Eigenschaften realer Bauelemente

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Eigenschaften realer Bauelemente
Martin Schlup
31. August 2014
In diesem Skript werden die wesentlichen Eigenschaften realer, d. h. nicht idealer, elektrischer Komponenten wie Widerstände, Kondensatoren und Spulen kurz angesprochen. Dabei
werden auch magnetisch gekoppelte Spulen wie Transformatoren und Übertrager behandelt.
Der Schwerpunkt der Betrachtungen wird auf die lineare Modellierung dieser Komponenten
gelegt, so dass ihr reales Verhalten bei Wechselstrom oder allgemeiner in einem bestimmten
Frequenzband nachgebildet werden kann. Nichtlinearitäten werden hier nicht behandelt, auch
wenn sie in der Praxis eine nicht unwesentliche Rolle spielen.
Weitere, wesentlich ausführlichere Information zum Thema reale Komponenten ist in der
Literatur wie z. B. in [2, Kapitel 8 Reale Bauelemente] und [4, Kapitel 2 Passive Bauelemente]
zu finden.
Inhaltsverzeichnis
1. Widerstände
1.1. Widerstandstypen . . . . . .
1.2. Eigenschaften . . . . . . . . .
1.2.1. Temperatureinfluss . .
1.2.2. Frequenzabhängigkeit
2. Kondensatoren
2.1. Kondensatortypen . . . . . .
2.2. Eigenschaften . . . . . . . . .
2.2.1. Temperatureinfluss . .
2.2.2. Isolationswiderstand .
2.2.3. Frequenzabhängigkeit
3. Spulen
3.1. Realisierung . . . . . . . . . .
3.2. Eigenschaften . . . . . . . . .
3.2.1. Wirkverluste . . . . .
3.2.2. Frequenzabhängigkeit
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4. Magnetisch gekoppelte Spulen: Übertrager und Transformatoren
4.1. Übertrager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.1. Idealer Übertrager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.2. Ideal festgekoppelter Übertrager . . . . . . . . . . . . . .
4.1.3. Verlustloser Übertrager . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2. Transformator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2.1. Linearisiertes Transformatormodell . . . . . . . . . . . . .
4.2.2. Messtechnische Bestimmung der Transformatorparameter
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A. Frequenzverhalten von Drahtwiderständen
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1. Widerstände
In diesem Kapitel sollen nur Widerstände betrachtet werden, welche in ihrer Anwendung lineares Verhalten und im Idealfall einen von der Frequenz und der Stromstärke unabhängigen
Widerstandswert aufweisen sollten, d. h. Thermistoren (NTC, PTC) und Varistoren (VDR,
ZNR) werden hier nicht behandelt.
1.1. Widerstandstypen
Widerstände werden grob durch die Angabe der folgenden Grössen spezifiziert:
• Nennwiderstand (Nennwertreihe nach DIN 41426, Farbstreifencode nach DIN JEC 62)
• Belastbarkeit (max. Dauerleistung oder -spannung, Wärmewiderstand Rth in Kelvin/Watt,
cf. 1.2.1 Gleichung (1.1)
• Temperaturabhängigkeit (Temperaturkoeffizient α0 bezogen auf die Temperatur θ0 , cf.
1.2.1 Gleichung (1.2) )
• Frequenzabhängigkeit (linearisiertes Ersatzschaltbild)
• Widerstandsrauschen (thermisches Rauschen)
Im Wesentlichen gibt es zwei grundlegende Realisierungsformen, welche ihren Einsatz in der
Praxis bestimmen (cf. z. B. [4, Bild 2.9, S. 96]):
• Drahtwiderstände mit niedrigen Widerstandswerten, für mittlere bis sehr grosse Nennleistungen aber eher niedrige Frequenzen (bifilare oder Chaperon-Wicklung zur Reduzierung
der Eigeninduktivität)
• Schichtwiderstände kleine bis grosse Nennleistungen, hohe Frequenzen (Kohleschicht, Metallschicht)
1.2. Eigenschaften
1.2.1. Temperatureinfluss
Die Belastbarkeit, bzw. die maximale Leistung Pmax hängt von der Differenz zwischen der
Widerstandsoberflächen- θob und der Umgebungstemperatur θum wie folgt ab:
Pmax =
θob − θum
Rth
4
(1.1)
1. Widerstände
Bei Belastung verändert sich die Widerstandstemperatur im Allgemeinen, so das auch der
Widerstandswert sich je nach Temperaturkoeffizient1 verändern kann:
R(θ) = R0 1 + α0 · (θ − θ0 )
(1.2)
Die relative Widerstandsänderung beträgt folglich
∆R(θ)
R(θ) − R0
=
= α0 · (θ − θ0 ) = α0 · ∆θ
R0
R0
1.2.2. Frequenzabhängigkeit
Wechselstrommodelle
Je nach Art der Realisierung und Widerstandswert können sich Widerstände mehr oder weniger
frequenzunabhängig verhalten aber auch mit zunehmender Frequenz induktiv oder kapazitiv
werden. Typisch für Drahtwiderstände ist das induktive Verhalten bei zunehmenden Frequenzen. Dies ist auf die Drahtwicklung zurückzuführen, welche sich elektrisch wie eine Spule verhält.
Aber auch Kapazitäten zwischen den Windungen können bei höheren Frequenzen ein kapazitives Verhalten hervorrufen (cf. Anhang A). Entsprechend dem Verhalten müssen passende
Modelle ausgewählt werden:
Abbildung 1.1.: Einfache Widerstandsmodelle
links: überwiegend induktiv, Mitte: überwiegend kapazitiv, rechts: Mischform
Unterhalb der Grenz(kreis)frequenz verhält sich der Widerstand wie erwartet, oberhalb
induktiv oder kapazitiv, je nach Bauart. Bei dieser Frequenz ist der Phasenwinkel zwischen
Spannung und Strom ϕ(ωg ) = ϕu − ϕi = ±π/4 (Vorzeichen je nach Modell). Für die Modelle
in der Abb. 1.1, links und Mitte gilt für diese Grenze:
ωg =
ωg =
R
L
1
RC
Skin-Effekt
In Leitern, insbesondere bei Drahtwiderständen und Leitungen, macht sich bei zunehmender
Frequenz der sogenannte Stromverdrängungseffekt oder Skineffekt 2 bemerkbar. Die zeitliche
Änderung der Stromdichte erzeugt im leitenden Material nach den Induktionsgesetz und der
1
2
Ein positiver Temperaturkoeffizient führt zu einer Erhöhung des Widerstandswerts gegenüber dem Wert R0
bei der Bezugstemperatur θ0 .
skin: Haut
5
1. Widerstände
Regel von Lenz Wirbelströme. Diese überlagern sich dem Leitungsstrom so, dass der resultierende Strom gegen die Leiteroberfläche verdrängt wird. Dadurch verringert sich der benutzte
Leiterquerschnitt und der Leiterwiderstand nimmt dabei scheinbar zu.
