Genetik der hypertrophischen Kardiomyopathie

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Genetik der hypertrophischen
Kardiomyopathie
Meder B, Katus HA, Rottbauer W
Journal für Kardiologie - Austrian
Journal of Cardiology 2009; 16
(7-8), 274-278
Homepage:
www.kup.at/kardiologie
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G a b l i t z
Medizintechnik
Neues aus der Medizintechnik
Medizintechnik
Jetzt in 1 Minute Früh­
erkennung der PAVK: boso
ABI­system 100
PAVK – Die unterschätzte Krankheit
Die periphere arterielle Verschlusskrank­
heit (PAVK) ist weitaus gefährlicher und
verbreiteter als vielfach angenommen.
Die getABI­Studie [1] zeigt, dass 20 %
der > 60­Jährigen eine PAVK­Prävalenz
aufweisen. Die PAVK wird oft zu spät
diagnostiziert. Das liegt vor allem da­
ran, dass die Betroffenen lange Zeit be­
schwerdefrei sind und eine entsprechen­
de Untersuchung daher meist erst in
akuten Verdachtsfällen erfolgt. Mit dem
Knöchel­Arm­Index („ankle­brachial
index“ [ABI]) ist die Diagnose einer
PAVK durchführbar. Der Knöchel­Arm­
Index (ABI) ist ein wesentlicher Marker
zur Vorhersage von Herzinfarkt, Schlag­
anfall und Mortalität.
PAVK­Früherkennung mit dem boso
ABI­system 100: Ein Gewinn für alle.
Eine präzise und schnelle, vaskulär
orientierte Erstuntersuchung.
Der entscheidende Wert für die Dia­
gnose der PAVK ist der Knöchel­Arm­
Index („ankle­brachial index“ [ABI]).
Das boso ABI­system 100 ermittelt die­
sen Wert zeitgleich und oszillometrisch
an allen 4 Extremitäten. Die eigentliche
Messung dauert dabei nur ca. 1 Minu­
te. Ein ABI­Wert < 0,9 weist im Ver­
gleich mit dem Angiogramm als Gold­
standard mit einer Sensitivität von bis
zu 95 % auf eine PAVK hin und schließt
umgekehrt die Erkrankung mit nahezu
100 % Spezifität bei gesunden Perso­
nen aus.
Das boso ABI­system 100 wurde wei­
terentwickelt und ist jetzt optional
mit der Messung der Pulswellenge­
schwindigkeit ausgestattet.
Optional ist das boso ABI­system 100
ab sofort auch mit der Möglichkeit zur
Messung der Pulswellengeschwindig­
keit (ba) verfügbar. Mit der Messung
der Pulswellengeschwindigkeit („pulse
wave velocity“ [PWV]) kann eine arteri­
elle Gefäßsteifigkeit diagnostiziert wer­
den. Die Steifigkeit der arteriellen Ge­
fäße nimmt mit einer fortschreitenden
Arteriosklerose zu, was sich durch eine
Erhöhung der Pulswellengeschwindig­
keit darstellt. PWV und ABI­Wert er­
möglichen eine noch fundiertere Risi­
kostratifizierung von kardiovaskulären
Ereignissen.
Literatur:
1. http://www.getabi.de
Weitere Informationen:
Boso GmbH und Co. KG
Dr. Rudolf Mad
A-1200 Wien
Handelskai 94–96/23. OG
E-Mail: [email protected]
Genetik der HCM
Genetik der hypertrophischen Kardiomyopathie
B. Meder, H. A. Katus, W. Rottbauer
Kurzfassung: Die hypertrophische Kardiomyopathie (HCM) ist die erste Kardiomyopathie,
bei der eine genetische Ursache nachgewiesen
werden konnte. Es sind inzwischen mehr als 400
weitere krankheitsverursachende Mutationen in
19 unterschiedlichen, für Sarkomerbestandteile
kodierenden Genen identifiziert worden. Hierbei
sind am häufigsten die Gene der „β-Myosin
heavy chain“ (MYH7), des „Myosin binding
protein C“ (MYBPC3) und des kardialen Troponin
T (TNNT2) betroffen.
