Peter Kukla1, Janos Urai1, Ralf Littke2 1 GIA – Geologisches Institut der RWTH Aachen, Wüllnerstr. 2, D-52062 Aachen, [email protected] 2 Lehrstuhl für Geologie, Geochemie und Lagerstätten des Erdöls und der Kohle, RWTH Aachen, Lochnerstr. 4-20, 52064 Aachen ERHÖHTE PORENDRÜCKE – BEDEUTUNG FÜR BOHRLOCHPLANUNG, KOHLENWASSERSTOFF-EXPLORATION UND FELDENTWICKLUNG Zusammenfassung Die Bedeutung von Porendrücken und Druckregimes bei der Entwicklung von Kohlenwasserstoffprovinzen ist in den vergangenen 10 Jahren zunehmend erkannt worden. Porendrücke, häufig bis zu lithostatisch erhöht, sind in vielen der augenblicklich wichtigsten Kohlenwasserstoffprovinzen anzutreffen, in Gesteinen aller Zeitalter und in unterschiedlichen geotektonischen Systemen. Es sind vor allem die großen klastischen Systeme im marinen Bereich, die großen intrakratonalen Becken und zunehmend Gebiete mit großen Salzkörpern, die heute im Zentrum des Interesses der Kohlenwasserstoffindustrie stehen. Erhöhte Porendrücke können einen Risikofaktor für die Bohrtechnik sowie die Wirtschaftlichkeit darstellen, eröffnen aber gleichzeitig auch ein gutes Potential für die Exploration und Produktion. Porendrucksysteme sind über geologische Zeiträume hinweg dynamische Systeme, deren Komplexität in der Verknüpfung von Mechanik, Kinematik und Geologie liegt. Die relativ junge Porendruckforschung beschäftigte sich in der Vergangenheit mit den Entstehungsmechanismen und den Möglichkeiten zur Vorhersage. Eher weniger beachtet wurde hierbei die enge Verbindung des Kohlenwasserstoff „life cycle” mit der Druckentwicklung und das erweiterte Potential zur Beurteilung von Reservoirgeometrien, der hydraulischen Kommunikation sowie der strukturellen Situation (z.B. die laterale Abdichtung an Störungen). Vorhersagetechniken nutzen vor allem Bohrlochdaten, numerische Modellierung und seismische Methoden zur Prognose petrophysikalischer Kenngrößen, um realistische 4D-Struktur- und Porendruckmodelle des Untergrundes zu entwerfen. Aus der Integration hydrodynamischer, struktureller und seismischer Daten sowie kalibrierter Bohrlochdaten lassen sich zusätzlich wertvolle Rückschlüsse zur Aquifersituation im Untergrund ziehen. Auf diese Weise können neben einer verbesserten Druckvorhersage und der bohrungsbegleitenden Druckanalyse auch Optimierungsvorschläge für die Feldentwicklung aus Druckdaten erarbeitet werden. Einleitung Gute Druckvorhersagen sind essentiell zur Auffindung von Kohlenwasserstoff-Lagerstätten, für kostengünstige Bohrungen und zur Wirtschaftlichkeitsberechnung von Kohlenwasserstoff-Feldern. Zusätzlich wird die Bildung von Kohlenwasserstoff-Fallen und die Verteilung der Kohlenwasserstoffe durch Überdrücke grundlegend beein- flusst. Die Porendruckvorhersage vor dem Bohren, die begleitende Abschätzung während des Bohrens und das weitere „monitoring“ in der Produktionsphase bedingen jedoch die uneingeschränkte Integration der Fachdisziplinen Geologie, Geophysik, Reservoir-Ingenieurwesen und Bohrwesen. Die Porendruckforschung beschäftigte sich in der Vergangenheit mit den Entstehungsmechanismen und den Möglichkeiten zur Vorhersage. In jüngeren Sammel-Publikationen werden numerische und geophysikalische Methoden verstärkt zur Druckvorhersage und zur Druckinterpretation empfohlen (Chilingar et al., 2002; Huffman & Bowers, 2002; Law et al., 1998). Die integrative Vernetzung der Einzelmethoden zur Interpretation der Aquifersituation in Raum und Zeit ist jedoch nach wie vor eher selten (Bloch et al., 1993; Kukla et al., 2000). Porenüberdruck an einem bestimmten Punkt im Untergrund kann