charakterisiert. Der Patient hat für mehrere Tage eine leicht
gehobene Stimmung, vermehrte körperliche Energie und geistige Schaffenskraft. Die
Kontrolle des Verhaltens ist noch angemessen.
Bipolare Depression
Zu den Symptomen der bipolaren Depression gehören Energieverlust, vermehrtes
Schlafbedürfnis, gesteigerter Appetit und Konzentrationsverlust. Bei schweren Formen
finden sich auch psychotische Symptome wie der Verarmungswahn oder der
nihilistische Wahn und Angstgefühle. Die Patienten empfinden oft eine innere
Spannung und Rastlosigkeit, verfallen in Alkohol- und Drogenprobleme.
Rapid cycling
Rapid cycling beschreibt einen raschen Phasenwechsel bei Patienten mit einer bipolaren
affektiven Störung (Dunner et al. 1974). Für diese Diagnose sprechen mindestens vier
Phasen einer Depression oder Manie in einem Jahr.
Randformen der bipolaren Störungen
a) Zyklothymia oder zyklothyme Störungen: Diese Personen haben Phasen affektiver
Herabgestimmtheit und Phasen mit hypomanen Symptomen. Charakteristisch ist, dass
die jahrelangen Instabilität mit leichten Depressionen und Hypomanien sich im frühen
Erwachsenenalter manifestiert und einen chronischen Verlauf nimmt. In den
depressiven Phasen rettet sich der Patient meist mit einem vermehrten Energieaufwand.
b) Hyperthymes Temperament: Diese Menschen sind extrovertiert, redselig und
selbstsicher. Sie bekleiden oft Ämter mit hohem Ansehen. Die Notwendigkeit einer
- 26 -
Behandlung besteht erst dann, wenn aus einer hyperthymer Gemütslage heraus eine
Depression entsteht (Bipolar IV-Störung).
c) Recurrente kurzdauernde Depression (Recurrent brief depression) und rekurrente
kurzdauernde Manien: Charakteristisch für die rekurrente kurzdauernde Depressionen
sind wiederkehrende kurze depressive Episoden, die in der Regel ca. 3 Tage, maximal
jedoch bis höchstens 2 Wochen dauern. Für die Betroffenen sind insbesondere der
unregelmäßige Rhythmus und die Unvorhersehbarkeit der Depressionen gravierend.
Dementsprechend ist die Suizidgefahr in dieser Patientengruppe besonders groß. Etwa
5% der Bevölkerung sollen an diesen kurzdauernden Depressionen leiden (Walden et al.
2000).
Zusätzliche Informationen und Ergänzungen zu den Temperamenten siehe im Kapitel 4
unter TEMPS-A-Fragebogen.
- 27 -
4. Methodik
4.1 Erhebung der Fallgruppe
Die vorliegende Studie wurde an 98 Patienten mit Kopfschmerzen durchgeführt, die die
Kopfschmerzambulanz in der Klinik und Poliklinik für Neurologie des Universitätsklinikums Münster konsultiert haben. Die Kopfschmerzdiagnose wurde nach den
Kriterien der International Headache Society (IHS 2003) gestellt. Patienten mit
depressiven Erkrankungen (DSM-IV 1996) wurden nicht mit in die Bewertung
genommen.
4.2 Erhebung der Kontrollgruppen
In dieser Studie sind zwei Kontrollgruppen für den Vergleich mit der Gruppe mit Kopfschmerzen eingeführt worden. Die erste besteht aus Patienten mit einer Major
Depression, die sich stationär oder tagesklinisch in der Klinik und Poliklinik für
Psychiatrie des Universitätsklinikums Münster befanden und keine Migräneanamnese
haben. Die zweite Kontrollgruppe besteht aus Personen, die keine Kopfschmerzen und
Depressionen haben. Diese Kontrollgruppe stellen Kommilitonen, Freunde und
Angehörige dar.
4.3 Angewendete Fragebögen
4.3.1 TEMPS-A-Fragebogen
Zur Erfassung des Temperaments sind bis jetzt drei Ansätze vorhanden: der
psychiatrisch-psychopathologische (Kraepelin 1915, Kretschmer 1936), der neurobiologische (Pawlow 1953, Gray 1994, Eysenck 1991) und der entwicklungspsychologische (Zentner 1998, Thomas und Chess 1977).
- 28 -
Die psychiatrisch-psychopathologische Entwicklungslinie basiert auf der Idee, dass
Temperamente „Verdünnungen“ von psychischen – im Wesentlichen von affektiven –
Störungen sind.
Die neurobiologische Entwicklungslinie lässt sich im Wesentlichen im Bereich der
Psychologie ausmachen. Pawlow (1953), Eysenck (1991), Gray (1994), Zuckermann
(1991) und andere postulierten ein neurobiologisches Temperamentskorrelat, das
unterschiedliche Erregungs- und/oder Hemmungsprozesse bedingt. Diese Prozesse sind
angeboren, dauerhaft und individuell unterschiedlich. Pawlow ging von allgemeiner
Stärke bzw. Schwäche des „Nervensystems“ aus. Eysenck beschrieb ein „aufsteigendes
retikuläres aktivierendes System“ (ARAS). Gray stellte komplexe Verhaltenssysteme
mit neuroanatomischen Korrelaten dar, die auf angeborener, dauerhafter Angst und
Impulsivität basierten.
Die Vertreter der entwicklungspsychologischen Entwicklungslinie (Zentner et al. 1998,
Thomas und Chess 1977, Buss und Plomin 1984) beobachteten prospektiv die
Entwicklung von Neugeborenen und stellten dabei fest, dass die Kinder vom ersten Tag
an unterschiedliche Temperamentseigenschaften in Bereichen wie Aktivität, Schlaf,
Nahrungsaufnahme oder Stimmung zeigten. Rothbart (1994) befasste sich mit den
Bereichen Reaktivität und Selbstregulation, Kagan et al. (1988) untersuchten die soziale
Gehemmtheit. Schließlich hatten Buss und Plomin (1984) das EAS-System beschrieben,
dieses besteht aus den 3 Faktoren Emotionalität, Aktivität und soziale Fähigkeiten.
Zu den vier Grundzuständen nach Kraepelin hyperthym (manisch), depressiv, reizbar
und zyklothym wird ergänzend auch das ängstliche Temperament gerechnet. Diese fünf
Typen des Temperaments kann man anhand des TEMPS-A-Fragebogens erfassen
(Akiskal et al. 2002).
Cloninger et al. (1993) haben eine Persönlichkeitstheorie aufgestellt („integrative
biosoziale Theorie der Persönlichkeit“), in der sie Charakter und Temperament
gegeneinander stellen. Die Ergebnisse waren, dass der Charakter durch die Umwelt
geprägt und das Temperament dagegen genetisch festgelegt und durch Noradrenalin,
Dopamin und Serotonin bedingt ist.
Der Versuch, den Zusammenhang zwischen Temperament und affektiven Störungen zu
ermitteln, besteht schon lange und wird insbesondere von Akiskal verfolgt (Akiskal et
- 29 -
al. 1975, 1983, 1992, 1994, 1995a, 1995b, 1996, 1998a, 1998b, 1999 und 2000). Die
Idee der Studien ist, dass affektive Störungen sich aufgrund bestimmter Temperamente
entwickeln. Kraepelin (Kraepelin 1915) beschrieb diese als „von Jugend auf bestehende
Veränderungen des Seelenlebens“ (S. 1303), die besonders häufig auch „in Familien
manisch-depressiv Kranker beobachtet werden“. Entsprechend beschreibt er vier
Grundsätze: die depressive, die manische, die reizbare und die zyklothyme
Veranlagung.
Im
folgenden
werden
anhand
der
deutschen
Version
der
TEMPS-A
(Temperamentskalen-Autoversion) die verschiedenen Temperamente erläutert. Der
TEMPS-A-Fragebogen ist ein Selbstratinginstrument, ihn gibt es in mehreren Sprachen
(englisch, französisch, italienisch, portugiesisch und deutsch). Die Validität und
Reliabilität des Fragebogens sind durch Untersuchungen der englischen (TEMPS-A von
Akiskal), französischen (Hantouche et al. 1997) und der deutschen (Bloeink et al. 2005)
Versionen bestätigt worden.
Die Übersetzung der Skala erfolgte in der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg
von Prof. Dr. Christoph Mundt und Dr. Aoife Hunt in Zusammenarbeit mit Prof. Dr.
Jules Angst aus Zürich.
Alle Fragen des TEMPS-A-Fragebogens werden von den Probanden mit „ja“ oder
„nein“ beantwortet, die mit „ja“ beantworteten Fragen werden in ihren Subgruppen
addiert und bilden den jeweiligen Score.
Das depressive Temperament
Vom depressiven Temperament wird weder in der ICD-10 (WHO 1994) noch in der
DSM-IV (APA 1994) als allgemeiner Diagnose gesprochen. Die ICD-10 und DSM-IV
kennen aber die „dysthyme Störung“ (Akiskal 1983) als mindestens zwei Jahre
dauernde Depressionsform. Bei Frauen tritt das depressive Temperament häufiger auf
als bei Männern (Rosenthal et al. 1981).
- 30 -
Kovacs et al. (1997) haben gezeigt, dass solche dysthymen Störungen häufig in der
Kindheit beginnen. Dieser Beschreibung ist das depressive Temperament sehr ähnlich.
Vergleiche hierzu die Items 1 bis 22 des Fragebogens 1 im Anhang.
Die Symptomatik der Patienten mit dem depressiven Temperament bessert sich bei der
Therapie mit Antidepressiva, Lithium und Psychotherapie (Akiskal et al. 1981,
Rosenthal et al. 1981). Es sind oft solche Personen, bei denen Lethargie, Schwermut
und Selbstzweifel tief verwurzelt sind und einen Teil des Charakters darstellen. Im
Schlaf zeigen diese Patienten verkürzte REM-Phasen, genau wie Patienten mit
depressiven Episoden (Akiskal et al. 1997, Hauri et al. 1984).
In vielen Studien ist nachgewiesen worden, dass fast alle Patienten mit dem depressiven
(dysthymen) Temperament später schwere depressive Episoden entwickeln. Dieser
Vorgang heißt auch „Double-Depression“ (Keller et al. 1982).
Das zyklothyme Temperament
Patienten mit dem zyklothymen Temperament (Items 23-42 im Fragebogen 1 des
Anhangs) sind launisch und wechselhaft, man kann sie aber noch nicht zu den Manischdepressiven zählen. Diese Personen haben oft Beziehungsprobleme und klagen eher
weniger über Stimmungsschwankungen. Soziale Schwierigkeiten, überstürzte und kurze
Liebesbeziehungen, Wohnortswechsel, Alkoholmissbrauch u.v.a. prägen das Leben
dieser Personen. Von anderen Menschen werden diese als histrionisch, emotional
instabil oder als dissozial bezeichnet. Man beobachtet bei den Patienten mit dem