Die klinische Präsentation der HCM kann äußerst variabel sein. Die Ausprägung der Erkrankung und phänotypische Besonderheiten sind
dabei zum Teil durch die zugrundeliegende Mutation erklärbar. Jedoch besteht nicht immer
eine eindeutige Genotyp-Phänotyp-Korrelation,
was durch den Einfluss von äußeren Umweltfaktoren und durch den genetischen Hintergrund
(„modifier genes“) erklärt wird.
Die derzeit gängige Methode zur genetischen
Diagnostik von HCM-Patienten und deren Fami-
lienangehörigen ist die bidirektionale Sequenzierung der bekannten Krankheitsgene. Die Entscheidung zur genetischen Testung und die Mitteilung von Testergebnissen sollten dabei immer
im Rahmen einer humangenetischen und kardiologischen Beratung stattfinden. Bei Nachweis
bestimmter Mutationen in den Genen MYH7,
TNNI3 und TNNT2 muss von einem potenziell
malignen Verlauf ausgegangen werden.
Abstract: Genetics of Hypertrophic Cardiomyopathy. Hypertrophic cardiomyopathy (HCM)
is the first cardiomyopathy in which a genetic
cause could be identified. Subsequent molecular genetic studies have defined HCM as a disease of the sarcomere, which can be caused by
over 400 mutations in 19 sarcomeric or sarcomere-associated proteins. Most mutations reside
within the “β-Myosin heavy chain” (MYH7),
“Myosin binding protein C” (MYBPC3) and “cardiac Troponin T” (TNNT2) genes.
„ Klinik der hypertrophischen Kardiomyopathie
Die hypertrophische Kardiomyopathie (HCM) ist eine primäre Erkrankung des Myokards, bei der eine meist asymmetrische Verdickung des linken Ventrikels beobachtet werden kann. Pathohistologisch handelt es sich um eine Volumenzunahme des einzelnen Kardiomyozyten im Sinne einer
Hypertrophie und nicht um eine Anzahlvermehrung von
Zellen (Hyperplasie). Hierbei ist entscheidend, dass die kardiale Hypertrophie nicht durch eine vermehrte Beanspruchung,
wie zum Beispiel durch langjährige unbehandelte arterielle
Hypertonie, ausgeprägte sportliche Betätigung oder Herzklappenvitien induziert wurde.
Die Prävalenz der HCM wird mit ca. 20–40 pro 100.000 Einwohner angegeben [1]. Sie ist damit die zweithäufigste Kardiomyopathieform nach der dilatativen Kardiomyopathie. Die
klinische Manifestation der HCM ist erstaunlich variabel, was
nicht nur den Zeitpunkt des Auftretens erster Symptome, sondern insbesondere auch die vom Patienten geschilderte Symptomatik betrifft. In diesem Zusammenhang ist mitentscheidend, ob es sich um eine HCM ohne Ausflusstraktobstruktion
handelt (hypertrophisch nicht-obstruktive Kardiomyopathie,
HNCM; ca. 75 % der Fälle) oder ob eine obstruktive Komponente nachweisbar ist (hypertrophisch obstruktive Kardio-
Eingelangt am 31. Juli 2008; angenommen am 13. August 2008.
Aus der Abteilung Innere Medizin III, Kardiologie, Angiologie und Pulmologie,
Universitätsklinik Heidelberg, Deutschland
Korrespondenzadresse: Dr. med. Wolfgang Rottbauer, Abteilung Innere Medizin III,
Kardiologie, Angiologie und Pulmologie, Universitätsklinik Heidelberg, Im Neuenheimer Feld 410, D-69120 Heidelberg, Deutschland;
E-Mail: [email protected]
274
Phenotypic characteristics, disease manifestation and progression can vary significantly between HCM patients, however these differences
can not be explained solely by the underlying
gene mutation. In most HCM cases an exact
genotype-phenotype correlation is missing, outlining that besides the disease causing gene defect other factors, such as environmental factors
and the genetic background (modifier genes)
considerably modify manifestation and progression of HCM.
Today, genetic testing of HCM patients and
their relatives is usually carried out by bi-directional sequencing of the known disease genes.
