Übungsleiter Ausbildung Skriptum Modul 2 : Angewandte Physiologie Inhaltsübersicht: 1. Persönliche Leistungsfähigkeit 2. Motorische Grundeigenschaften 3. Allgemeine Anatomie - Bewegungsapparat a. Knochen und Knorpel b. Muskulatur c. Nervensystem 4. Beweglichkeit OLYMPIAZENTRUM VORARLBERG GMBH | HÖCHSTERSTR. 82 | A-6850 DORNBIRN T+43 5572 24465 | F+43 5572 24465-440 | [email protected] WWW.OLYMPIAZENTRUM-VORARLBERG.AT FN 320257 t LANDESGERICHT FELDKIRCH | UID-NUMMER: ATU64613305 HYPO LANDESBANK VORARLBERG | BIC: HYPVAT2B | IBAN: AT315800010453647019 1. Persönliche Leistungsfähigkeit Die persönliche Leistungsfähigkeit besteht aus drei Komponenten: • Belastung – Belastbarkeit: durch einen Reiz kommt es zur Reaktion (=Zerstörung der Homöostase) und in der Folge zu einer Anpassung an den Reiz • Erholung: bezeichnet das Auffüllen der Energiespeicher, die „Reparatur“ der durch das Training ausgelösten Schädigung von Muskel und Bindegewebe (Mikrorisse, …) Regenerationsmaßnahmen: Ausradeln, Auslaufen, … Aktive, passive Erholungsmaßnahmen: Kaltwasseranwendung, Schlaf, Black Roll, Faszientraining, … • Nährstoffe: Flüssigkeitshaushalt auffüllen Baustoffe zuliefern Energiespeicher auffüllen Übungsleiter Ausbildung Skriptum Modul 2: Angewandte Physiologie 2 2. Motorische Grundeigenschaften Die fünf motorischen Basisfähigkeiten sind… • • • • • Ausdauer Kraft Schnelligkeit Beweglichkeit Koordination … und entsprechen somit den 5 motorischen Grundeigenschaften bzw. konditionellen Fähigkeiten. Die komplexen motorischen Fähigkeiten sind beispielsweise Maximalkraft, aerobe Ausdauer, Aktionsschnelligkeit oder Koordination unter Zeitdruck. Diese Fähigkeiten sind übertragbar auf die verschiedenen Sportarten. Übungsleiter Ausbildung Skriptum Modul 2: Angewandte Physiologie 3 Jede Eigenschaft beeinflusst die andere, d.h. es gibt einen direkten gegenseitigen Zusammenhang bzw. eine wechselseitige Beeinflussung der verschiedenen motorischen Grundeigenschaften. • Ausdauer • Ermüdungswiderstandsfähigkeit (gewählte Intensität aufrecht erhalten, Verluste an Intensität gering halten, Technik und Taktik über längere Zeit stabilisieren) Regenerationsfähigkeit (nach Belastung schnell erholen) Herz-Kreislaufaktivität, Stoffwechsel Kraft Zentraler Sammelbegriff, welcher im übergeordneten Sinn die Trainingsart mit dem generellen Ziel der Verbesserung der motorischen Kraftfähigkeit beschreibt. Krafttraining kann einerseits nach seiner Wirkungsweise (z.B. Hypertrophietraining), anderseits nach seiner Zielsetzung (z.B. Schnellkraft) differenziert werden. Entwicklung struktureller Belastbarkeit (Bindegewebe, Sehnen, …) und Entwicklung der neuro-muskulären Fähigkeiten Schnelligkeit Eine Fähigkeit des Nerv-Muskelsystems, in maximal kurzem Zeitabschnitt motorisch zu reagieren und/oder zu agieren (Handlungsschnelligkeit). (Hohmann et al. 2003) Neurales System, Reflexaktivität, … Beweglichkeit Die Fähigkeit zur Ausnutzung der Schwingungsweite in Körpergelenken: • im engeren Sinne: Gelenkigkeit, Flexibilität, Biegsamkeit • im weiteren Sinne: Gewandtheit • Koordination • Koordinative Fähigkeiten kennzeichnen individuelle Differenzen im Niveau der Systeme der Bewegungssteuerung und –regelung. Ihrem Fähigkeitscharakter entsprechend repräsentieren sie jeweils technikübergreifende Leistungsvoraussetzungen. (Roth 1999) „Training der Trainierbarkeit“ = über Schulung der koordinativen Fähigkeiten schneller Fertigkeiten