Genetische Diagnostik bei Hypertropher Kardiomyopathie Was wir uns wünschen Wir wünschen uns, dass es einen oder allenfalls eine überschaubare Anzahl von Mutationen gibt, die diese Erkrankung auslösen. Dabei sollte jede Mutation zu einer bestimmten Form der Kardiomyopathie führen. Die Träger der einzelnen Mutationen könnten zu Gruppen zusammengefasst werden und dann der Verlauf der Erkrankung bei ihnen beschrieben werden. Da die Bestimmung des Gendefektes möglich wäre, könnten wir dann den Betroffenen den Verlauf der Erkrankung einigermaßen genau vorhersagen, könnten bei besonders Gefährdeten Schutzmaßnahmen ergreifen und eine genetische Beratung durchführen. In fernerer Zukunft wäre es vielleicht sogar möglich, spezifische Therapieformen zu entwickeln und so den Betroffenen gezielt zu helfen. Verhältnisse zu erklären: Mutationen, die zu Erkrankungen mit hoher Letalität führen, werden naturgemäß rasch aus einer Population verschwinden, sie werden deshalb auch selten sein. Wahrscheinilch ist auch eine hohe de novo-Mutationsrate. Begünstigt werden Mutationen, die keine vollständige Penetranz haben und so von asymptomatischen Trägern vererbt werden können, oder solche, bei denen ein milder Verlauf oder eine späte Manifestation eine Weitergabe des Gens erlaubt. Auch die Möglichkeit, dass der Krankheitsverlauf durch genetische oder Umweltfaktoren modifiziert wird, kann ein Selektionsvorteil sein2. Das Resultat dieser Selektionsfaktoren ist die verwirrende Vielfalt und Unübersichtlichkeit der Krankheitsverläufe. Was dies in der Praxis bedeutet Die Kenntnis des genetischen Defekts bei der HCM (und anderen genetischen Kardiomyopathien) erWie die Wirklichkeit ist laubt keine Aussage zur Manifestation der ErkranDie ist leider von diesem Wunschbild weit entfernt: kung, ihrem Verlauf, ihrer Morphologie oder Es gibt nicht einige wenige, sondern sehr viele MutaPrognose. Eine Genotypisierung bei Betroffenen ist tionen: Bislang sind es 150 auf 10 verschiedenen nicht sinnvoll. Gene, die meist für Sarkomerproteine kodieren. Wie Vorgeschlagen werden genetische Test für asympkomplex die Verhältnisse bei genetischen Erkrankuntomatische Mitglieder von HCM-Familien1. Zu gen sein können, sei anhand einer Untersuchung zu Ende gedacht, macht ein solches Vorgehen aber Mutationen des Gens für Troponin I geschildert.1 wenig Sinn: Sagen kann man ihnen, dass sie Mutationen des Troponin-I-Gens machten 3,2 % aller möglicherweise im Verlaufe ihres Lebens noch Mutationen in dieser Studie aus; 13 verschiedene Muerkranken, aber nicht wie und mit welcher Progtationen wurden in 23 Familien identifiziert mit 100 nose. Man kann ihnen auch sagen, dass sie mit Trägern, von denen aber nur 48 % erkrankt waren, einer maximal 25 % igen Wahrscheinlchkeit erwährend die anderen asymptomatisch waren. In den krankte Nachkommen haben werden, ohne einen Familien wurde die Diagnose bei betroffenen MitglieHinweis geben zu können, ob dies für sie eine dern von der zweiten bis zur achten Lebensdekade geharmlose Veränderung oder schwere, möglicherstellt, asymptomatische Träger kamen auch in allen weise sogar tödliche Erkrankung sein wird. Altersgruppen vor. D.h. die Erkrankung manifestiert Träger eines Gens haben eine Wahrscheinilchkeit sich in sehr unterschiedlichem Alter. Die kardiale von ca. 50 %, eine HCM zu entwickeln, ohne dass Morphologie konnte bei ein und derselben Mutation man Ausprägung der Erkrankung oder ihren Vervon einer milden Septumhypertrophie über eine apilauf vorhersagen könnte. kale, links- oder biventrikuläre Hypertrophie bis hin zu In der Studie von Morgensen et al. hatte alle Ereiner „dilatativen“ HCM oder einer HCM mit reskrankte, bei denen Komplikationen auftraten, triktiver Funktionsstörung reichen. Asymptomatische Symptome und EKG-Veränderungen. Damit wären Träger konnten erkrankte Kinder habe, die in einigen Kandidaten für eine weitere Diagnostik (EchokarFällen sogar einen Herzstillstand erlitten. diographie) mit einfachen Mitteln zu identifizieren. Weitere Desillusionierung bleibt uns also nicht erspart: Die Kenntnis des Gendefekt hilft nicht weiter, da daZusammenfassung: Zahlreiche Gendefekte sind bei raus weder der Phänotyp noch der Verlauf der Erder HCM molekularbiolgisch charakterisiert worden. krankung vorhergesagt werden kann. Gleiches gilt na- Die Genotyp-Phänotyp-Korrelation ist ausgesprochen türlich auch für die Nachkommen, die Genträger sind. schwach, sodass Aussagen zur Prognose auch bei PerAuch ist eine auf genetischen Techniken basierende sonen mit der gleichen Mutation nicht möglich sind. Therapie nicht in Sicht. So faszinierend die Einblicke in die genetische Eine auf dem Wechselspiel zwischen Mutation und Werkstatt sind, für die tägliche Praxis haben diese Auslese basierende Theorie versucht, die geschilderten Erkenntnisse bislang keine fassbaren Auswirkungen. 1 Morgensen J, Murphy RT, Kubo T, et al. Frequency and clinical expression of cardiac troponin I mutations in 748 consecutive families with hypertrophie cardiomyopathy. J Am Coll Cardiol 2004;44;2315-25 2 MacRae CA, PT Ellinor Genetic screening an risk assessment in hypertrophic cardiomyopathy. J Am Coll Cardiol 2004;44;2326-8