In einem kreiszylindrischen Leiter nimmt die Amplitude der resultierenden Stromdichte mit
zunehmender Leitertiefe exponentiell ab3 :
ĵ(r) = ĵ0 · e−
Legende:
r0
r
ĵ0
ĵ(r)
r0 −r
δ
Radius des zylinderförmigen Leiters
Abstand von der Leiterachse, 0 ≤ r ≤ r0
Amplitude der Wechselstromdichte an der Leiteroberfläche, d. h. bei r = r0
Amplitude der Wechselstromdichte im Abstand r der Leiterachse
Die Grösse δ ist dabei die Eindringtiefe (attenuation distance). Sie hängt von der Leitfähigkeit γ und der Permeabilität µ = µr µ0 des Materials, sowie von der Kreisfrequenz ω des
Wechselstroms ab. Für einen metallischen Leiter (r = 1) gilt für Frequenzen unterhalb 10 GHz:
r
2
δ=
(1.3)
γ µω
Die Eindringtiefe nimmt im wesentlichen mit der Frequenz ab. Für hohe Frequenzen fliesst der
gesamte Strom in einer hauchdünnen Schicht auf der Leiteroberfläche: Ein isolierender Kunststoffkern mit einer aufgedampften Silberschicht kann den gleichen Strom führen wie ein massiver
Silberdraht! Für Kupfer z. B. ergeben sich die Werte der Tabelle 1.1 für die Eindringtiefe in
Funktion der Frequenz. Für Leiter mit relativ grossem Durchmesser ist der Effekt schon bei 50
Hz beobachtbar.
Tabelle 1.1.: Skineffekt: Eindringtiefe für Kupfer in Funktion der Frequenz
Stromnetz
lange
kurze
Mikrowellen
Radiowellen Radiowellen
Frequenz
50 Hz
500 kHz
100 MHz
10 GHz
−3
δ in mm (ca.)
10
0.1
5 · 10
0.5 · 10−3
Um den Effekt zu reduzieren, ist es offensichtlich günstiger ein Bündel von gegeneinander
isolierten Drähten mit kleinen Durchmessern (Litze) als einen einzelnen Draht mit äquivalenter
Querschnittfläche zu benutzen, cf. Abb. 1.2.
3
Annahme: r0 > 5 δ
6
1. Widerstände
Abbildung 1.2.: Widerstandszunahme eines Kupferdrahts infolge Skineffekt für Frequenzen unterhalb 1 MHz
Der Einfluss macht sich in Funktion der Frequenz aber auch des Drahtdurchmessers bemerkbar. Der Effekt ist vernachlässigbar bei Drahtdurchmessern welche kleiner als die Eindringtiefe sind.
7
2. Kondensatoren
In diesem Kapitel sollen nur Kondensatoren näher betrachtet werden, welche in ihrer Anwendung lineares Verhalten und im Idealfall eine von der Spannung unabhängige Kapazität
aufweisen sollten. Es ist dabei klar, dass bei weitem nicht alle Kondensatoren diese ideale Eigenschaften aufweisen. Dadurch muss für die Wahl eines bestimmten Kondensatortyps noch
wesentlich sogfältiger an die Anwendung angepasst als bei Widerständen vorgegangen werden.
2.1. Kondensatortypen
Kondensatoren werden grob durch die Angabe der folgenden Grössen spezifiziert:
• Nennkapazität
• Belastbarkeit (max. Spannung)
• Temperaturabhängigkeit (Temperaturkoeffizient α0 bezogen auf die Temperatur θ0 , cf.
2.2.1)
• Frequenzabhängigkeit (linearisiertes Ersatzschaltbild)
• Linearität (Abhängigkeit der Kapazität von der Spannung)
Es gibt verschiedene grundlegende Realisierungsformen, welche ihren Einsatz in der Praxis
bestimmen (cf. z. B. [4, Bild 2.28, S. 110])
• Metall- und Dielektrikumfolie (K, MP, MK)
• Elektrolytkondensatoren (Aluminium, Tantal)
• Keramikkondensatoren (NDK, HDK)
• Superkondensatoren (Doppelschichtkondensatoren, Pseudokondensatoren), cf. http://de.
wikipedia.org/wiki/Superkondensator
2.2. Eigenschaften
2.2.1. Temperatureinfluss
Mit der Temperatur verändert sich im Allgemeinen auch die Kapazität:
C(θ) = C0 1 + α0 · (θ − θ0 )
Die relative Kapazitätsänderung beträgt folglich
∆C(θ)
C(θ) − C0
=
= α0 · (θ − θ0 ) = α0 · ∆θ
C0
C0
Der Temperaturkoeffizient α0 kann dabei positiv oder negativ sein.
8
2. Kondensatoren
2.2.2. Isolationswiderstand
Ein geladener Kondensator der Kapazität C wird sich auf Grund seines endlichen Isolationswiderstands RIs mit der Zeit entladen, auch wenn seine Klemmen nicht elektrisch verbunden
sind. Die Zeitkonstante τ der Selbstentladung beträgt bei homogenem Dielektrikum mit Permittivität und Leitfähigkeit γ:
τ = RIs C =
γ
Die Selbstentladung ist also unabhängig von Form und Grösse des Kondensators. Sie hängt
nur von den elektrischen Eigenschaften des Dielektrikums ab. Typische Werte für τ sind einige
tausend Sekunden je nach Material und Bauart.