Genetic testing and counselling of patients and
their families should be conducted by a team of
human geneticists and cardiologists. If distinct
high-risk mutations in MYH7, TNNI3 and TNNT2
are identified in HCM patients, a potentially malignant disease course must be expected. J Kardiol 2009; 16: 274–8.
myopathie, HOCM; ca. 25 % der Fälle). Anfänglich meist
unspezifische Beschwerden wie Unwohlsein und Leistungsmangel können sich zu Zeichen verminderten kardialen Auswurfs, Angina pectoris und Dyspnoe bzw. Arrhythmie mit
Palpitationen, Schwindel und (Prä-)Synkope verschlechtern.
Nicht selten treten HCM-assoziierte maligne Rhythmusereignisse als Erstmanifestation der Erkrankung auf und stellen
die häufigste Ursache für den plötzlichen Herztod bei unter
35-Jährigen dar [2, 3].
Bildgebende Verfahren wie die Echokardiographie (Abb. 1)
und Magnetresonanztomographie in Kombination mit dem
12-Kanal-EKG stellen die wichtigsten apparativen Untersuchungsmethoden bei der Diagnostik einer HCM dar. Bei Nachweis einer HCM-Erkrankung kann mit diesen Untersuchungsverfahren ein einfaches Screening von Angehörigen des Indexpatienten durchgeführt werden. Hierbei werden, wie in Tabelle 1 dargestellt, entweder ein Hauptkriterium oder zwei echokardiographische Nebenkriterien bzw. ein echokardiographisches und zwei elektrokardiographische Nebenkriterien gefordert. Mittels einer invasiven Herzkatheterdiagnostik können direkt hämodynamische Parameter bestimmt und durch
eine linksventrikuläre Myokardbiopsie eine histologische
Sicherung herbeigeführt werden. In dieser ist eine Hypertrophie und ein Dysarray von Kardiomyozyten und Myofillamenten und eine interstitielle Fibrose typischerweise zu finden [5].
„ Genetik
Die HCM ist die erste Kardiomyopathie, bei der eine genetische Ursache belegt werden konnte. Die 1990 identifizierte
Genmutation in der Myosin-schwere-Kette und in der Folge
fortschreitende Aufklärung der Genetik weiterer familiärer
HCM-Fälle zeigte, dass es sich um eine Erkrankung des
J KARDIOL 2009; 16 (7–8)
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Genetik der HCM
Abbildung 1: Echokardiographie eines Patienten mit
HOCM. (A) Parasternale lange
Achse: Das linksventrikuläre
Myokard ist septal betont,
konzentrisch massiv hypertrophiert (Septumdicke ca.
26 mm). (B) Apikaler Dreikammerblick: Partielle Obstruktion des LVOT mit einem
dopplersonographisch gemessenen Ruhegradienten von ca.
130 mmHg. (C) Das SAMPhänomen des anterioren Mitralsegels führte bei diesem
Patienten zu einer mittelgradigen Mitralklappeninsuffizienz
(MI) (D). LA = linkes Atrium;
LV = linker Ventrikel; * = LVOT,
AV = Aortenklappe; MV = Mitralklappe; SAM = „systolic
anterior motion“.
Sarkomers bzw. Sarkomer-interagierender Proteine handelt
[6–8]. Sarkomere bestehen aus Bündeln dünner, dicker und
elastischer Myofilamente und sind die funktionelle Grundlage
der myozytären Kontraktilität. Die molekularen Abläufe, welche letztlich zur Myokardhypertrophie führen, sind noch
unvollständig verstanden. Es wird angenommen, dass Hypertrophie-induzierende Genprogramme einerseits durch eine
gestörte Ca2+-Homöostase und andererseits durch eine Störung der myofilamentären Kraftgenerierung mit ineffizientem
Gebrauch von ATP aktiviert werden [6, 9, 10].