als die Differenz im Fluiddruck zwischen dem augenblicklich vorherrschenden und dem hydrostatischen Druck definiert werden (Abb. 1). Formationsdrücke oberhalb des hydrostatischen Druckes sind überall dort im Untergrund zu finden, wo die Durchlässigkeit des Deckgebirges zu niedrig ist, um die Herstellung eines Gleichgewichtes in geologischen Zeiträumen zu verhindern. Porenüberdrücke sind somit ein grundlegender Antriebsmechanismus für Fluidbewegung im Untergrund. Spannung, Druck • Sedimentbecken tektonisch ausgeglichen (εh = 0) • σh abhängig von Lithologie • Überdruck in und unterhalb der niedrig durchlässigen Schicht Tiefe Sand Ton Überdruck Hydrostat pf σh σv Abb. 1 Prinzipien Porendruck, Lithologieabhängigkeit und Spannung (Pf - Porenfluiddruck, σh - Horizontalspannung, σv - Vertikalspannung). Der Spannungszustand eines Gesteins im Untergrund ist grundsätzlich abhängig von den drei prinzipiellen Hauptspannungen σ1, σ2 und σ3 und einer dagegenwirkenden isotropen Spannung, dem Fluiddruck. Dieser wirkt somit den prinzipiellen Spannungen entgegen. Die am besten bekannten Spannungskomponenten sind die Vertikalspannung σv und die minimale Horizontalspannung σh. Die effektive Vertikalspannung wird definiert als Vertikalspannung minus dem Porenfluiddruck, nach Terzaghi’s-Gesetz (Abb. 2). Es ist diese Effektiv-Spannung, mehr als die Vertikalspannung, die die Kompaktionsprozesse von Sedimenten kontrolliert. Zu einer Senkung der Porosität der Sedimente im Zuge der Versenkung muss somit die Effektiv-Spannung zunehmen, und dadurch die Dichte. Dieses Verhältnis bedeutet aber auch, dass in einem System mit Porenüberdruck die vertikale Effektiv-Spannung mit zunehmendem Überdruck niedriger wird (Abb. 3). In Fällen, in denen die minimale Effektiv-Spannung negativ wird und die Bruchspannung des Gesteins übersteigt, werden Kohlenwasserstoff-Fallen durch „hydrofracturing“ undicht. Die Bruchspannung ist dabei abhängig von individuellen Gesteinsparametern. Das Ausmaß der maximalen Differenzspannungen kann hierbei auch durch die auftretenden (prä-existierenden) Klüfte und Störungen bestimmt werden. Bruchspannungskriterien können über große Gebiete (z.B. der zentralen Nordsee) sowohl die Höhe als auch die Verteilung der Überdrücke kontrollieren. In diesen Systemen werden die Überdrücke durch die minimale Horizontalspannung am höchsten Punkt einer individuellen Druckzelle kontrolliert. Die Differenz ist allerdings auch in der Bohrtechnik von großer Bedeutung, indem sie die Sicherheitsgrenze zwischen Horizontal- und Vertikaldruck definiert und somit auch die Dichte der Bohrspülung vorgibt. Spannung, Druck Scherspannung • Potential für Fluidfluss • Effektivspannung reduziert Tiefe Sand Ton Effektive Normalspannung pf σh σv Abb. 2 Darstellung von effektiven Spannungszuständen durch Mohrkreise im Druck- / Teufendiagramm (Pf - Porenfluiddruck, σh - Horizontalspannung, σv - Vertikalspannung). Spannung, Druck • Trap Integrity • Drilling Margin Sand Tiefe "Trap Integrity" Ton pf σh Druck der Bohrspühlung σv Abb. 3 Spannungszustände in Überdrucksystemen (Pf - Porenfluiddruck, σh - Horizontalspannung, σv - Vertikalspannung) Es können vier grundlegende Entstehungsmechanismen von Überdrücken definiert werden. Dies sind erstens die Unterkompaktionsdrücke, die in Gebieten mit sehr hohen Sedimentationsraten entstehen, wie in Neogenen Deltas. Der zweite Typ sind Überdrücke durch „Isolation“, auftretend in Gebieten in denen ein Reservoir durch ein nahezu perfektes Abdichtgestein eingeschlossen und versenkt wird. In diesem Fall kommen Druckgeneratoren zweiter Ordnung