zyklothymen Temperament Episoden mit kurzen hypomanen und depressiven Zeichen,
die wenige Tage anhalten. Das Schlafbedürfnis wechselt ständig (Akiskal et al. 1977),
Selbstzweifel lösen Selbstüberschätzung ab und Zurückgezogenheit geht in eine
Leutseligkeit über. Dieses Temperament wird durch die Items 23 bis 42 überprüft.
Ähnlichkeiten zum zyklothymen Temperament bestehen in der zyklothymen Störung
(DSM-IV) und in der Zyklothymia (ICD-10) (Brieger et al. 1997). Auch dieses
Temperament tritt bei Frauen häufiger auf als bei Männern (Placidi et al. 1998) und
kann vor allem bei Frauen zum sogenannten „rapid cycling“ führen (Kilzieh et al. 1999,
Koukopoulos et al. 1980). Eine Bestätigung für das zyklothyme Temperament erfolgte
- 31 -
in einer prospektiven Studie in Rahmen der Collaborative Depression Study (CDS)
(Akiskal et al. 1995b). Bei 559 Patienten mit einer Bipolar-II-Störung fand man
Charakterauffälligkeiten, die sehr ähnlich sind denen vom zyklothymen Temperament.
Sie wiesen eine emotionale Labilität auf, hatten zeitweise höhere Energie und Aktivität
und waren sozial ängstlich und unsicher. Verbindungen zu anderen Krankheitsbildern
bestehen zum Kokainmissbrauch (Nunes et al. 1990), Angststörungen und
Zwangserkrankungen (Brieger et al. 1999 und 2000, Himmelhoch et al. 1998),
Panikstörung und sozialer Phobie.
Das hyperthyme Temperament
Menschen mit diesem Temperament sind oft beruflich erfolgreich, besetzen Führerpositionen, brauchen wenig Schlaf, mischen sich überall ein, sind ungehemmt und haben oft
zahlreiche Probleme im privaten Leben (Akiskal et al. 1984, 1992, 1995b). Die
Personen sind unbedacht und handeln oft übereilt, so dass Freunde und
Familienangehörige verletzt werden (vergleiche Items 43-63 im Fragebogen 1 im
Anhang). Es sind ca. 1% aller Menschen betroffen, den meisten Teil bilden hier die
Männer (Bloeink et al. 2005).
Diese Patienten findet man oft in Schlaflaboratorien, weil sie nach jahrelanger nervöser
Unruhe und mit 4-5 Stunden Schlaf an Einschlafstörungen leiden. Die REM-Latenzen
sind verkürzt und zeigen damit Ähnlichkeit zu depressiven Patienten (Hudson et al.
1988).
Psychopathologisch kann das hyperthyme Temperament zu manischen (Akiskal 1998b,
Hantouche 1997, 1998), depressiven (Akiskal 1984, Cassano 1989, Eckblad 1986) und
gemischten Episoden gezählt werden.
Das reizbare Temperament
Das reizbare Temperament ist sehr selten und kann vom zyklothymen Temperament nur
schwer abgegrenzt werden. Einer der Unterschiede liegt in der Geschlechtsverteilung:
- 32 -
Das reizbare Temperament findet man häufiger bei Männern, das zyklothyme bei
Frauen (Placidi et al. 1998). Reizbare Zustände (vergleiche Items 64-84 der TEMPS-ASkala) entstehen durch gleichzeitiges Auftreten von depressiven und hyperthymen
Zügen und sind dauerhaft. Die Zeichen sind: Dysphorie, ständige Ärgerlichkeit,
übellauniger Humor und Grübeln. Oft bekommen diese Patienten eine Diagnose aus der
Gruppe der Persönlichkeitsstörungen.
Phobisches Temperament und Angststörungen
Für die Persönlichkeits- und Temperamentpsychologie ist ein phobisches Temperament
eine Persönlichkeitsdisposition und spielt als ätiologischer Faktor von Angststörungen
eine bedeutende Rolle (Watson 2000). Das phobische Temperament stellen die Items
85-110 dar. 30% der Agarophobiepatienten zeigen dieses Temperament, sie sind auch in
anderen Lebenssituationen ängstlich und furchtsam.
4.3.2 BDI
Dieser Fragebogen (Fragebogen 2 im Anhang) wurde zunächst für Patienten mit einem
Depressiven Syndrom entwickelt, kann aber auch für Patienten mit anderen Diagnosen
verwertet werden. Der BDI (Beck Questionnaire) enthält 21 Gruppen von Aussagen, die
eine Einschätzung der Stimmungslage zulassen. Man kann 0 bis 63 Punkte erreichen
(Beck et al. 1961). Bei Werten zwischen 0 und 10 liegt noch keine Depression vor, bei
11 bis 17 eine leichte, bei 18 bis 23 eine mittelgradige und bei Werten über 24 eine
schwere Depression.
Die Patienten werden gebeten, diejenigen Aussagen anzukreuzen, die ihre Gefühle der
laufenden Woche am besten wiedergeben. Wenn mehr als eine Aussage einer Gruppe
zutrifft, können auch mehrere angekreuzt werden.
- 33 -
4.3.3 Inventar zur Beeinträchtigung durch Kopfschmerzen
Das Inventar zur Beeinträchtigung durch Kopfschmerzen (IBK) entspricht dem
Headache Disability Inventory (HDI) für den englischsprachigen Raum (Jacobson et al.
1994, 1995) und dient der Erfassung der Lebensqualität von Patienten mit chronischen
Kopfschmerzen. Das IBK (Fragebogen 3 im Anhang) ist in zwei Subskalen unterteilt.
Die Subskala „Funktion“ misst Einschränkungen normaler alltäglicher Aktivitäten und
enthält 12 Items. Die Subskala „Emotionen“ erfasst die durch Kopfschmerzen
verursachten Befindlichkeitsstörungen und besteht aus 13 Items. Ein Gesamtscore kann
der Einschätzung von Therapieerfolgen dienen.
Die einzelnen Items können durch „ja“, „manchmal“ oder „nein“ beantwortet werden.
Für ein „ja“ werden bei der Bewertung 4 Punkte, für „manchmal“ 2 und für „nein“ 0
Punkte vergeben, also kann die Punktzahl für „Funktion“ 0 bis 48 Punkte und die
Punktzahl für „Emotionen“ 0 bis 52 betragen. Je größer die Summe in den Subgruppen
wird, desto stärker kann die Beeinträchtigung durch Kopfschmerzen angenommen
werden.
Die Patienten werden außerdem gebeten, die Frequenz (weniger als einmal pro Monat,
1- bis 4-mal pro Monat, mehr als 4-mal pro Monat) und die Intensität (leicht, mittel,
stark) der Kopfschmerzen anzugeben (Bauer et al. 1999).
Zu den drei Fragebögen wurden noch persönliche Daten (Alter und Geschlecht),
maximale und durchschnittliche Schmerzintensität und -dauer, die KopfschmerzHauptdiagnose und die Nebendiagnose erhoben.
4.4 Statistische Verfahren
Die Datenverarbeitung und die Auswertung erfolgten mittels SPSS 11.0. Sowohl
deskriptive als auch analytische Untersuchungen wurden mit diesem Programm
durchgeführt.
Zur deskriptiven Statistik gehörte die Ermittlung der Minima und Maxima, des
arithmetischen Mittelwertes und der Standardabweichung.
- 34 -
Zur analytischen Statistik sind der Mann-Whitney-U-Test, der zwei unabhängige
Stichproben mittels Bildung von gemeinsamen Rangreihen vergleicht, der KruskalWallis-Test, der mehr als zwei unabhängige Stichproben vergleicht, und der SpearmanKorrelationskoeffizient, der nicht-parametrische Korrelationen darstellt, herangezogen
worden. Als Signifikanzniveau wurde p=0,05 gewählt.
- 35 -
5. Ergebnisse
5.1 Beschreibung der Stichproben
Zunächst werden die deskriptiven Ergebnisse der Untersuchungen der Fälle und der
Kontrollen dargestellt.
5.1.1 Beschreibung der Fälle
Von den 98 Patienten in der Fallgruppe sind 16 Patienten männlich und 82 weiblich.
Die Personen sind zwischen 15 und 68 Jahre alt. Die Altersverteilung hat einen
Mittelwert von 38,3 ± 13,4 Jahren.
Unter den Kopfschmerzpatienten sind 75 an Migräne erkrankt, 12 von ihnen haben nur
eine Migräne mit Aura und 46 nur eine Migräne ohne Aura, der Rest hat mehrere
Kopfschmerzdiagnosen. Die Geschlechtsaufteilung ist wie folgt: 9 männliche und 66
weibliche Migränepatienten. Unter den übrigen Kopfschmerzpatienten haben 5 einen
medikamenteninduzierten Kopfschmerz, 18 einen Spannungskopfschmerz und 5 einen
Clusterkopfschmerz. Die Patienten mit einem medikamenteninduzierten Kopfschmerz
werden nicht als Gruppe analysiert, da es sich hierbei um einen sekundären
Kopfschmerz handelt, auch die Clusterkopfschmerzpatienten werden wegen der zu
geringen Stichprobengröße nicht in den statistischen Vergleich mit einbezogen.
Die Frage nach der Dauer der Kopfschmerzen ergibt folgende Verteilung: bei den
Migränepatienten dauern die Kopfschmerzen im Mittel 2,0 ± 1,1 Tage, die maximale
Dauer liegt bei 6 Tagen und die minimale bei 1 Tag. Die mittlere Häufigkeit des
Auftretens der Kopfschmerzen liegt bei 3,6 ± 2,6 Tagen pro Monat. Die allgemeine
Krankheitsdauer der Kopfschmerzen liegt zwischen 1 und 42 Jahren, im Mittel 18,0 ±
11,3 Jahre.
- 36 -
In den Fragebögen wurde auch die Schmerzintensität auf einer Skala zwischen 1
(minimale Stärke) und 10 (maximale Stärke) eruiert. Die durchschnittliche
Schmerzstärke für die ganze Migränegruppe liegt bei dem Wert 6,0 ± 1,7 und die
maximale Schmerzstärke bei dem Wert 8,4 ± 1,5.
Die Patienten mit Migräne mit Aura sind im Mittel länger an der Erkrankung erkrankt.
Die Erkrankungsdauer beträgt 23,3 ± 11,4 Jahre. Die Patienten mit Migräne ohne Aura
sind dagegen im Mittel 16,6 ± 11,2 Jahre erkrankt (p=0,100). Die Patienten mit Migräne
mit Aura haben außerdem häufiger und längere Kopfschmerzattacken pro Monat und
auch die durchschnittliche und maximale Kopfschmerzintensität ist bei dieser
Migräneerkrankung höher (siehe Tabelle 2).
Migräne mit
Migräne ohne
Aura
Aura
Tage pro Attacke
2,2 ± 1,5
1,9 ± 1,0
p = 0,703
Schmerztage pro Monat
3,8 ± 3,6
3,1 ± 2,2
p = 0,075
6,7 ± 1,8
5,8 ± 1,4
p = 0,121
9,3 ± 1,1
8,1 ± 1,3
p = 0,008
Durchschnittliche
Schmerzstärke
Maximale Schmerzstärke
Signifikanzen
Tabelle 2: Schmerzintensität und -dauer sowie Schmerztage pro Monat und Dauer der
Attacke bei Migränepatienten mit Aura und ohne Aura. Angegeben sind der
arithmetische Mittelwert und die Standardabweichung.
Die Patienten mit einem Spannungskopfschmerz haben die Erkrankung durchschnittlich
