Ethische Aspekte des e-Health Seminarbericht von Nicolas Fahrni eingereicht bei: Nicolas Werro am 27.01.05 1 Inhalt des Papers Definition 3 Medienethik und Gesundheitsformate 4 e-Patient Communities 5 Vorteile 5 Gefahren und Nachteile der Communities 6 Moderation durch einen Spezialisten 6 Zusätzliche medizinische Betreuung 7 Informationsportale 7 E-Mail 7 Zum Verhältnis zwischen Ärzten und Patienten 8 Das Expertensystem - wer trägt die Verantwortung? 9 Verantwortung 10 Geschäftsverhältnis zwischen Betreiber und Entwickler 10 Errichtung von Qualitätsstandards 11 Verantwortlichkeit des Nutzers 11 Vier Felder der moralischen Normen 11 Umgang mit Normenkonflikten 12 Beispiel mit Lösung 1 12 Beispiel mit Lösung 2 13 Beispiel mit Lösung 3 13 Erste Gehversuche eine e-Health Ethik 13 7 Postulate 14 2 Bemerkung zum Beginn Ich werde in dieser Arbeit nicht darauf eingehen, ob es ethisch vertretbar ist in den Gesundheitsbereich ein Medium zu integrieren, welches nicht alle Menschen nutzen. Ich setze hiermit das Internet dem Telefon gleich. Jeder hat die Möglichkeit diesen Service zu gebrauchen oder es zu unterlassen. Definition von Ethik Bevor über eine notwendige Ethik im e-Health diskutiert wird, soll zuerst genau erläutert werden, was darunter zu verstehen ist. Ethik oder Moralphilosophie stammt vom griechischen Ethos ab und bedeutet Gewohnheit, Herkommen, Sitte oder Brauch. "Von Kants drei Hauptfragen der Philosophie, „1. Was kann ich wissen? 2. Was soll ich tun? 3. Was darf ich hoffen?”, behandelt Ethik die zweite."1 Dabei stützt sich die philosophische Ethik weder auf eine historisch, gesellschaftlich oder kulturell bedingte Moral (anders z.B. die theologische Ethik, welche sich auf die Bibelauslegung der Kirche bezieht). Sie erschliesst sich rein durch logisches Abwägen und Diskutieren einer Situation hinsichtlich einer "Verbesserung des menschlichen (Zusammen)Lebens"2. Es wird darauf hingewiesen, dass ein solcher Denkprozess ein grosses Wissen über gesellschaftliche Prozesse voraussetzt. Die Ethik ist aber auch in der Philosophie nicht ganz einheitlich definiert. So kann grundsätzlich zwischen einer Gesinnungsethik und der Verantwortungsethik unterschieden werden. Die Gesinnungsethik betrachtet das Subjekt und dessen Handlungsabsicht. In diesem Sinne handelt das Subjekt moralisch, wenn die Handlungsabsicht als gut definiert werden kann. Als Beispiel steht hier zum Beispiel ein Arzt, der seinem nicht mehr heilbaren Patienten die Wahrheit vorenthält. Womöglich hat dieses Verhalten aber trotz der edlen Handlungsabsicht gewisse unmoralische Züge. An diesem Punkt kommt die Verantwortungsethik zum Zug, welche sich mit den Folgen einer Handlung, bzw. dessen möglichen Auswirkungen befasst. Es gilt abzuwägen, welche der beiden Alternativen der Moral entsprechen. Vermutlich ist es in diesem Fall wichtiger, dass der Arzt die 1 "Ethik," Microsoft® Encarta® Online-Enzyklopädie 2005 http://de.encarta.msn.com © 1997-2005 Microsoft Corporation. 2 "Ethik," Microsoft® Encarta®. 