zum Tragen, wie z.B. Kohlenwasserstoff-Bildung und Smektit-Ilit-Transformation. Dieser Typ ist in den „Druckzellen“ der Trias der Nordsee sowie in den großen Salzbecken des Oman anzutreffen. Der dritte Typ umfasst die sogenannten „gemischten Überdrücke“, die durch eine Kombination von Überdruckmechanismen entstehen, wie z.B. schneller Sedimentation, guter Abdichtung und Kohlenwasserstoffgenese. Dieser Typ herrscht vor in Gebieten mit extrem mächtigen regionalen Abdichtgesteinen z.B. dem Kimmeridge-Tonstein der Nordsee. Der vierte Typ umfasst die sogenannten „topographischen Überdrücke“, die vor allem in den Randgebieten der großen Gebirgszüge vorkommen. Die prinzipiellen Parameter, die die Überdruckentwicklung und –verteilung somit kontrollieren, sind 1. die Permeabilitätsstruktur der sedimentären Abfolge, die den Grad der Druckverteilung steuert, 2. die Sedimentationsrate, die den Hauptantriebsmechanismus für die Druckentwickung liefert, 3. die Fluidproduktionsrate und 4. der aquathermische Effekt. Somit unterliegt die Überdruckentwicklung und –steuerung einer Anzahl physikalischer und geologischer Parameter, deren Entwicklung heute mit modernen Methoden detaillierter evaluiert werden kann (Mitchell & Grauls, 1998). Diese beinhalten Bohrlochmethoden, geophysikalische Methoden und numerische Modellierungsmethoden. Vor allem letztere haben unser Verständnis von der Entwicklung der Drucksysteme in Zeit und Raum in den vergangenen zehn Jahren bedeutend vorwärts gebracht. Numerische Beckenmodelle berücksichtigen nicht nur die Kompaktion von Gesteinen über eine Kompressibilitätsfunktion, sondern auch den durch Unterkompaktion auftretenden Fluidüberdruck. Dabei muss berücksichtigt werden, dass der wesentliche Faktor für die Überdruckbildung der Tongehalt der Gesteine ist; erst bei sehr hohen Tongehalten verbunden mit hohen Sedimentationsraten ist mit hohen Überdrucken zu rechnen. Ferner können über derartige Programme auch solche Überdrücke berechnet werden, die aus der primären Gasbildung oder der Umwandlung von Öl in Gas resultieren. Normalerweise müssen für eine Bohrung Porositäten und Tongehalte bestimmt und modelliert werden (Abb. 4a), um daraus Porendrucke für diese und andere Bohrungen zu berechnen (Abb. 4b, Broichhausen, 2003) Porosity Log Abb. 4a: Porosität in einer Nordsee-Bohrung errechnet aus Logs und numerischer Modellierung. Die Berechnung erfolgte mit PetroMod Software der IES Jülich (Broichhausen, 2003) Pore Pressure Abb. 4b: Pore Pressure Pore Pressure Berechnete und gemessene Porendrücke in drei Nordsee-Bohrungen. Die Berechnung erfolgte mit PetroMod Software der IES Jülich (Broichhausen, 2003) Bedeutung von Fluiddrücken für die KW-Exploration und Bohrlochplanung Die gängigen numerischen Algorithmen zur Kalkulation von Fluiddrücken beinhalten den Verlust der Porosität aufgrund zunehmenden Überlastdruckes. Generell sollte die Entstehung von Fluiddrücken auf den Konzepten der Gesteins- und Flüssigkeitsmassenerhaltung basieren. Die allgemeinste Gleichung in diesem Zusammenhang setzt die Porosität ins Verhältnis zur maximalen vertikalen Effektiv-Spannung. Ausgehend von entsprechenden Gleichungen ist es möglich, eine allgemeine Beschreibung von kompaktionsgesteuertem Fluidfluss als Funktion der Entstehungsund Verlustrate von zusätzlichem Druck aufgrund der Sedimentationsrate zu erklären. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der zusätzliche Druck, der benötigt wird, um den Fluidfluss in Gang zu halten, hauptsächlich dort generiert wird, wo die Permeabiliät so gering ist, dass Fluide nicht einfach entweichen können. Diese Zusatzdruck-„Generatoren“ sind hauptsächlich in Tonsteinen verwirklicht. Tonsteine als Fluidmigrationssysteme in Sedimentbecken wurden erst im vergangenen Jahrzehnt ein wichtiger Forschungsgegenstand. Es zeigte sich, dass für die Druckabschätzung während der Bohrlochplanung die Tonsteinsequenzen eine bedeutende Rolle spielen. Vor allem in den tertiären Deltas führte das Ignorieren von möglichen Porenüberdrücken in mächtigen Tonsteinsequenzen zu überraschenden „kicks“ in unterlagernden, höher permeablen Gesteinen wie z.B. Sandsteinen und Karbonaten. Dies führte vielfach zu einer Fehlplanung der Bohrschuhanzahl und damit zum technischen und wirtschaftlichen Misserfolg der Bohrung. Einer der gravierendsten Fehler in vergangenen Studien von Überdrücken beruhte auf der Annahme, dass Überdrucksysteme in Tonstein-/Sandstein-Abfolgen als „geschlossene“ Systeme zu betrachten sind. Es ist durch Modellrechnungen jedoch leicht nachzuvollziehen, dass die meisten Tonsteine, über geologische Zeiträume betrachtet, als offene Systeme angesehen werden müssen. Nicht zuletzt die Ergebnisse der KTBTiefbohrung zeigten, dass das Gebirge trotz niedriger Permeabilitäten auf Porendruckänderungen sehr rasch reagieren kann (Röckel & Lempp, 1998). Deming (1994) konnte zeigen, über welche maximalen Zeiträume Gesteine niedriger Permeabilität und unterschiedlicher Mächtigkeit Überdrücke halten können. Dabei ist die Zeit, über die Überdrücke gehalten werden können, invers proportional zur Permeabilität und direkt proportional zur Wurzel der Mächtigkeit. Danach können nur die niedrigst-permeablen Tonsteine überhaupt als über geologische Zeiträume dauerhafte Druckbarrieren gelten. Die Grenzen des druckgetriebenen Volumenflusses durch Tonsteine liegen bei Permeabilitäten von 10-24 m2, darunter ist von Diffusion als dominantem Transportprozess auszugehen (Hildenbrand et al., 2002). In den letzten Jahren wurde auch verstärkt beachtet, dass die Tektonik eine bedeutende Rolle in Überdrucksystemen spielt. Es ist vor allem das Verhalten von Störungen und Störungssystemen in Relation zu Abdicht- und Speichergesteinen, das die Druck- und damit Fluidverteilung in geologischen Systemen maßgeblich beeinflusst. Vor allem Störungsletten und Versiegelung spielen hier eine maßgebliche Rolle (van der Zee, 2002). Dieser Effekt kann auch in anderen Gebieten mit sehr schneller Sedimentation zu bestimmten Zeiten, wie z.B. in der Nordsee, zu signifikanten Überdrücken führen. Versiegelung durch Störungsletten führt vor allem zu einer dreidimensionalen Verteilung der Überdrucksysteme, wobei sogenannte „Hochdruckzellen“ geformt werden. Hier spielt das herrschende tektonische System (Kompressions- oder Extensionstektonik, und die Duktilität des Gesteins, Ingram et al., 1997) eine entscheidende Rolle. Für die kosteneffektive Planung einer Hochdruck-/Hochtemperatur-Bohrung ist es essentiell, dass in einer Frühphase ein integriertes Team gebildet wird, in dem ein Mitglied der Bohrabteilung für die Bohrlochplanung verantwortlich zeichnet. Diese frühe Involvierung der Bohrabteilung, schon während der finalen geologisch/geophysikalischen Analyse, ist für das Erreichen der technischen Ziele der Bohrung unverzichtbar. Die mit verschiedenen Methoden etablierte Druckabschätzung wird in einem letzten Schritt für die Planung der Verrohrung sowie der Bohrspülung verwendet. Letztendlich führt dies zu einer Auswahl der zu verwendenden Bohranlagen („rig-rating“), der optimalen Kontingentierung im Stadium der Planung und der Auswahl der zu verwendenden Hardware während des Bohrens (z.B. MWD-Systeme). Bedeutung von Fluiddrücken für die Produktion und Feldentwicklung Die Verteilung von Drücken liefert wertvolle Hinweise auf die mögliche Geometrie von Reservoiren und ist somit ein wichtiger Bestandteil für die Produktionstechnologie. So kann die Druckverteilung in Sandsteinen auf eine stratigraphische oder strukturelle Fallensituation hinweisen. Sogenannte „Druckzellen“ sind ein wichtiger Bestandteil in Kohlenwasserstoffprovinzen. Die Differenz zwischen Minimalspannung und Fluiddruck wird allgemein als „trap-integrity“ bezeichnet. KohlenwasserstoffFallen die durch eine niedrige Effektiv-Spannung gekennzeichnet sind, können keine oder nur geringe Kohlenwasserstoffsäulen beinhalten (Abb. 3). Erfahrungen in vielen Gebieten weltweit zeigen, dass häufig dort Bohrungen terminieren, wo in bestimmten Tiefen mit geringen Effektivspannungen, also minimalen Abständen zwischen gemessenen Fluiddrücken und der Horizontal- bzw. Vertikalspannung, zu rechnen ist. Es hat sich allerdings auch herausgestellt, dass, abhängig vom überregionalen Spannungsfeld, durch die weitere Teufenentwicklung von Vertikalspannung und Horizontalspannung es zu einer Vergrößerung dieses Abstandes kommen kann, was eine Möglichkeit für größere Kohlenwasserstoff-Säulen eröffnet. Tiefe, sogenannte „beschützte“ Fallen („protected traps“), können somit ein attraktives Explorationsziel, auch in bestehenden Feldern, bieten (Abb. 3). In der frühen Phase der geologischen und geophysikalischen Prospektion und Analyse eines einzelnen Erkundungsobjektes ist es wichtig, das Druckzellenkonzept zu beherzigen. Es sind vor allem die großen und flachen Strukturen in vielen Hochdruck-/Hochtemperatur-Gebieten, die die größten Risiken darstellen können. Undichte Stellen in Druckzellen müssen von vorhandenen seismischen Daten und Bohrlochdaten abgeleitet werden. Die Position dieser „undichten“ Stellen ist nützlich zur Definition der Druckzelle sensu stricto und um „geschützte“ Fallen zu identifizieren. Durch diese Methode kann weiterhin der laterale Ausbiss von potentiellen Aquiferen definiert werden. Gleichzeitig müssen im Hintergrund die petrophysikalischen Kenngrößen aus Labormessungen oder seismischen Daten ermittelt werden, um somit die prinzipiellen Spannungs-/Tiefentrends für ein Gebiet zu etablieren. Direkte Druckdaten beziehungsweise die Daten aus seismischen und petrophysikalischen Evaluationen müssen dann im folgenden Schritt zur allgemeinen Druckabschätzung verwertet werden. In „Greenfield“-Gebieten muss dies aus der Inversion seismischer Daten geschehen, wobei gleichzeitig auch die Grenzen dieser Methode beachtet werden müssen. Es gilt dies vor allem für Gebiete in denen Druck durch Transfer aus tieferen Beckenbereichen in flache Strukturen übertragen wird. Diese Transferüberdrücke können ausschließlich durch numerische Simulationsmethoden bestimmt werden, die oben angesprochenen seismischen und petrophysikalischen Methoden sind hier nicht adäquat. In einigen Gebieten der Erde sind die „Überdruckmotoren“ so effizient, dass das Maß der Überdrücke nicht länger durch den Generationsmechanismus kontrolliert wird, sondern eher durch die maximalen Fluiddrücke, die das Gestein „aufnehmen“ kann. Hier spielt das Prinzip der „Druckentlastung“ durch „hydrofracturing“ eine Rolle. Dies resultiert, wenn die Effektivspannung negativ wird und sogar die maximale Zugfestigkeit des Gesteins überschritten wird. Verschiedene Studien in der Vergangenheit haben gezeigt, dass es sich hierbei um ein zyklisches Abwechseln von Druckaufbau und Druckentlastung („pressure