32 Cyberknife Radiochirurgie Eine neuartige Behandlungsmethode für bildgeführte und robotergestützte Präzisionsbestrahlungen Präzisionsbestrahlungen Cyberknife Radiochirurgie – Übersicht Die neuartige Cyberknife Technologie beruht auf radiochirurgischen Prinzipien die seit 30 Jahren ihre klinische Anwendung finden. Unter Radiochirurgie versteht man die präzise Applikation einer hohen (tumorzerstörenden) Strahlendosis in einem genau definierten Zielvolumen (Konvergenzbestrahlung) unter Schonung der umliegenden, gesunden Strukturen. Bei der Konvergenzbestrahlung überschneiden sich schwache Strahlenbündel aus vielen verschiedenen Richtungen im Tumor, wo sie sich zur Gesamtdosis aufsummieren; das Normalgewebe wird nur mit einem Bruchteil der Strahlenmenge belastet und kann sich wieder erholen. Bisher galt im Bereich der Neurochirurgie das so genannte Gamma Knife System als Standardinstrument der Radiochirurgie. In den letzten Jahren kommen auch vermehrt Linearbeschleuniger (LINAC) für radiochirurgische Indikationen zur klinischen Anwendung. Diese, meist routinemäßig in der Strahlentherapie angewandten Linearbeschleuniger, müssen für eine Präzisionsbestrahlung umgebaut und vor jeder Behandlung physikalisch getestet werden, da für eine radiochirurgische Anwendung wesentlich höhere Qualitäts- und Genauigkeitsanforderungen bestehen, als für herkömmliche strahlentherapeutische Indikationen. Prinzipieller Nachteil, sowohl der Gamma Knife als auch der konventionellen LINAC Systeme, ist die Notwendigkeit einen invasiven stereotaktischen Abb. 1: Beispiel einer CT gestützten Behandlungplanung mit dem Cyberknife System bei einem Patienten mit einem kleinen, im inneren Gehörgang liegenden Akustikusneurinom. Man erkennt die Darstellung der Strahlendosis (Isodosen) in axialer, sagittaler und coronarer Schnittführung. Der Tumor wurde im Maximum mit 25 Gy behandelt Präzisionsbestrahlungen Rahmen am Kopf des Patienten zu befestigen um die angestrebte Genauigkeit von +/- 1mm zu erreichen. Durch die Entwicklung der Cyberknife Technologie mit einer Kombination aus integrierter Bildführung und Robotersteuerung zeichnet sich nun ein Paradigmenwechsel innerhalb der Radiochirurgie ab (1). Ziel des vorliegenden Beitrages ist es, eine technische Beschreibung dieser Technologie zu geben und deren klinische Implikationen zu beschreiben. zen. Aufgrund der physiologischen, atemabhängigen Organbewegung war es bisher nicht möglich, eine hohe Strahlendosis rein auf den Tumorbereich zu fokussieren. Seit Neuestem besteht die Möglichkeit einer atemgetriggerten Echtzeitbewegungskorrektur der Läsionen, die es dem Anwender ermöglicht, eine tumorzerstörende Strahlendosis bei Tumoren im Bereich des gesamten Körpers unter Schonung des umliegenden, gesunden Gewebes zu applizieren (6,7). Das Cyberknife bewegt sich 33 reine Behandlungszeit liegt je nach Lokalisation, Größe und behandeltem Organ im Mittel zwischen 60 90 Minuten. Technische Systembeschreibung Bei der Cyberknife Technologie handelt es sich um die Verbindung zweier Komponenten: Die Bestrahlungseinheit besteht aus einem leichten und kompaktem Photonen-Strahler (6 MeV LINAC, Dosisrate 4 Gy/Minute) der an einen sechs-gelenkigen Roboterarm gekoppelt ist (Kuka GmbH, Vorteile der Cyberknife Radiochirurgie Mit Hilfe der Cyberknife Technologie besteht erstmals die Möglichkeit eine radiochirurgische Behandlungen im Bereich des Hirnes mit hoher Genauigkeit ohne eine invasive Kopffixierung (streotaktischer Rahmen) durchzuführen. Dies ermöglicht dem Patienten eine tatsächlich nichtinvasive, schmerzlose radiochirurgische Behandlung. Zusätzlich besteht die Möglichkeit die bisher einmalig applizierte Dosis in mehrere Sitzungen (2 – 5) aufzuteilen, falls dies klinisch erforderlich ist. Dadurch können Läsionen in sehr sensiblen Körperbereichen und auch grössere Tumore unter Schonung des umliegenden, gesunden Gewebes, effektiver behandelt werden (2,3,4,5). Abgesehen von den Standardindikationen innerhalb der Neurochirurgie (z.B. Akustikusneurinome, Meningeome, Metastasen) entwickelt