Wie angedeutet, handelt es sich bei der HCM um eine multigene Erkrankung, bei der insgesamt über 400 krankheitsverursachende Mutationen in 19 verschiedenen Genen
(Tab. 2) identifiziert werden konnten [5, 6, 11, 12]. Die
bislang größte Anzahl an Mutationen wurde in dicken Filamentproteinen nachgewiesen. In den für den aktiven Kontraktionsablauf verantwortlichen Sarkomerbestandteilen „α- und
β-Myosin heavy chain“ (MYH6; MYH7) und den regulatorischen „Myosin light chain 2 und -3“ finden sich insgesamt
mehr als 300 unterschiedliche Mutationen, welche die Ausbildung einer HCM verursachen können. Weiterhin sind Mutationen im kardialen „Myosin binding protein C“ (MYBPC3)
sehr häufig, gefolgt von Mutationen in kardialen Troponinen
(TNNT2; TNNI3; TNNC1). Der Vererbungsmodus ist hierbei
in der überwiegenden Anzahl autosomal-dominant, selten rezessiv bzw. mitochondrial.
Wird die Diagnose HCM bei einem Patienten gestellt (Indexpatient), sollten aufgrund des Vererbungsmodus weitere Fälle
von HCM-Erkrankungen in der zugehörigen Familie ausgeschlossen werden. Hierzu ist eine sorgfältige Familienanamnese und Stammbaumerstellung unabdingbar (beispielhafter Stammbaum siehe Abb. 2). Eine identifizierte Indexmutation einer solchen HCM-Familie ist oft als „private
Mutation“ anzusehen, dass heißt, sie ist innerhalb dieser
Familie entstanden und für diese spezifisch. Fälle nicht-familiärer HCM sind meist auf Spontanmutationen ebenfalls in
einem der in Tabelle 2 dargestellten Gene begründet.
„ Genotyp-Phänotyp-Korrelation
Eine wichtige Voraussetzung für ein gezieltes klinisches Management von HCM-Patienten mit identifizierter Genmutation wäre eine ausreichend hohe Korrelation zwischen
Genotyp und Phänotyp. Interessanterweise zeigen einige
HCM-Familien bestimmte phänotypische Besonderheiten. Zu
diesen zählen zum Beispiel das Ausmaß und Lokalisation der
J KARDIOL 2009; 16 (7–8)
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Genetik der HCM
Tabelle 1: Diagnosekriterien für ein Screening von Angehörigen bei bekannter familiärer HCM. Nach [4].
Tabelle 2: HCM-Krankheitsgene
Protein
Gen
Häufigkeit
bei HCM
β-Myosin heavy chain
α-Myosin heavy chain
Cardiac myosin binding protein C
Cardiac troponin T
Cardiac troponin I
Cardiac troponin C
α-Tropomyosin
Essential myosin light chain 3
Regulatory myosin light chain 2
Cardiac α-Actin 1
Titin
Muscle LIM protein
LIM binding domain 3
Telethonin
Vinculin
α-Actinin 2
Phospholamban
Myozenin 2
Junctophilin 2
MYH7
MYH6
MYBPC3
TNNT2
TNNI3
TNNC1
TPM1
MYL3
MYL2
ACTC
TTN
CSRP3
LDB3
TCAP
VCL
ACTN2
PLN
MYOZ2
JPH2
25–50 %
Selten
20–40 %
3–20 %
5%
Selten
0,5–5 %
< 0,5 %
2,5–5 %
Selten
Selten
Selten
Selten
Selten
Selten
Selten
Selten
Selten
Selten
Konventionelle Echokardiographiekriterien
Major:
Minor:
– MWT > 13 mm
– MWT = 13 mm
Europäische Echokardiographiekriterien
Major:
Minor:
– MWT ≥ 13 mm anteroseptal oder posterior
– MWT ≥ 15 mm posteroseptal, lateral oder ausgeprägtes SAM
– MWT ≥ 12 mm anteroseptal oder posterior
– MWT ≥ 14 mm posteroseptal, lateral oder moderates
SAM
Konventionelle EKG-Kriterien
Major:
Minor:
–
–
–
–
–
–
–
–
Abnorme Q-Zacken ≥ 2 Ableitungen
T-Wellen-Inversion ≥ 2 Ableitungen
LV-Hypertrophiezeichen
Schenkelblock
Linksatriale Vergrößerung (P in V1)
PR-Intervall < 120 ms
Niedervoltage
kleine Q-Zacken ≥ 2 Ableitungen
Europäische EKG-Kriterien
Major:
Minor:
–
–
–
–
–
–
Abnormale Q-Zacken ≥ 2 Ableitungen
T-Wellen-Inversion ≥ 2 Ableitungen
LV-Hypertrophiezeichen
Tiefe S-Zacke in Ableitung V2
Repolarisationsstörungen
Schenkelblock
MWT = myocardial wall thickness; SAM = systolic anterior motion
Hypertrophie, das Alter bei Auftreten der Erkrankung, die
Neigung zu Arrhythmien und die Gesamtprognose. So findet
sich bei TNNT2- und MYBPC3-Mutationen häufig eine
milde Myokardhypertrophie, jedoch sind gerade bei TNNT2
gehäuft Fälle von malignen Rhythmusstörungen beobachtet
worden, was die Prognose im Gegensatz zu MYBPC3-Mutationsträgern verschlechtert [14–17]. Die Mutation Arg663His
im MYH7-Gen führt auffallend häufig zu Vorhofflimmern,
bei Mutationen von TNNI3 und ACTC finden sich oftmals
atypische, unter anderem apikale Myokardhypertrophieformen. Neben diesen Beispielen einer relativ guten Prädiktion des Phänotyps aufgrund der jeweiligen Genmutation ist
die Relation von Genotyp und Phänotyp bei der Mehrzahl der
bekannten Mutationen variabel. Dies führte zu der Vermutung, dass äußere Umweltfaktoren ebenso wie weitere „innere
Faktoren“ einen wichtigen Einfluss auf die Erkrankung nehmen müssen.
Eine mögliche Erklärung für einen außergewöhnlich schweren Krankheitsverlauf könnte die Existenz zweier HCM-Mutationen in einem Gen („double heterozygosity“) bzw. mehrerer Mutationen in verschiedenen HCM-Genen („compound
heterozygosity“) sein. Eine solche Kombination von HCMMutationen, aber auch das Vorliegen von Mutation im homozygoten Status, wurde in verschiedenen HCM-Kollektiven
mit bereits identifizierter Indexmutation in 3–5 % der nachträglich untersuchten Patienten festgestellt [18, 19].
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J KARDIOL 2009; 16 (7–8)
Abbildung 2: Stammbaum einer HCM-Familie mit MYBPC3-Mutation. Die Symbole
bezeichnen das Geschlecht (Quadrat: männlich; Kreis: weiblich), die Diagnose HCM
(schwarz: erkrankt; weiß: gesund) und den genetischen Status („+“ = Nachweis der
Indexmutation; „–“ = Nachweis der Wildtyp-Sequenz). Mod. nach Rottbauer et al.
[13].
Eine wichtige Rolle in der Ausprägung der Erkrankung wird
aber auch dem genetischen Hintergrund bzw. sogenannten
„modifier genes“ zugeschrieben. So kann das Vorhandensein
von Mutationen bzw. Polymorphismen in „Nicht-HCMGenen“ die Ausprägung und den Verlauf einer solchen mit
beeinflussen. Eine besondere Rolle scheint hierbei das ReninAngiotensin-Aldosteron-System (RAAS) zu spielen. So
wurde in unabhängigen Studien an größeren HCM-Kollektiven mit MYBPC3- und MYH7-Mutationen ein Zusammenhang zwischen linksventrikulärer Myokarddicke und dem
„Angiotensin converting enzyme“ (ACE) Genotyp nachgewiesen [20, 21]. Dieser als pro-LVH (pro-LV-Hypertrophie)
bezeichnete Effekt wurde auch für andere Polymorphismen
im RAAS gefunden (unter anderem in Angiotensinogen,
Angiotensin-II-Rezeptor Typ I, Chymase-A und Aldosteronsynthase) [22].
Für die weitere Identifizierung und Aufklärung des Einflusses
von „modifier genes“ stellen genomweite Assoziationsstudien (GWAS) einen neuen, innovativen Ansatz dar. Bei dieser
Technologie wird mithilfe sogenannter SNP-Chips („single
nucleotide polymorphism“) eine parallele Genotypisierung
Genetik der HCM
Tabelle 3: Risikofaktoren für den plötzlichen Herztod HCMErkrankter [4]
Abbildung 3: Chromatogramm einer
DNA-Sequenzierung von MYBPC3.