pumping“) handelt. Die Untersuchung dieser Paläodruckmuster ist nicht nur für die frühe Kohlenwasserstoffexploration, sondern auch für die folgende Feldentwicklung und Produktion von entscheidender Bedeutung. So vermittelt z.B. die Kenntnis eines derartigen kontinuierlichen „Leckagepunktes“ in einer Struktur gleichzeitig die Kenntnis der hydrodynamischen Situation in der Gesamtstruktur. Eine Druckzelle kann demnach als eine Anzahl von Punkten in hydraulischer Kommunikation mit einem Leckagepunkt definiert werden. Diese Druckzellen sind vor allem in Gebieten wie der zentralen Nordsee, dem Kaspischen Becken, im Golf von Mexiko, in Brunei und Nigeria bekannt geworden. Die Druckzellenmethode ermöglicht auf relativ einfache Weise die Abschätzung von Fluiddrücken, der Stabilität der Kohlenwasserstoff-Falle, der möglichen Kohlenwasserstoffsäule und auch des Bohrsicherheitsabstandes. Es ermöglicht somit auch die generelle Risikoabschätzung in geologischer Hinsicht („trockene“ oder fündige Bohrung) in Überdruckgebieten. Ein weiteres interessantes Feld im Bereich der Überdruckforschung ist die Vorhersage von Gas- und Ölverteilungen in Überdruckreservoiren. In vielen Überdruckgebieten ist das Muttergestein in der Überdrucksequenz entwickelt. In diesen Gebieten können Überdrücke eine entscheidende Rolle nicht nur im Hinblick auf die generelle Anwesenheit von Kohlenwasserstoffen, aber auch auf die Verteilung der Phasen haben. Moderne Modellierungstechniken der Beckensimulation gestatten unter Berücksichtigung des pvT-Verhaltens der gebildeten Produkte Vorhersagen zu Gas-/ÖlVerhältnissen in Reservoiren unterschiedlicher Teufen und unterschiedlicher Druckbedingungen. Darüber hinaus lassen sich noch Aussagen zur Zusammensetzung der Öl- bzw. Gasphase machen. Beispiele hierzu wären Strukturen in der Nordsee und im Golf von Mexiko, wo zu Beginn der Kohlenwasserstoff-Genese bereits die minimale Horizontalspannung erreicht und die Zugspannung durch die zusätzliche Kohlenwasserstoff-Phase überschritten wurde. Dies führte zu einem sofortigen Verlust der Kohlenwasserstoffe hin zur hydrostatischen Abfolge im Hangenden der betreffenden Falle. In diesen Gebieten sind Kohlenwasserstoffe in der hydrostatischen Abfolge abbauwürdig vorhanden, wogegen exzellente, unterlagernde Reservoire mit Überdruck „trocken“ sind. Variationen dieser Situation sind möglich, so zum Beispiel repräsentiert durch Fälle, in denen Öl und Gas während der fortschreitenden geologischen Entwicklung „differentiell“ transportiert wird (frühes Expulsionsprodukt Öl unterliegt der differentiellen „Leckage“, während spätere Phasen, meist Gas, in der Falle verbleiben). Die Feldentwicklung in überhydrostatischen Feldern ist komplex. Einer prinzipiell möglichen Reservoir-Verbesserung durch erhöhte Porositäten wirken ausgedehnte Diageneseerscheinungen entgegen. Fluidtransport erfolgt häufig auf Klüften, die Matrix-Permeabilität ist niedrig. Ein weiter verbreitetes Phänomen ist das „plugging“ der Porenräume durch mobilisierbare Phasen wie zum Beispiel Salz, oder in Extremfällen die großmaßstäbliche Verunreinigung des Reservoirs durch schwere Bohrspülungen. Diese Prozesse führen vielfach zu schlechten Produktionsraten, selbst in Feldern mit großen „in place“ Reserven. Reservoirtechnologische Konzepte wurden bislang vor allem für Überdruck-Gasreservoire erarbeitet. Untersuchungen konzentrieren sich hierbei auf Kohlenwasserstoff-Reserven, Reservoir-Verhalten und mögliche Mechanismen, die zur Produktion aus diesen Reservoiren wichtig sind. Überdruck-Gasreservoire sind volumetrisch sehr schwierig zu