schon seit 11,3 ± 11,9 Jahren. Die einzelnen Kopfschmerzattacken dauern im Mittel 1,8
± 2,4 Tage und treten 1 bis 30 mal pro Monat auf (durchschnittlich 17,1 ± 11,8). Die
Schmerzstärke im Mittel und der maximale Schmerzwert liegen bei 5,8 ± 1,8 bzw. 8,2
± 1,7.
Die Patienten mit Clusterkopfschmerz sind im Mittel seit 16 ± 12 Jahren erkrankt, pro
Monat tritt der Clusterkopfschmerz ca. 33 ± 6 mal auf. Durchschnittlich und maximal
ist der Kopfschmerz stärker als bei den anderen Kopfschmerzpatienten. Im Mittel liegen
- 37 -
die Werte für den durchschnittlichen Schmerz bei 8,0 ± 0,8 und für den maximalen
Schmerz bei 9,5 ± 0,6.
5.1.2 Beschreibung der Kontrollen
Im Rahmen der Untersuchung haben 37 Patienten mit einer Major Depression und ohne
Kopfschmerzen den TEMPS-A-Fragebogen ausgefüllt. Von diesen Patienten sind 15
männlich und 22 weiblich, sie sind durchschnittlich 39,1 ± 14,3 Jahre alt. Diese
Diagnose wurde nach DSM-IV festgelegt. Außerdem durften die Patienten mit Major
Depression
nicht
an
Kopfschmerzen
leiden
bzw.
keine
idiopathischen
Kopfschmerzerkrankung haben.
Die zweite gesunde Kontrollgruppe beinhaltet 130 Personen, die weder an
Kopfschmerzen noch an Depressionen leiden, davon sind 62 männlich und 68 weiblich.
Das Durchschnittsalter liegt in dieser Gruppe bei 37,6 ± 12,5 Jahren.
Die beiden Kontrollgruppen sind im Alter nicht von der Kopfschmerzgruppe
unterschiedlich (p=0,755).
5.2 Auswertung der Fragebögen
Migräne
Anzahl
Major
Spannungs-
Gesunde
Depression
Kopfschmerz
Kontrollen
n = 75
n = 37
n = 18
n = 130
38,6 ± 12,6
39,1 ± 14,3
35,6 ±17,2
37,6 ± 12,5
Depressionswert
8,4 ± 3,1
13,3 ± 4,5
6,9 ±3,4
6,7 ± 2,7
Zyklothymiewert
6,7 ± 4,2
10,9 ± 4,3
6,9 ± 3,8
5,1 ± 3,7
Hyperthymiewert
8,8 ± 4,2
4,0 ± 2,8
9,2 ± 4,2
9,0 ± 4,0
Aggressionswert
4,9 ± 3,7
4,3 ± 3,4
3,4 ± 3,0
4,1 ± 3,5
Ängstlichkeitswert
11,2 ± 5,5
3,0 ± 3,0
8,4 ± 5,1
7,5 ± 4,8
Alter
Tabelle 3: Werte des TEMPS-A-Fragebogens, Alter und Patientenzahl der verschiedenen
Kopfschmerz- und Kontrollgruppen. Angegeben sind der arithmetische
Mittelwert und die Standardabweichung.
- 38 -
Die Auswertung des TEMPS-A-Fragebogens für Fälle und Kontrollen ist in der Tabelle
3 dargestellt. Auffällige Ergebnisse bietet der Depressionswert: Der Wert bei den
Migränepatienten liegt zwischen den Werten der Patienten mit Major Depression und
den Gesunden, aber bei den Patienten mit dem Spannungskopfschmerz besteht fast kein
Unterschied zu den Gesunden. Eine ähnliche Konstellation bietet auch der
Aggressionswert. Der Zyklothymiewert ist bei den Kopfschmerzgruppen etwa gleich,
ist aber im Durchschnitt höher als in den gesunden Probanden. Logisch erscheint auch,
dass der Wert für Hyperthymie in der Gruppe mit Major Depression deutlich niedriger
ausfällt als bei den anderen Gruppen.
Etwas überraschend ist das Ergebnis für Ängstlichkeit, demnach sind Patienten mit
Migräne deutlich ängstlicher als Patienten mit einer Depression. Definitionsgemäß
leiden die Patienten mit einer Depression nicht an einer Ängstlichkeit.
Die Auswertung des BDI und des FBK ist in Tabelle 4 dargestellt, diese Fragebögen
konnten nicht von den Kontrollprobanden beantwortet werden.
Cluster-
Spannungs-
Migräne mit
Migräne ohne
Kopfschmerz
Kopfschmerz
Aura
Aura
BDI
10,2 ± 4,3
7,4 ± 5,5
8,5 ± 6,9
8,6 ± 6,3
FBK - E
28,4 ± 8,1
23,1 ± 10,0
30,9 ± 13,1
29,2 ± 10,0
FBK - F
25,2 ± 6,6
22,4 ± 11,0
31,5 ± 12,3
25,8 ± 10,4
FBK - Gesamt
53,6 ± 10,7
45, 6 ± 18,8
62,4 ± 23,4
55,0 ± 18,6
Tabelle 4: Ergebnisse des BDI und des FBK (gesamt, Skala E und Skala F) der
Patienten mit Cluster- und Spannungskopfschmerzen, Migräne mit und ohne
Aura.
Aus der Tabelle ist deutlich zu sehen, dass Patienten mit Migräne mit Aura sich
funktionell eingeschränkter in ihren alltäglichen Aktivitäten fühlen als die Patienten
anderer Kopfschmerzgruppen. Von 48 erreichbaren Punkten haben Patienten aus dieser
Gruppe im Durchschnitt etwa 31 Punkte erreicht, was deutlich über der Hälfte (24
Punkte) der Gesamtsumme liegt. Dagegen fühlen sich alle Migränekranken im
emotionalen Bereich relativ stark beeinträchtigt (der Maximalwert der Skala für
- 39 -
emotionale Befindlichkeitsstörungen liegt bei 52 Punkten). Auffällig ist wiederum, dass
Patienten mit einem Spannungskopfschmerz weniger Beeinträchtigung sowohl in ihren
täglichen Aktivitäten als auch emotional verspüren. Die Werte des BDI befinden sich
im oberen Normbereich für keine Depression (bis 10 Punkte), von einer manifesten
Depression wird erst ab 24 Punkten ausgegangen.
Die Geschlechtsunterschiede bei den Migränepatienten sind in der Tabelle 5
dargestellt.
männliche
weibliche
Migränepatienten
Migränepatienten
38,8 ± 10,4
38,5 ± 13,0
p = 0,759
Depressionswert
6,2 ± 1,3
8,7 ± 3,2
p = 0,023
Zyklothymiewert
4,8 ± 2,3
7,0 ± 4,4
p = 0, 210
Hyperthymiewert
11,8 ± 4,2
8,4 ± 4,1
p = 0,028
Aggressionswert
4,2 ± 3,3
5,0 ± 3,7
p = 0,550
Ängstlichkeit
6,2 ± 3,6
11,8 ± 5,3
p = 0,004
BDI
4,4 ± 2,6
9,6 ± 7,0
p = 0,042
FBK – E
17,3 ± 11,7
29,5 ± 10,0
p = 0,003
FBK – F
17,3 ± 9,0
27,0 ± 10,4
p = 0,013
FBK - Gesamt
34,7 ± 19,2
56,4 ± 18,7
p = 0,003
Alter
Signifikanz
Tabelle 5: Ergebnisse der Fragebögen für männliche und weibliche Migränepatienten.
Angegeben sind der arithmetische Mittelwert und die Standardabweichung.
Die weiter oben analysierten Werte zeigen in der Tabelle 5 deutliche Unterschiede
zwischen den Geschlechtern. Frauen mit Migräne sind depressiver, ängstlicher und
fühlen sich stärker beeinträchtigt als Männer mit Migräne. Die Werte der männlichen
Probanden weichen von den Werten gesunder Probanden nicht ab, außer dass sie einen
höheren Hyperthymiewert aufweisen: 11,8 ± 4,2 vs. 8,4 ± 4,1. Es sollte aber beachtet
werden, dass nur 9 Patienten mit Migräne männlichen Geschlechtes sind.
- 40 -
5.3 Analytische Statistik
Die im Kapitel 5.1.1 und 5.1.2 beschriebenen Daten und Häufigkeiten wurden zunächst
für alle Gruppen getrennt vorgestellt. Sie sollen jetzt in Beziehung zueinander gesetzt
werden.
5.3.1 Vergleich von Fall- und Kontrollgruppen
Die Daten für Migräne, Major Depression, Kontrollen und Migräne mit und ohne Aura
sind mittels des Mann-Whitney-U-Tests als post-hoc-Test für Fälle und Kontrollen
miteinander verglichen worden und ergeben die in der Tabelle 6 dargestellten
Signifikanzen.
Alter
Migräne vs. Major
p =1
Depression Zyklo-
Hyper-
Aggres- Ängst-
thymie
thymie
sion
lichkeit
p<0,001
p<0,001
p<0,5
p<0,001
p<0,001
Depression
Migräne vs. Kontrollen
p<0,5 p<0,001
p<0,01
p<0,7
p<0,1
p<0,001
Major Depression vs.
p<0,6 p<0,001
p<0,001
p<0,001
p<1
p<0,001
p<0,8 p<0,02
p<0,3
p<0,3
p<0,6
p<0,005
p<1
p<0,9
p<0,1
p<0,9
p<0,1
Kontrollen
männlich vs. Weiblich
(für Migräne)
Aura vs. keine Aura
p<0,2
Tabelle 6: Auswertung des Mann-Whitney-U-Tests als post-hoc-Test für den
paarweisen Vergleich der Kopfschmerzpatienten, der Patienten mit Major
Depression und der gesunden Kontrollen. Dargestellt sind die einzelnen
Signifikanzen.
Die Tabelle zeigt signifikante Unterschiede der Ergebnisse der TEMPS-A-Skala
zwischen den einzelnen Fall- und Kontrollgruppen: Migräne, Major Depression und
gesunde Kontrollen. Weniger deutlich unterschiedlich sind die Ergebnisse bei Patienten
- 41 -
mit Migräne mit und ohne Aura. Das Alter ist in allen Gruppen etwa gleich. Einen
signifikanten Unterschied (p<0,01) zeigt außerdem die max. Schmerzintensität bei
Patienten mit Migräne mit Aura und Migräne ohne Aura. Die Patienten mit Migräne mit
Aura geben stärkere Kopfschmerzen an als Patienten mit Migräne ohne Aura.
Vor der Durchführung des post-hoc-Tests sind die Daten des TEMPS-A-Fragebogens
der Patienten mit Migräne, mit Major Depression und der Kontrollen mit dem KruskalWallis-Test verglichen worden. Hoch signifikant unterschiedlich (p<0,001) sind die
Werte der Depression, der Zyklothymie, der Hyperthymie und der Ängstlichkeit.
Keinen Unterschied bietet der Aggressionswert (p<0,2), daher dürfen hierfür die
paarweisen Vergleiche nicht verwertet werden. Da das Durchschnittsalter der drei
Gruppen etwa gleich ist, ist auch das p hierfür sehr hoch (p<0,8). Diese Ergebnisse
bestätigen die oben im Mann-Whitney-U-Test beschriebenen Werte.
5.4 Weitere Korrelationen
BDI
FBK-E
FBK-F
Attackendauer
Attackenfrequenz
Depres-
Zyklothy-
Hyperthy-
Aggres-
Ängstlich-
sionswert
miewert
miewert
sionswert
keitswert
r = 0,3
r = 0,6
p < 0,01
p < 0,001
r = 0,6
r = 0,6
r = -0,4
p < 0,001
p < 0,001
p < 0,001
r = 0,3
r = 0,3
r = -0,2
r = 0,1
r = 0,4
p < 0,01
p < 0,1
p < 0,4
p < 0,3
p < 0,001
r = 0,2
r = 0,2
r = -0,2
r = 0,07
r = 0,2
p < 0,1
p < 0,1
p < 0,1
p < 0,6
p < 0,05
r = 0,4
r = 0,4
r = -0,05
r = 0,3
r = 0,4
p < 0,01
p < 0,01
p < 0,7
p < 0,02
p < 0,01
r = 0,1
r = 0,1
r = -0,07
r = 0,1
r = 0,001
p < 0,4
p < 0,4
p < 0,6
p < 0,5
p<1
Tabelle 7: Die einzelnen Korrelationen und Signifikanzen der Temperamentsskala mit
BDI, FBK (E und F), Attackendauer und Attackenfrequenz, (angegeben
sind der Spearman-Korrelationskoeffizient und das Signifikanzniveau)
- 42 -
Wenn die Werte des BDI mit den Werten des TEMPS-A-Fragebogens verglichen
werden, stellt man außer im hyperthymen Temperament positive Korrelationen fest, d.h.
je depressiver, zyklothymer und ängstlicher die Person laut TEMPS-A ist, desto mehr
Punkte wurden auch im BDI erreicht. Der Aggressionswert zeigt eine geringere und die