sich aktuell ein zunehmender Trend zu einer Ausweitung der radiochirurgischen Techniken auf extrakranielle Indikationen. So können schon heute Tumore der Wirbelsäule, aber auch der Bauchspeicheldrüse, der Lunge oder der Leber, die gut vom umliegenden Gewebe abgegrenzt sind, mit Hilfe von radiochirurgischen Techniken hoch präzise und effektiv behandelt werden. In Einzelfällen lässt sich damit ein operativer Eingriff erset- Abb. 2: Darstellung eines Cyberknife Systems mit den jeweiligen Komponenten Behandlungstisch, Röntgendetektoren (A-Si = amorphe Silitium Detektoren), an der Decke befestigten Röntgenroehren, Roboter und kompaktem Linearbeschleuniger (LINAC) mit dem Tumor: Kameras verfolgen die Atembewegungen und geben die Positionsdaten an den Roboterarm, der den kompakten Linearbeschleuniger bewegt. Eine Narkose oder spezielle Körper-Rahmensysteme, wie sie bei herkömmlichen Systemen zur Anwendung kommen, um die Atembewegung zu unterdrücken, sind nicht mehr erforderlich. Das Cyberknife System ist für eine ambulante Behandlung ausgelegt, was für die Lebensqualität der Patienten einen hohen Stellenwert hat. Ein stationärer Krankenhausaufenthalt, eine Anschlussheilbehandlung oder ein Rehabilitationsaufenthalt entfällt in den meisten Fällen. Die Augsburg). Damit können prinzipiell alle Körperregionen erreicht und behandeln werden (Abb. 2). Möglich sind bis zu 1200 Einstrahlrichtungen pro Behandlung. Das Robotersystem ist mit einem computergesteuerten Lokalisierungssystem verbunden. Es besteht aus zwei Standard Röntgenröhren die so an der Decke fixiert sind, dass zwei orthogonale Aufnahmen des Zielgebietes aquiriert werden können. Diese Aufnahmen werden über zwei amorphe Silikonröntgenschirme erfasst, welche hochauflösende digitale Bilder generieren. Entsprechend der anatomischen Gegebenheiten der Referenzierung, wird der Präzisionsbestrahlungen 34 vor der Behandlung in der Nähe der Läsion implantiert werden. Dynamische Positionskorrektur Abb. 3: Schematische Darstellung der atemgetriggerten Körperbestrahlung. Die Signale der LED Dioden werden von einer Infrarotkamera (IR Detektor) aufgezeichnet und dienen zusammen mit den Röntgenkontrollen als Informationen für den Roboter, sich entsprechend der Tumorbewegung kontinuierlich zu bewegen Patient über eine Patientenliege, die sich automatisch in 5 Achsen ausrichtet, in die für die Bestrahlung exakte Position gebracht. Während der Behandlung korrigiert das System Bewegungen, die innerhalb einer Spannweite von 10 Millimetern liegen, mit einem Echtzeittracking automatisch. Ein spezieller Algorithmus prädiziert die Atmung und gleicht so die inhärente Systemlatenz aus. Im Falle einer zerebralen Indikation wird eine Co-Registrierung der Röntgenaufnahmen des knöchernen Schädels mit digital rekonstruierten Schädelaufnahmen des Planungs CTs durchgeführt. Während der Behandlung werden die digital rekonstruierten Röntgenbilder (DRRs) des Planungs CTs mit den projizierten Röntgenaufnahmen des Echtzeit Bild- führungssystems kontinuierlich abgeglichen. Bei Indikationen ausserhalb des Kopfes, wo keine Skelettstrukturen als Landmarken zur Registrierung verwendet werden können, geschieht die Registrierung über kleine Metallmarker, die Bei bewegten Zielvolumen kann seit Neuestem die Organbewegung gemessen und die Bestrahlung entsprechend dieser Bewegung dynamisch angepasst werden (6,10). Nach perkutaner Markerimplantation im Bereich des Zielvolumens wird die innere Organbewegung mit Hilfe des Bildführungssystems definiert. Gleichzeitig wird mit LED Dioden, die auf der Brustoberfläche des Patienten positioniert sind, die Atemexkursion gemessen. Die Software steuert mit Hilfe eines Korrelationsmodels, welches die innere und äussere Bewegung berücksichtigt, die kontinuierliche Bestrahlung des sich bewegenden Organs. Durch systematisch wiederholte Röntgenaufnahmen wird eine iterative Korrektur der Korrelationsfunktion ermöglicht. Rahmenlose Stereotaxie – Genauigkeit: Wissenschaftliche Untersuchungen an den Universtäten Stanford und Los Angeles in