erfassen, was die Abschätzung der Reserven erschwert. Produktionskurven zeigen sehr häufig einen steilen Abfall in der ersten Phase und ein Abflachen im weiteren Verlauf der Produktion (Poston & Berg, 1997). Ausblick Optimierte Strategien bei Explorationskampagnen und der späteren Feldentwicklung in Gebieten mit überhydrostatischen Drücken sind nur durch die Integration der angewandten Forschungsansätze in den Bereichen Exploration und Produktion zu er- zielen (Abb. 5). Die Integration der Methoden betrifft vor allem eine Harmonisierung der Modellierungstechniken mit erwarteten Fortschritten bei der Auffindung neuer Lagerstätten zum Einen und der Produktions-Optimierung („yield & recovery rates“) in reifen Kohlenwasserstoff-Provinzen zum Anderen. Der Weg hin zu dynamischen Reservoir-Modellen ist durch die Fortschritte bei der 4-D („time lapse“) Seismik, bei der Modellierung und durch weitere Kalibrationsstudien weiter verkürzt worden. Die 4-D Seismik wird zunehmend in reifen Kohlenwasserstoff-Gebieten angewendet, um Migrationsfronten von Fluiden im Verlauf der Produktion zu kartieren. Hierdurch wird vor allem die weitere Planung des Feldes entscheidend beeinflusst und optimiert. Daneben profitieren gerade Reservoir-Modelle stark von neuen Erkenntnissen und Ansätzen, die in den oben genannten Methoden erzielt wurden. Untersuchungen zur Diagenese und Diagenese-Modellierungen haben in vielen Kohlenwasserstoff-Provinzen zur Interpretation der Becken- und Fluidentwicklung, der Reservoir-Qualität sowie zur Vorhersage des Produktionsverhaltens von Reservoiren beigetragen. Data Analysis Geobody, cycle, sequence analysis Stratigraphic interpretation Quantitative Interpretations/ Estimates of: Geodynamics Stratigraphy Thermal History Pressures Fluid Flow HC Distribution Stratigraphy Modelling Structural Analysis Palinspastic Reconstruction Fault seal Modelling Retention Thermal Modelling Generation Expulsion Modelling Migration Modelling Pressure Modelling Modelling Abb. 5 Integrated Exploration Workflow Literatur Chilingar, G.V., Serebryakov, V.A. & Robertson, J.O. (eds.). Origin and prediction of abnormal pressures. Developments in Petroleum Science, 50, Elsevier (2002). Huffman, A. & Bowers, G. (eds.). Pressure regimes in sedimentary basins and their prediction, AAPG Memoir, 76 (2002). Law, B.E., Ulmishek, G.F. & Slavin, V.I. (eds.). Abnormal pressures in hydrocarbon environments. AAPG Memoir, 70 (1998). Bloch, G., Doyle, M. & Kukla, P.A. Subsurface pressures and leak-off tests and their implications for prospectivity, safety and well design. AAPG Bulletin, 77, 1607 (1993). Kukla, P.A., Edwards, S.C. & Reimann, K. K. 3D petroleum systems modelling: Bridging the gap between basin and reservoir scale modelling - examples from offshore Western Australia. Extended Abstract 4258. AAPG INTERNATIONAL CONFERENCE Bali (2000). Mitchell, A. & Grauls, D. (eds.). Overpressures in Petroleum Exploration. Elf EP Memoire, 22 (1998). Broichhausen, H. Mechanical compaction models and their application in 3D basin modelling. PhD thesis submitted to RWTH Aachen (2003). Röckel, T. & Lempp, C. Bohrloch- und Bohrkernstabilitäten als Indikatoren des Spannungszustandes der Erdkruste von Mitteleuropa. ICDP/KTB-Kolloquium, Ruhr-Universität Bochum, Abstract-Band (1998). Deming, D. Factors necessary to define a pressure seal. AAPG Bulletin, 78/6, 1005-1009 (1994). Hildenbrand, A., Schlömer, S. & Krooss, B.M. Gas breakthrough experiments on fine-grained sedimentary rocks. Geofluids, 2, 3-23 (2002). van der Zee, W. 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