Hyperthymie eine gegensätzliche Abhängigkeit, d.h. je mehr Punkte im hyperthymen
Bereich angekreuzt wurden, desto weniger Punkte wurden im BDI erreicht.
Zusammenfassend bedeutet das, dass Patienten mit depressiver Veranlagung in beiden
Fragebögen vergleichbare depressive Ergebnisse erzielen.
Die Emotionsbeeinträchtigung im täglichen Leben korreliert stark (p<0,01) mit dem
Depressionswert und sehr stark (p<0,001) mit der Ängstlichkeit des TEMPS-A, mit den
anderen Werten jedoch nicht signifikant. Die funktionale Beeinträchtigung zeigt keine
starken Abhängigkeiten, nur bei besonders ängstlichen Patienten ist der FBK-F-Wert
hoch (p<0,05).
Auffällig ist, dass die Attackendauer stärker als die Attackenfrequenz pro Monat mit
den Werten des TEMPS-A-Fragebogens korreliert. Dies bedeutet, dass Patienten mit
häufigen Anfällen nicht depressiver sind als Patienten mit wenigen Anfällen pro Monat.
Die Dauer der einzelnen Kopfschmerzen spielt aber eine bedeutendere Rolle. Menschen
mit über mehrere Tage dauernden Kopfschmerzen sind depressiver als die, die die
gleiche Zahl an Kopfschmerztagen über den Monat verteilt haben.
5.5 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse
Wir untersuchten eine Patientengruppe von 98 Personen, davon sind 16 Patienten
männlich und 82 weiblich. Unter ihnen sind 75 an Migräne erkrankt, 12 haben nur eine
Migräne mit Aura und 46 nur eine Migräne ohne Aura. Unter den übrigen
Kopfschmerzpatienten haben 5 einen medikamenteninduzierten Kopfschmerz, 18 einen
Spannungskopfschmerz und 5 einen Clusterkopfschmerz.
Die Patienten mit Migräne mit Aura sind durchschnittlich länger an den Kopfschmerzen
erkrankt als die Patienten mit Migräne ohne Aura. Außerdem leiden Patienten mit
Migräne mit Aura häufiger und länger an den Kopfschmerzen und auch die
- 43 -
durchschnittliche und maximale Kopfschmerzintensität ist bei dieser Migräneerkrankung höher als bei der Gruppe von Patienten mit Migräne ohne Aura.
Im Rahmen der Untersuchung haben 37 Patienten mit einer Major Depression und ohne
Kopfschmerzen den TEMPS-A-Fragebogen ausgefüllt. Von diesen Patienten sind 15
männlich und 22 weiblich. Die zweite Kontrollgruppe beinhaltet 130 Personen, die
weder an Kopfschmerzen noch an Depressionen leiden, davon sind 62 männlich und 68
weiblich. Die beiden Kontrollgruppen sind im Alter nicht von der Kopfschmerzgruppe
unterschiedlich.
Der Depressionswert der TEMPS-A-Skala liegt bei den Migränepatienten zwischen den
Werten der Patienten mit Major Depression und den Gesunden, bei den Patienten mit
einem Spannungskopfschmerz besteht dagegen kaum ein Unterschied zu den Gesunden.
Eine ähnliche Konstellation bietet auch der Aggressionswert. Der Zyklothymiewert ist
bei den Kopfschmerzgruppen etwa gleich, ist aber im Durchschnitt höher als bei den
gesunden Probanden. Der Wert für Hyperthymie ist in der Gruppe mit Major
Depression deutlich niedriger als bei den anderen Gruppen. Der Wert für Ängstlichkeit
ist in der Gruppe der Patienten mit Migräne höher als bei den Patienten mit einem
Spannungskopfschmerz und bei den gesunden Personen, und deutlich höher als bei den
Patienten mit einer Major Depression.
Die Patienten mit Migräne mit Aura fühlen sich funktionell eingeschränkter als die
Patienten anderer Kopfschmerzgruppen. Dagegen fühlen sich alle Migränekranke im
emotionalen Bereich relativ stark beeinträchtigt. Patienten mit einem Spannungskopfschmerz verspüren weniger Beeinträchtigung sowohl in ihren täglichen Aktivitäten als
auch emotional.
Die Werte des BDI befinden sich für alle Kopfschmerzpatienten im oberen
Normbereich für keine Depression.
Deutliche Unterschiede bestehen zwischen den Geschlechtern. Frauen mit Migräne sind
depressiver, ängstlicher und fühlen sich stärker beeinträchtigt als Männer mit Migräne.
- 44 -
Die Werte der männlichen Probanden weichen von den Werten gesunder Probanden
nicht ab, außer dass sie einen höheren Hyperthymiewert aufweisen.
Signifikante Unterschiede bieten die Vergleiche der TEMPS-A-Skala zwischen
Kontrollen und den Fällen. Beim Vergleich der Migränegruppe mit der Gruppe der
Patienten Major Depression stellt sich heraus, dass Migränepatienten signifikant
weniger depressiv und zyklothym, dagegen aber signifikant stärker hyperthym und
ängstlich sind. Der Aggressionswert ist nicht signifikant unterschiedlich, auch in den
unten aufgeführten Untersuchungen sind die Aggressionswerte nicht signifikant
unterschiedlich. Im Vergleich von Gesunden und Migränepatienten bestehen hoch
signifikante Unterschiede der Ergebnisse in den Bereichen Depression und
Ängstlichkeit. Signifikant unterschiedlich ist auch der Zyklothymiewert. Die Migränepatienten sind demnach depressiver, zyklothymer und ängstlicher als die Durchschnittsbevölkerung.
Weibliche Migränepatienten sind signifikant depressiver und hoch signifikant
ängstlicher als männliche Migränepatienten.
Der Vergleich des BDI mit den Werten des TEMPS-A-Fragebogens ergibt folgende
Ergebnisse: je depressiver, zyklothymer und ängstlicher die Person laut TEMPS-A ist,
desto mehr Punkte werden auch im BDI erreicht. Der Aggressionswert zeigt einen
geringeren und die Hyperthymie einen gegensätzlichen Zusammenhang.
Die Emotionsbeeinträchtigung im täglichen Leben korreliert stark mit dem Depressionswert und sehr stark mit dem Ängstlichkeitswert des TEMPS-A-Fragebogens, mit den
anderen Werten jedoch nicht signifikant. Die funktionale Beeinträchtigung zeigt keine
starken Abhängigkeiten, nur bei besonders ängstlichen Patienten ist der FBK-F-Wert
hoch.
Die Attackendauer korreliert stärker als die Attackenfrequenz pro Monat mit den
Werten des TEMPS-A-Fragebogens. Kopfschmerzpatienten mit über mehrere Tage
dauernden Kopfschmerzen sind außerdem depressiver als die, die die gleiche Zahl an
Kopfschmerztagen über den Monat verteilt haben.
- 45 -
6. Diskussion
6.1 Frühere Untersuchungen und Vergleiche zu dieser Arbeit
Es gibt mehrere große Studien, die einen Zusammenhang der depressiven Persönlichkeit
mit Migräne untersuchten. Einige dieser Studien, die in letzter Zeit durchgeführt
wurden, sollen zunächst kurz vorgestellt werden (Schäfer et al. 2000, Nylander et al.
1996, Bauer et al. 1999).
In einer Arbeit von Schäfer hat man festgestellt, dass Migränepatienten in ihrer Persönlichkeitsausprägung gegenüber Personen aus der Normalbevölkerung und Patienten mit
anderen Erkrankungen signifikant stärkere Ausprägungen des Typus melancholicus
aufweisen, während sie sich diesbezüglich von monopolar Depressiven nicht
unterscheiden. Zur Überprüfung des „Typus migraenicus“ wurde an altersgematchten
Stichproben von 42 Migränepatientinnen, 40 Patientinnen mit einer monopolaren
Depression und 41 weiblichen Kontrollpersonen eine Untersuchung mittels des
Münchener Persönlichkeitstest (MPT) und durch den Fragebogen zur Erfassung des
Typus migraenicus (FETM) durchgeführt. Die Untersucher kamen zu dem Ergebnis,
dass Migränepatienten überzufällig ein Persönlichkeitsprofil aufweisen, das als
prämorbide Struktur bei monopolar depressiven Patienten nachgewiesen werden konnte
(Schäfer et al. 1990, 1991, 1994 und 2000).
Im Vergleich stellen die oben beschriebene und unsere Arbeiten die These auf, dass
Migränepatienten eine spezifische Persönlichkeitsstruktur aufweisen, d.h. dass Migränepatienten mehr depressive Anteile in ihrer Persönlichkeit beinhalten als die Normalbevölkerung. Anhand des TEMPS-A-Fragebogens sieht man dieses in der Aufteilung
des Depressionswertes: Migränepatienten haben einen Wert von 8,4 ± 3,1, Patienten mit
Major Depression einen Wert von 13,3 ± 4,5 und die gesunden Probanden einen Wert
von 6,7 ± 2,7. Dagegen haben Patienten mit einem Spannungskopfschmerz deutlich
geringere Werte, die den Werten Gesunder fast gleichen (6,9 ± 3,4).
- 46 -
Eine weitere Studie wurde von Nylander et al. (1996) vorgelegt. Es wurde das
persönliche Profil von 26 erwachsenen Migränepatienten einer schwedischen Familie
(bekannte autosomal dominante Migräne) mit 87 Kontrollen (ohne Migränefälle in
ihren Familien) im Hinblick auf Cloningers 7-Faktoren-Modell (238 Items) für
Veranlagung und Charakter untersucht. Auch hier wurden für die Diagnose der Migräne
die Kriterien für die Klassifikation von Kopfschmerzen der International Headache
Society benutzt. Folgende These wurde aufgestellt: wenn es eine Migränepersönlichkeit
gibt, muss sie in dieser Familie überrepräsentiert sein. Es konnte kein Unterschied in
den höheren Ordnungen der Veranlagung und des Charakters zwischen den
Migränepatienten und den Kontrollen gefunden werden.
Höhere Inzidenz von Angststörungen bei Migränepatienten unterstützt weiterhin die
Annahme, dass das Noradrenalin - und Serotoninsystem der Depressionserkrankungen
und Angststörungen Bedeutung für die Pathophysiologie hat. Die Pathophysiologie der
Migräne wird teilweise anhand des Serotoninsystems erklärt. Außerdem fand die
Gruppe von Nylander heraus, dass die Patienten mit Migräne mit Aura häufiger eine
emotionale Beeinträchtigung haben, sie sind häufiger psychopathologisch auffällig und
weisen öfter Persönlichkeitsstörungen auf als die Patienten mit Migräne ohne Aura.
Im Vergleich bieten die Migränepatienten mit Aura dieser Arbeit nicht nur höhere