3 Verantwortung wahrnimmt und seinem Patienten die Wahrheit sagt. Andernfalls bedeutete dies ein grundsätzlicher Vertrauensbruch im Ärzte-Patienten-Verhältnis. Medienethik und Gesundheitsformate im TV Die Medienethik befasst sich damit, wie viele Tabubrüche und Skandalisierung in den Medien moralisch Vertretbar sind und welche nicht zu Verantworten sind. Die Medien sind einem unglaublichen Konkurrenzdruck ausgesetzt und das Hauptaugenmerk liegt auf der Einschaltquote, bzw. der Auflagengrösse. Oftmals werden moralisch verwerfliche Inhalte bewusst gewählt um neue Zuschauer zu binden. Die Medien rechtfertigen dieses Handeln durch den Marktzwang und der Mündigkeit ihrer Zuschauer. Ein interessantes Format bezüglich e-Health sind die so genannten Gesundheitssendungen (beratend, informierend oder unterhaltend). Sie steigern das Wissen der Patienten (Patient Empowerment), sie fördern die Transparenz im Gesundheitswesen und steigern eventuell das Bedürfnis der Zuschauer gesund zu sein. Nebst diesen positiven Elementen kommen einige negative hinzu. Da diese Sendungen auf das breite Publikum ausgerichtet sind, wird häufig von Alltagsproblemen (Krebsrisiken, Schnarchen, Glatzenbildung und Essstörungen) oder von ganz speziellen Krankheitsbildern berichtet. "Als besonders bedenklich sollten Marketingstrategien angesehen werden, die versuchen, gegenüber der Ärzte- und der Patientenschaft neue Krankheitsbegriffe zu definieren 'weibliche sexuelle Dysfunktion', [...] 'Sissi-Syndrom'."3 Auch in den beratenden Sendungen ist die Interaktivität blosse Farce. Dem Patienten gewährt man kaum Feedbackmöglichkeiten und die Beiträge sind sehr oberflächlich. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Massenmedien in den kommenden Jahren noch etliche ethische Barrieren einreissen. Allerdings werden die Sendungen meist von Chatforen und Internetberatung begleitet. Dies ermöglicht den Zuschauern nachzuhaken und Kritik anzubringen. Aber dies bedeutet nicht, dass sich die Massenmedien ihrer Verantwortung entziehen können. 3 Karl Jähn, Eckhard Nagel, S. 286. 4 e-Patient Communities Diese virtuellen Gesellschaften sind ein wichtiges Element für e-Health. Verschiedene Formen von Foren finden sich schon seit geraumer Zeit im Internet. Einige wichtige Grundsätze müssen bei e-Patient Communities im Besonderen gewahrt werden: Anonymität, Authenzität, Datenschutz und Datensicherheit.4 Dabei bieten diese Communities entweder generische Informationsdienste, personalisierte Informationsdienste oder Interaktionsdienste5 an. Die generierten Informationsdienste (z.B. Expertensysteme) wie auch personalisierte Informationsdienste (von einem Arzt betreut) sollen erst später unter die Lupe genommen werden. Vorab soll das Augenmerk auf die Interaktionsdienste gerichtet werden. Vorteile Eine solche virtuelle Gemeinschaft bringt für den Nutzer verschiedene Vorteile. Durch den Austausch in solchen Gesundheitsforen, kann ein Patient mehr über seine Krankheit erfahren. Er will gewisse Therapieformen verstehe, Alternativen abschätzen können - all dies führt zu einem Patient-Empowerment. Informationen welche in einer e-Community gesammelt werden haben den Vorteil, dass sie unabhängig von Zeit und Ort zugänglich sind. Gerade bei Krebspatienten werden diese Foren rege genutzt(z.B. krebs-kompass.de). Die Diagnose "Krebs" führt meist zu einem Schock des Patienten, zumal nicht abgeschätzt werden kann, ob diese Diagnose gleichzeitig ein Todesurteil darstellt. Diese Fatalität führt dazu, dass der Patient überaus motiviert ist, mehr über seine Krankheit zu erfahren. Zwar will auch der Krebspatient mehr über mögliche Heilformen wissen. Doch vorab besteht der Wunsch mehr über den Leidensweg zu erfahren, doch dies kann auch der beste Arzt nicht