Erreger zwischen Tier und Mensch

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22.04.2009
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KA R R IE R E , KÖP FE & KON Z EPTE
Virenjagd
Erreger zwischen Tier und
Mensch
STEPHAN BECKER
INSTITUT FÜR VIROLOGIE, UNIVERSITÄT MARBURG
ó SARS, Ebola-Virus und Kuhpocken haben
einiges gemeinsam: Es handelt sich um Viren,
deren natürliches Reservoir Tiere sind, und
sie lösen bei Übertragung auf den Menschen
schwere Erkrankungen aus. Die jeweiligen
Wirtstiere sind durch die Infektion nicht
ernsthaft beeinträchtigt. Jeder zweite in den
letzten 40 Jahren epidemisch aufgetretene
neue Krankheitserreger war ein zoonotisches
Virus oder Bakterium[1]. Obwohl Infektionen
mit dem Ebola-Virus von den drei genannten
Viren am schwersten verlaufen, ist diese
Infektion für die Menschheit nicht sonderlich
bedrohlich, denn Ebola-Viren breiten sich
nicht leicht von Mensch zu Mensch aus. Problematischer ist der SARS-Erreger, ein Coronavirus, das in kürzester Zeit trotz drakonischer Quarantänemaßnahmen 8.000 Personen infizierte. Aber Viren, die vom Tier auf
den Mensch übertragen werden können, kommen auch bei uns vor. Etwa in Haustieren,
die aus tropischen Ländern importiert werden. „Schmuseratten“ übertragen Kuhpocken
und Hamsterratten aus Gambia brachten
Affenpocken in die USA.
Außerdem können Insekten oder Zecken
Viren von Tieren auf den Menschen übertragen. Beispiele dafür sind Gelbfieber-, WestNil- sowie Dengue-Virus, das jedes Jahr Hunderttausende befällt und sich scheinbar unauf-
˚ Die Riesenhamsterratte Cricetomys gambianus aus Gambia wird als Heimtier immer
beliebter. Sie kann jedoch unter Umständen
Krankheiten wie die Affenpocken übertragen
(Bild: Simon’s Rodents, www.simonsrodents.
co.uk).
haltsam ausbreitet. Mit dem Klimawandel
ändern sich auch in unseren Breiten die
Lebensbedingungen für Viren-übertragende
Insekten (K. Stark, BIOspektrum 7 (2008) 679).
Was bedeuten diese Befunde von Viren und
anderen Krankheitserregern, die von Tieren
auf den Menschen überspringen, für die
Gesellschaft und die Wissenschaft? Sich
schnell ausbreitende Epidemien wie SARS
zeigen, welche Dynamik zoonotische Viren
entwickeln können, wenn sie effizient von
Mensch zu Mensch übertragen werden. Dazu
gehört eine Anpassung der animalen Viren
an den Menschen. Erfolgt diese unter dem
Brennglas des öffentlichen Interesses, wie
bei der Vogelgrippe, scheint die größte Gefahr
gebannt. Es wird aber immer Fälle geben, bei
denen sich die Anpassung von animalen
Viren an den Menschen im Geheimen vollzieht und dann wie aus dem Nichts eine Epidemie entsteht. Als Schmelztiegel für solche
Ereignisse scheinen Gebiete prädestiniert, wo
sich durch menschliche Aktivitäten oder den
Klimawandel Habitate von Tieren und Menschen verschieben. Dies gilt etwa dort, wo
Regenwald massiv abgeholzt wird und
dadurch Tiere sich neue Lebensräume
erschließen müssen. Dann werden plötzlich
Menschen und Tiere mit neuen Viren der
Gegenseite konfrontiert. Das hat glücklicherweise nur in seltenen Fällen fatale Folgen für den Menschen. Allerdings kommt es
vor, dass die animalen Viren erfolgreich den
Sprung auf den neuen Wirt schaffen. Wenn
sich dann durch Mutationen Viren entwickeln, die leicht von Mensch zu Mensch übertragbar sind, kann das schwer wiegende Folgen haben. Das Paradebeispiel ist die AIDSPandemie.
Gut wäre es zu wissen, was da aus dem
Regenwald auf uns zukommt. Es gibt deshalb
inzwischen Initiativen, die die mikrobiologische Fauna von tropischen Tieren und Pflanzen untersuchen, um deren Gefährdungspotenzial zu evaluieren (www.gvfi.org). Dazu
werden Areale bestimmt, etwa in Zentralafrika, in denen die Übertragung von animalen
Krankheitserregern auf den Menschen
besonders wahrscheinlich erscheint – etwa,
wenn Menschen bei der Jagd in engen Kontakt mit Wildtieren kommen. Hier untersucht
man Insekten und Säugetiere auf das Vorkommen von Viren. Ebenso wird das Blut der
einheimischen Bevölkerung auf Antikörper
gegen die gefundenen animalen Viren getestet. Haben dazu noch Antikörper-positive Menschen eine unerklärliche Erkrankung durchgemacht, liegt der Verdacht nahe, dass es sich
um ein potenziell gefährliches Virus handelt.
Mittels solcher Stichproben lässt sich ein Überblick darüber erlangen, wie oft Übertragungen von animalen Krankheitserregern auf den
Menschen vorkommen. Epidemien lassen sich
damit aber nur bedingt verhindern.
Auf das epidemische Auftreten von neuen
Viren können wir uns gezielt vorbereiten.
Dazu gehört es, Strategien und Strukturen zu
entwickeln, mittels derer sich unsere Gesellschaft besser gegen Epidemien von unbekannten und hochpathogenen Krankheitserregern zur Wehr setzen kann. Ein effizientes
öffentliches Gesundheitssystem ist dafür
unerlässlich. Die schnelle Identifizierung und
Charakterisierung von neuen Krankheitserregern ist die zweite wichtige Aufgabe, die
im Falle von SARS hervorragend gelöst wurde. Die dritte Aufgabe ist die Entwicklung von
Strategien, um schnell Impfstoffe und antivirale Medikamente gegen neue Viren herzustellen und zuzulassen. Auf diesem Feld muss
noch viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit geleistet werden. Zudem müssen sich
Gesundheitsämter und Kliniken, Forschungsinstitute und Pharmaindustrie sowie Zulassungsbehörden enger miteinander vernetzen,
damit unsere Gesellschaft in Zukunft gegen
die Auswirkungen von Epidemien zoonotischer Krankheitserreger besser gewappnet
ist.
ó
Literatur
[1] Jones, K. E., Patel, N. G., Levy, M. A., Storeygard, A., Balk,
D., Gittleman, J. L., Daszak, P. (2008): Global trends in emerging infectious diseases. Nature 451: 990–993.
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Stephan Becker
Philipps-Universität Marburg
Institut für Virologie
Hans-Meerwein-Straße 2
D-35037 Marburg
Tel.: 06421-2866253
Fax: 06421-2866892
[email protected]
BIOspektrum | 03.09 | 15. Jahrgang
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