Beeinträchtigung in den emotionalen Bereichen, sondern auch in funktionalen
Bereichen (siehe Tabelle 4). Nylander hat seine Arbeit an einer Familie durchgeführt,
die eine bekannte autosomal dominante Migräneerkrankung hatte, das muss aber noch
nicht heißen, dass die Persönlichkeitsmerkmale den gleichen Genlokus haben wie die
Migräne dieser Familie.
Bauer et al. (1999) untersuchten die psychosoziale Beeinträchtigung durch chronische
Kopfschmerzen an 94 Kopfschmerzpatienten. Die Fallgruppe bestand aus Personen
zwischen 25 und 59 Jahren mit den Diagnosen Migräne mit Aura, Migräne ohne Aura,
Clusterkopfschmerz, episodischer und chronischer Spannungskopfschmerz und Kombinationskopfschmerz. Die Kopfschmerzdiagnose wurde nach den Kriterien der IHS
gestellt. Die Patienten, die seit mindestens 5 Jahren an Kopfschmerzen litten, füllten
den FBK, in einem schmerzfreien Intervall aus. Der Durchschnittswert für die Subskala
- 47 -
Emotion betrug 30,8 ± 11,2 und für die Subskala Funktion betrug er 26,4 ± 9,8. Der
Retest mit Daten von 64 Patienten zeigte eine sehr hohe interne Konsistenz. Zwischen
den einzelnen Kopfschmerzdiagnosen sind nur geringe Unterschiede festgestellt
worden. Allerdings zeigte der Clusterkopfschmerz (FBK-E 35,2 ± 12,3 und FBK-F 30,0
± 11,0) eine signifikant höhere Beeinträchtigung als die Migräne (FBK-E 28,3 ± 11,3
und FBK-F 23,6 ± 9,8) für die Skalen. Der FBK ist zur Erhebung des Eingangsstatus
und zur Kontrolle des Therapieverlaufes bei Kopfschmerzpatienten sehr gut geeignet.
Die Auswertung dieser beiden Fragebögen ergab in unserer Arbeit etwas andere Werte.
Die FBK-Werte fielen bei den Patienten mit einem Clusterkopfschmerz nicht so hoch
aus, die Ursachen könnten in der geringen Fallzahl und einer anderen Standardisierung
liegen. Wenn die Werte der Migränepatienten und der Clusterkopfschmerzpatienten
verglichen werden, so kommt man zu dem Ergebnis, dass Migräne ohne Aura und
Clusterkopfschmerz sich kaum unterscheiden, die Werte der Migränepatienten mit Aura
aber deutlich höher sind (siehe weiter oben in der Tabelle 4).
Es gibt auch etliche Arbeiten, die sich mit dem Zusammenhang zwischen Temperament
und depressiven, affektiven oder anderen Störungen befassen.
Akiskal arbeitet schon seit langem an dem Zusammenhang zwischen affektiven
Störungen und Temperament (vgl. Literatur). Seine Idee, dass affektive Störungen auf
dem Boden bestimmter Temperamente entstehen, entspricht der von Kraepelin („von
Jugend an bestehende Veränderungen des Seelenlebens“). Anhand des TEMPS-A
wurden dann die verschiedenen Temperamentstypen dargestellt.
Eine weitere Arbeit beschäftigt sich mit dem Einfluss von Persönlichkeitsfaktoren
und -struktur auf den Verlauf der Major Depression (Kronmüller et al. 2002). Sie
untersuchten den Zwei-Jahres-Verlauf an 50 Patienten mit einer Depression. Über die
Hälfte der Patienten wurden rückfällig. Spätrezidive bei Patienten mit einer
Persönlichkeitsstruktur des Typus melancholicus verliefen günstiger als bei anderen
Persönlichkeitstypen, außerdem fand man bei anderen Studien heraus, dass etwa die
- 48 -
Hälfte der depressiven Patienten die Persönlichkeitsstruktur des Typus melancholicus
aufweisen.
Wissenschaftler in der USA (Breslau et al. 2000) stellten in einer Follow-up-Studie, die
über zwei Jahre lief, fest, dass Patienten mit Migräne ein erhöhtes Risiko im Laufe der
Zeit auch eine Depression zu entwickeln haben, und umgekehrt. Diese Forscher sahen
keine Hinweise, dass Depressionen die Folge der Migräne sind, sondern vielmehr eine
ähnliche Entstehung der beiden Erkrankungen z.B. Störungen im Hormonhaushalt oder
im Neurotransmittersystem. Die Psychiater aus der USA untersuchten 1286 Patienten
im Alter zwischen 25 und 55 Jahren. 496 der Probanden litten an Migräne, 151 an
Kopfschmerzen vergleichbarer Intensität, 539 Gesunde dienten als Kontrollgruppe. Zu
Beginn der Studie litten 42% der Patienten aus der Migränegruppe, 36% aus der
Kopfschmerzgruppe und 16% aus der gesunden Gruppe unter Depressionen. Alle
Teilnehmer unterzogen sich einem Erstinterview und einem Follow-up nach zwei
Jahren. Innerhalb dieses Zeitraums hatten in der Migränegruppe fünfmal mehr Patienten
eine Schwere Depression entwickelt als die beiden anderen Gruppen. Im Gegenzug
hatte sich bei denjenigen Studienteilnehmern, die beim Erstinterview an schweren
Depressionen gelitten haben, dreimal häufiger eine Migräne manifestiert. Diesen
Zusammenhang konnte man nicht nur als psychische Reaktion auf die Kopfschmerzen
erklären. Breslau (2003) betonte: „In diesem Fall hätten wir eine solche Risikoerhöhung
nicht nur bei Migränikern, sondern auch bei anderen Kopfschmerzpatienten sehen
müssen.“
In der Literatur wird häufig von einer deutlichen Komorbidität zwischen Migräne und
Major Depression berichtet (Brandt et al. 1990, Breslau et al. 1991, 1994a, 1994b, 1995
und 2000, Devlen et al. 1994, Guidetti et al. 1998, Guillem et al. 1999, Lipton et al.
1998 und 2000, Merikangas 1997, Robbins 1995, Sheftell 2002, Silberstein 1995).
Robbins (1995) stellte in einer retrospektiven Studie eine Komorbidität von 21% bei
weiblichen und 12% bei männlichen Migränepatienten. In einer Stuttgarter Studie
(Barolin et al. 1983) fanden Ärzte eine Depressivität bei 14,9% der Migränekranken.
- 49 -
Auch in unsrer Studie zeigt sich ein deutlicher Unterschied der Werte des TEMPS-AFragebogens für Depression für männliche und weibliche Patienten. Die Werte der
männlichen Migränekranken sind nicht signifikant unterschiedlich von denen der
gesunden Probanden, dieses kann aber an der kleinen Stichprobenzahl von 9
männlichen Migränepatienten liegen. Die Werte der weiblichen Migränepatienten
liegen dagegen deutlich näher an den Werten der Patienten mit Major Depression.
Einige weitere wichtige Ergebnisse stellte die Züricher Kohortenstudie (Angst et al.
1983) dar. An der prospektiven Studie nahmen je 300 Männer und Frauen eines
Geburtsjahrganges im Alter von 20 bis 21 Jahren teil. Die Stichprobe bestand zu einem
Drittel aus Personen mit niedrigen Scores auf einem psychiatrischen Selbstbeurteilungsbogen und zu zwei Dritteln aus solchen mit einem hohen Score. Im Vorfeld fanden die
Untersucher keine signifikante Abhängigkeit von Kopfschmerz und Depressivität. In
der Untersuchung der Kohorte, die 10 Jahre später lief, fanden Merikangas et al. (1990,
1993, 1994) deutlich erhöhte Scores für das Merkmal Neurotizismus, allerdings nur für
Personen, die an einer Migräne mit Aura litten, wie auch für depressive Störungen.
Sichere Unterschiede zwischen Migränepatienten und Kontrollpersonen gab es nur für
den Score Somatisierung (Merikangas et al. 1990, 1993, 1994, Angst et al. 2002).
Auch in unserer Untersuchung finden sich Unterschiede bei den beiden Migräneerkrankungen. Die Patienten mit Migräne mit Aura sind signifikant ängstlicher und
depressiver als die Patienten mit Migräne ohne Aura, auch die Selbsteinstufung ihrer
Beeinträchtigung im funktionellen und emotionalen Leben fühlen sich diese stärker
eingeschränkt.
Auch die Komorbidität zwischen der Migräne und Angststörungen ist bei den Personen
mit Migräne signifikant höher (Guillem et al. 1999) gegenüber den Personen ohne
Migräne (10,9% vs. 1,8%). Breslau et al. (1994b) berichteten über eine signifikant
erhöhte Lebenszeitprävalenz von affektiven Störungen und Angststörungen bei
Migränepatienten, bei solchen mit einer Migräne mit Aura ausgeprägter als bei Migräne
ohne Aura. Auch uns ist bei der Auswertung des TEMPS-A-Fragebogens (Tabelle 3.)
aufgefallen, dass der Ängstlichkeitswert bei den Migränepatienten deutlich höher liegt
- 50 -
als der Ängstlichkeitswert bei den Patienten mit einer Major Depression. Es bestehen
zwar Unterschiede bei den Werten für Depression und Ängstlichkeit, sie sind aber
genau entgegengesetzt verteilt. Die Patienten mit Migräne mit Aura sind weniger
depressiv und ängstlich als die Patienten mit Migräne ohne Aura, dafür sind sie
signifikant höher zyklothym.
Angstsymptome sollen nach der Beobachtung verschiedener Autoren häufig mit
Migräne assoziiert sein (Breslau et al. 1991, Devlen et al. 1994, Guillem et al. 1999,
Lipton et al. 1998, Merikangas et al. 1997, Robbins et al. 1995, Soyka et al. 2002,
Stewart et al. 1989 und 1994). Dabei stehen sehr deutliche Verknüpfungen mit
Neurotizismus und depressiven Störungen (Soyka et al. 2003), bei denen
Angststörungen ohnehin eine sehr häufige Begleiterscheinung darstellen. Robbins
(1995) registrierte bei 58% seiner Migränepatienten Hinweise auf chronische
Angststörungen unterschiedlichen Schweregrades. Merikangas et al. (1997) meinten,
dass das Leiden an Angststörungen mehrere Jahre vor der Erkrankung an Migräne
auftreten kann, dieses im Gegensatz zu den affektiven Störungen, die zeitlich eher
später entstehen. Sie folgerten daraus, dass die Beziehung zwischen Migräne und
Angststörungen enger ist als die zwischen Migräne und Depressivität.
Andere Autoren fanden keine oder unzureichende Signifikanzen. Z.B. untersuchten
Mattson und Ekselius (2002) Frauen im Alter von 40 Jahren und älter, die zur
Vorsorgeuntersuchung mit Mammographie kamen. Mit 723 Patientinnen führten sie ein