nachempfinden. Die e-Community bietet dem Patienten die Möglichkeit Erfahrungen mit anderen Krebspatienten auszutauschen. "Erfahrungsberichte zeigen: Mit dem besseren Wissen zur eigenen Situation und der selbstständigen Partizipation steigt die Lebensqualität"6. Eventuell können dank solchen Interaktionsdiensten, aber auch zum Beispiel durch personalisieren Informationsdienste Personen erreicht werden, welche kaum Zugang zu einem Arzt haben. Vielleicht gelingt es sogar, diese Patienten zu einem Arztbesuch zu motivieren. 4 vgl. Karl Jähn, Eckhard Nagel, S. 298. 5 vgl. Karl Jähn, Eckhard Nagel, S. 296. 6 Karl Jähn, Eckhard Nagel, S. 289. 5 Gefahren und Nachteile der Communities Die Unüberschaubarkeit dieses Mediums führt dazu, dass die Inhalte oftmals ungefiltert publiziert werden. So befinden sich nebst all den seriösen und korrekten Beiträgen eine Vielzahl von ungesicherten womöglich sogar gefährlichen Infos. Dabei fehlt im Internet einerseits ein rechtlicher Rahmen um böswillig Aufgeführtes zu eliminieren, andererseits verhindert die immense Datenfülle und möglicherweise limitiere Kompetenz der Forenanbieter eine effiziente Qualitätssicherung. Das Internet wird also in dieser Beziehung den traditionellen Arztkontakt nicht ersetzen können. Des weitern laufen die Benutzer solcher e-Communities Gefahr, sich aus dem öffentlichen Leben zu verabschieden und zu vereinsamen. Ein dritter gewichtiger Punkt ist jener des Missbrauchs dieser Communities sowohl zu kommerziellen, wie auch zu nichtkommerziellen Zwecken. Das "Patient Empowerment" führte in der Werbestrategie von Pharmaunternehmen gerade bei rezeptpflichtigen Medikamenten zu einer partiellen Verschiebung von der Ärztewerbung hin zur Patientenwerbung. Einerseits geschieht das anhand des eigenen Internetauftritts, wo sich die Patienten über verschiedene Angebote und deren Nutzen selbst informieren können. Andererseits könnte natürlich durch das Verwenden falscher Identitäten innerhalb einer Community geworben werden. So gibt sich ein Anbieter einer bestimmten Krebstherapie als Krebspatient aus. Seine angepriesene Therapie hat ihm geholfen, seinen Krebs zu besiegen oder eine bestimmte Person brachte ihm Heilung. Damit das Ganze dann noch gefestigt wird, bestätigen dies einige weitere erfundene Mitpatienten. Ein solches Vorgehen kann für einen Moderator eines Chatrooms nur schwer erkannt werden, da die meisten Foren aus Datenschutz und Datensicherheitsgründen anonym geführt werden. Eine etwas speziellere Form des Missbrauchs betreiben jene, welche sich unter der falschen Vorgabe eines Leidens in eine e-Community aber keine Gewinnabsicht hegen. Dies sind einerseits Anhänger von bestimmten medizinischen Ideologien oder aber Leute, welche sich dadurch Anerkennung erhoffen. Bestimmt brauchen auch diese Menschen Hilfe, sie untergraben jedoch das Vertrauen einer solchen e-Community. Moderation durch einen Spezialisten Die Integration eines Arztes in ein Diskussionsforum verbessert die Qualität, da "die Mehrzahl der nicht ärztlich moderierten Diskussionsforen aus medizinethischer Sicht eher als 6 bedenklich einzustufen"7 sind. Dies will nicht heissen, dass Diskussionsforen nicht für einen reinen Austausch unter Patienten geeignet sind, allerdings sollten die dort gewonnenen Erkenntnisse sauber überprüft werden, bevor sie umgesetzt werden. Die ärztliche Moderation bringt den bereits