lernen Grundlage für gesunde und ökonomisch „leichte“ Bewegungsabläufe sowie Stressregulation unseres Bewegungsapparates Neuromuskuläres Zusammenspiel mehrerer Parameter (Ansteuerung, ökonomisches Verhalten, Sinne, …) Übungsleiter Ausbildung Skriptum Modul 2: Angewandte Physiologie 4 3. Allgemeine Anatomie - Bewegungsapparat Die Zelle Die wichtigsten Bestandteile einer Zelle sind der Zellkern, die Mitochondrien, der Golgi-Apparat und das Endoplasmatisches Retikulum. Durch Training kommt es in der Zelle sowohl zu Strukturanpassungen als auch zu Arbeitsanpassungen. Im Zellkern abgespeicherte DNA-Sequenzen liefern nur ein Repertoire an „Wörtern“, „Regeln“ oder „Leistungen“. Die Zellen werden aber durch bestimmte Übungen und Trainings dazu gebracht, gewisse DNA-Sequenzen intensiver zu nützen. Sie passen ihren Stoffwechsel und ihre Funktion daran an ( spezifische Arbeitsweise, z.B. Muskelzelle). Alle Zellen besitzen Lernfähigkeit bis ins hohe Alter: Neue Erfahrungen wirken auf die Genetik der Zelle materielle Abläufe oder auch Adaptationsvorgänge sind dauerhaft erlernbar. Somit haben wir mit jedem Training Einfluss auf die Ausrichtung der Zellen und ihre Kommunikation untereinander (Stoffwechsel, Signal und Botenstoffe), womit eine Lenkung der Wachstums- und Differenzierungsprozesse möglich ist. Bewegungsapparat a. Passive Strukturen des Bewegungsapparats: Knochen, Bänder, Sehnen, Knorpel, Gelenkkapsel und Nerven. b. Aktive Strukturen des Bewegungsapparats: Muskeln, „Mischstrukturen“ (= Faszien) Die verschiedenen Zellen dieser Strukturen haben differenzierte Funktionen, wie Druck ( Chondroblasten, Osteoblasten), Zug ( Fibroblasten), Zusammenziehen ( Myoblasten). Die Konsequenz ist, dass jede einzelne Struktur des Bewegungsapparates trainierbar ist – allerdings muss das Verhältnis zwischen Belastung und Belastbarkeit stimmen. Übungsleiter Ausbildung Skriptum Modul 2: Angewandte Physiologie 5 a. Knochen und Knorpel Knochen Der Knochen unterliegt einem ständigen Umbauprozess. Innerhalb von 90 Tagen sind alle Zellen einmal überholt. Zudem passt er sich an Belastungen an - bei Inaktivität findet allerdings ein Abbau statt. Funktionen: • Bildet stabiles Skelettsystem • Grundgerüst • Ankerstelle für Muskeln, Faszien, Bänder, Knorpel Primäre Ursache für das Entstehen von Osteoporose ist Bewegungsmangel. Knorpel Knorpelgewebe verfügt über keine eigene Blutversorgung (nur bis ins Jugendalter durchblutet), sondern wird über Gelenksflüssigkeit sowie durch Be- und Entlastung ernährt. Es zeichnet sich durch einen vier Zonen-Aufbau aus, dabei ist wichtig, Knorpelgewebe einem ständigen Be- und Entlastungsprozess zu unterziehen, da er bei Immobilisation schnell an Dicke verliert. Funktionen: • Puffer: Stoßdämpfer, absorbieren von Scherkräften • Schmierung: optimales Gleiten der Gelenkspartner in Zusammenhang mit der Synovia (=Gelenksflüssigkeit) Gelenk Im Gelenk unterliegen die verschiedenen Strukturen (Knochen, Knorpel, Muskeln, …) einem komplexen Zusammenspiel. Damit dies auch immer funktioniert, erfordern diese Strukturen nicht nur Training, sondern auch Pflege und Betreuung (Wärme, …). Übungsleiter Ausbildung Skriptum Modul 2: Angewandte Physiologie 6 b. Muskulatur Es gibt drei Arten von Muskulatur: • • • Glatte: Magen, Darm, … Willkürlich und unwillkürlich steuerbar Quergestreifte: Skelettmuskulatur willkürlich steuerbar Herzmuskulatur Funktion: • können sich nur kontrahieren/sich