psychiatrisches Interview mit psychologischen Testuntersuchungen durch. Die
Lebenszeitprävalenz für Migräne nach den Kriterien der IHS betrug 31,3%, für Major
Depression 29,2% und für Angststörungen 4,8%. Man stellte keine signifikanten
Assoziationen zwischen Migräne und Persönlichkeitsmerkmalen, Neurotizismus,
affektive Störungen oder Angststörungen. Eine Ausnahme boten Frauen, die über 60
Jahre alt waren und noch eine aktive Migräne hatten.
Zur Frage der ursächlichen Verknüpfung der Migräne mit affektiven Störungen ist auch
hier eine differenzierte Betrachtung erforderlich. Epidemiologische Studien zur
Lebenszeitprävalenz affektiver Erkrankungen nennen für Deutschland und die USA
- 51 -
Zahlen von 15-20%, bezogen auf Major Depression und Dysthymien zusammen
genommen (Blazer et al. 1994, Wittchen et al. 1999). Die Zahlen der Patienten mit
Major Depression liegen also nicht signifikant darüber. Die Komorbidität ist aber bei
Patienten, die eine deutliche Tendenz zu neurotischen Reaktionen haben oder
langjährige therapieresistente Verläufe zeigen, viel höher. Barolin (1983) sah bei seinen
ambulanten Kopfschmerzpatienten eine Depressivität in 24% der Fälle, bei den
stationären Patienten dagegen in 60% der Fälle.
6.2 Ausblick
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass nun schon in mehreren Studien eine
Verknüpfung zwischen Migräne und depressiver Persönlichkeit festgestellt worden ist.
Diese erweitert die Befunde nun dahingehend, dass ein solcher Zusammenhang auch für
Migräne und Teile des Temperaments nach Akiskal nachgewiesen werden kann, es sich
also möglicherweise um ein Persönlichkeitsmerkmal handelt.
Trotz der klaren Ergebnisse sind auch nach dieser Studie noch mehrere Fragen
offen. Neben Kausalitätsfragen (Warum sind Migränepatientinnen ängstlicher als die
Migränepatienten und viel stärker als die Patienten mit Major Depression,
Spannungskopfschmerzen oder Clusterkopfschmerzen? Warum sind Patienten mit
Migräne mit Aura deutlich eingeschränkter als Patienten anderer Kopfschmerzarten?)
bestehen noch Fragen nach Subgruppen, die durch größere Fallzahlen vielleicht
behoben werden können. Zu diesen gehören die geringe Anzahl (5 Patienten) an
Clusterkopfschmerzpatienten und nur 9 männliche Migränepatienten. Durch das letzte
Beispiel können dann vielleicht die starken Geschlechtsunterschiede in der Auswertung
des TEMPS-A-Fragebogens (Tabelle 5) aufgeklärt werden .
- 52 -
7. Zusammenfassung
Die hier vorgelegte Arbeit geht der Frage nach, ob Migränepersonen depressiver sind
als die Gesamtpopulation. Diese Frage ist schon von vielen anderen Studien untersucht
worden. Die hier vorgestellte Studie ist aber die erste, die diese Frage anhand des
TEMPS-A-Fragebogens untersucht hat. Damit wird untersucht, ob die Depressivität bei
Migräne auch das Merkmal eines Temperaments nach Akiskal erfüllt oder ob es sich
ausschließlich um eine Erkrankung nach ICD10 bzw. DSMIV handelt.
Zu diesem Zweck haben 98 Patienten mit unterschiedlichen Kopfschmerzerkrankungen
im Alter zwischen 15 und 68 Jahren, den TEMPS-A-, den BDI- und den FBKFragebogen ausgefüllt. Zum Vergleich wurde der TEMPS-A-Fragebogen von 37
Patienten mit einer Major Depression und 130 Personen ohne Kopfschmerzen und ohne
depressive Vorerkrankungen ausgefüllt. Das Durchschnittsalter wurde so gewählt, dass
es bei allen Gruppen etwa gleich ist, die Geschlechtsunterschiede beruhen darauf, dass
sowohl die Migräne als auch die Major Depression bei Frauen deutlich häufiger
vorkommen als bei Männern.
Die Diagnosen Migräne mit bzw. ohne Aura, Clusterkopfschmerzen und Spannungskopfschmerzen wurden anhand der Klassifikation der IHS von 2003 gestellt. Das
Ergebnis dieser Studie ist, dass an Migräne erkrankte Menschen von Natur aus
depressiver
sind
als
die
Durchschnittspopulation
(definiert
nach
dem
Temperamentsmerkmal nach Akiskal). Außerdem sind Patienten mit Migräne deutlich
ängstlicher als nichtkranke Personen oder Patienten mit Major Depression, dieses trifft
aber nur für weibliche Migränepatienten zu.
Man kann davon ausgehen, dass das für Migräne spezifische Temperament angelegt
und nicht krankheitsbedingt ist. Einer der Belege hierfür könnte das Fehlen von
Korrelationen zwischen der gesamten Erkrankungsdauer und dem Depressionswert des
TEMPS-A-Fragebogens sein. Besonders hervorgehoben werden müssen die Ergebnisse
der weiblichen Migränepatienten. Sie besitzen ein deutlich depressiveres Temperament
als die Normalbevölkerung. Bei den männlichen Migränepatienten sind keine
- 53 -
signifikanten
Unterschiede
feststellbar.
Die
Temperamentsverteilung
bei
den
Spannungskopfschmerzpatienten unterscheidet sich nicht von der Normalbevölkerung.
Zusammenfassend kann auch mit der Temperamentsskala nach Akiskal ein
migränetypisches Temperament beschrieben werden, das in wesentlichen Zügen
verschiedenen depressiven Erkrankungen nach ICD10 oder DSMIV entspricht.
- 54 -
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9. Lebenslauf
- 67 -
10. Danksagung
Abschließend möchte ich mich besonders bei Prof. Dr. med. Dr. phil. S. Evers für die
Bereitstellung des Themas und die Betreuung dieser Arbeit bedanken. Ebenfalls möchte
ich mich bei Univ.-Prof. Dr. med. E.B. Ringelstein für die Möglichkeit, in der Klinik
und Poliklinik für Neurologie zu promovieren, bedanken. Auch möchte ich mich bei
Priv.- Doz. Dr. med. A. Erfurt für die Bereitstellung der psychiatrisch-theoretischen
Materialien und die Befragung der Patienten mit Major Depression bedanken.
-IAnhang:
Fragebogen 1: Der TEMPS -A-Fragebogen
R- richtig
F- falsch
Depressives Temperament
1. R F Ich bin ein trauriger und unglücklicher Mensch.
2. R F Meine Mitmenschen sagen mir, dass ich unfähig bin, die Dinge auch von einem
positiven Standpunkt zu sehen.
3.
R F Ich habe in meinem Leben viel gelitten.
4.
R F Ich denke, dass sich die Dinge häufig zum Schlechten wenden.
5.
R F Ich gebe schnell auf.
6.
R F Solange wie ich mich erinnern kann, habe ich mich als Versager gefühlt.
7.
R F Ich habe mir immer für Dinge Vorwürfe gemacht, die für andere Menschen eher
Kleinigkeiten gewesen wären.
8.
R F Ich scheine nicht so viel Kraft und Energie zu haben wie andere Menschen.
9.
R F Ich bin ein Mensch, der Veränderungen nicht mag.
10. R F In Gruppen bin ich eher der Zuhörer als der Wortführer.
11. R F Ich gebe anderen oft nach.
12. R F Ich fühle mich sehr unwohl, wenn ich neue Menschen treffe.
13. R F Ich fühle mich durch Kritik oder Zurückweisung leicht gekränkt und verletzt.
14. R F Ich bin ein Mensch, auf den sich andere immer verlassen können.
15. R F Ich stelle die Wünsche anderer über meine eigenen.
16. R F Ich bin ein hart arbeitender Mensch.
17. R F Ich würde lieber für jemanden arbeiten, als selbst der Chef zu sein.
18. R F Es ist selbstverständlich für mich, ordentlich und organisiert zu sein.
19. R F Ich bin ein Mensch, der alles anzweifelt.
20. R F Mein sexuelles Verlangen war immer gering.
21. R F Normalerweise brauche ich mehr als 9 h Schlaf.
22. R F Ich fühle mich oft grundlos müde.
- II Zyklothymes Temperament
23. R F Ich kenne plötzliche Veränderungen meiner Stimmung und meiner Energie.
24. R F Meine Stimmung und meine Energie sind entweder hoch oder niedrig selten
dazwischen.
25. R F Meine Fähigkeit zu denken schwankt ohne ersichtlichen Grund zwischen sehr
scharf und ganz stumpf.
26. R F Manchmal mag ich jemanden wirklich, verliere aber wenig später völlig das
Interesse an ihm.
27. R F Ich habe häufig Wutausbrüche und mache mir anschließend deshalb Vorwürfe oder
habe Schuldgefühle.
28. R F Ich beginne häufig mit Aktivitäten, verliere dann aber das Interesse, bevor ich sie
abgeschlossen habe.
29. R F Meine Stimmung ändert sich häufig grundlos.
30. R F Ich wechsle ständig zwischen Lebendigkeit und Traurigkeit.
31. R F Ich gehe häufig in einer sehr niedergeschlagenen Stimmung ins Bett, wache aber
morgens auf und fühle mich ausgezeichnet.
32. R F Ich gehe manchmal ins Bett und fühle mich großartig und wache morgens mit
dem Gefühl auf, dass das Leben nicht lebenswert ist.
33. R F Man sagt mir, dass ich häufig eine pessimistische Einstellung habe und frühere
glückliche Zeiten vergesse.
34. R F Ich wechsle zwischen einem Gefühl von großen Selbstvertrauen und Gefühlen tiefer
Selbstunsicherheit.
35. R F Ich wechsle zwischen Zugehen auf Andere und Rückzug.
36. R F Ich empfinde all meine Gefühle als sehr intensiv.
37. R F Mein Schlafbedürfnis schwankt zwischen wenigen Stunden und mehr als 9 h.
38. R F Die Art, wie ich Dinge sehe, ist mal sehr lebendig und zu anderen Zeiten sehr
leblos.
39. R F Ich bin jemand, der zur gleicher Zeit traurig und glücklich sein kann.
40. R F Ich habe häufig Tagträume über Dinge, die andere Menschen für unerreichbar
halten.
41. R F Ich habe oft ein starkes Verlangen danach, etwas Unverschämtes (Provokatives) zu
tun.
- III 42. R F Ich bin jemand, der sich sehr schnell in jemanden verlieben, jedoch genauso
schnell auch das Interesse wieder verlieren kann.
Hyperthymes Temperament
43. R F Ich bin zumeist in einer heiteren und vergnügten Stimmung.
44. R F Das Leben ist ein Fest, das ich voll und ganz auskoste.
45. R F Ich erzähle gerne Witze, andere Menschen halten mich für humorvoll.
46. R F Ich bin jemand, der denkt, dass am Ende alles doch gut ausgehen wird.