2.2.3. Frequenzabhängigkeit
Idealerweise sollte die Impedanz eines Kondensators über den ganzen Frequenzbereich einen
Amplitudengang mit einer konstanten, negativen Steigung von −20 dB/Dk aufweisen. Der
Entsprechende Phasengang sollte dabei, frequenzunabhängig, ϕ(ω) = −π/2 betragen. Dies
ist natürlich nicht so bei realen Kondensatoren, bedingt schon durch ihren, praktisch immer
vorhandenen Isolationswiderstand. Darüber hinaus hat z. B. die Impedanz von Al-ElektrolytKondensatoren einen minimalen Wert (Resonanzfrequenz), welcher zwischen 10 kHz und einigen
100 kHz liegen kann. Oberhalb dieser Frequenz verhält sich der Kondensator induktiv1 !
Wechselstrommodell
Ganz allgemein, d.h. unabhängig vom Frequenzgang, lassen sich für eine feste Frequenz die
folgenden Grössen für das Wechselstrommodell eines Kondensators definieren:
komplexer Ersatzleitwert
komplexer Ersatzwiderstand
Y (ω) = Y (ω) h−ϕ(ω) = G(ω) + j B(ω)
Z(ω) = Z(ω) hϕ(ω) = R(ω) + j X(ω)
Gütefaktor (Definition)
1
QC =
(Interpretation)
QC
maximale im Kond. gespeicherte Energie
Ŵ
mittlere Verlustenergie in einer Periode
WV
Verlustfaktor (Definition)
d
Verlustwinkel (Definition)
δ
B
−X
−Q
=
=
G
R
P
(2.1)
2π Ŵ
mit
WV
Û 2
B
−Q
=C
= CU 2 = U 2 =
2
ω
ω
P
2π
=PT =P
=
ω
f
=
1
G
=
QC
B
mit tan(δ) = d
=
Dies ist aber nicht weiter problematisch, da ja Elektrolyt-Kondensatoren meistens bei festen und tiefen
Frequenzen eingesetzt werden.
9
2. Kondensatoren
Achtung
• Die Grössen QC , d und δ sind frequenzabhängig. Es muss also immer angegeben werden,
bei welcher Frequenz sie gelten!
• Der Gütefaktor QC darf nicht mit der (negativen) Bildleistung Q des Kondensators verwechselt werden.
Das physikalische Frequenzverhalten eines Kondensators kann für relativ tiefe Frequenzen durch
das folgende lineare Modell dargestellt werden:
Abbildung 2.1.: Einfaches Kondensatormodell für relativ tiefe Frequenzen
Die Kapazität C entspricht dem Nennwert, der Widerstand RIs dem Isolationswiderstand des Kondensators.
Oberhalb der Grenz(kreis)frequenz verhält sich der Kondensator wie erwartet, unterhalb
wirkt er resitiv. Bei dieser Frequenz ist der Phasenwinkel zwischen Spannung und Strom
ϕ(ωg ) = ϕu − ϕi = −π/4. Für das Modell in der Abb. 2.1, gilt für diese Grenze:
ωg =
1
RIs C
Ersatzzweipol
Bei einer festen Frequenz kann das Parallemodell gemäss Abb. 2.1 durch ein äquivalentes Seriemodell ersetzt werden. Diese Umrechnung ist gelegentlich von praktischer Bedeutung, um
formale Berechnungen anzustellen.
Abbildung 2.2.: Äquivalente Kondensatormodelle bei gegebener Frequenz
Die beiden Modelle haben zwei verschiedene Frequenzgänge! Letztere sind nur
deckungsgleich bei der betrachteten Umrechnungsfrequenz oder in ihrer nächsten Umgebung.
Die entsprechenden Umrechnungsformeln sind (die Frequenzinformation steckt im Güte- bzw.
Verlustfaktor):
CS =
1 + Q2C
CP = (1 + d2 ) CP
Q2C
RS =
1
d2
RP =
RP
2
1 + d2
1 + QC
10
2. Kondensatoren
Bemerkungen
• Auf Grund der Definition (2.1) erhält man folgenden Zusammenhang für den Gütefaktor:
QC = ω RP CP =
1
ω RS CS
• Falls QC 1 ist CS ≈ CP und RS ≈ RP /Q2C .
Dielektrische Nachwirkung
Die Messung des Lade- und Entladevorgangs von Kondensatoren bei längeren Ladezeiten zeigt
nicht das erwartete Verhalten. Beim Aufladen nähern sich Spannung und Stromstärke langsamer ihrem Endwert und der Spannungsendwert liegt tiefer als erwartet; ähnlich beim Entladen2 .
Man bezeichnet diese Erscheinung bei der Aufladung als Nachladung und bei der Entladung
als Rückstandsbildung. Sie wird im wesentlichen auf Nichthomogenitäten des Verhältnisses
/γ innerhalb des Dielektrikums zurückgeführt. Im stationären Zustand (der durch das Strömungsfeld dargestellt wird) ist die Potentialverteilung im Kondensator durch die Leitfähigkeit
γ des Dielektrikums bestimmt. Bei Beginn des Lade- oder Entladevorgangs bestimmt aber die
Verschiebungstromdichte die Potentialverteilung. Letztere hängt von der Permittivität ab
(siehe z. B.: [5]).
Die dielektrische Nachwirkung wird im folgenden Hochfrequenz-Kondensatormodell durch
die Kapazität CD und den Widerstand RD nachgebildet:
Abbildung 2.3.: Kondensatormodell zur Nachbildung der dielektrischen Nachwirkung
Die Elemente RA und LA beschreiben den Einfluss der Anschlüsse.
Die Induktivität LA und der Widerstand RA sind durch die Anschlüsse bedingt.
Beispiel: Folien-Kondensator der Kapazität C = 10 nF
typische Werte:
RIs = 1011 Ω, CD = 1 nF ≈ C/10, RD = 1010 Ω ≈ RIs /10, RA = 10 Ω, LA = 10 µH
Die Zeitkonstante τentl ≈ C RA = 10−7 s für das Entladen des Kondensators durch Kurzschliessen der Klemmen ist hier 108 mal kleiner als die des Dielektrikums τD ≈ RD CD = 10 s.
Ende Beispiel3
2
3
Dieser Effekt ist vor allem störend, wenn der Kondensator „schnell“ entladen werden muss, wie z. B. beim
Reset eines aktiven Integrators mit OP-Amp.
In diesem Beispiel liegen zwei Zeitkonstanten um den Faktor 108 auseinander. Dies führt bei der numerischen
Modellierung des Systems zu unerwarteten Effekten, wenn gewöhnliche Integrationsalgorithmen benutzt
werden (Stichwort: stiff systems).
