Neue Angriffspunkte für Antimykotika im Visier

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Neue Angriffspunkte für Antimykotika im Visier
Infektionen mit Hefepilzen werden in der Intensivmedizin zu einer immer größeren
Bedrohung. Wirksame Medikamente – sogenannte Antimykotika – gibt es nur wenige. Der
Stuttgarter Wissenschaftler PD Dr. Steffen Rupp untersucht die einzelnen Schritte des
Infektionsprozesses, um Schlüsselmechanismen ausfindig zu machen, an denen der Pilz
angreifbar ist.
PD Dr. Steffen Rupp leitet am Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) die
Abteilung Molekulare Biotechnologie. © privat
Er lässt sich bei den meisten Menschen in geringen Mengen auf der Haut und auf den
Schleimhäuten des Nasen-Rachen-Raumes nachweisen, und auch im Magen-Darm-Trakt
gehört er zu den normalen Bestandteilen der mikrobiellen Flora. Die Rede ist von
Candida albicans , einem Hefepilz, der - solange das Immunsystem und die lokalen
Abwehrmechanismen intakt sind - ein unauffälliges Dasein fristet. Krankheitssymptome bei
seinen Trägern verursacht Candida albicans nur, wenn dieses fein regulierte Gleichgewicht aus
den Fugen gerät - sei es aufgrund einer schweren Erkrankung oder bedingt durch die
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Einnahme bestimmter Medikamente.
Während lokale, oberflächliche Infektionen wie der Mundsoor in erster Linie lästig sind, besteht
für Menschen, die sich zum Beispiel einer Chemotherapie unterziehen müssen, die große
Gefahr, dass es zum Auftreten einer systemischen Infektion (Candidose) kommt. In diesem Fall
dringt der Pilz in tiefere Gewebeschichten vor und breitet sich über das Blutsystem im
gesamten Körper aus. „Eine der wichtigsten Eintrittspforten ist der Darm", berichtet PD Dr.
Steffen Rupp vom Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik
(IGB), „weil es dort besonders schnell zum Auftreten von Schleimhautschäden kommt." In der
Intensivmedizin gelten Candida spp. inzwischen sogar als vierthäufigste Sepsiserreger Tendenz weiter steigend.
Molekulare Mechanismen verstehen
Der Therapie sind jedoch nach wie vor enge Grenzen gesetzt. „Bislang stehen nur relativ wenig
Präparate zur Verfügung“, weiß Rupp, „und gegen die eingesetzten Wirkstoffe entwickeln die
Pilze immer häufiger Resistenzen.“ Systemische Infektionen mit Candida albicans gehen auch
heute noch mit einer Sterblichkeit von bis zu 40 Prozent einher. Die Suche nach neuen
Medikamenten - den sogenannten Antimykotika - ist deshalb dringend notwendig. „Doch um
potenzielle Angriffspunkte für neue Wirkstoffe identifizieren zu können, müssen wir zuerst die
molekularen Mechanismen des Infektionsvorganges verstehen“, berichtet der Wissenschaftler,
der die Abteilung Molekulare Biotechnologie leitet.
Rupp und seine Mitarbeiter konzentrieren sich in ihren Arbeiten vor allem auf die Zellwand der
Pilze. Im Gegensatz zu menschlichen Zellen sind Pilzzellen von einer Zellwand mit hoher
mechanischer Stabilität umgeben. Diese komplexe Struktur aus Zuckerpolymeren bildet nicht
nur eine Schutzhülle für den Pilz, sondern ist auch die erste Kontaktstelle mit dem
menschlichen Gewebe während einer Infektion. Damit sich Candida albicans effektiv an die
Wirtszellen anheften kann, ist die Zellwand mit bestimmten Proteinen, den sogenannten
Adhäsinen, ausgestattet, die direkt mit den menschlichen Zellen in Kontakt treten.