47. R F Ich habe großes Vertrauen in mich selbst.
48. R F Ich habe häufig viele großartige Ideen.
49. R F Ich bin immer in Bewegung.
50. R F Ich kann viele Arbeiten erledigen, ohne müde zu werden.
51. R F Ich habe eine Redebegabung und kann andere Menschen gut überzeugen oder
inspirieren.
52. R F Ich mag es, neue Herausforderungen anzugehen, auch dann, wenn sie risikoreich
sind.
53. R F Wenn ich einmal beschlossen habe etwas durchzuführen, kann mich nichts mehr
daran hindern.
54. R F Ich fühle mich auch in der Gesellschaft von Menschen, die ich kaum kenne, sehr
wohl.
55. R F Ich mag es, mit vielen Menschen zusammen zu sein.
56. R F Andere Menschen erzählen mir, dass ich mich häufig in die Angelegenheiten
anderer einmische.
57. R F Ich bin ein großzügiger Mensch und gebe viel Geld für andere aus.
58. R F Ich habe Fähigkeiten und Sachkenntnisse in vielen Bereichen.
59. R F Ich habe das Gefühl, dass ich das Recht und das Privileg habe, Dinge so zu tun, wie
ich es mag.
60. R F Ich bin ein Mensch, der gerne Chef ist.
61. R F Wenn ich eine Meinungsverschiedenheit habe, kann ich in hitzige Streitereien
geraten.
62. R F Mein sexuelles Verlangen ist immer sehr hoch.
63. R F Normalerweise komme ich mit weniger als 6 h Schlaf aus.
- IV Reizbares Temperament
64. R F Ich bin ein sehr reizbarer Mensch.
65. R F Ich bin von Natur aus ein unzufriedener Mensch.
66. R F Ich beklage mich häufig.
67. R F Ich bin gegenüber anderen Menschen sehr kritisch.
68. R F Ich bin häufig so angespannt, dass ich es fast nicht mehr aushalte.
69. R F Ich rege mich schell auf.
70. R F Ich fühle mich durch eine unangenehme Ruhelosigkeit getrieben, die ich nicht
verstehen kann.
71. R F Ich werde häufig so wütend, dass ich am liebsten alles kaputtschlagen würde.
72. R F Wenn mir jemand in die Quere kommt, könnte ich eine Schlägerei beginnen.
73. R F Andere Menschen erzählen mir, dass ich ohne Grund plötzlich Wutanfälle
bekomme.
74. R F Wenn ich verärgert bin, schnauze ich andere Menschen an.
75. R F Ich ziehe gerne andere Menschen auf, auch dann wenn ich sie kaum kenne.
76. R F Mein beißender Humor hat mich schon in Schwierigkeiten gebracht.
77. R F Ich kann so wütend werden, dass ich jemanden verletzen könnte.
78. R F Ich bin so eifersüchtig auf meinen Partner, dass ich es fast nicht aushalten kann.
79. R F Ich bin bekannt dafür, häufig zu fluchen.
80. R F Man hat mir gesagt, dass schon geringe Alkoholmengen bei mir Gewalttätigkeit
auslösen.
81. R F Ich bin ein sehr skeptischer Mensch.
82. R F Ich könnte ein Revolutionär sein.
83. R F Mein sexuelles Verlangen ist häufig so stark, dass es mir unangenehm ist.
84. R F Nur für Frauen: Vor dem Beginn meiner Periode kann ich außerordentlich gereizt
reagieren.
Phobisches Temperament
85. R F Wieweit auch immer ich mich zurückerinnere, ich bin immer jemand gewesen, der
in ständiger Besorgnis war.
86. R F Ich mache mir stets Sorgen über das eine oder das andere.
-V87. R F Ich mache mir anhaltend Sorgen über alltägliche Dinge, die andere wenig beachten.
88. R F Ich muss mir einfach über alles und jedes Sorgen machen.
89. R F Viele Leute haben mir gesagt, mich weniger zu sorgen.
90. R F Wenn ich gestresst bin, ist mein Kopf oft leer.
91. R F Ich bin unfähig, mich zu entspannen.
92. R F Ich fühle mich oft innerlich nervös.
93. R F Wenn ich gestresst bin, zittern oft meine Hände.
94. R F Ich habe oft Magenverstimmungen.
95. R F Wenn ich nervös bin, habe ich manchmal Durchfälle.
96. R F Wenn ich nervös bin, ist mir oft schlecht.
97. R F Wenn ich nervös bin, muss ich häufiger auf die Toilette.
98. R F Wenn jemand spät nach Hause kommt, fürchte ich, er/sie hätte einen Unfall gehabt.
99. R F Ich habe oft die Angst, jemand in der Familie würde schwer erkranken.
100. R F Ich denke immer, jemand könnte mir schlechte Nachrichten über ein
Familienmitglied bringen.
101. R F Mein Schlaf ist nicht erholsam.
102. R F Ich habe oft Schwierigkeiten einzuschlafen.
103. R F Ich bin von Natur aus eine vorsichtige Person.
104. R F Ich wache oft nachts mit der Angst auf, Einbrecher seien im Haus.
105. R F Wenn ich gestresst bin, bekomme ich leicht Kopfschmerzen.
106. R F Wenn ich gestresst bin, habe ich ein unangenehmes Gefühl in meiner Brust.
107. R F Ich bin eine unsichere Person.
108. R F Sogar kleine Änderungen meiner Alltagsroutine belasten mich stark.
109. R F Auch wenn ich nichts falsch gemacht habe, fürchte ich beim Autofahren, die
Polizei könnte mich anhalten.
110. R F Plötzlicher Lärm erschreckt mich oft.
- VI Fragebogen 2: BDI
A
0 Ich bin nicht traurig.
1 Ich bin traurig.
2 Ich bin die ganze Zeit traurig und komme nicht davon los.
3 Ich bin so traurig oder unglücklich, dass ich es kaum noch ertrage.
B
0 Ich sehe nicht besonders mutlos in die Zukunft.
1 Ich sehe mutlos in die Zukunft.
2 Ich habe nichts, worauf ich mich freuen kann.
3 Ich habe das Gefühl, dass die Zukunft hoffnungslos ist, und das die Situation nicht
besser werden kann.
C
0 Ich fühle mich nicht als Versager.
1 Ich habe das Gefühl, öfter versagt zu haben als der Durchschnitt.
2 Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, sehe ich bloß eine Menge Fehlschläge.
3 Ich habe das Gefühl, als Mensch ein völliger Versager zu sein.
D
0 Ich kann die Dinge genauso genießen wie früher.
1 Ich kann die Dinge nicht mehr so genießen wie früher.
2 Ich kann aus nichts mehr eine Befriedigung ziehen.
3 Ich bin mit allem unzufrieden oder gelangweilt.
E
0 Ich habe keine Schuldgefühle.
1 Ich habe häufig Schuldgefühle.
2 Ich habe fast immer Schuldgefühle.
3 Ich habe immer Schuldgefühle.
F
0 Ich habe nicht das Gefühl, gestraft zu sein.
1 Ich habe das Gefühl, vielleicht bestraft zu werden.
2 Ich erwarte bestraft zu werden.
3 Ich habe das Gefühl, bestraft zu sein
- VII G
0 Ich bin nicht von mir enttäuscht.
1 Ich bin von mir enttäuscht.
2 Ich finde mich fürchterlich.
3 Ich hasse mich.
H
0 Ich habe nicht das Gefühl, schlechter zu sein als alle anderen.
1 Ich kritisiere mich wegen meiner Fehler und Schwächen.
2 Ich mache mir die ganze Zeit Vorwürfe wegen meiner Mängel.
3 Ich gebe für alles mir die Schuld, was schief geht.
I
0 Ich denke nicht daran, mir etwas anzutun.
1 Ich denke manchmal an Selbstmord, aber ich würde es nicht tun.
2 Ich möchte mich am liebsten umbringen.
3 Ich würde mich umbringen, wenn ich die Gelegenheit hätte.
J
0 Ich weine nicht öfter als früher.
1 Ich weine jetzt mehr als früher.
2 Ich weine jetzt die ganze Zeit.
3 Früher konnte ich weinen, aber jetzt kann ich es nicht mehr, obwohl ich es möchte.
K
0 Ich bin nicht reizbarer als sonst.
1 Ich bin jetzt leichter verärgert oder gereizt als früher.
2 Ich fühle mich dauernd gereizt.
3 Die Dinge, die mich früher geärgert haben, berühren mich nicht mehr.
L
0 Ich habe nicht das Interesse an Menschen verloten.
1 Ich interessiere mich jetzt weniger für Menschen als früher.
2 Ich habe mein Interesse an anderen Menschen zum größten Teil verloren.
3 Ich habe mein ganzes Interesse an anderen Menschen verloren.
M
0 Ich bin so entschlussfreudig wie immer.
1 Ich schiebe Entscheidungen jetzt öfter als früher auf.
2 Es fällt mir jetzt schwerer als früher, Entscheidungen zu treffen.
3 Ich kann überhaupt keine Entscheidungen mehr treffen.
- VIII N
0 Ich habe nicht das Gefühl, schlechter auszusehen als früher.
1 Ich mache mir Sorgen, dass ich alt oder unattraktiv aussehe.
2 Ich habe das Gefühl, dass Veränderungen in meinem Aussehen eintreten, die mich
hässlich machen.
3 Ich finde mich hässlich.
O
0 Ich kann so gut arbeiten wie früher.
1 Ich muss mir einen Ruck geben, bevor ich eine Tätigkeit in Angriff nehme.
2 Ich muss mich zu jeder Tätigkeit zwingen.
3 Ich bin unfähig zu arbeiten.
P
0 Ich schlafe so gut wie sonst.
1 Ich schlafe nicht mehr so gut wie früher.
2 Ich wache 1 bis 2 Stunden früher auf als sonst, und es fällt mir schwer, wieder
einzuschlafen.
3 Ich wache mehrere Stunden früher auf als sonst und kann nicht mehr einschlafen.
Q
0 Ich ermüde nicht stärker als sonst.
1 Ich ermüde schneller als früher.
2 Fast alles ermüdet mich.
3 Ich bin zu müde, um etwas zu tun.
R
0 Mein Appetit ist nicht schlechter als sonst.
1 Mein Appetit ist nicht mehr so gut wie früher.
2 Mein Appetit hat sehr stark nachgelassen.
3 Ich habe überhaupt keinen Appetit mehr.
S
0 Ich habe in letzter Zeit kaum abgenommen
1 Ich habe mehr als 2 Kilo abgenommen.
2 Ich habe mehr als 5 Kilo abgenommen.
3 Ich habe mehr als 8 Kilo abgenommen.
Ich esse absichtlich weniger, um abzunehmen: JA
NEIN
- IX T
0 Ich mache mir keinen größeren Sorgen um meine Gesundheit als sonst.
1 Ich mache mir Sorgen über körperliche Probleme, wie Schmerzen,
Magenbeschwerden oder Verstopfung.
2 Ich mache mir große Sorgen über gesundheitliche Probleme, dass es mir schwer
fällt, an etwas anderes zu denken.
3 Ich mache mir so große Sorgen über gesundheitliche Probleme, dass ich an nichts
anderes mehr denken kann.
U
0 Ich habe in letzter Zeit keine Veränderung meines Interesses an Sex bemerkt.
1 Ich interessiere mich weniger für Sex als früher.
2 Ich interessiere mich jetzt viel weniger für Sex.
3 Ich habe das Interesse an Sex völlig verloren.
-XFragebogen 3: IBK
ja manchmal nein
E 1. Aufgrund meiner Kopfschmerzen fühle ich mich beeinträchtigt.