11
3. Spulen
Es werden hier nur Spulenmodelle näher betrachtet, welche in ihrer Anwendung lineares Verhalten und im Idealfall eine von der Stromstärke unabhängige Induktivität aufweisen. Es ist dabei
klar, dass die meisten Spulen wegen ihres ferromagnetischen Kerns diese ideale Eigenschaften
nicht aufweisen.
3.1. Realisierung
Die Induktivität von Spulen wird üblicherweise durch Drahtwicklungen um einen ferromagnetischen Kern (Weicheisen oder Ferrite) erhalten. Da der Draht immer einen Widerstand aufweist,
können Spulen grosser Güte nicht realisiert werden1 . Dazu kommt die Abhängigkeit der Induktivität von der Stromstärke, welche durch das nichtlineare magnetische Verhalten des Kerns
verursacht wird. Eine mehr oder weniger gute Linearisierung des Verhaltens wird auf Kosten
der Grösse der Induktivität mit einem Luftspalt im magnetischen Kreis (Kern mit Luftspalt)
erreicht.
Für hochpermeable Kerne (Ferrit-Schalenkerne) geben die Hersteller empirisch bestimmte
Induktivitätsfaktoren AL an, die von der Luftspaltlänge abhängig sind. Damit kann die
Induktivität aus der Spulenwindungszahl N (oder umgekehrt) bestimmt werden
L ≈ AL N 2
Der Induktivitätsfaktor entspricht dem mittleren magnetischen Leitwert des Kerns. Je grösser
der Luftspalt, desto kleiner wird der Induktivitätsfaktor. Dadurch wird die Linearität (magnetischer Fluss proportional zur Stromstärke) auf Kosten der Induktivität verbessert.
Bemerkung: Das Messen der Induktivität mit einem RLC-Meter ist im Allgemeinen sinnlos, da
infolge der Nichtlinearitäten das Ergebnis stark von der Stromstärke und der Frequenz abhängt.
3.2. Eigenschaften
3.2.1. Wirkverluste
In einer Spule mit ferromagnetischem Kern treten Wirkverluste auf, die pauschal mit einem
Leistungsmessgerät erfasst werden können. Diese Verluste bestehen aus folgenden Teilen:
Kupferverluste
Diese sind die dissipativen Verluste im Draht infolge des Stroms. Sie können durch Messen
des Drahtwiderstandes R (gleichstrommässig) und des Effektivwertes I des Spulenstromes
problemlos erfasst werden:
PCu = R I 2
1
In Gegensatz zu Kondensatoren, welche mit hoher Güte realisiert werden können.
12
3. Spulen
Bemerkung: Damit der Effektivwert der Stromstärke korrekt erfasst wird, muss ein TrueRMS-Messgerät benutzt werden. Dies ist auch bei harmonischer Anregung notwendig, da
durch die Nichtlinearität des Magnetkerns der Stromverlauf im Allgemeinen stark verzerrt
wird.
Kern- oder „Eisen“-Verluste
Diese entstehen im Material des ferromagnetischen Kerns und bestehen aus drei verschiedenen Ursachen:
Wirbelstromverluste
Diese sind verursacht durch die im Kernmaterial fliessenden Wirbelströme. Dadurch
wird das Kernmaterial erwärmt. Sie nehmen proportional zur Frequenz im Quadrat
zu:
PW ∝ f 2
Sie können messtechnisch nicht direkt erfasst werden.
Wirbelstromverluste treten bei Ferritkernen praktisch nicht auf, da diese sehr schlecht
leiten. Um diese Verluste bei Eisenkernen gering zu halten, werden letztere quer zur
Ausbreitungsrichtung der Wirbelströme mit dünnen2 , gegeneinander isolierten Blechen gebildet (Elektroblech).
Hystereseverluste
Bei diesem dissipativen Vorgang wird Energie für das Ummagnetisieren der Elementarmagnete beim Umlaufen der Hystereseschleife gebunden. Diese Energie lässt sich
aus der Hysteresefläche und dem Volumen VF e des Kernmaterials berechnen. Bei
harmonischer Anregung werden die Elementarmagnete einmal pro Periodendauer
ummagnetisiert.
I
WH = V F e
H dB
I
PH = f W H = f V F e
H dB
Die Hystereseverluste sind also proportional
zur Frequenz f und zur Fläche innerhalb
H
der Hysteresesschleife (hier durch H dB dargestellt).
Verluste infolge Trägheit der Elementarmagnete
Bei hohen Frequenzen (besonders bei Ferriten, Nachrichtentechnik) tritt zwischen
den Feldgrössen B und H eine durch die Trägheit der Elementarmagnete bedingte
Phasenverschiebung auf. Diese Verschiebung führt zu Wirkverlusten, da dadurch
der Phasenwinkel zwischen dem Strom (i(t) ∝ H(t)) nicht mehr um π/2 gegenüber
der induzierten Spannung verläuft (u(t) ∝ dB(t)/dt). Um dies zu berücksichtigen,
wird (analog zur komplexen Wechselstromlehre) die Permeabilitätszahl als komplexe
Grösse µr definiert3 :
B = µ0 µ r H = µ H
2
3
Typische Blechdicke: 0.5 mm und 0.35 mm
Bei gewissen Materialien, wie z. B. gewalztem Elektroblech, spielt die Kornorientierung eine weitere Rolle:
Die Richtungen der Feldvektoren B und H stimmen nicht unbedingt überein, so dass die Permeabilität µ
als Tensor (3 × 3-Matrix) angegeben werden muss.
13
3. Spulen
Bei Netzfrequenz können durch Messung der Gesamtheit der Wirkverluste (P = PCu + PF e =
PCu +PW +PH ), der Kupferverluste und aus der Kenntnis der Hysteresekurve die Wirbelstromverluste rechnerisch bestimmt werden. Deren Grössenordnung liegt typischerweise im Bereich
der Kupfer- und der Hystereseverluste.