erwähnten Vorteil, Patienten anzusprechen, welche sonst kaum Zugang zu einer medizinischen Versorgung hätten. Allerdings ersetzt auch dieses Forum nicht den persönlichen Arztbesuch, er kann aber einen Arztbesuch vor- oder nachbereiten Zusätzliche medizinische Betreuung Das Internet ermöglicht dem Arzt wie auch dem Patienten einfach an gewisse Informationen zu gelangen oder diese zu verbreiten. Hier zwei Alternativen: Informationsportale Studien zeigen, dass bis zu 80% der chronisch Kranken das Internet nutzen, um mehr Informationen zu erhalten. 40% fühlen sich durch ihren Hausarzt schlecht informiert. Diese Tatsache nutzen die Pharmakonzerne aus, indem sie hervorragende Informationsportale bereitstellen, so können sie ohne Werbegebühren ihre Produkte bewerben. Unabhängige Portale haben es ungleich schwerer sich zu behaupten, da der Benutzer kaum bereit ist, für diese zusätzliche Objektivität zu bezahlen. Abgesehen davon sollten solche Systeme eigentlich die Gesundheitskosten senken können. Hier hinkt allerdings das Krankenversicherungsgesetzt, welches zurzeit solche Dienste nicht finanziert. E-Mail Umfragen haben ergeben, dass sich viele Patienten einen e-Mail-Kontakt mit ihrem Arzt wünschten. Da aber auch hier die Vergütung nicht gesetzlich geregelt ist, zahlen die Unkosten entweder Arzt oder Patient selber. E-Mail bietet besonders in der Vor- und Nachbereitung von Konsultationen, aber auch beim Betreuen von chronisch kranken Patienten Vorteile. Im Vergleich zum Telefonat erhält der Patient genügend Zeit, seine Frage präzise auszuformulieren. Er kann dies räumlich und zeitlich ungebunden tun. Andererseits kann sich 7 Karl Jähn, Eckhard Nagel, S. 305-306.. 7 der Arzt ebenfalls die Zeit nehmen, gründlich auf diese Frage einzugehen und eventuell Rat bei Kollegen einzuholen. Die Datensicherheit ist auch hier ein kritisches Element. Da e-Mail kein sicheres Medium darstellt, müssen einige Vorbedingungen erfüllt werden. Die USA haben den Mailkontakt offiziell in die Ärztebetreuung integriert. Dabei gelten folgende Abmachungen für den Patienten bezüglich e-Mails: • sie werden innerhalb von 3 Tagen bearbeitet. • diese Art von Korrespondenz ist nicht für dringende Angelegenheiten geeignet • andere Personen werden diese Nachricht betrachten (Ärztekollegen) • angeben eines "Betreffs" vereinfacht die Verarbeitung der Nachricht Der Arzt seinerseits muss sich auch an gewisse Regeln halten: • automatische Antwortfunktion bei Abwesenheit • Hinweis auf die Unpersönlichkeit dieses Mediums, welches für dringende Fragen ungeeignet ist • umgehende kurze Empfangsbestätigung • Ausdruck sämtlicher Korrespondenz8 Da gerade bei e-Mail die Hemmschwelle tiefer liegt, sollte versucht werden möglichst sachlich zu argumentieren. Fazit: E-Mail ist wohl jenes Internetmedium, welches sich am meisten durchgesetzt hat. Deshalb wird sich früher oder später auch die Ärzteschaft oder Spitäler dieser Entwicklung entziehen können. Wie bei all den anderen Konzepten darf auch e-Mail die persönliche Konsultation niemals ersetzen, sondern bloss ergänzen. Zum Verhältnis zwischen Ärzten und Patienten Das Verhältnis zwischen Ärzten und Patienten hat sich in den letzten hundert Jahren stark gewandelt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das Verhältnis rein paternalistisch, das heisst, der Arzt geniesst uneingeschränktes Vertrauen des Patienten, welcher ein sehr kleines Wissen bezüglich Körper und Krankheiten hat. Der Wandel zu einer demokratisch-humanistischen 8 vgl. Karl Jähn, Eckhard Nagel, S. 318. 