den USA sowie am Krankenhaus San Bartolo in Vicenza, Italien, konnten zeigen, dass die rahmenlose Cyberknife Technologie eine Präzision ermöglicht, die vergleichbar Abb. 4: Beispiel eines Cyberknife-Systemtest. Gezeigt sind 2 Filmprojektionen im 90° Winkel zueinander. Ziel war es, das Bestrahlungsfeld (dunkelblaue Fläche) auf die Spitze des weissen Schlitzes zu fokussieren Präzisionsbestrahlungen durchgeführt. Ent- Behandlung wach und wird mit sprechend der indivi- Videokameras überwacht. Insgeduellen Krankheits- samt wird ein Zeitaufwand von konstellation kann etwa 45 - 90 Minuten für die diese Untersuchung gesamte Behandlung benötigt. unmittelbar vor – Während der Behandlung fährt oder schon Tage vor der Roboter etwa 100 definierte der eigentlichen Be- Knotenpunkte an, die homogen handlung durchge- um das Zielgebiet verteilt sind führt werden. Zu und als virtueller Helm um den beachten ist, dass die Patienten verstanden werden könzeitliche Entkoppe- nen. Von jedem dieser Knotenlung von Bildgebung punkt aus kann der Strahl in jede Abb. 5: Darstellung der Metallmarker die als Landmarken zur Referenzierung für Körperbehandlungen zur Anwendung und Behandlung erst Richtung innerhalb des Behandkommen durch die rahmenlo- lungvolumens gerichtet werden zu den herkömmlichen rahmen- se Bildführung ermöglicht wird. (non-isozentrische Bestrahlung). basierten Radiochirurgiesystemen Auf der Basis der prätherapeuti- Über komplexe Optimierungsist (8). So werden an Phantomen schen Bildgebung wird die Grös- techniken kann die Gewichtung Gesamtgenauigkeiten (einge- se, Form und Lokalisation der zu der einzelnen Strahlen so festgeschlossen Bildgebung, Planung, behandelnde Region in Zusam- legt werden, dass eine hohe Dosis Behandlung) von 0.42 ± 0.4 mm menhang mit dem umliegenden im Bereich der Läsion unter erreicht. gesunden Gewebe exakt beurteilt. Beachtung der spezifischen LimiDie Behandlungsplanung ist auf tationen der umliegenden RisikoBehandlungsablauf eine inverse Dosisplanung ausge- organe erzielt wird. Das compuLokalisierungssyIm Falle einer Hirnbehandlung legt, wobei die Dosis im Zielvolu- tergesteuerte wird eine individuelle Kopfmaske men über die Toleranzdosis der stem nimmt neue Röntgenbilder angefertigt. Diese Maske hilft den benachbarten Risikostrukturen auf und vergleicht diese mit den Kopf des Patienten zu stützen definiert wird. Der Arzt gibt dem generierten DRRs des Planungsund die Kopfbewegung während Computer die Konturen des Cts um die höchst mögliche Präder Behandlung möglichst gering Tumors und der Risikoorgane, die zision während der gesamten zu halten. Prinzipiell ist bei sehr Solldosis im Tumor und die Tole- Behandlung zu gewährleisten. kooperativen Patienten auch eine ranzdosen der Risikoorgane vor, Kopfbehandlung ohne Maske und der errechnet die notwendi- Indikationen möglich. Für Wirbelsäulentumore gen Bestrahlungsfelder, die zu Das Münchner Cyberknife Zenwird eine Vakuumlagerungshilfe einer bestmöglichen Dosisvertei- trum (Eröffnung am 01.07.2005) individuell angefertigt die den lung im Tumor führen (9). Der ist in eine Kooperationsstruktur Körper während der Behandlung Patient ist während der gesamten mit dem Klinikum der Ludwigstabilisiert. Zusätzlich werden für Behandlung von beweglichen Organen wie beispielsweise Lunge, Leber oder Bauchspeicheldrüse, kleine (ca. 5mm) Metallmarker ambulant, perkutan im Bereich des Tumors fixiert (Abb. 5). Sie dienen als Landmarken für die Steuerung des Roboters, und werden vom Stereoröntgenkamerasystem automatisch detektiert. Bei Hirnbehandlungen sind keine Marker erforderlich. Hier wir über die Knochenstrukturen der Schädelkalotte referenziert (Abb. 6). Für jede Behandlung wird eine Abb. 6: Darstellung der Generierung eines DRRs (digital reconstructed radiograph). Aus den einzelnen Schichten eines CTs wird eine seitliche Röntgenaufnahme des Schädels rekonstruComputertomographie (CT) und iert, die als Referenz für die Röntgenkontrollen während der Behandlung dient ggf. Kernspintomograpie (MRT) 35 Präzisionsbestrahlungen 36 