Mechanik für IngenieurInnen Einführung in die Technische Mechanik Mechanik für IngenieurInnen Einführung in die Technische Mechanik Alle Rechte an diesem Buch liegen beim Autor. Jegliche Art von nicht durch den Autor genehmigter Verbreitung ist ausdrücklich untersagt. Version 1.1, Februar 2015 Version 1.2, April 2015 Version 1.3, Juli 2015 Version 1.4, Februar 2016 c 2014-2016 Christian Bucher Inhaltsverzeichnis Über den Autor 7 Vorwort 9 1 Vorbemerkungen 1.1 Beschreibung physikalischer Größen . . . 1.2 Idealisierungen der Technischen Mechanik 1.3 Elementare Vektoroperationen . . . . . . 1.4 Flächenmomente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 11 13 14 17 2 Kraftsysteme 2.1 Zentrales Kraftsystem . . . . . . . . . . 2.2 Moment einer Kraft . . . . . . . . . . . 2.3 Resultierende allgemeiner Kraftsysteme 2.4 Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Arbeit und Potential . . . . . . . . . . . 2.6 Reibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7 Prinzip der virtuellen Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 25 29 31 34 36 43 45 . . . . . . . . . 50 50 51 53 54 55 57 63 78 96 . . . . . . . 3 Statik einfacher Tragwerke 3.1 Tragwerksidealisierungen . . . . . . . . . . 3.2 Lagerung und Verbindung ebener Tragwerke 3.3 Belastungsarten . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Schnittprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Statische Bestimmtheit . . . . . . . . . . . 3.6 Lagerreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . 3.7 Schnittgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . 3.8 Spezielle Tragwerkstypen . . . . . . . . . . 3.9 Räumliche Schnittgrößen . . . . . . . . . . 4 Spannungen und Formänderungen 4.1 Definitionen . . . . . . . . . . . . . 4.2 Spannungsbegriff . . . . . . . . . . 4.3 Verformungen und Verzerrungen . . 4.4 Elastizitätsgesetz . . . . . . . . . . . 4.5 Hauptspannungen . . . . . . . . . . 4.6 Dehnungs- und Spannungsverteilung gung . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7 Biegelinie . . . . . . . . . . . . . . . 4.8 Biegung mit Normalkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bei reiner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 103 103 109 113 115 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Balkenbie. . . . . . 116 . . . . . . 120 . . . . . . 123 4.9 Schub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.10 Torsion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11 Formänderungsenergie und Arbeitssatz . . . . . . . . . . 125 130 135 5 Hydrostatik 5.1 Spannungszustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Auftrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Kraftwirkungen aus Flüssigkeitsdruck . . . . . . . . . . . . 144 144 145 148 6 Kinematik 6.1 Kinematik des Massenpunktes . . . . . . . . . . . . . 6.2 Kinematik des starren Körpers . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Kinematische Ketten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Anwendung des Prinzips der virtuellen Verschiebungen 6.5 Rotierende Koordinatensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 153 157 161 166 179 7 Kinetik 7.1 Kinetik des Massenpunktes . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Kinetik des starren Körpers . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Kinetik von Flüssigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 181 183 194 8 Energie 8.1 Arbeitssatz . . . . . . 8.2 Bernoulli-Gleichung . 8.3 Gerader zentraler Stoß 8.4 Exzentrischer Stoß . . . . . . 201 201 206 211 214 . . . . 217 217 219 229 245 10 Stabilität 10.1 Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Knicken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 251 255 11 Strömungsprobleme in der Baumechanik 11.1 Dimensionsanalyse und Ähnlichkeitsgesetze . . 11.2 Laminare Rohrströmung . . . . . . . . . . . . . 11.3 Turbulente Rohrströmung . . . . . . . . . . . . 11.4 Energieverlust durch plötzliche Rohrerweiterung 11.5 Hydrodynamischer Widerstand und Auftrieb . . 259 259 263 267 269 270 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Einfache Schwingungsvorgänge 9.1 Elastische Kräfte, Trägheitskräfte und dissipative Kräfte 9.2 Bewegungsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3 Systeme mit einem Freiheitsgrad . . . . . . . . . . . . 9.4 Systeme mit mehreren Freiheitsgraden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.6 Kármán’sche Wirbelstraße . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 12 Kontinuierliche Systeme 12.1 Bewegungsgleichung als partielle Differentialgleichung . . 12.2 Ritz-Galerkin-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3 Ritz’sches Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 275 279 283 13 Schnittgrößen an bewegten Systemen 13.1 Starre Stäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2 Elastische Stäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 285 291 Index 299 Über den Autor Christian Bucher ist seit 2007 Professor für Baumechanik an der Technischen Universität Wien. Er studierte Bauingenieurwesen an der Universität Innsbruck mit dem Abschluss als Diplomingenieur, und erwarb 1986 dort auch das Doktorat der technischen Wissenschaften mit einer Arbeit aus dem Gebiet der Baudynamik. Nach der Habilitation für Technische Mechanik in Innsbruck im Jahr 1989 wurde er 1994 als Professor an die Bauhaus-Universität Weimar berufen, und war dort bis 2007 auf dem Gebiet der Baumechanik tätig. Seine Lehrtätigkeit umfasst Grundvorlesungen in der Technischen Mechanik sowie vertiefende Lehrveranstaltungen in der Baudynamik, der Strukturoptimierung und der nichtlinearen und stochastischen Dynamik. 7 Vorwort Das vorliegende Buch richtet sich an Studierende von Ingenieurfächern an technischen Universitäten und Fachhochschulen. Die Ausrichtung des Buches zielt auf die Vermittlung eines grundlegenden Verständnisses mechanischer Zusammenhänge ab, wie es im Bachelorabschnitt technischer Studiengänge erforderlich ist. Daher wurde in der Zusammenstellung der Inhalte bewusst auf höhere Mechanik verzichtet, und dafür zahlreichen einfachen Beispielen Platz gelassen. Die Inhalte sind mit Hilfe anschaulicher Abbildungen und vieler erklärender Rechenbeispiele so aufbereitet, dass das Buch einerseits vorlesungsbegleitend genutzt werden kann, darüber hinaus aber auch für das selbständige Studium der Mechanik sehr gut geeignet ist. Das Buch wurde aus Vorlesungen des Autors zur Technischen Mechanik an der Bauhaus-Universität Weimar und der Technischen Universität Wien im Studiengang Bauingenieurwesen entwickelt und über viele Jahre in der Vorlesungspraxis erprobt. Allen Studierenden und allen KollegInnen, die durch konstruktive Hinweise zur Verbesserung des Manuskripts beigetragen haben, sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Besonders bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei Herrn Professor Rudolf Heuer und Herrn Dipl.-Ing. Daniel Arnold für zahlreiche wertvolle Hinweise und Anregungen. Wien, im Februar 2015 Christian Bucher 9 1 1 Vorbemerkungen Vorbemerkungen In diesem Abschnitt werden wesentliche Grundlagen zur mathematischen Beschreibung physikalischer Größen dargestellt. Dies beinhaltet verschiedene Koordinatensysteme, elementare Vektoroperationen und Flächenmomente 1. und 2. Ordnung. 1.1 1.1.1 Beschreibung physikalischer Größen Grundgrößen und Maßeinheiten In der technischen Mechanik werden drei physikalische Grundgrößen für die Beschreibung aller Vorgänge benötigt, und zwar Länge, Zeit und Masse. Größe Einheit Länge [m] Zeit [s] Masse [kg] Alle anderen physikalischen Größen und zugehörigen Einheiten der Mechanik können daraus abgeleitet werden Größe Einheit Geschwindigkeit [m/s] Beschleunigung [m/s2 ] Kraft [kg m/s2 ] = [N] (Newton) Druck [kg/ms2 ] = [N/m2 ] (Pascal) Physikalische Größen können skalar (z.B. Zeit) oder vektoriell (z.B. Geschwindigkeit) sein. Vektoren können nur unter Angabe eines Koordinatensystems eindeutig festgelegt werden. 1.1.2 Koordinatensysteme Kartesische Koordinaten in der Ebene Ein Punkt P in der Ebene ist festgelegt durch zwei Maßzahlen, die kartesischen Koordinaten xp und yp . Diese Maßzahlen beschreiben die Abstände des Punktes P vom Koordinatenursprung in zwei orthogonalen Richtungen x und y. Der Ortsvektor ~rp des Punktes P ist dann festgelegt durch ~rp = xp e~ x + yp e~ y (1.1) ~ x und e~ y Einheitsvektoren in Richtung der Koordinatenachsen. Darin sind e 11 Mechanik für IngenieurInnen y xp P ~rp yp ~y e x ~x e Abbildung 1.1: Kartesische Koordinaten in der Ebene In Komponentenschreibweise wird der Vektor ~rp dargestellt als " xp yp ~rp = # (1.2) Kartesische Koordinaten im Raum z ~rp ~z e ~y e ~x e x P zp yp xp y Abbildung 1.2: Kartesische Koordinaten im Raum Ein Punkt P im Raum ist festgelegt durch drei Maßzahlen, die kartesischen Koordinaten xp , yp und zp . Diese Maßzahlen beschreiben die Abstände des Punktes P vom Koordinatenursprung in drei orthogonalen Richtungen x, y und z. Für