8 Gesellschaft, aber auch das "Patient Empowerment" veränderte diese Beziehung und der Patient nimmt heute eher die Rolle eines Kunden ein (partnerschaftliches Verhältnis). Dabei kennt das "Patient Empowerment" 5 verschiedene Intensivierungsgrade: "Einwilligung in eine Behandlung, Vorschlagsrecht, Auswahlrecht, Mitbestimmung und schliesslich die Selbstbestimmung"9. Der Patient interessiert sich heute für seine Gesundheit und möchte mehr über eine Therapie erfahren. Eine Studie hat gezeigt, dass viele Ärzte das Volumen ihrer abgegebenen Informationen überschätzen. Der Patient will genau wissen, was mit ihm passiert und so informieren sich rund 50% aller Internetbenutzer nach oder vor einem Arztbesuch in einem Gesundheitsportal. Positiv an dieser Entwicklung ist die erhöhte "Compliance". Dies bedeutet, dass interessierte Patienten ihre Therapie gewissenhafter vollziehen. Zudem sichern informierte Patienten indirekt die Qualität eines Arztes, denn dieser muss sich bemühen, ebenfalls auf dem neuesten Stand zu bleiben. Andererseits sind die auf dem Netz zugänglichen Informationen, wie bereits erwähnt, zum Teil falsch. Informationen auf dem Netz können Misstrauen erwecken, Widersprüche aufwerfen und generell Ängste verstärken. Es kann dazu kommen, dass der Arzt sich dem Druck des Patienten beugt und irrtümlich die falsche Behandlungsmethode wählt. Zu guter letzt tendieren Patienten, welche sich regelmässig im Internet erkundigen eher dazu, ihren Arzt zu wechseln. Ob dies eine positive oder negative Entwicklung darstellt, ist zu Diskutieren. Das Expertensystem - wer trägt die Verantwortung? E-Health Datenbanken, so genannte Expertensysteme helfen dem Patienten beim Stöbern durch die Informationen, mögliche Behandlungsmethoden. Die Frage der Verantwortung wird bei den meisten solchen Systemen auf den Benutzer abgewälzt. So steht zum Beispiel in den Richtlinien von nexcura.com folgendes: "It remains the patient's sole responsibility to evaluate the accuracy, completeness, and usefulness of all information provided in the NexProfiler Tool."10 Kann aber aus einer ethischen Sichtweise die Verantwortung einfach so auf den Healthseeker abgewälzt werden? 9 Karl Jähn, Eckhard Nagel, S. 321. 10 http://www.nexcura.com/NexCura/Nexcura_Terms.asp, 27.01.05. 9 Verantwortung Bezüglich Verantwortung einer Handlung muss unterschieden werden: "die Verantwortung für das Erteilen des Ratschlags einerseits, und die Verantwortung für die Umsetzung eines Ratschlags andererseits."11 Diese beiden Verantwortungsbereiche dürfen nicht miteinander vermengt werden. So kann bei einem falschen Ratschlag seitens des Expertensystems nicht der Patient alleine Verantwortlich gemacht werden. "Die Verantwortung für die Erteilung der Ratschläge verbleibt bei Entwicklern und Betreibern des ES."12 Jeder Entwickler ist im Prinzip für seinen jeweiligen Teilbereich verantwortlich. Da im ES nun aber Fehler entstehen können, welche nicht auf einen bestimmten Teilbereich der Entwicklung zurückzuführen ist, sondern rein weil auf eine bestimmte Anfrage des Benutzers, das System eine falsche Antwort liefert, welche auch durch eine sorgfältigere Entwicklung nicht hätte verhindert werden können. Somit bleibt ein Risikofaktor bestehen, der