F 2. Aufgrund meiner Kopfschmerzen fühle ich mich eingeschränkt bei

meinen alltäglichen Aktivitäten.
E 3. Keiner versteht, wie sehr sich die Kopfschmerzen auf mein Leben Auswirken.

F 4. Ich habe aufgrund meiner Kopfschmerzen meine Freizeitaktivitäten (z.B. Sport,

Hobbys) eingeschränkt.
E 5. Meine Kopfschmerzen ärgern mich

E 6. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich wegen meiner Kopfschmerzen die

Beherrschung verlieren könnte.
F 7. Durch meine Kopfschmerzen habe ich weniger soziale Kontakte.

E 8. Mein Partner oder meine Familie und Freunde haben keine Vorstellung, was
ich wegen meiner Kopfschmerzen durchmache.
E 9. Meine Kopfschmerzen sind so schlimm, dass ich das Gefühl habe, ich könnte


verrückt werden.
E 10. Meine Lebenseinstellung ist durch meine Kopfschmerzen beeinflusst.

E 11. Ich habe Angst auszugehen, wenn ich Kopfschmerzen bekomme.

E 12. Meine Kopfschmerzen bringen mich zur Verzweiflung.

F 13. Ich mach mir Sorgen, dass meine Kopfschmerzen mir im Beruf oder zu Hause

Nachteile bringen könnten.
- XI E 14. Meine Kopfschmerzen beeinträchtigen die Beziehung zu meiner Familie oder

zu Freunden.
F 15. Wenn ich Kopfschmerzen habe, ziehe ich mich zurück.

F 16. Ich glaube, dass meine Kopfschmerzen es mir erschweren, gesteckte Ziele zu

erreichen.
F 17. Ich kann wegen meiner Kopfschmerzen nicht klar denken.

F 18. Meine Kopfschmerzen führen zu Verspannungen (z.B. Muskelverspannungen).   
F 19. Ich habe an sozialen Aktivitäten keine Freude aufgrund meiner Kopfschmerzen.   
E 20. Ich fühle mich wegen meiner Kopfschmerzen leicht reizbar.

F 21. Wegen meiner Kopfschmerzen vermeide ich Reisen.

E 22. Meine Kopfschmerzen bringen mich durcheinander.

E 23. Meine Kopfschmerzen frustrieren mich.

F 24. Wegen meiner Kopfschmerzen fällt mir das Lesen schwer.

F 25. Es fällt mir schwer, mich von meinen Kopfschmerzen abzulenken.

26. Wie stark sind Ihre Kopfschmerzen üblicherweise?
27. An wie viel Tagen im Monat haben Sie Kopfschmerzen?
28. Seit wie viel Jahren leiden Sie an Kopfschmerzen?
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