den Ortsvektor ~rp des Punktes P gilt ~rp = xp e~ x + yp e~ y + zp e~ z (1.3) bzw. in Komponentenschreibweise x p ~rp = yp zp 12 (1.4) 1 Vorbemerkungen Dabei bilden die drei Koordinatenachsen ein Rechtssystem mit der Eigen~ z = e~ x × e~ y . schaft e Polare Koordinaten in der Ebene y ~ϕ e xp ~r e P rp ϕp yp x Abbildung 1.3: Polare Koordinaten in der Ebene Ein Punkt P in der Ebene ist hier ebenfalls festgelegt durch zwei Maßzahlen, die polaren Koordinaten rp und ϕ p . Diese Maßzahlen beschreiben den Abstand des Punktes P vom Koordinatenursprung und den Winkel, den der Abstandsvektor mit der x-Achse einschließt. ~ r und e~ ϕ hängen vom betrachteten Die Richtungen der Einheitsvektoren e Punkt P ab. Es gilt ~rp = rp e~ r (1.5) Die Umrechnung von kartesischen in polare Koordinaten und umgekehrt erfolgt nach (siehe dazu Abb. 1.3) xp = rp cos ϕ p ; yp = rp sin ϕ p q yp x2p + y2p ; ϕ p = arctan rp = xp 1.2 (1.6) Idealisierungen der Technischen Mechanik Starrer Körper Wenn ein Körper als starr angenommen wird, so verformt er sich unter Einwirkungen von Kräften nicht. An einem starren Körper angreifende Kräfte können entlang ihrer Wirkungslinie (Kraftrichtung) beliebig verschoben werden, ohne dass sich deren Wirkung auf den Körper ändert. (Dies gilt i. Allg. nicht für deformierbare Körper, siehe Skizze). 13 Mechanik für IngenieurInnen starr verformbar Abbildung 1.4: Verschiebung einer Kraft entlang ihrer Wirkungslinie an einem starrem bzw. verformbarem Körper Elastischer Körper Ein Körper wird als elastisch bezeichnet, wenn die Verformungen, die unter der Einwirkung von Kräften entstehen, sich wieder vollständig zurückbilden, wenn die Kräfte entfernt werden. Bei einem linear-elastischen Körper sind darüber hinaus die Verformungen des Körpers proportional zur Größe der einwirkenden Kräfte. Massenpunkt Im Rahmen dieser Idealisierung wird die gesamte Masse des Körpers in einem Punkt konzentriert gedacht. 1.3 Elementare Vektoroperationen Die für das Verständnis der nachfolgenden Herleitungen notwendigen Definitionen und Beziehungen werden hier im Euklidischen Raum Ò3 dargestellt. Vektoren Unter Verwendung eines kartesischen Koordinatensystems können Vektoren im Ò3 durch ihre Komponenten und die Basisvektoren beschrieben werden, also ~ = ax e~ x + ay e~ y + az e~ z a (1.7) ~ und b~ in der Form (KomponenAbgekürzt wird dies für zwei Vektoren a tenschreibweise) ax bx ~ ~ = ay ; b = by a az bz 14 (1.8) 1 Vorbemerkungen Euklidische Norm (Länge) eines Vektors ``~a`` = q a2x + a2y + a2z = a (1.9) In der Notation wird hier unterschieden zwischen der Länge eines Vektors (``.``) und dem Betrag einer (reellen oder komplexen) Zahl (`.`). Transponierter Vektor ~T = a f ax ay az g (1.10) Skalarprodukt (inneres Produkt) < a~ , b~ >= a~ T b~ = ax bx + ay by + az bz ; ~ T a~ = ``~a``2 a (1.11) Alternativ kann das Skalarprodukt aus den Längen der beiden Vektoren und dem eingeschlossenene Winkel ϕ berechnet werden: < a~ , b~ >= ``~a`` · ``b~ `` · cos ϕ (1.12) Für zwei zueinander orthogonale Vektoren verschwindet das Skalarprodukt (cos ϕ = cos π2 = 0). Vektorprodukt (äußeres Produkt) ay bz – az by ~ ~ × b = –ax bz + az bx a ax by – ay bx (1.13) ~ und b~ ist ein Vektor, der normal Das äußere Produkt von zwei Vektoren a ~ und b~ aufgespannte Ebene steht. Speziell besitzt das Vektorauf die von a produkt von zwei Vektoren, die in der x – y-Ebene liegen nur eine von Null verschiedene z-Komponente. Für die Länge des Vektorprodukts gilt ``~a × b~ `` = ``~a`` · ``b~ `` · ` sin ϕ` (1.14) ~ und b~ eingeschlossene Winkel ist. Für zwei zueinander wobei ϕ der von a parallele Vektoren verschwindet das Vektorprodukt (sin ϕ = sin 0 = 0). Das äußerer Produkt zweier Vektoren kann auch als das Produkt einer 15 Mechanik für IngenieurInnen ~ geschrieben werden, schiefsymmetrischen Matrix [A] mit dem Vektor b wobei gilt 0 –az ay 0 –ax ; [A] = az 0 –ay ax 0 –az ay bx ~ × b~ = az 0 –ax by a –ay ax 0 bz (1.15) Dyadisches Produkt (Matrixprodukt zweier Vektoren) ax bx ax by ax bz T ~ ~ · b = ay bx ay by ay bz a az bx az by az bz (1.16) Gradient Der (vektorwertige) Gradient ∇F einer skalaren Funktion F(x, y, z) im Ò3 ist definiert durch die partiellen Ableitungen von F nach allen Koordinaten ∂ F ∂ x ∇F = ∂∂ Fy ∂ F ∂z (1.17) ∂ ∂ x Dies lässt sich formal als Produkt des Operatorvektors ∇ = ∂∂y mit der ∂ ∂z skalaren Funktion F interpretieren. Divergenz Die (skalarwertige) Divergenz eines Vektorfelds ~f(x, y, z) im Ò3 ist definiert durch das Skalarprodukt des Operatorvektors ∇ mit dem Vektor f div ~f = ∇T f = ∂ fx ∂ fy ∂ fz + + ∂x ∂y ∂z Ein Vektorfeld ~f mit div ~f = 0 heißt lokal quellenfrei. 