zusammenziehen Gegenspieler die Streckung erfolgt über die Agonist: der Muskel, der eine Bewegung macht Synergist: der, der ihm dabei hilft Antagonist: Gegenspieler Die Muskeln bestehen, von außen nach innen gesehen, aus Muskelhülle, Muskelfaserbündel: • Muskelfasern • Myofibrillen • Sarkomer Aufbau des menschlichen Muskels (Quelle: www.fitness-uebung.de) Drei Arten von Muskelfasern der Skelettmuskulatur: • • • Slow-Twitch-Fasern (Typ I Fasern): langsam, rot, viel Mitochondrien, aerob Fast-Twitch-Fasern vom oxidativen Typ (Typ IIa Fasern): schnell, heller, weniger Mitochondrien, vorwiegend aerob Fast-Twitch-Fasern vom glykolytischen Typ (Typ IIx Fasern): sehr schnell, hell, wenige Mitochondrien, vorwiegend anaerob Übungsleiter Ausbildung Skriptum Modul 2: Angewandte Physiologie 7 Komponenten der Muskulatur: • Aktive: Aktin- & Myosinfilamente • Passive: Faszien, Zellmembranen, Zellskelettstrukturen Voraussetzung für die Muskelkontraktion • Signal vom zentralen Nervensystem • Mineralstoffe (Kalzium und Magnesium) • Energie: ATP Die motorische Einheit Eine motorische Einheit besteht aus einem Motoneuron und ca. 5-1200 dazugehörigen Muskelfasern. Übungsleiter Ausbildung Skriptum Modul 2: Angewandte Physiologie 8 c. Nervensystem Das Nervensystem besteht aus zwei Arten: dem vegetativen Nervensystem (=unwillkürliches Nervensystem) und dem somatischen (willkürlichen) Nervensystem. Eigenschaften: • • • • • informationsweiterleitung sehr sensibel kaum dehnfähig gleitet innerhalb einer Hülle gut durchblutet Die Gleitfähigkeit der neuralen Strukturen wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst: • • • • Druck Stoffwechsel Belastung Flexibilität und Mobilität aller umliegenden Strukturen bzw. innerhalb des Nerven Bewegung beeinflusst auch die Durchblutung des Nerven und die Nervenleitgeschwindigkeit (Warm up!) Zentralnervensystem Die Funktionsweise des Zentralnervensystems, grob erklärt, erfolgt so, dass der Reiz vom Gehirn aus ans Rückenmark geleitet wird und von dort aus an die Muskeln weitergeht um beispielsweise eine Kontraktion auszulösen. Man spricht also nicht vom Muskel, sondern vom: NEURO-MUSKEL-SEHNE-KNOCHEN-Komplex Das Training hat somit Einfluss auf das Muskel-, Sehnenund Knochengewebe sowie auf die neuralen Strukturen! Zentralnervensystem (Quelle: eggetsberger-info.blogspot.co.at) Übungsleiter Ausbildung Skriptum Modul 2: Angewandte Physiologie 9 4. Beweglichkeit Die Beweglichkeit eines Menschen setzt sich aus mehreren Faktoren zusammen: • • • • Knöcherne Strukturen Passive Strukturen (Sehnen, Bänder, Kapseln, Menisken, Disci) Aktive Strukturen (Muskeln – Agonist/Antagonist) Neurale Strukturen Es gibt damit also eine passive und eine aktive Beweglichkeit. Die Muskellänge ist nur bedingt beeinflussbar, sehr wohl aber die Elastizität, Flexibilität und Verdrehbarkeit. Lang anhaltende Dehnungen wirken vor allem auf den Muskeltonus (= Spannungszustand der Muskulatur). Mobilisationsübungen (=dynamische Bewegungsübungen) wirken sich auf alle am Gelenk beteiligten Strukturen aus (schmieren, gleiten, Elastizität der einzelnen Strukturen untereinander). Die Beweglichkeit muss immer den Anforderungen der jeweiligen Sportart entsprechen: Optimaler Range, Verletzungsprophylaxe, Performance. Merke Aktive Mobilisation gehört in jedes Warming-up und gehört in individuellem Umfang auch sportartspezifisch trainiert. Warming-up • Vorbereiten, „bereit“ machen, sich