mit dem Risiko eines Blitzes gleichzusetzen ist. Geschäftsverhältnis zwischen Betreiber und Entwickler Eben noch lag die Verantwortung also beim Entwickler dieses Expertensystem. Nun kommen allerdings einige wirtschaftethische Überlegungen hinzu. Die Wirtschaftsethik beschäftigt sich mit dem Verhältnis zwischen Professionellen (hier Entwickler) und Klienten (Betreiber). Wenn nun ein paternalistisches Verhältnis vorherrscht, kann sich der Betreiber eines Expertensystems vermutlich aus seiner Verantwortung lösen. Man darf allerdings davon ausgehen, dass das Geschäftverhältnis wohl partnerschaftlich (durch die Mitarbeit oder Mitbestimmung des Betreibers) ausgerichtet ist. Ein Vertragsverhältnis ist kaum denkbar, da der Betreiber vermutlich über zu wenig Wissen verfügt. Er muss also den Entwickler in die Planung einbeziehen. Bei genauerer Betrachtung ist der Betreiber des ES selbst dann verantwortlich, wenn er dem Entwickler ein fertiges System abkauft (in diesem Sinne paternalistisch). Der Autofahrer (Betreiber) eines Wagens, welcher auf seiner Fahrt jemand tötet, trägt für diese Tat die Verantwortung - nicht der Erbauer des Wagens (Entwickler). Ausser der Unfall ist eindeutig auf einen Konstruktionsfehler zurückzuschliessen. 11 Karl Jähn, Eckhard Nagel, S. 326. 12 Karl Jähn, Eckhard Nagel, S. 327. 10 Das ES ersetzt die herkömmliche Beratung und entlastet dem Betreiber (z.B. ein Spital) somit finanziell. Der Betreiber kann aber durch den Einbezug von einigen Ärzten, die Ergebnisse des ES überwachen lassen und kann somit die Verantwortung auf diese Experten abwälzen. Errichtung von Qualitätsstandards Ein Expertenteam benennt Qualitätsrichtlinien, an welche sich ein Expertensystem halten muss, um ein Zertifikat zu erhalten. Durch die Setzung von Standards werden die Betreiber von Expertensystemen teilweise entlastet. Die Verantwortung, solange zumindest die vorgegebenen Richtlinien eingehalten werden, wird somit auch durch jene getragen, welche den Standard gesetzt haben. Verantwortlichkeit des Nutzers Solange der Healthseeker über zu wenig Wissen verfügt, damit er das Expertensystem qualifiziert kritisieren kann, liegt die volle Verantwortung beim Betreiber. Der blosse Hinweis, dass der Nutzer die volle Verantwortung trägt ist unhaltbar. Falls es sich jedoch beim Benutzer des ES um einen praktizierenden Arzt handelt, liegt in diesem Fall die Verantwortung teilweise auf seinen Schultern. Die Fähigkeit, die Informationen qualifiziert zu hinterfragen, verschiebt die Verantwortung. Vier Felder der moralischen Normen Beauchamp und Childress haben 1997 die folgenden vier Elemente der medizinischen Ethik bestimmt. • Achtung vor Selbstbestimmung / Gewährleistung von Autonomie - Das Individuum soll jeweils frei über eine Handlung die es betrifft entscheiden können • Wohltun - Ziel einer Handlung ist das Wohlergehen eines Individuums • Nichtschaden, bzw. es soll einem Individuum keinen Schaden zugefügt werden • Gerechtigkeit - Dies ist die schwierigste Definition. Man könnte Gerechtigkeit insofern auslegen, dass kein Individuum dem anderen bevorzugt werden sollte. Nach Vilfredo Pareto besteht Gerechtigkeit bereits, sofern es einem Individuum nicht schlechter geht als vorher, auch wenn es einem anderem Individuum dadurch deutlich besser geht. 11 Diese Einteilung erlaubt nun die Diskussion von verschiedenen Handlungen. Falls jedes dieser