Maximilians Universität München eingebunden. Klinisch ist es momentan im Wesentlichen auf die Behandlung von Hirn- und Wirbelsäulen bzw. Rückenmarkstumore ausgelegt. Hier sind in erster Linie gutartige Tumoren der Schädelbasis und des Spinalkanals wie Meningeome und Akustikusneurinome zu nennen sowie zerebrale und spinale Metastasen. Prinzipiell können alle Tumore im Körper (z.B. in der Lunge, Leber, Pankreas) mit einer guten Abgrenzung zum gesunden Gewebe hin und einer bestimmten Grössenbegrenzung für eine radiochirurgische Therapie mit dem Cyberknife vorgesehen werden. Die zukünftige Entwicklung wird zeigen, inwiefern es medizinisch sinnvoll ist, die für die Behandlung von Hirntumoren entwickelten radiochirurgischen Prinzipien, auch in andere Körperbereiche auszudehnen. 2. Chang, Steven D., David P. Martin, and John R. Adler. 1998. Treatment of spinal AVMs and vascular tumors with frameless imaged-based radiosurgery. Journal of Neurosurgery 88 (1):201A. 3. Chang, Steven D., Martin J. Murphy, James R. Doty, Steven L. Hancock, and John R. Adler. 1999. Image-guided robotic radiosurgery: Clinical and radiographic results with the CyberKnife. In Radiosurgery, ed. D. Kondziolka. New York: Karger Medical and Scientific Publishers. 4. Chang, Steven D., Martin J. Murphy, Paul Geis, David P. Martin, Steven L. Hancock, James R. Doty, and John R. Adler. 1998. Clinical experience with image-guided robotic radiosurgery (the CyberKnife) in the treatment of brain and spinal cord tumors. Neurologia MedicoChirugica 38 (11):780-783. Zukünftige Entwicklungen Neue Forschungsaktivitäten richten sich auf die Erschließung des vollen Potenzials der Robotertechnik in der Strahlenchirurgie. Erstes Ziel ist es, die Echtzeitlageverfolgung für Tumore im Körperstammbereich (Weichgewebenavigation) ohne den Einsatz künstlicher Landmarken durchzuführen. Hierzu ist eine schnelle, automatische Analyse der Röntgenbilder erforderlich. Diese Technologie befindet sich zurzeit im Test (10,11). Ein weiteres Forschungsziel ist die Verbesserung der inversen Planung. Hier ist zu berücksichtigen, dass Organe sich unter Respiration nicht nur absolut bewegen, sondern auch eine Relativbewegung der Organe stattfindet. Literatur 1. Adler, John R. Jr., Martin J. Murphy, Steven D. Chang, and Steven L. Hancock. 1999. Imageguided robotic radiosurgery. Neurosurgery 44 (6): 1299-1307. frameless radiosurgery system. Medical Physics 23 (12): 2043-2049. 9. Schweikard, A., Bodduluri, M., Adler, J.R. 1998. Planning for Camera-Guided Radiosurgery IEEE. Transactions on Robotics and Automation 13, 951-962. 10. Schweikard, A., Shiomi, H., Adler, J. 2004. Respiration Tracking in Radiosurgery Medical Physics, American Association of Physicists in Medicine (31), 2738-2741. 11. Schweikard, A., Shiomi, H., Adler, J. 2005. Respiration Tracking in Radiosurgery without Fiducials International Journal of Medical Robotics and Computer Assisted Surgery (1), 19-27, Robotic Publications Ltd. (www.roboticpublications.com), Ilkley, UK. Kontakt: 5. Chang, Steven D., Martin J. Murphy, James R. Doty, and John R. Adler, Jr. 1999. Stereotactic Radiosurgery: New Innovations. Perspectives in Neurological Surgery 10 (1):151-159. Dr. med. A. Muacevic 6. Schweikard, Achim, Greg Glosser, Mohan Bodduluri, Martin J. Murphy and John R. Adler, Jr. 2000. Robotic Motion Compensation for Respiratory Movement During Radiosurgery. Computer Aided Surgery (5):263-277. PD Dr. B. Wowra 7. Murphy, Martin J., John R. Adler, Jr., Mohan Bodduluri, John Dooley, Kenneth Forster, Jenny Hai, Quynh Le, Gary Luxton, David Martin and Joseph Poen. 2000. Image-Guided Radiosurgery for the Spine and Pancreas. Computer Aided Surgery (5):278-288. 8. Murphy, Martin J., and Richard Cox. 1996. The accuracy of dose localization for an image-guided Prof Dr. Ing A. Schweikard Direktor des Institutes für Robotik und Kognitive Systeme der Universität Lübeck Europäisches Cyberknife Zentrum München-Großhadern Max-Lebsche-Platz 31 81377 München Tel.: 089-4523360 Fax.: 089-45233616 E-Mail: [email protected]