16 (1.18) 1 Vorbemerkungen Rotation Die (vektorwertige) Rotation (Rotor) eines Vektorfelds ~f(x, y, z) im Ò3 ist definiert durch das äußere Produkt des Operatorvektors ∇ mit dem Vektor f ∂ fz ∂ fy ∂ y – ∂ z ∂f ∂f rot ~f = ∇ × ~f = ∂ zx – ∂ xz ∂ fy ∂ fx ∂x – ∂y (1.19) ~ heißt lokal wirbelfrei. Ein Vektorfeld ~f mit rot ~f = 0 Verkettete Operationen Wendet man den Divergenzoperator auf den Rotor eines Vektorfeldes an, so ergibt sich 0: ∂ fz ∂ fy ∂ y – ∂ z ∂f ∂f div rot ~f = div ∂ zx – ∂ xz = ∂ fy ∂ fx ∂x – ∂y ! ! ! ∂ ∂ fx ∂ fz ∂ ∂ fy ∂ fx ∂ ∂ fz ∂ fy = + + =0 – – – ∂x ∂y ∂z ∂y ∂z ∂x ∂z ∂x ∂y (1.20) Ebenso ergibt die Anwendung der Rotationsoperators auf den Gradienten eines skalaren Feldes F den Nullvektor: ∂ (∇F)z ∂ (∇F)y ∂ 2 F ∂ 2F ∂ y – ∂ z ∂ z∂ y – ∂ z∂ y 2 ∂ (∇F) ∂ (∇F) 2 ~ rot ∇F = rot ∂ z x – ∂ x z = ∂∂x∂Fz – ∂∂z∂Fx = 0 ∂ (∇F)y ∂ (∇F)x ∂ 2 F – ∂ 2 F ∂ x – ∂ y ∂ y∂ x ∂ x∂ y (1.21) Aufgrund der Eigenschaften des äußeren Produkts folgt, dass für ein Vektorfeld ~f, das in der x – y-Ebene liegt, die Rotation nur eine z-Komponente besitzt. 1.4 Flächenmomente Für eine größere Anzahl von Überlegungen in der Mechanik benötigen wir bestimmte Integrale über beliebige Flächen, die als Flächenmomente bezeichnet werden. 17 Mechanik für IngenieurInnen A y η zp P rp yp z – zp y – yp dA ζ z Abbildung 1.5: Querschnittsfläche Als Integral lässt sich der Flächeninhalt A eines Querschnittes (das Flächenmoment 0. Ordnung) berechnen nach ¨ ¨ dA = A= A dy dz (1.22) A Die statischen Momente bezogen auf die Achsen η und ζ parallel zu y und z durch den Punkt P (Flächenmomente 1. Ordnung) sind ¨ ¨ η dy dz = Sζ = Sp,z = A ¨ (y – yp ) dy dz A ¨ ζ dy dz = Sη = Sp,y = A (1.23) (z – zp ) dy dz A Der Flächenschwerpunkt S ist dadurch gekennzeichnet, dass die statischen Momente bezogen auf Achsen durch diesen Punkt verschwinden, d. h. Ss,y = Ss,z = 0. Dies kann zur Berechnung der Schwerpunktkoordinaten genutzt werden, da ja aus der ersten Gl. 1.23 folgt ¨ Ss,z = ¨ (y – ys ) dy dz = A ¨ y dy dz – ys A und somit 1 yS = dy dz = 0 (1.24) A ¨ y dy dz (1.25) A A Analog ergibt sich aus der zweiten Gl. 1.23 1 zS = ¨ z dy dz A A 18 (1.26) 1 Beispiel 1.1: Vorbemerkungen Schwerpunkt eines Halbkreises M y ϕ r rd ϕ dS R S dS dr z Die Integration erfolgt in diesem Fall zweckmäßig in Polarkoordinaten. Der Flächeninhalt der Halbkreises ist bekanntermaßen gegeben durch A= R2 π 2 Die Koordinate ys des Schwerpunkts ergibt sich in Polarkoodinaten aus 1 ys = ˆπ ˆR rr cos ϕ drd ϕ = A 0 1 ˆπ cos ϕ d ϕ A 0 ˆR 0 r2 dr = 0 R r3 =0 sin ϕ`0π A 3 0 1 Analog ergibt sich die zweite Koordinate zs aus 1 zs = ˆπ ˆR rr sin ϕ drd ϕ = A 0 1 ˆπ sin ϕ d ϕ A 0 ˆR 0 0 R r3 = r dr = – cos ϕ`0π A 3 0 2 1 2 2 3 4 = R = R ≈ 0.4244 R 2 3π R π3 Die Flächenträgheitsmomente (Flächenmomente 2. Ordnung) sind ¨ (y – yp )2 dy dz Ip,zz = A ¨ (1.27) (z – zp )2 dy dz Ip,yy = A Die Momente zweiter Ordnung mit gemischten Indizes heißen Deviationsmomente: ¨ Ip,yz = Ip,zy = – (y – yp )(z – zp ) dy dz (1.28) A 19 Mechanik für IngenieurInnen Das sogenannte polare Flächenträgheitsmoment Ip,p (vgl. Abb. 1.5) ist ¨ ¨ 2 Ip,p = Ip,zz + Ip,yy = (z – zp )2 dy dz = (y – yp ) dy dz + A ¨ A r2p = (1.29) dy dz A Beispiel 1.2: Flächenmomente eines Kreises Die Integration erfolgt in Polarkoordinaten. M y ϕ r rd ϕ R dS dS dr z Der Flächeninhalt A ist bestimmbar aus: ˆ2π ˆR ˆ2π rdrd ϕ = A= 0 0 ˆR dϕ 0 rdr = 2π R2 2 = R2 π 0 Das statische Moment Sm,z bezogen auf den Kreismittelpunkt M ist gegeben durch ˆ2π ˆR ˆ2π ˆR yr drd ϕ = Sm,z = 0 0 ˆ2π 0 20 0 0 ˆR cos ϕ d ϕ = r2 cos ϕ drd ϕ r2 dr = 0 0 2 Kraftsysteme berechnet. Dazu erweitern wir zunächst die Kraft- und Ortsvektoren in die dritte Dimension und führen dann die Multiplikationen aus 0 4 –4 –5 3 ~ Mp = 1 × –2 + –1 × 0 + 1 × 0 0 0 0 0 0 0 0 0 = 0 + 0 + 0 = 0 kNm –4 –5 20 11 –2 6 0 Wie erwartet ist nur Mp,z von Null verschieden. Beispiel 2.6: Momentenwirkung einer Linienlast Das Moment Ma einer gleichförmig verteilten Linienlast p bezogen auf den Punkt a soll bestimmt werden (siehe untenstehende Skizze). Dazu wird zunächst die Einwirkungsstrecke der Linienlast in infinitesimale Elemente dx zerlegt. Auf jedes Längenelement wirkt eine infinitesimale Kraft dF = pdx, und diese Kraft besitzt das infinitesimale Moment dM = xdF = xpdx. R ra p a dx L1 x L2 Durch Integration über die Einwirkungsstrecke erhält man das