Nachweis einer heterozygoten SpliceDonor-Mutation von MYBPC3 (IVS24
+ 1G > A) einer HCM-Familie. Der betroffene Patient hat insgesamt eine
benigne Verlaufsform der Erkrankung.
tausender Polymorphismen in Erkrankten und Kontrollindividuen vorgenommen und mittels Bioinformationsmethoden
ausgewertet. Hierdurch kann eine ggf. vorliegende Assoziation eines bestimmten SNP mit der Ausprägung der Erkrankung identifiziert und das relative Risiko für die untersuchten
Parameter bei Trägern dieses SNP im Vergleich zu Kontrollindividuen kalkuliert werden.
„ HCM-imitierende Erkrankungen
Auch bei Erfüllung der nicht-invasiven Diagnosekriterien
einer HCM und Vorliegen eines klassischen Vererbungsmodus innerhalb einer Familie kann durch eine histologische
Diagnostik eine typische HCM unter Umständen ausgeschlossen werden. In diesen Fällen von HCM-imitierenden
Erkrankungen liegt histologisch meist eine Speichererkrankung des Myokards vor. Durch die genetische Aufklärung
dieser Fälle konnten kausale Mutationen unter anderem in der
Gamma 2-Untereinheit der AMP-aktivierten Proteinkinase
(PRKAG2; 7q35-q36), dem „Lysosomal-associated membrane protein-2“ (LAMP2; Xq24) und der alpha-Galaktosidase A (GLA; Xq22) gefunden werden.
Mutationen im LAMP2-Gen verursachen das X-chromosomal dominant oder rezessiv vererbte Danon-Syndrom, welches mit linksventrikulärer Hypertrophie und Leitungsanomalien, insbesondere Präexzitation im Sinne eines WolffParkinson-White-Syndroms, einhergeht. Histologisch ist die
Erkrankung gut von einer HCM zu unterscheiden, jedoch
konnten mehrere retrospektive Untersuchungen an Patienten
mit ursprünglich diagnostizierter HCM das Vorliegen eines
Danon-Syndroms bei 1–4 % der nachträglich genotypisierten
Patienten belegen [23–25].
Mutationen der alpha-Galaktosidase A können zum sogenannten Morbus Fabry führen [26]. Durch einen gestörten
lysosomalen Abbau von Globotriaosylceramiden kommt es
zu Ablagerungen in Herz, Niere, Gefäßsystem, peripheren
Nerven und ZNS. Aufgrund der X-chromosomal rezessiven
Vererbung sind vor allem Männer betroffen. Allerdings erkranken auch Frauen mit einer sehr variablen Krankheitsausprägung, abhängig von der verbleibenden Enzymaktivität.
Die Erstmanifestation besteht nicht selten in einer akuten
Fabry-Krise, welche durch stärkste Schmerzepisoden in Füßen, Händen und oftmals dem gesamten Körper gekennzeichnet ist.
Ferner können Amyloidosen mit kardialer Beteiligung
zu einer ausgeprägten Myokardverdickung führen, wofür
Ablagerungen pathologischer Proteine unterschiedlichen
Major
Minor
– Vorangegangenes Kammerflimmern
– Ventrikuläre Tachykardien
– Familienanamnese für
plötzlichen Herztod
– Synkopen
– MWT ≥ 30 mm
– Blutdruckabfall unter Belastung
– Hochrisiko-Mutation: MYH7
(R403Q, R453C, R719W),
TNNI3 (A157V + S199N),
TNNT2 (R92Q, E160del)
– Vorhofflimmern
– Ausflusstraktobstruktion
– Ausgesprochene sportliche
Betätigung
MWT = myocardial wall thickness
Ursprungs verantwortlich sind. So führen Mutationen im
Transthyretin (TTR) zu Ablagerungen des veränderten Proteins in verschiedenen Geweben und damit zu einer progressiven peripheren und vegetativen Neuropathie, ZNS-Veränderungen, Glaskörperaffektion und Kardiomyopathie [27]. Eine
kombinierte Transplantation der Leber als Quelle des Amyloids und Herzens aufgrund der Organschädigung sind häufig
die letzte Therapieoption.