Blockade verhindert Kolonisation
Candida trägt in seinen Genen die Information für mehr als 100 verschiedene ZelloberflächenProteine , die alle eine Funktion bei der Adhäsion haben können. „Welche von diesen im
Rahmen des Infektionsgeschehens exprimiert werden, hängt letztlich auch von der
Gewebeoberfläche ab, auf der sich der Pilz ansiedelt", so Rupp. Gelingt es, diese Adhäsine
gezielt zu blockieren, ließe sich eine Kolonisation mit Candida verhindern - und damit auch die
Gefahr für eine lebensbedrohliche Infektion.
Um die Adhäsine wie auch die für die Invasion ins Gewebe verantwortlichen Proteine
identifizieren zu können, haben Rupp und seine Mitarbeiter verschiedene Methoden etabliert.
Zum einen vergleichen die Wissenschaftler die Proteinmuster von harmlosen Hefestämmen mit
jenen, die aus Patientenproben gewonnen wurden. Dabei konnten mehrere Eiweiße identifiziert
werden, die ausschließlich bei den pathogenen Varianten vorkommen - „und die für das
Infektionsgeschehen in irgendeiner Form relevant sein müssen", so Rupp.
Zum anderen können durch das Einbringen von Mutationen bestimmte Gene in Candida gezielt
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Ein klinisches Isolat von Candida albicans durchdringt ein Darmschleimhaut-Modell – bestehend aus menschlichen
Darmzellen (Enterocyten, Caco-2), die auf einer Kollagenmatrix gewachsen sind - bereits nach 18 Stunden
(Inkubation bei 37°C). © Rupp
abgeschaltet oder überexprimiert werden. Welche Auswirkungen das auf die Virulenz des Pilzes
hat, untersucht Rupp mithilfe entsprechender Gewebemodelle, die bestimmte Oberflächen im
Menschen - unter anderem die Darmschleimhaut - realitätsnah nachbilden. „Candida-Isolate
aus Patienten haben diese Gewebe-Äquivalente nach zwei bis drei Tagen durchdrungen und
zerstört", so der Forscher, „die sind quasi komplett verpilzt." Bestimmte Mutanten hingegen
haben die Fähigkeit, in das Gewebe einzuwachsen, verloren. Offensichtlich kodiert das
dazugehörige Gen einen Faktor, der für die Invasion des Pilzes ins Gewebe von essenzieller
Bedeutung ist - und zahlreiche neue therapeutische Optionen eröffnen könnte.
Assay testet Wirksamkeit und Toxizität
In Kooperation mit der EMC microcollections GmbH aus Tübingen nutzt Rupp die neuen
Erkenntnisse bereits für das Screening nach antimykotischen Wirkstoffen. Bei der klassischen
Vorgehensweise wird der direkte Effekt einer Substanz-Bibliothek auf den Pilz untersucht. „Da
beurteilt man im wesentlichen, ob der Pilz noch wächst oder nicht“, berichtet Rupp. Ein neuer
Ansatz stellt jetzt das Screening im Wirts-Kontext dar. „Wir kreieren dazu eine kleine
Infektionseinheit, indem wir lebende menschliche Zellen und Zellen von Candida albicans im
Reaktionsgefäß miteinander in Kontakt bringen“, so der Forscher. Der Pilz entfaltet in dieser
Situation sofort sein pathogenes Potenzial und exprimiert genau jene Proteine , die für ein
invasives Wachstum benötigt werden, und die den untersuchten Testsubstanzen als Angriffsziel
dienen. Und die Methode hat noch einen weiteren Vorteil: Weil sich im gleichen Ansatz auch die
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Verträglichkeit der Wirkstoffe auf das menschliche Gewebe überprüfen lässt, wissen die
Wissenschaftler immer sofort, welche Substanzen eine realistische Chance besitzen,
irgendwann einmal als Antimykotikum auf den Markt zu kommen. „Die toxischen
Verbindungen können wir gleich aussortieren“, so Rupp.
Fachbeitrag
25.02.2010
sb
BioRegio STERN
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Weitere Informationen
PD Dr. Steffen Rupp
Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB)
Molekulare Biotechnologie
Nobelstraße 12
70569 Stuttgart
Tel.: 0711 970-4045
Fax: 0711 970-4200
E-Mail: steffen.rupp(at)igb.fraunhofer.de
Der Fachbeitrag ist Teil folgender Dossiers
Das Reich der Pilze - eine Einführung
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