Für Weicheisenkerne von Transformatoren, die im Allgemeinen aus geschichtetem Blech bestehen, wird die spezifische Verlustleistung (Eisenverlustleistung PF e pro kg „Eisen“ mF e
bei einem Scheitelwert der Flussdichte von 1.5 T und 50 Hz) angegeben:
p1.5/50 =
PF e
mF e
3.2.2. Frequenzabhängigkeit
Idealerweise sollte die Impedanz einer Spule über den ganzen Frequenzbereich einen Amplitudengang mit einer konstanten, positiven Steigung von 20 dB/Dk aufweisen. Der Entsprechende
Phasengang sollte dabei, frequenzunabhängig, ϕ(ω) = π/2 betragen. Dies ist natürlich nicht so
bei realen Spulen, bedingt schon durch ihren, praktisch immer vorhandenen Wicklungswiderstand.
Wechselstrommodell
Ganz allgemein, d. h. unabhängig vom Frequenzgang, lassen sich für eine feste Frequenz die
folgenden Grössen für das linearisiertes Wechselstrommodell einer Spule definieren:
komplexer Ersatzwiderstand
komplexer Ersatzleitwert
Z(ω) = Z(ω) hϕ(ω) = R(ω) + j X(ω)
Y (ω) = Y (ω) h−ϕ(ω) = G(ω) + j B(ω)
Gütefaktor (Definition)
QL =
(Interpretation)
QL
maximale im Kond. gespeicherte Energie
Ŵ
mittlere Verlustenergie in einer Periode
WV
Verlustfaktor (Definition)
d
Verlustwinkel (Definition)
δ
14
X
−B
Q
=
=
R
G
P
2π Ŵ
mit
WV
Iˆ2
X
Q
= L = LI 2 = I 2 =
2
ω
ω
2π
P
=
=PT =P
ω
f
=
1
R
=
QL
X
mit tan(δ) = d
=
(3.1)
3. Spulen
Achtung
• Die Grössen QL , d und δ sind frequenzabhängig. Es muss also immer angegeben werden,
bei welcher Frequenz sie gelten!
• Der Gütefaktor QL darf nicht mit der (negativen) Bildleistung Q verwechselt werden.
Das physikalische Frequenzverhalten einer Spule kann für relativ tiefe Frequenzen durch folgende lineare Modelle dargestellt werden:
Abbildung 3.1.: Einfaches Spulenmodell für relativ tiefe Frequenzen (links) und für höhere Frequenzen (rechts)
Die Induktivität L entspricht dem Nennwert, der Widerstand RS dem Drahtwiderstand der Spulenwicklung. Bei höheren Frequenzen kann zudem die Kapazität zwischen den Windungen eine nicht vernachlässigbare Rolle spielen
(Verschiebungsströme).
Oberhalb der Grenz(kreis)frequenz verhält sich die Spule wie erwartet, unterhalb wirkt
sie resitiv. Bei dieser Frequenz ist der Phasenwinkel zwischen Spannung und Strom ϕ(ωg ) =
ϕu − ϕi = π/4. Für das Modell in der Abb. 3.1, gilt für diese Grenze:
ωg =
RS
L
Ersatzzweipol
Bei einer festen Frequenz kann das Seriemodell gemäss Abb. 3.1 durch ein äquivalentes Parallelmodell ersetzt werden. Diese Umrechnung ist gelegentlich von praktischer Bedeutung, um
formale Berechnungen anzustellen.
Abbildung 3.2.: Äquivalente Spulenmodelle bei gegebener Frequenz
Die beiden Modelle haben zwei verschiedene Frequenzgänge! Letztere sind nur
deckungsgleich bei der betrachteten Umrechnungsfrequenz oder in ihrer nächsten Umgebung.
15
3. Spulen
Die entsprechenden Umrechnungsformeln sind (die Frequenzinformation steckt im Güte- bzw.
Verlustfaktor):
LP
=
RP
=
1 + Q2L
LS = 1 + d2 LS
2
QL
1 + d2
1 + Q2L RS =
RS
d2
Bemerkungen
• Auf Grund der Definition (3.1) erhält man folgenden Zusammenhang für den Gütefaktor:
QL =
RP
ω LS
=
RS
ω LP
• Falls QL 1 ist LP ≈ LS und RP ≈ Q2L RS .
16
4. Magnetisch gekoppelte Spulen:
Übertrager und Transformatoren
Ein Übertrager (linear transformer) ist ein linearer Zweitor (Vierpol) der zur galvanisch getrennten Kopplung elektrischer Kreise oder zur Pegelanpassung des Ausgangssignals eines Kreises an das Eingangssignal des Folgekreises dienen soll. Die Signale sind dabei Spannungen oder
Ströme. Die Übertragung soll für beliebige Signalformen möglichst verzerrungsfrei (lineares Verhalten) sein. Dies bedingt, dass das gewünschte Übertragungsverhalten für einen bestimmten
Frequenzbereich (Bandbreite) erfüllt ist.
Der Transformator ist eine besondere Art von Übertrager der primär zur Hoch-, bzw.
Herunter-Transformation von Wechselspannungen dient. Er funktioniert demzufolge bei einer
festen Frequenz. Im Allgemeinen werden damit hohe Leistungen übertragen. Die Linearität
bei der Übertragung steht aber nicht im Vordergrund im Gegensatz zum Wirkungsgrad bei
grösseren Leistungen.
4.1. Übertrager
4.1.1. Idealer Übertrager
Der ideale Übertrager soll folgende Spannungs- und Stromübersetzungen aufweisen (ü12 ist das
Übersetzungsverhältnis):
u1 (t)
u2 (t)
i1 (t)
−i2 (t)
= ü12
=
1
ü12
Die Bezugsrichtungen für Spannungen und Ströme sind dabei für das Eingangs- und das Ausgangstor im Verbraucherpfeilsystem gewählt1 (Schaltbild siehe Abb. 4.1). Der Index 1 bezieht
sich auf das Eingangs- und 2 auf das Ausgangstor. Für die Momentanleistungsbilanz ergibt
sich:
−i2 (t)
p1 (t) = u1 (t) · i1 (t) = ü12 u2 (t) ·
= −p2 (t)
ü12
Zu jedem Zeitpunkt ist die Momentanleistung am Ausgang gleich wie am Zweipoleingang.
In Matrixschreibweise ergibt sich (mit der so genannten Kettenmatrix2 ) für Wechselstrom:
ü12 0
U1
U2
=
(4.1)
0 ü112
I1
−I 2
1
2
Das erklärt auch das negative Vorzeichen für i2 (t)
Mit der Kettenmatrix werden die Eingangsgrössen des Zweipols durch seine Ausgangsgrössen beschrieben.