„ Genetische Diagnostik
Wie dargestellt ist die Mehrzahl der HCM-Fälle auf Mutationen in einem oder mehreren der 19 bekannten Krankheitsgene
zurückzuführen. Eine genetische Diagnosestellung bei HCMPatienten ist daher heute möglich. Die derzeit etablierteste
Methode ist die bidirektionale Gensequenzierung der bekannten HCM-Kandidatengene. Erste kommerzielle Angebote
umfassen definierte „Gene-Panels“ für die Sequenzierung
von HCM-Patienten mit einer erfolgreichen Mutationsdetektion in 55–70 % der Fälle. Dabei betragen die Kosten für
die genetische Diagnostik eines Patienten bei kommerziellen
Anbietern noch mehrere 1000 Euro, was einer klinischen
Routinediagnostik entgegensteht. Bei familiären Fällen mit
bereits identifizierter Indexmutation ist hingegen ein spezifischer und kostengünstiger Nachweis dieser Mutation rational
und empfehlenswert (Beispiel in Abb. 3). Die Kosten bei
kommerziellen Anbietern betragen hierfür ca. 100–200 Euro.
Neben der Diagnosesicherung und dem Ausschluss von
HCM-imitierenden Erkrankungen ist vor allem die Identifikation von Mutationen, die als prognostisch ungünstig bzw.
maligne gelten, von Bedeutung. So wurde für Mutationen in
der „Myosin heavy chain-7“ (R403Q, R453C und R719W),
Troponin-I3 (A157V + S199N) und Troponin-T2 (R92Q,
E160del) ein deutlich erhöhtes Risiko für den plötzlichen
Herztod festgestellt [14, 15, 28]. Bei diesen Fällen mit teilweise rascher Krankheitsprogression scheint es angezeigt, sowohl den Patienten als auch klinisch unauffällige Mutationsträger in der Familie engmaschig durch klinische und echokardiographische Kontrollen zu überwachen. Direkte therapeutische Entscheidungen aufgrund einer genetischen Diagnose, wie zum Beispiel die präventive Implantation eines
Defibrillators, sind derzeit noch nicht evidenzbasiert, sollten
jedoch bei Zusammentreffen mehrerer Risikofaktoren individuell diskutiert werden (Risikofaktoren der HCM siehe
Tab. 3).
J KARDIOL 2009; 16 (7–8)
277
Genetik der HCM
„ Fazit
Die HCM ist eine genetische Herzmuskelerkrankung, bei der
definierte Mutationen die Mehrzahl der Krankheitsfälle erklären können. Daher ist eine genetische Testung von erkrankten
Patienten und erstgradigen Angehörigen sinnvoll. Die Verfahren beruhen hierbei, wie dargestellt, vor allem auf direkten
DNA-Sequenzierungsverfahren der bekannten HCM-Gene
bei bisher genetisch ungesicherter Diagnose und direkter
Sequenzierung des betroffenen Gens/Exons von Familienmitgliedern bei bekannter Indexmutation. Eine weitere Verfeinerung und Verfügbarkeit existierender Testmethoden lässt zukünftig eine genetische Testung aller HCM-Patienten rational
erscheinen. Die Entscheidung zur genetischen Testung von
Patienten und Familienangehörigen und die Mitteilung von
Testergebnissen sollten dabei immer im Rahmen einer
humangenetischen und kardiologischen Beratung stattfinden.
Durch die hohe Heterogenität des jeweiligen Krankheitsverlaufes, unter anderem durch äußere Umwelteinflüsse und
durch „modifier genes“, basiert das klinische Management
trotz nachgewiesener Mutation meist auf einer individuellen
Entscheidung. Bei Nachweis bestimmter Risikomutationen in
den Genen der „Myosin heavy chain-7“, Troponin-I und
Troponin-T muss ein potenziell maligner Verlauf postuliert
werden. Durch weitere Studien zur Aufklärung genetischer
Ursachen und „modifiern“ der HCM und deren Krankheitsverläufen ist eine noch bessere Prädiktion des individuellen
klinischen Verlaufs (Genotyp-Phänotyp-Korrelation) zu erwarten.
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