vier Elemente einer Handlung zugeschrieben werden kann, darf man von einer ethisch korrekten Handlungsweise sprechen. Andernfalls entstehen Normenkonflikte. Umgang mit Normenkonflikten 1. Zuerst erfolgt die "Klärung der empirischen Basis"13 "Viele Normenkonflikte werden sich bereits nach Klärung der empirischen Grundlagen der getätigten Prognosen auflösen oder aber stark verschieben"14 2. "Klärung der Begriffe"15 3. Anpassen der moralischen Überzeugung. Versuchen"die nötigen Änderungen so gering wie möglich zu halten"16. Dabei muss das veränderte Normensystem nicht bloss konsistent, sondern kohärent bleiben. Zur Klärung der Begriffe: ein konsistentes System im philosophischen Sinne bedeutet, dass es frei von Widersprüchen ist, bzw. keine Norm durch eine andere in Frage gestellt wird. Kohärenz basiert ebenfalls auf der Konsistenz der Normendefinition, verlangt jedoch zusätzlich, dass diese Normen miteinander verknüpft sind. Beispiel mit Lösung 1 Man könnte davon ausgehen, dass Patientencommunities beginnen persönliche Daten der Benutzer zu erheben, um somit Missbrauch vorzubeugen. Dies weil die konsequente Beitragsprüfung zu viele Ressourcen beanspruchen würde. Dabei taucht womöglich das Problem des Datenschutzes auf. Hier muss vorerst untersucht werden, wie viele Ressourcen tatsächlich durch ein solches Anmeldeverfahren eingespart werden könnten. "Viele Normenkonflikte werden sich bereits nach Klärung der empirischen Grundlagen der getätigten Prognosen auflösen oder aber stark verschieben."17 13 Karl Jähn, Eckhard Nagel, S. 333. 14 Karl Jähn, Eckhard Nagel, S. 334. 15 Karl Jähn, Eckhard Nagel, S. 334. 16 Karl Jähn, Eckhard Nagel, S. 335. 17 Karl Jähn, Eckhard Nagel, S. 332. 12 Beispiel mit Lösung 2 Dank e-Health wird das Verhältnis zwischen Arzt und seinem Patienten zusehend partnerschaftlich. Diese Aussage erhält ihre Richtigkeit allerdings bloss, wenn die ArztPatienten-Beziehung klar begrifflich definiert wird. Zum einen wird das klassische Modell, in welchem der Arzt in direktem Kontakt mit dem Patienten steht. Der Arzt ist eine reale Person, der Patient erhält die Möglichkeit direkt zurückzufragen. Anders schaut das Verhältnis innerhalb einer Internetcommunity aus. Durch die mangelnde Sicherheit im Internet, stehen sich zwei Anonyme Personen gegenüber. Der Patient stellt eine Anfrage worauf er eine Expertenmeinung erhält. Je nachdem ob die digitale Konsultation die klassische Relation zwischen Arzt und Patient ersetzt oder bloss ergänzt, ändert sich die Art der Beziehung. Durch die Klärung der Begriffe wird deutlich, dass e-Health vorab die partnerschaftliche Arzt-Patienten-Beziehung im klassischen Sinne stärkt. Beispiel mit Lösung 3 Um den medizinischen Nutzen zu steigern, soll die Autonomie des Patienten eingeschränkt werden. Während in der klassischen Beratung, dem Arzt nach wie vor eine gewisse Autorität zugeschrieben wird, wird der Patient, welcher sich in einer Internet-Community beraten lässt, sich alleine überlassen. "Es ist offensichtlich, dass moralische Überzeugungen hinsichtlich der Probleme des e-Health nicht unabhängig vom System moralischer Überzeugungen bezüglich der Medizin im Allgemeinen sind"18. Das würde also bedeuten, dass wenn im Bereich des e-Health einem Patient mehr Autonomie zugemutet wird als sonst im Rahmen der Medizin, dies zu einem inkohärenten moralischen System führen würde. Die Normen