17
4. Magnetisch gekoppelte Spulen: Übertrager und Transformatoren
Abbildung 4.1.: Schaltbild eines idealen Übertragers mit Bezugspfeilsystem
Auf der linken Seite ist das Schema für beliebige Signalverläufe, rechts für
Wechselstrom dargestellt. Die Kopplungspunkte sind hier angegeben, so dass
mit den gewählten Bezugsrichtungen das Übersetzungsverhältnis ü12 positiv
ist.
Eigenschaften
Die Ausgangssignale sind hier proportional zu den Eingangssignalen. Der ideale Übertrager verhält sich Frequenzunabhängig und speichert keine Energie, da zu jedem Zeitpunkt die Momentanleistung am Eingang mit der Momentanleistung am Ausgang übereinstimmt; entsprechend
auch für die komplexe Scheinleistung:
1
(−i2 (t)) = −u2 (t) i2 (t) = −p2 (t)
ü12
1
= ü12 U 2 ·
(−I ∗2 ) = −U 2 I ∗2 = −S 2
ü12
p1 (t) = u1 (t) i1 (t) = ü12 u2 (t) ·
S 1 = U 1 I ∗1
Der ideale Übertrager kann nicht realisiert werden 3 . Dazu müssten unendlich grosse, ideal
gekoppelte und ausserdem verlustfreie Induktivitäten existieren. Diese Idealisierung spielt dennoch für die Umrechnung von Netzwerken eine bedeutende Rolle, wie im weiteren gezeigt wird.
Netzwerktransformation
Stellt ein idealer Übertrager die einzige Verbindung zwischen zwei Netzwerken dar, so kann
durch eine Transformation der Netzwerkgrössen der einen Seite auf die andere (z. B. von der
Sekundär- auf die Primärseite) der Einfluss des idealen Übertragers berücksichtigt werden.
Diese Netzwerktransformation erlaubt es den Übertrager aus dem Schema wegzulassen.
Beispiel 1: Transformation eines passiven Zweipols auf die Primärseite
Herleitung:
U
ü12 U 2
U
Z 02 = 1 =
= ü212 2 = ü212 Z 2
I1
−I 2 /ü12
−I 2
Ende Beispiel 1
Zusammengestellt für Widerstände und Leitwerte sowie für Transformationen auf Primärund auf Sekundärseite:
Z 02 = ü212 Z 2
1
Y 02 = 2 Y 2
ü12
3
In einigen Formelbüchern wird dieses Konstrukt als idealer Transformator bezeichnet. Ein realer Transformator kann sich aber nicht einmal annähernd so verhalten!
18
4. Magnetisch gekoppelte Spulen: Übertrager und Transformatoren
Abbildung 4.2.: Transformation eines passiven Zweipols auf die Primärseite
Der komplexe Widerstand auf der Sekundärseite des idealen Übertragers wird
auf die Primärseite Transformiert
Z 001 =
1
Z
ü212 1
Y 001 = ü212 Y 1
Mit diesem Formeln können alle (linearen) Bauteile einer auch komplizierteren Schaltung auf
eine beliebige Seite des idealen Übertragers einzeln transformiert werden. Die Struktur der
Schaltung bleibt dabei erhalten.
Beispiel 2: Transformation eines aktiven Zweipols auf die Sekundärseite
Abbildung 4.3.: Transformation einer linearen Spannungsquelle auf die Sekundärseite
Zur Herleitung werden Leerlauf- und Kurzschlussbedingungen für die Original- und die transformierte Schaltung gleichgesetzt.
Leerlauf (I2 = 0 → I1 = 0) :
Kurzschluss (U2 = 0 → U1 = 0) :
1
1
U1 =
U
ü12
ü12 q1
U q1
−I 2 = ü12 I 1 = ü12
Z1
00
U q1
1
Z 001 =
= 2 Z1
−I 2
ü12
U 00q1 = U 2 =
Ende Beispiel 2
Zusammengestellt für ideale Spannungs- und Stromquellen sowie für Transformationen auf
Primär- und auf Sekundärseite:
Spannungsquelle: U 0q2 = ü12 U q2
1
Stromquelle:
I 0q2 =
I
ü12 q2
19
4. Magnetisch gekoppelte Spulen: Übertrager und Transformatoren
1
U
ü12 q1
= ü12 I q1
Spannungsquelle: U 00q1 =
Stromquelle:
I 00q1
4.1.2. Ideal festgekoppelter Übertrager
Der ideal festgekoppelte Übertrager besteht aus zwei ideal gekoppelten, verlustlosen Spulen mit
den Induktivitäten L1 und L2 . Der entsprechende Kopplungsfaktor beträgt demzufolge
k12 = 1.
√
Somit nimmt die Gegeninduktivität L12 den maximal möglichen Wert L12 = L1 L2 an.
Abbildung 4.4.: Ideal festgekoppelter Übertrager (k12 = 1 ↔ L12 =
Durch Umformen der Wechselstromgleichungen für gekoppelte Spulen
I1
U1
jω L1 jω L12
=
jω L12 jω L2
U2
I2
erhält man mit L12 =
√
L1 L2 für die Kettenmatrix4 :
 q

L1
0
U1
U2
L2


q
=
L2
I1
−I 2
√1
jω L1 L2
√
L1 L2 )
(4.2)
(4.3)
L1
Das Spannungsübersetzungsverhältnis ist offensichtlich unabhängig von der sekundärseitigen
Stromstärke (Last) sowie der Frequenz und entspricht der Quadratwurzel des Induktivitätsverhältnises:
r
U1
L1
= ü12 =
U2
L2
Modell
Zwei magnetisch ideal gekoppelte Spulen lassen sich durch eine Induktivitàt und einem idealen
Übertrager modellieren. Die beiden möglichen Varianten sind in Abb. 4.5 dargestellt.
4
Die Herleitung ist eine Kleinübung welche den Studenten überlassen wird.
20
4. Magnetisch gekoppelte Spulen: Übertrager und Transformatoren
p
Abbildung 4.5.: Ideal festgekoppelter Übertrager (k12 = 1 ↔ ü12 = L1 /L2 )
Links die ideal gekoppelten Spulen, rechts die beiden äquivalente (gleichwertige) Modelle, wie die Transformation der Induktivität auf die andere Seite
zeigt.
