Text Selbsthilfegruppe Februar 2014_Prof.Dr.Regauer_Graz

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Über die Ursachen von Vulvakarzinomen:
Sigrid Regauer
In der Vulva unterscheidet man ätiologisch zwei wichtige Gruppen. Etwa 50% der
Plattenepithelkarzinome werden durch Infektionen mit humanem Papillomvirus (HPV)
induziert. Die andere Hälfte sind HPV-negative Karzinome, von denen viele auf dem
Boden von fortgeschrittenen, unbehandelten, chronisch entzündlichen
Hauterkrankungen Lichen sklerosus und Lichen planus entstehen. Sowohl die HPVassoziierten wie auch die HPV-negativen Vulvakarzinome entstehen über nicht
invasiven Vorstufen, den sog. intraepithelialen Neoplasien.
HPV-induzierte Karzinome:
HPV können in nicht-onkogene und onkogene Genotypen unterteilt werden. Die
onkongenen Genotypen werden entsprechend ihres Risikos für maligne Entartung in
ein niedriges Risiko („low-risk“; LR) und hohes Risiko („high-risk“; HR) unterteilt. Die
wichtigsten Vertreter der HPV-LR-Genotypen sind HPV-LR 6,11, die in den meisten
Kondylomen / Feigwarzen, aber auch in den hoch differenzierten, verrukösen
Plattenepithelkarzinomen (Riesenkondylom vom Type Buschke-Löwenstein)
nachgewiesen werden. Andere HPV-LR Genotypen sind HPV 40, 42, 43, 44, 54, 70.
Die wichtigsten Vertreter der HPV-HR Genotypen sind HPV-HR-16,18, 31, 33, 35,
39, 45. Typischerweise werden die Vulvakarzinome durch HPV-HR-16 Genotyp
hervorgerufen, der in etwa 80% der Vulvakarzinome als alleiniger Auslöser
nachgewiesen werden kann. Die restlichen Karzinome werden durch andere oder
mehrere HPV-HR-Genotypen verursacht.
Normalerweise kann ein intaktes Immunsystem die HPViren nach einem gewissen
Zeitraum wieder eliminieren. Erst nach einer langandauernden Infektion (meist
Jahre!) mit HPV-HR-Genotypen kommt es in den Epithelzellen zu einer
Transformierung. Durch Bindung von HPV-HR-Onkoproteinen an humane
Zellproteine kommt es zum Verlust der Zellzykluskontrolle und einer unkontrollierten
Proliferation der Keratinozyten. Die HPV-induzierte Krebsvorstufe wird als vulväre
intraepitheliale Neoplasie (VIN) bezeichnet. Das dysplastische Epithel ist unverhornt
und basaloid, was das Synonym basaloide VIN erklärt. Je nach histologischer
Regauer Text für Vulvakarzinom Selbsthilfegruppe e.V. Februar 2014
Ausdehnung des dysplastischen proliferierenden Epithels unterscheidet man eine
geringgradige VIN (Grad I), wenn nur das untere Drittel des Epithels ist betroffen ist
oder eine mittelgradige VIN (Grad II), wenn sich die dysplastischen Zellen auf die
unteren 2/3 des Epithels ausbreiten. Dysplasie innerhalb des gesamten Epithels wird
als hochgradige VIN (Grad III) bezeichnet. In der neuen Ausgabe der WHOKlassifikation der „Tumors of the female genital tract“ wird der Name VIN für die
HPV-induzierte VIN durch den Begriff squamöse intraepitheliale Läsion (SIL) ersetzt,
um sie klar von der HPV-negativen Präkanzerose abzugrenzen. Die VIN I wird als
low-grade SIL bezeichnet, die VIN II und VIN III werden als high-grade SIL
zusammengefasst. Die low-grade SIL / VIN I hat eine hohe Rückbildungsrate,
deshalb kann sie in regelmäßigen Abstanden kontrolliert werden, um die
(wahrscheinliche) Remission abzuwarten. Bei den high-grade SIL ist die Remission
eher unwahrscheinlich. Durch das langsame Fortschreiten von HPV-induzierten
Präkanzerosen (Jahre!) können diese high-grade Läsionen mit vielfältigen, auch Zeitintensiven Therapien behandelt werden. Diese Möglichkeiten beinhalten neben Laser
und chirurgischer Exzision auch medikamentöse Therapien, wie z. B. der „off-label“
Therapieansatz mit Imiquimod, das über mindestens 16 Wochen angewandt wird.