konzentrieren • Sprichwörtlich: Temperatur erhöhen (37-38°) = verbesserte Reizweiterleitung, Stoffwechselerhöhung, gesteigerte Enzymaktivität Warming-up ist die Vorbereitung auf eine folgende Leistung und ist zudem leistungsbezogen. Das „Problem“ beim Trainieren ist die Vorbelastung durch ADL (Arbeit, Stress,…). Je besser die Vorbereitung, desto erfolgreicher und effektiver kann das anschließende Trainingsbzw. Belastungs- Programm durchgeführt werden. Auch die Prävention beginnt mit einem richtigen Aufwärmen = Vorbereiten der anschließend belasteten Strukturen. Allerdings gibt es keine wissenschaftlich relevanten Studien, die beweisen, dass ein Warming-up präventiv Verletzungen vorbeugt (Verletzungen haben mehr mit Ermüdung zu tun). Die Ermüdungsgefahr allerdings hängt sehr direkt mit dem Aufwärmen und dem Vorbereiten zusammen, was deshalb auch für die Prävention eine wesentliche Rolle spielt. Übungsleiter Ausbildung Skriptum Modul 2: Angewandte Physiologie 10 Warming-up: Tonisieren 1. Allgemeines Aufwärmen: aerobe Belastung, zyklische Sportart Z.B.: Laufen, Ergometer, … 2. Flexibilität und Elastizität / Allgemeines Tonisieren: sowohl Tonus senken als auch Tonus finden oder aufbauen, je schneller (explosiver) eine Sportart ist desto länger dauert diese Phase, Tonisieren über möglichst großen Bereich Z.B.: federnde Dehnungen, Liegestütz, Fußsprünge, Ausfallschritte, Squat, … 3. Spezifisches Tonisieren: verschiedene Variationen und unterschiedliche Anforderungen an das Nervensystem, kurze Belastungen – lohnende Pausen, schrittweiser Aufbau Z.B.: Lauf-ABC, Sprint-ABC, Wurf-ABC, Sprung-ABC, … 4. Spezifisches Belasten: z.B. laktisches Energiesystem aktivieren für Ausdauersportarten vor Wettkämpfen, Sprint, Wurf, … Achtung vor Ermüdung im Warming-up!! Cooling-down = erster Schritt der optimalen Regeneration. Dabei werden alle Systeme „heruntergefahren“, der Tonus reguliert und die (Abfall-) Stoffwechselprodukte abtransportiert. Stabilisation Die Stabilisation ist von großer Bedeutung und gehört in jeden Trainingsplan Rumpfkraft = Leistung (z.B. Punktum Fixum/Punktum Mobile, Säulen-Anker-Kraftübertragungsprinzip). Übungsleiter Ausbildung Skriptum Modul 2: Angewandte Physiologie 11 Rumpfmuskulatur • Halte und Stützfunktion: bildet Korsett, Stamm, kräftige zentrale Säule - • Ventral (vorne): bilden Grundlage der vorderen und seitlichen Bauchwand - • Vorbeugen (Flexion), Seitbeugen (Latflex), Seitdrehen (Rotation), 3D Bewegungen Rücken: Stabilisation und Bewegung Wirbelsäule, Antagonisten zur vorderen Muskelgruppe - • wichtig für jede Sportart: Punktum Mobile – Punktum Fixum zur optimalen Kraftübertragung der Extremitäten Streckung Wirbelsäule (v.a. LWS) - Extension (3D) Abdominale Druckerhöhung: Zwerchfell, Beckenboden, „Hilfsatemmuskeln“ beim forcierten Ausatmen Prävention Die Prävention beinhaltet sowohl die Belastung- und Belastbarkeitsanalyse sowie die Trainingsplanung: • Warming-up (Vorbereiten) • Athletiktraining (Grundmotorische Eigenschaften) • Technikschulung (Laufstilschulung/Lauf ABC) • Cooling-down (Regeneration einleiten, Kaltwasser,…) • Beweglichkeitstraining/Dehnen/Mobilisieren • Kräftigungs- und Stabilisationstraining • Ausrüstung (Schuhe, Kleidung,…) • Ernährung (Voraussetzung für Adaptation) • Ergänzende Regenerationsunterstützende Maßnahmen (Massage, Massagerollen, Bäder, Sauna, Infrarot,…) Übungsleiter Ausbildung Skriptum Modul 2: Angewandte Physiologie 12