gesamte Moment ˆL2 M= pxdx = p L1 L2 p 2 (L2 + L1 ) = L2 – L21 = p(L2 – L1 ) 2 L 2 2 1 x2 In dieser Gleichung ist das Produkt der ersten beiden Terme gleich der Resultierenden der Gleichlast R = p(L2 – L1 ) und der letzte Term ist gleich L +L dem Abstand der Resultierenden von Bezugspunkt ra = 1 2 2 . Somit gilt ebenso M = ra R 33 Mechanik für IngenieurInnen Beispiel 2.7: Lage der Resultierenden einer Dreieckslast Das Position ra der Resultierenden R einer dreiecksförmig verteilten Linienlast p soll bestimmt werden (siehe untenstehende Skizze). Dazu wird wieder die Einwirkungsstrecke der Linienlast in infinitesimale Elemente dx zerlegt. Auf jedes Längenelement wirkt eine Kraft dF = p(x)dx, und diese Kraft besitzt bezogen auf den Punkt a das Moment dM = xdF = xp(x)dx. p Dabei gilt p(x) = L0 x R ra p0 a dx x L Durch Integration über die Einwirkungsstrecke erhält man die Resultierende ˆL ˆL p(x)dx = R= p0 xdx = L 0 0 L p0 x2 pL = L 2 0 2 und das gesamte Moment ˆL M= ˆL pxdx = 0 0 L p0 2 p0 x3 pL2 = x dx = L L 3 0 3 Aus der Bedingung M = ra R ergibt sich ra = 2.4 M R = 2L 3 . Gleichgewicht Ein Kraftsystem befindet sich im Gleichgewicht, wenn sowohl die Resultie~ als auch das resultierende Moment M ~ p bezogen auf einen belierende R 3 bigen Punkt P verschwindet. Im Raum Ò sind dies 6 Bedingungsgleichungen 34 3 Statik einfacher Tragwerke schwinden daher in der Summe die Schnittgrößen. Die Schnittgrößen sind ein Maß für die Beanspruchung des Werkstoffs (siehe Abschnitt 4). 3.5 Statische Bestimmtheit Ein Tragwerk heißt statisch bestimmt gelagert, wenn die Lagerreaktionen eindeutig aus den Gleichgewichtsbedingungen bestimmbar sind. Für einen einfachen Balken bedeutet dies, dass die Anzahl r der Lagerreaktionen gleich der Anzahl der Gleichgewichtsbedingungen sein muss, d. h. r = 3. Allgemein heißt ein Tragwerk m-fach statisch unbestimmt, wenn die Anzahl der unbekannten Lagerreaktionen um m größer ist als die Anzahl der Gleichgewichtsbedingungen. Bei mehrteiligen (zusammengesetzten) Systemen bestehend aus n Teilkörpern (Teilstäben) ist die notwendige Bedingung für statische Bestimmtheit m = r + v – 3n = 0 (3.1) Darin ist r die Anzahl der Lagerreaktionen und v die Anzahl der Bindungskräfte zwischen den Teilen. Dabei gilt für ein bewegliches Lager r = 1, für ein festes Lager r = 2 und für eine Einspannung r = 3. Für bewegliche Verbindungen (Gelenk, Parallelführung) gilt v = 2. Beispiel 3.1: Dreigelenkbogen Hier ist n = 2, r = 4, v = 2 und somit m = r + v – 3n = 4 + 2 – 3 · 2 = 0 Die Bedingung Gl. 3.1 ist nicht hinreichend, d. h. es gibt Systeme, die diese Bedingung zwar erfüllen, aber nicht statisch bestimmt sind. Solche Systeme sind (teilweise) beweglich, dh. es kann ein Polplan konstruiert werden (vgl. Abschnitt 6.3). Ein negativer Wert für m bedeutet immer, dass das System (teilweise) beweglich ist. Beispiel 3.2: Ausnahmefall 55 Mechanik für IngenieurInnen Hier ist n = 1, r = 3, v = 0 und somit m = r+v–3n = 3+0–3 · 1 = 0. Dennoch ist das Tragwerkssystem nicht statisch bestimmt (es ist horizontal beweglich). Dieser Fall kann mit Hilfe von Methoden der Kinematik (vgl. Abschnitt 6) genauer untersucht werden. Beispiel 3.3: Gelenkträger Hier ist n = 2, r = 5, v = 2 und somit m = r + v – 3n = 5 + 2 – 3 · 2 = 1. Das Tragwerkssystem ist einfach statisch unbestimmt. Beispiel 3.4: Feststellung der statischen Bestimmtheit In den nachfolgenden Skizzen sind Trägersysteme dargestellt, für die nach Gl. 3.1 die notwendige Bedingung für statische Bestimmtheit überprüft werden soll. a) b) c) d) e) f) 56 n = 3; v = 4; r = 4 m = 4 + 4 – 3 · 3 = –1 n = 2; v = 2; r = 6 m=2+6–2·3=2 n = 3; v = 4; r = 7 m=4+7–3·3=2 n = 3; v = 4; r = 5 m=4+5–3·3=0 n = 3; v = 4; r = 7 m=4+7–3·3=2 n = 3; v = 4; r = 4 m = 4 + 4 – 3 · 3 = –1 3 Statik einfacher Tragwerke Lagern wird durch eine Einzellast F = 20 kN und eine Gleichlast p = 4 kN/m belastet. Gesucht sind die Schnittgrößen M und Q. a) Lagerreaktionen Die vier Lagerreaktionen lassen sich aus Gleichgewichtsbedingungen am Gesamtsystem und an zwei Teilsystemen (I, links bzw. II, rechts vom Gelenk) bestimmen I g a AH AV II F p GH g GH GV GV b 3 BV c 6 CV Am Gesamtsystem: Σ H = 0 → AH = 0 Am Teilsystem I: ΣMIg = 0 : –AV · 3 = 0 → AV = 0 An dieser Stelle wird klar, dass der linke Trägerteil a – g für den gegebenen Lastfall entbehrlich ist. Da sowohl in a als auch in g das Biegemoment Null ist und der Abschnitt unbelastet ist (somit ist die Momentenfunktion linear), muss M identisch