Die Prävention von HPV-assoziierten Präkanzerosen und Karzinomen ist eine
Impfung vor dem ersten Sexualkontakt.
II. Dermatosen-assoziierte Karzinome und Präkanzerosen
Unter den häufigen Dermatosen an der Vulva haben die Schuppenflechte (Psoriasis)
und (Kontakt-) Ekzem kein Krebsrisiko. Nur der Lichen sklerosus und Lichen planus
gelten als fakultative Präkanzerosen von Vulvakarzinomen. Der Lichen sklerosus ist
auf die Vulva beschränkt, aber der Lichen planus kann auch die Schleimhäute
befallen. Das individuelle Risiko einer malignen Transformation im anogenitalen
Lichen sklerosus und Lichen planus ist gering und wird zwischen 1-4%
angenommen. Ein Lichen planus in behaarter Haut hat kein Karzinomrisiko, in der
oralen und ösophagealen Schleimhaut wurde jedoch ein Risiko zwischen 0,5 und 5%
beschrieben. Das Risiko einer malignen Entartung im Lichen planus der Vulva ist
derzeit nicht bekannt. Viele Frauen mit HPV-negativen Karzinomen berichten über
ein schnelles Tumorwachstum und stellen sich mit recht fortgeschrittenen
Karzinomem vor.
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HPV-negative Karzinome entstehen über die histologisch hochdifferenzierte, HPVnegative Präkanzerose differenzierte vulväre intraepitheliale Neoplasie (d-VIN). Die
ursprüngliche Beschreibung der d-VIN stammt aus dem Jahr 1965. Damals wurde
sie allerdings simplex / differentiatied squamous cell carcinoma genannt. Klinisch ist
die d-VIN eine schuppende Plaque. Sie gilt als schnell fortschreitende Vorstufe zu
invasivem Karzinom, manchmal in weniger als 6 Monaten. Dies erklärt z. T. auch die
Größe und fortgeschrittenen Stadien von HPV-negativen Karzinomen bei vielen
Patienten bei der Erstpräsentation beim Arzt. Obwohl die d-VIN selten vor dem
Auftreten eines Erstkarzinoms an der Vulva biopsiert wird, wird sie häufig in OPPräparaten im Randbereich der HPV-negativen Karzinome beobachtet.
Durch den allgemeinen Trend zu kleineren chirurgischen Eingriffen werden vulväre
Karzinome nur mehr mit einem Sicherheitsabstand von 1-2 cm exzidiert, je nach
länderspezifischen Vorgaben. Im deutschsprachigen Raum wird 1 cm als minimaler
Abstand definiert, in den USA z. B. sind 2 cm als minimaler Abstand definiert.
Dadurch wird oft nicht die gesamte, von Lichen sklerosus und Lichen planus
erkrankte Haut / Schleimhaut entfernt. In der nicht resezierten erkrankten Haut
können - trotz der kompletten Entfernung des ersten Karzinoms - Zweit- und
Drittkarzinom entstehen. In der Steiermark, Österreich, entwickelten fast 50% der
operierten Frauen ein weiteres invasives Karzinom. Die meisten dieser Karzinome
entstanden innerhalb von 6 – 18 Monaten. Entsprechend häufig werden während
onkologischer Kontrollen auch d-VIN nach Operation eines primären HPV-negativen
Vulvakarzinoms beobachtet und diagnostiziert. Im Gegensatz zu den HPVinduzierten Präkanzerosen darf eine d-VIN allerdings nicht über einen längeren
Zeitraum beobachtet / behandelt werden. Diese Läsionen müssen wegen ihres
schnellen Fortschreitens sofort behandelt werden. Daher sollten
Vulvakarzinompatientinnen mit residuellem Lichen sklerosus und Lichen planus
wegen des hohen Risikos für ein Zweitkarzinom und Drittkarzinom engmaschig
onkologische nachgesorgt werden.
Weiterführende Information zu Vulvakarzinom: World Health Organisation
Classification of Tumours of the Female Genital Tract. **4th edition. Eds R J Kurman,
ML Carcangiu, CS Herrington, RH Young, IARC, Lyon, 2014
Information zu Lichen sklerosus und Lichen planus unter www.vive.co.at
Literaturverzeichnis bei der Autorin.
Regauer Text für Vulvakarzinom Selbsthilfegruppe e.V. Februar 2014
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