Frequenzgang
Gegeben sei der ideal gekoppelte Übertrager mit dem Lastwiderstand R2 . Wie verhält sich der
primärseitig gesehene Widerstand U 1 /I 1 ?
Abbildung 4.6.: Ideal festgekoppelter Übertrager mit Lastwiderstand R2 = U2 /(−I2 )
q
U1
I1
=
=
L1
ü12 U 2
L2 U 2
q
=
√1
L2 1
U 2 + ü112 (−I 2 )
√1
U
+
jω L1 L2
2
L1 R2 U 2
jω L1 L2
q
L1
L2
jω R
jω L1
L1
L2
2
q
R2
=
=
L2
L2
L
L2 1
1
+
jω
1
+
jω
2
√1
+
R2
R2
jω
L1 L2
L1 R2
Oberhalb der Grenzfrequenz ω ωg = R2 /L2 erscheint der Eingangswiderstand unabhängig
von der Frequenz mit dem Wert R2 L1 /L2 = ü212 R2 im Einklang mit der Netzwerktransformation5 . Unterhalb dieser Grenzfrequenz dominiert der Einfluss der Induktivität L1 .
4.1.3. Verlustloser Übertrager
Eine ideale magnetische Kopplung kann praktisch nicht realisiert werden: der Kopplungsfaktor
ist auch im besten Fall etwas kleiner als 1 (0 < k12 < 1). Um dies zu berücksichtigen, wird die
Forderung k12 = 1 fallen gelassen. Der sogenannte verlustlose Übertrager besteht also aus zwei
gekoppelten, verlustlosen Spulen.
5
Die parallel zu R2 geschaltete Induktivität spielt bei grösseren Frequenzen keine Rolle mehr.
21
4. Magnetisch gekoppelte Spulen: Übertrager und Transformatoren
Abbildung 4.7.: Verlustloser Übertrager (k12 < 1 ↔ L12 = k12
√
L1 L2 )
Durch Umformen
√ der Wechselstromgleichungen (4.2) für gekoppelte Spulen unter der Annahme k12 = L12 / L1 L2 ergibt sich für die Kettenmatrix:


L1 L2 −L212
L1
jω
L12
U1
 L12
 U2
= 
(4.4)

I1
−I 2
L2
1
jω L12

U1
I1

= 

1
k12
L12
q
2
1−k12
k12
L1
L2
1
√1
k12 jω L1 L2
jω
1
k12
√
q
L1 L2
L2
L1

 U2

 −I 2
(4.5)
2 wir Streufaktor des Übertragers genannt.
Der Faktor σ = 1 − k12
Offensichtlich ist jetzt die Spannungsübersetzung abhängig von der Laststromstärke. Auch
im Leerlauf (I 2 = I 1 = 0) entspricht die Spannungsübersetzung nicht mehr dem Verhältnis
p
L1 /L2 :
r
r
U1
1
L1
L1
=
>
U2
k12 L2
L2
Ausserdem ist die Spannungsübersetzung des belasteten Übertragers jetzt frequenzabhängig.
Modell
√
√
Abbildung 4.8.: Verlustloser Übertrager (k12 < 1 ↔ L12 = k12 L1 L2 < L1 L2 )
Links die gekoppelten Spulen mit den drei Parametern L1 , L2 und k12 , rechts
das äquivalente Modell mit vier Parametern: ü12 , LA , LB und LC . Dies bedeutet, dass irgend eine der vier Grössen frei festgelegt werden darf.
Da im Modell gemäss Abb. 4.8 ein Parameter mehr enthalten ist als für die Nachbildung der
gekoppelten Spulen nötig, kann ein Parameter frei gewählt werden. In der folgenden Tabelle
sind drei Möglichkeiten dargestellt:
22
4. Magnetisch gekoppelte Spulen: Übertrager und Transformatoren
Tabelle 4.1.: Modellparameter für verlustloser Übertrager
Modell
Wahl 1: LA = LC
Wahl 2: LC = 0
Wahl 3: LA = 0
ü12
q
L1
L2
k12
1
k12
q
L1
L2
q
LA
LB
LC
(1 − k12 ) L1
k12 L1
(1 − k12 ) L1
2 )L
(1 − k12
1
2 L
k12
1
0
0
L1
L1
L2
2
1−k12
2
k12
L1
Bemerkungen
• Um das Verhalten von Transformatoren nachzubilden, wird im Allgemeinen vom symmetrischen T-Modell entsprechend der Wahl 1 der Tabelle 4.1 ausgegangen (Dazu mehr im
Abschnitt 4.2).
• Eine numerische Simulation6 nach dem Modell „Wahl 1“ gemäss Abb. 4.8 ist nicht ratsam,
da sie wegen dem möglichen Widerspruch zwischen dem Knotensatz am Berührungspunkt
der drei Induktivitäten und den Anfangsbedingungen der Stromstärken in den Induktivitäten unweigerlich zu numerischen Schwierigkeiten führen wird7 .
4.2. Transformator
Was die magnetische Kopplung betrifft, verhalten sich Transformatoren wie verlustlose Übertrager. Grundsätzlich aber müssen die dissipativen Verluste, wie sie im Abschnitt 3.2.1 auf S.
12 für Spulen beschrieben wurden, mitberücksichtigt werden. Dies ist trotz dem nichlinearen
Verhalten des Kernmaterials möglich, da Transformatoren bei einer festen Frequenz und in der
Regel unter gegebener Nennbelastung arbeiten.
4.2.1. Linearisiertes Transformatormodell
Das lineare Modell des Transformators wird aus dem Ersatzschaltbild des verlustlosen Übertragers gemäss Abb. 4.8 aufgestellt. Dabei ist das symmetrische T-Modell üblich (Wahl 1 aus
der Tabelle 4.1). Das
p Spannungsübersetzungsverhältnis des eingesetzten idealen Übertragers
lautet dabei ü12 = L1 /L2 und entspricht nicht der Spannungsübersetzung, auch nicht der im
Leerlauf! Üblicherweise und wegen der einfachen Bestimmbarkeit wird für ü12 das Windungszahlverhältnis der Spulen genommen:
r
N1
L1
ü12 =
≈
N2
L2
Um die Kupfer- und Kernverluste mit zu modellieren, wird das Modell mit den Widerständen
RCu1 , RCu2 und RF e ergänzt.