verschwinden. Demzufolge muss auch Q in diesem Abschnitt identisch Null sein. Im rechten Teil g – c ergeben sich die Lagerreaktionen aus Momentenbedingungen ΣMIIb = 0 : CV · 6 – p · 6 · 3 + F · 3 = 0 1 → CV = p · 6 · 3 – F · 3 = 2 kN 6 ΣMIIc = 0 : –BV · 6 + p · 6 · 3 + F · 9 = 0 1 p · 6 · 3 + F · 9 = 42 kN → BV = 6 Als Kontrolle dient die Gleichgewichtsbedingung für alle Kraftkomponenten in vertikaler Richtung: ΣV = AV + BV + CV – F – p · 6 = 0 + 42 – 20 – 24 = 0 77 Mechanik für IngenieurInnen b) Schnittgrößen 22 –2 kN Q –20 –60 18 M 12 kNm Aus den Lagerreaktionen ist der Querkraftverlauf unmittelbar ablesbar, und daraus ergibt sich in weiterer Folge die Biegemomentenfunktion. 3.8 3.8.1 Spezielle Tragwerkstypen Fachwerke Als Fachwerke werden Systeme bezeichnet, die nur aus miteinander gelenkig verbundenen geraden Stäben bestehen. Alle Lasten und Lagerreaktionen werden an den Verbindungsstellen (Knoten) eingeleitet (siehe Abb. 3.15). Obergurtstab Diagonalstab Vertikalstab Knoten Untergurtstab Abbildung 3.15: Fachwerk Unter diesen Voraussetzungen entstehen in den Stäben lediglich Normalkräfte (Zug oder Druck) und keine Querkräfte bzw. Biegemomente (vgl. Gl. 3.8). Für einen Stab mit der Länge L, der an beiden Enden gelenkig gelagert ist, gilt offensichtlich M(0) = M(L) = 0. Wenn die Querbelastung ver´ schwindet, also pz (x) = 0 folgt daraus unmittelbar Q(x) = – pz (x)dx = C1 78 3 Statik einfacher Tragwerke Punkt c(` ) N(`) c M(`) c Q(`) c p a AH AV Aus den Gleichgewichtsbedingungen ergeben sich (` ) Mc = –AH · 8.0 – p · 8.0 · 4.0 = –42.64kNm (` ) Qc = –AH – p · 8.0 = –9.33kN (` ) Nc = –AV = –10.67kN Punkt c(r) M(cr) c N(cr) Q(cr) p a AH AV 89 Mechanik für IngenieurInnen Gleichgewicht am Schnitt ergibt (r) (` ) Mc = Mc = –42.64kNm (r) (` ) Qc = –Nc = 10.67kN (r) (` ) Nc = Qc = –9.33kN Punkt d(` ) F Md c g Q(`) d p N(`) d a AH AV Aus den Gleichgewichtsbedingungen am Schnitt ergeben sich Md = AV · 8.0 – AH · 8.0 – p · 8.0 · 4.0 – F · 4.0 = –37.28kNm (` ) Qd (` ) Nd 90 = AV – F = –9.33kN = –AH – p · 8.0 = –9.33kN 4 Spannungen und Formänderungen w x z, w Abbildung 4.15: Verformung der Stabachse Die hier auftretende Größe EIs,yy heißt Biegesteifigkeit des Querschnitts. Es gilt offensichtlich tan ϕ = – dw und daher für kleine Verformungen dx dw näherungsweise ϕ = – dx sowie daraus und aus Gl. 4.33 d2 w M =– dx2 (4.34) EIs,yy Berücksichtigt man ferner die aus den lokalen Gleichgewichtsbedingungen (Gl. 3.6, 3.7) bekannten Beziehungen dQ dM ; Q= dx pz = – dx so ergibt sich als Differentialgleichung der Biegelinie d2 pz = d2 w EIs,yy dx2 ! (4.35) dx2 Für Stäbe mit konstanter Biegesteifigkeit vereinfacht sich dies zu wIV = pz (4.36) EIs,yy Rechnerisch ergeben sich für positive Biegemomente negative Krümmungen und umgekehrt (siehe Abb. 4.16). M M M x z, w M x z, w Abbildung 4.16: Krümmung des Stabes bei positivem (links) und negativem (rechts) Biegemoment 121 Mechanik für IngenieurInnen Beispiel 4.7: Durchbiegung eines Kragträgers Ein Kragbalken aus Stahl mit der Spannweite L = 5 m, mit einem quadratischen Querschnitt 50 x 50 mm wird durch sein Eigengewicht belastet. p L Es soll die Durchbiegung w am rechten Trägerende durch Integration der Differentialgleichung für die Biegelinie bestimmt werden. Lösung 4 2 Die Biegesteifigkeit ist EI = 2.1 · 1011 0.05 12 = 109375 Nm . Die Querbelastung ist p = 7800 · 0.052 · 9.81 = 191.3 N/m. Die Differentialgleichung der Biegelinie wird durch Integration gelöst. Es gelten am linken Lager die Randbedingungen w(0) = 0 und w0(0) = 0. Am rechten Trägerende gelten p die Randbedingungen M(L) = 0 und Q(L) = 0. Aus wIV = EI folgt w000 = p EI w0 = EI 2 p x3 EI 6 EI 24 + C1 x + C2 ; x2 + C1 p x4 w= p x2 w00 = x + C1 ; 2 + C2 x + C3 ; x3 + C1 6 x2 + C2 2 + C3 x + C4 ; Aus der RB w(0) = 0 folgt C4 = 0 und aus der RB w0(0) = 0 folgt dann C3 = 0. Die Randbedingung M(L) = 0 is äquivalent zu w00(L) = 0 (siehe Gl. 4.36) und Q(L) = 0 ist für Träger mit konstanter Biegesteifigkeit äquivalent zu w000(L) = 0. Damit ergeben sich p L2 p C1 = – L; EI C2 = – EI 2 p L2 – C1 L = EI 2 Die Durchbiegung am rechten Trägerende ist somit p L4 w(L) = – EI 24 p L3 p L2 L2 pL4 L + = EI 6 EI 2 2 8EI 4 ·5 Der Zahlenwert ist w(L) = 8191.3 ·109375 = 0.137 m. 122 6 Kinematik Verschwindet die virtuelle Arbeit eines an einem starren Körper angreifenden Kräftesystems für jede beliebige virtuelle Verschiebung, so befindet sich dieses Kräftesystem im Gleichgewicht. Wenn zur Einleitung virtueller Verschiebungen kinematische