des e-Health (oder jene der Medizin im Allgemeinen) müssen angepasst werden. Erste Gehversuche eine e-Health Ethik Der e-Health Ethik-Kodex der ©eHealth Ethics Initiative hat bereits im Jahre 2000 einige Richtlinien zur Ethik im Umgang mit Gesundheit und Internet publiziert. Das Ziel der Papers war, "dass Menschen weltweit vertrauensvoll und in voller Kenntnis bekannter Risiken das Potenzial des Internet für den Umgang mit ihrer eigenen und der Gesundheit derer, für die sie 18 Karl Jähn, Eckhard Nagel, S. 335 13 sorget, nutzen können."19 Der Kodex unterscheidet grundsätzlich zwischen drei verschiedenen medizinischen Angeboten im Internet. Die Gesundheitsinformationen welche wie digitale Lexika funktionieren, Gesundheitsprodukte, dies wären zum Beispiel Onlineapotheken und schliesslich die Gesundheitsdienstleistungen, dies wären unter anderem Diskussionsforen. 7 Postulate Der e-Health Ethik-Kodex formuliert sieben Richtlinien von unterschiedlichem Volumen. Mit Offenheit wird verlangt, dass die Urheber gut ersichtlich sind und welchen Zweck ein Dienst erfüllen möchte. Dabei sollten auch Partner genannt werden. Absolute Ehrlichkeit wird verlangt, so sollen die wissenschaftlichen Elemente klar ersichtlich von beworbenen Elementen getrennt sein. Qualität ist ein weiteres zentrales Anliegen, dies bedeutet die Sorgfalt und Genauigkeit der Informationen, diese müssen zudem für den Benutzer verständlich sein (Inhalt und Darstellung). Des weitern sollten die Informationen möglichst aktuell sein und es muss klar ersichtlich sein, aus welcher Quelle der Betreiber diese Information bezogen hat. Das informierte Einverständnis bezieht sich auf den Datenschutz. Ein Betreiber muss einerseits darauf hinweisen, dass das Internet gewisse Risiken birgt, er muss aber auch klar deklarieren, was mit den verschieden Daten der Healthseeker geschieht. Falls die Daten zu einem weiteren Zweck verwendet werden (z.B. zu statistischen Erhebungen), muss der Nutzer informiert werden. Der Datenschutz ist so zu verstehen, dass ein Anbieter alle nötigen Schritte unternimmt, unbefugte Zugriffe zu verhindern. Persönliche Daten die gespeichert werden sollten, weder einer e-Mailadresse noch einem Namen zugeordnet werden können (de-Identifizierung). Berufsausübung in der OnlineGesundheitsversorgung bedeutet, dass die sonstigen beruflich bedingten ethischen Richtlinien weiter zu befolgen sind. Die Sponsorenschaft muss benennt werden können, die Privatsphäre der Klienten respektiert und es muss offen dargelegt werden wie entlöhnt wird. Zu guter Letzt bedeutet Verantwortungsvolle Partnerschaften, dass die Betreiber nur mit Personen oder Organisationen eine Verbindung eingehen, welche selber diesen ethischen Standard verfolgen. Zudem sollte klar dargelegt werden ob Links zu Partner oder bloss zu weiteren Informationen führen. 19 ©eHealth Ethics Initiative, S. 1. 14 Literatur • Karl Jähn, Eckhard Nagel: "e-Health", Springer Verlag, 2004 • http://www.nexcura.com/NexCura/Nexcura_Terms.asp?nexcura=true&CB=10&Dise aseTypeName=Cancer&DT=1. 10.01.05. • Urs Wiedemann: Kohärenztheorie. http://www.pyrrhon.de/cohere/index.htm#konsistenz. 13.01.05. • ©eHealth Ethics Initiative 18.05.2000. http://www.ihealthcoalition.org/ethics/ethics.html. 25.01.05. • "Ethik," Microsoft® Encarta® Online-Enzyklopädie 2005. http://de.encarta.msn.com © 1997-2005 Microsoft Corporation. 24.01.05. 15