6
7
zum Beispiel mit Simulink
Dies ist auf die unvermeidlichen Rundungsfehler bei der numerischen Berechnung zurückzuführen.
23
4. Magnetisch gekoppelte Spulen: Übertrager und Transformatoren
Abbildung 4.9.: Linearisiertes Transformator-Modell mit dissipativen Verlusten
Lh und die beiden Lσ1 werden Hauptinduktivität bzw. Streuinduktivitäten genannt. RF e bildet die Kernverluste und die beiden Widerstände RCu1 und RCu2
die Wicklungswiderstände nach.
4.2.2. Messtechnische Bestimmung der Transformatorparameter
Die Modellparameter Lh , Lσ1 , RF e , sowie RCu1 und RCu2 können messtechnisch bestimmt
werden. Vor der Messung sollten die (Beträge der) Nennwerte S2n , U2n , I2n , R2n , U1n des
Transformators ermittelt werden. Die Grössen S2n , U2n , U1n sowie und ü12 = N1 /N2 (Windungszahlverhältnis) werden in der Regel durch den Hersteller angegeben.
Abbildung 4.10.: Nennbetrieb mit Transformator als Vierpol (Zweitor)
Kupferwiderstände
Die Drahtwiderstände der Wicklungen (Kupferwiderstände) lassen sich durch eine Gleichspannungsmessung einfach bestimmen.
Aufgepasst: Beim Ausschalten des Messstroms wird eine Spannung in der stromführenden Spule
induziert. Um diese Spannung klein zuhalten, empfiehlt es sich die nicht ausgemessene Wicklung
kurz zu schliessen.
Der Kupferwiderstand RCu2 kann mittels Netzwerktransformation auf die linke Seite genommen werden, was folgendes Bild ergibt:
24
4. Magnetisch gekoppelte Spulen: Übertrager und Transformatoren
Abbildung 4.11.: Linearisiertes Transformator-Modell mit dissipativen Verlusten
Dabei wurde der Widerstand RCu2 auf die Primärseite umgerechnet:
0
RCu
= ü212 RCu2 .
2
Hauptinduktivität und Eisenverlustwiderstand
Diese beiden Grössen können durch eine Leerlaufmessung bestimmt werden. Im sekundärseitigen Leerlauf kann, falls Lh Lσ1 und RF e RCu , das Modell nach Abb. 4.11 vereinfacht
werden, wie in Abb. 4.12 dargestellt:
Abbildung 4.12.: Vereinfachtes Leerlaufmodell
Gemessen werden U1n , I10 , U20 sowie die primärseitige Wirkleistung P10 . Damit lassen sich
folgende Grössen berechnen:
S10 = U1n I10
q
2 − P2
S10
Q10 =
10
Lh =
RF e =
ü12 ≈
2
U1n
ω Q10
2
U1n
P10
U1n
U20
(ungefährer Wert)
Streuinduktivität und gesamter Kupferverlustwiderstand
Diese beiden Grössen können durch eine Kurzschlussmessung bestimmt werden. Dabei ist zu
achten, dass die Kurzschlussstromstärke dem sekundären Nennstrom entspricht. Dazu ist die
Primärspannung gegenüber der Nennspannung entsprechend zu reduzieren. Im sekundärseitigen
Kurzschluss kann, falls Lh Lσ1 und RF e RCu , das Modell nach Abb. 4.11 vereinfacht
werden, wie in Abb. 4.13 dargestellt:
25
4. Magnetisch gekoppelte Spulen: Übertrager und Transformatoren
Abbildung 4.13.: Vereinfachtes Kurzschlussmodell
Gemessen werden U1k , I1k sowie die primärseitige Wirkleistung P1k . Damit lassen sich folgende Grössen berechnen:
S1k
=
Q1k
=
Lσ1
=
0
RCu1 + RCu
2
ü12
≈=
≈
U I
q1k 1k
2 − P2
S1k
1k
1 Q1k
2
2 ω I1k
P1k
2
I1k
I2n
(ungefährer Wert)
I1k
Umrechnung Transformatorparameter ↔ gekoppelte Spulen
Tabelle 4.2.: Umrechnungstabelle
Transformator → gekoppelte Spulen
gekoppelte Spulen → Transformator
ü12 =
q
ü12 =
L
L
k12 = √ 12
h
k12 = L +L
h
σ1
L1
L2
L1 L2
L1 = Lh + Lσ1
L2 =
q
Lσ1
Lσ2
Lh = k12 L1 = ü12 L12
Lh +Lσ1
ü212
Lσ1 = (1 − k12 ) L1 = ü12
√
L
L12 = ü h
12
Lσ2 = (1 − k12 ) L2 =
26
√
L1 L2 − L12
L1 L2 −L12
ü12
A. Frequenzverhalten von
Drahtwiderständen
Abbildung A.1.: Frequenzgang von Leistungswiderständen in Funktion des Widerstandwertes
(Modulohm, 3/5 watt)
Unterhalb von 4 kΩ dominiert das induktive Verhalten infolge Drahtwicklung,
oberhalb die Kapazität zwischen den Windungen
27
Literaturverzeichnis
[1] A. Führer, K. Heidemann, W. Nerreter: Grundgebiete der Elektrotechnik,
Band 1: Stationäre Vorgänge
Hanser, 8. Auflage, ISBN-13: 978-3-446-40668-1, Preis: e 19.90
[2] A. Führer, K. Heidemann, W. Nerreter: Grundgebiete der Elektrotechnik,
Band 2: Zeitabhängige Vorgänge
Hanser, 8. Auflage, ISBN-13: 978-3-446-40573-8, Preis: e 19.90
[3] A. Führer, K. Heidemann, W. Nerreter: Grundgebiete der Elektrotechnik,
Band 3: Aufgaben
Hanser, 2. Auflage, ISBN-13: 978-3-446-41258-3, Preis: e 19.90
[4] E. Hering, K. Bressler, J. Gutekunst: Elektronik für Ingenieure und Naturwissenschaftler
Springer, 5. Auflage, ISBN-13: 978-3-540-24309-0, Preis: e 44.95
[5] K. Küpfmüller, W. Mathis, A. Reibiger: Theoretische Elektrotechnik: Eine
Einführung
Springer, 17. Auflage, ISBN-13: 978-3-540-29290-6, Preis: ab e 42.00
28
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