Bindungen gelöst werden (”Schnitt”), so sind die virtuellen Arbeiten der an diesen Stellen wirkenden Schnittgrößen zu berücksichtigen. Beispiel 6.11: Zusammengesetztes System Für das dargestellte System sind die Lagerreaktionen AH , AV und CH mit Hilfe des Prinzips der virtuellen Verschiebungen zu bestimmen. F g F F L d a AH DH AV b BH F DV L L L c L CH L a) AH (1,2) (0,1) δϕ F (0,2) (3,4) 0,1 III AH I 0,1 II (0,3) IV 0,4 0,4 0,4 Es wird die horizontale Bindung im Lager a gelöst. Dadurch werden die Teilsysteme I und II beweglich, III und IV bleiben unbeweglich. Die virtuelle Arbeit aller Kräfte ist somit δ A = AH · L · δϕ – F · L · δϕ = 0 → AH = F 167 Mechanik für IngenieurInnen b) AV δϕ (1,2) F II (0,2) III IV 0,1 (0,1) 0,1 I AV Es wird die vertikale Bindung im Lager a gelöst. Dadurch werden wieder nur die Teilsysteme I und II beweglich. Es ergibt sich δ A = AV · L · δϕ – F · L · δϕ = 0 → AV = F c) CH F (0,2) (1,2) F II (2,3) (3,4) F δϕ I III (0,1) I δϕ 0,2 0,4 (0,3) (0,4) IV 0,2 0,4 F IV CH III δϕ I II IV Es wird die horizontale Bindung im Lager c gelöst. Dadurch werden alle Teilsysteme beweglich. Die Hauptpole (0,1) und (0,3) sind offensichtlich. Der Hauptpol (0,2) ergibt sich als Schnittpunkt der Verbindungsgeraden von (0,1) mit (1,2) sowie (0,3) mit (2,3). Aufgrund des beweglichen Lagers in b liegt der Hauptpol (0,4) auf einer horizontalen Geraden durch b; er liegt aber auch auf der Verbindungsgeraden von (0,3) mit (3,4). Damit ist auch (0,4) festgelegt. 168 8 8 Energie Energie In diesem Abschnitt wird zunächst der Arbeitssatz aus dem Impulsbzw. Drallsatz hergeleitet. Für strömende Flüssigkeiten wird dann die Bernoulli-Gleichung besprochen und angewandt. Überlegungen zum geraden, zentralen Stoß beschließen diesen Abschnitt. 8.1 Arbeitssatz Definition ~ bewegt, Für einen Massenpunkt m, der sich mit der Geschwindigkeit v heißt die Größe 1 1 v``2 = m v2 (8.1) T = m``~ 2 2 kinetische Energie. Definition Für einen Körper im Volumen V wird die kinetische Energie definiert durch das Volumenintegral 1 ˚ ρ``~v`` dx dy dz = 2 T= 2 V 1 ˚ ρv2 dx dy dz 2 (8.2) V Für den starren Körper gilt unter Anwendung der allgemeinen Beziehung Gl. 6.13 mit dem Massenmittelpunkt S als Bezugspunkt 1 ˚ ~ × (~r – ~rs ) T v~s + ω ~ × (~r – ~rs ) dx dy dz ρ v~s + ω T= 2 V Ausmultiplizieren des Integranden ergibt 1 ˚ ρ~vTs v~s dx dy dz+ T= 2 1 V ˚ ~ × (~r – ~rs ) dx dy dz+ ρ~vTs ω + 2 1 V ˚ ~ × (~r – ~rs ) T v~s dx dy dz+ ρ ω + 2 1 V ˚ ~ × (~r – ~rs ) T ω ~ × (~r – ~rs ) dx dy dz = ρ ω + 2 V = I1 + I2 + I3 + I4 201 Mechanik für IngenieurInnen ~s und ω sind nicht von betrachteten Ort abhängig, und Die Größen v können daher aus den Integralen herausgezogen werden. Somit ergibt sich für die Teilintegrale I1 , I2 und I3 1 T ~s v~s I1 = v 2 ˚ 1 ρdx dy dz = m``~vs ``2 2 V ˚ 1 T ~ × ~s ω ρ (~r – ~rs ) dx dy dz = 0 I2 = v 2 V | {z } ~ =0 T ˚ 1 ~ × I3 = ω ρ(~r – ~rs )dx dy dz v~s = 0 2 V Zur Auswertung der Teilintegrals I4 ziehen wir die Lagrange’sche Identität ~ × b~ )T (c~ × d~ ) = (a~ T c~)(b~ T c~) – (b~ T c~)(a~ T d~ ) (a heran und erhalten 1 I4 = ˚ f T g ~ ω ~ (~r – ~rs )T (~r – ~rs ) – (~r – ~rs )T ω ~ω ~ T (~r – ~rs ) dx dy dz ρ ω 2 1 V ˚ f T g ~ (~r – ~rs )T (~r – ~rs )ω ~ –ω ~ T (~r – ~rs )(~r – ~rs )T ω ~ dx dy dz = ρ ω = 2 V 1 = 2 (8.3) ˚ f ~T ω g ~ = ρ (~r – ~rs )T (~r – ~rs )I – (~r – ~rs )(~r – ~rs )T dx dy dz ω V 1 = 2 ~ T Θs ω ~ ω Insgesamt ergibt sich also 1 T= 2 m``~ vs ``2 + 1 2 ~ T Θs ω ~ = Ttrans + Trot ω (8.4) Diese Trennung der Energieanteile in Translation und Rotation ist nur bei Bezug auf den Massenmittelpunkt möglich. Bemerkung Bei Drehung um eine Hauptträgheitsachse (z.B. z-Achse) gilt ~ s = Θs D 202 0 ~ = 0 ω Θzz,s ω z 9 Einfache Schwingungsvorgänge 2 m(2L)2 Mittels der kinematischen Beziehungen und Θ = 12 = mL 3 folgt daraus mL2 ẍ + ÿ x+y 2 x kL + kyL + mÿL + + =0 L L 3 L Umstellen nach y bzw ÿ ergibt zunächst 4 m mÿ + 2ky = –2kx – 3 3 ẍ = –2kxo cos ω t + k 5 cos ω t = – kx0 cos ω t 3 3 Wählt man als Ansatz für die Partikulärlösung (stationärer Zustand) y(t) = y0 cos ω t, so ergibt sich 4 – 3 5 5 ky0 + 2ky0 = – kx0 → y0 = – x0 3 2 Die maximale Lagerreaktion ist somit Bmax = 52 kx0 . Zur Bestimmung der Kraft F(t) wenden wir hier das Prinzip der virtuellen Arbeit an, indem wir eine virtuelle Verdrehung δψ der linken Systemhälfte ansetzen, und die rechte Hälfte entsprechend um δ y parallel verschieben. Dabei gilt δ y = δ x = Lδψ. δψ ψ ϕ δy δx Die virtuelle Arbeit ist dann δ A = F(t)δx – Θψ̈δψ – kd (ψ + ϕ )δψ + mÿδ y + kyδ y = 0 und daraus folgt unmittelbar F(t) = Θ L ψ̈ + kL(ψ + ϕ ) – mÿ – ky = m ẍ + 2kx + ky – mÿ – ky 3 Unter Benutzung der oben hergeleiteten Lösung für y(t) verbleibt k 5 5 F(t) = – x0 + 2kx0 – x0 k cos ω t = – x0 k cos ω t 3 2 6 241 Mechanik für IngenieurInnen 9.3.3 Dämpfung Der Einfluss der realen Energiedissipation (Umwandlung bzw. Abstrahlung von mechanischer Energie) kann am einfachsten durch Hinzufügen eines viskosen Dämpferelementes abgebildet werden. Dieses Element erzeugt Kräfte, die zur Dehnungsgeschwindigkeit proportional sind. Die Proportionalitätskonstante c heißt Dämpferkonstante. x k F(t) = F0 sin ω t m c Abbildung 9.8: Viskos gedämpftes System mit einem Freiheitsgrad x Die Bewegungsgleichung dieses gedämpften Systems ist (vgl. Abb. 9.8) mẍ + cẋ + kx = F(t) (9.40) Zunächst wird diese Gleichung für den Fall der freien Schwingung, also für F(t) = 0, gelöst. Mit Hilfe eines Exponentialansatzes x(t) = Aeλt (9.41) erhält man durch Einsetzen in Gl. 9.40 die charakteristische Gleichung mλ 2 + c λ + k = 0 (9.42) mit den Lösungen s λ1,2 = – c 2m c2 ± k 4m2 – (9.43) m Für √ nicht allzu große Werte der Dämpferkonstanten, genauer für c < 2 mk, sind diese charakteristischen Werte λ1,2 konjugiert komplex. Das heißt, dass die Exponentialfunktionen des Ansatzes Gl. 9.41 gemäß den Euler’schen Formeln auch trigonometrische Funktionen enthalten: ea±ib = ea (cos b ± i sin b) (9.44) In diesem Zusammenhang ist es vorteilhaft, die Größen ω 0 (Eigenkreisfrequenz des ungedämpften Systems), ζ (Dämpfungsgrad, Lehr’sches Dämpfungsmaß) und ω0 (Eigenkreisfrequenz des gedämpften Systems) r ω0 = 242 k c ; m ζ= √ 2 mk ; 0 q ω = ω0 1 – ζ2 (9.45) 11 Strömungsprobleme in der Baumechanik Geschwindigkeitsschwankungen auf, die meist gemittelt in die Beiwerte eingehen. Da die Drücke nicht notwendigerweise ein zentrales Kraftsystem bilden, ergibt sich in der Regel auch ein resultierendes Moment m je Längeneinheit, das analog durch einen Momentenbeiwert CM beschrieben wird m= ρv2 2 B 2 CM (11.24) Das Moment ist dabei auf einen charakteristischen Punkt (z.B. Querschnittsflächenschwerpunkt S) bezogen. Für die Wirkung von Wind auf Bauwerke ist die Abhängigkeit der Kraftbeiwerte vom Winkel der Anströmung von Bedeutung. Dabei kann diese Winkeländerung durch die Änderung der Windrichtung, aber auch durch die Bewegung des Bauwerks (vor allem bei weitgespannten Brücken) verursacht werden. Beispiel 11.6: Wasserturm unter Windeinwirkung Ein Wasserturm mit dünnem Schaft (Biegesteifigkeit EI, Höhe H) und einem kugelförmigen Behälter (Durchmesser D) wird von Wind mit über die Höhe näherungsweise konstanter Geschwindigkeit v angeströmt. Die Windwirkung auf den Schaft soll vernachlässigt werden. Unter dieser Einwirkung sollen das Einspannmoment Me und die Kopfpunktverschiebung u0 gemäß der Skizze ermittelt werden. v D FD M0 u0 H Me Me Die Zahlenwerte sind v = 20 m/s, D = 5 m, H = 22.5 m, EI = 400 MNm2 . Für die Berechnung der Windlast soll ein flächenbezogener Widerstandsbeiwert CD = 1.2 angenommen werden. Die Dichte der Luft ist ρ = 1.2 kg/m3 . 271 Mechanik für IngenieurInnen Die Windlast FD berechnet sich nach 1 D2 π = 5.66 kN FD = CD ρ v2 2 4 und daraus das Einspannmoment zu Me = FD · H + D = 141.38 kNm 2 Das Biegemoment im Kopfpunkt ist M0 = FD · D = 14.14 kNm 2 Dazwischen verläuft die Momentenlinie wie in der Skizze dargestellt linear. Unter der Annahme venachlässigbarer Schubverformungen und linear-elastischen Werkstoffverhaltens ist die Krümmung u00 gegeben durch M(z) 1 Me – M0 00 u =– =– z – Me EI EI H Durch zweifache Integration ergibt sich daraus unter Berücksichtigung der Randbedingungen u0(0) = 0 und u(0) = 0 1 Me – M0 2 u0 = – z – Me z EI 2H 1 Me – M0 3 Me 2 u=– z – z EI 6H 2 Schließlich ergibt sich die Kopfpunktverschiebung u0 daraus durch Einsetzen von z = H H2 u0 = (2Me + M0 ) = 0.063 m 6EI 11.6 Kármán’sche Wirbelstraße Bei der Umströmung eines kreiszylindrischen Querschnitts kann man feststellen, dass die Belastung pL quer zur Strömungsrichtung bei bestimmten Strömungsgeschwindigkeiten deutliche Oszillationen aufweist. Der Grund dafür sind Wirbel, die sich abwechselnd je auf einer Seite des Querschnitts ablösen (vgl. Abb. 11.7). Die Abfolge dieser Wirbel wird als Kármán’sche29 Wirbelstraße bezeichnet. Diese Wirbelablösung führt zu einer Gegenstrombewegung und damit zu niederigen Strömungsgeschwindigkeiten. Nach der Bernoulli-Gleichung 29 272 Theodore von Kármán, *1881 Budapest, +1963 Aachen